Stromentwendung im deutschen Recht
Definition und allgemeine Einordnung
Stromentwendung bezeichnet im rechtlichen Sinn die unbefugte Entnahme oder Benutzung von Elektrizität zum Nachteil des Berechtigten, typischerweise des Energieversorgers. Das deutsche Recht ordnet die Stromentwendung als eine Form des Diebstahlsähnlichen Verhaltens ein, konkret in § 248c des Strafgesetzbuches (StGB) unter der Überschrift „Entziehung elektrischer Energie“. Anders als beim klassischen Diebstahl, bei dem körperliche Sachen weggenommen werden, handelt es sich bei Elektrizität um einen sogenannten „Nichtkörperlichen Gegenstand“, weswegen der Gesetzgeber einen eigenen Straftatbestand geschaffen hat.
Tatbestand der Stromentwendung (§ 248c StGB)
Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand ist erfüllt, wenn jemand Elektrizität dem Netz unbefugt entzieht oder gebraucht und dem berechtigten Versorger dadurch einen wirtschaftlichen Nachteil zufügt. Typische Handlungen sind beispielsweise
- Manipulationen an Stromzählern
- Umgehung oder Brücken von Messeinrichtungen
- Anzapfen von Leitungen ohne Zustimmung des Energielieferanten
Elektrizität gilt nach ständiger Rechtsprechung nicht als Sache im Sinne des § 242 StGB (Diebstahl), da ihr die Verkörperung fehlt. Die Strafwürdigkeit der unbefugten Stromentnahme erkannte der Gesetzgeber jedoch an, sodass die Vorschrift des § 248c StGB im Jahr 1935 eingeführt wurde.
Subjektiver Tatbestand
Der Täter muss vorsätzlich handeln, das heißt, ihm muss bewusst sein, dass die Entnahme oder Benutzung unbefugt geschieht und dem Berechtigten einen Nachteil zufügt. Eventualvorsatz genügt.
Rechtswidrigkeit und Schuld
Wie bei allen Straftaten müssen die Tat auch rechtswidrig sowie schuldhaft erfolgen. Besteht eine Berechtigung zur Stromnutzung oder liegt ein Irrtum über die Berechtigungsverhältnisse vor, entfällt der Straftatbestand.
Strafandrohung
Gemäß § 248c StGB wird die Stromentwendung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist ebenfalls strafbar.
Strafprozessuale Besonderheiten
Die Verfolgung einer Stromentwendung im Sinne des § 248c StGB erfordert grundsätzlich einen Strafantrag, da es sich um ein sogenanntes absolutes Antragsdelikt handelt. Dies bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden nur auf Antrag des Geschädigten, meist des Energieversorgers, tätig werden.
Ausnahmen bestehen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vorliegt, etwa bei besonders schwerwiegenden oder großflächigen Fällen von Stromentnahme.
Anspruchsgrundlagen im Zivilrecht
Neben strafrechtlichen Konsequenzen bestehen auch zivilrechtliche Ansprüche des Energieversorgers gegenüber dem Stromentzieher. Hierzu zählen insbesondere:
Schadensersatzanspruch
Der Versorger kann den tatsächlich erlittenen wirtschaftlichen Schaden geltend machen. Die Bemessung erfolgt in der Regel anhand des unbefugt verbrauchten Stroms, der entweder durch Hochrechnung oder nach Rückschluss aus Vergleichszeiträumen ermittelt wird.
Anspruch auf Unterlassung
Der Netzbetreiber kann verlangen, dass die unerlaubte Stromentnahme unterlassen wird. Kommt der Täter dem nicht nach, kann dies mittels einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden.
Rückgriff auf weitere Anspruchsgrundlagen
In Betracht kommen u.a. auch Ansprüche auf Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherung gemäß §§ 812 ff. BGB sowie Ansprüche aus Vertragsverletzung, wenn ein bestehendes Vertragsverhältnis durch Manipulation des Zählers beeinträchtigt wurde.
Typische Erscheinungsformen der Stromentwendung
- Manipulationen, Öffnen oder Umgehen von Stromzählern (sog. Zählerdrehen)
- Direkter Anschluss an Stromleitungen ohne Vertrag mit dem Versorger
- Nutzung von Strom in Mietwohnungen nach Kündigung des Versorgungsvertrages
- Öffentliche Entnahme von Strom, etwa an Straßenlaternen oder Baustellenanschlüssen, ohne Zustimmung
Beweisproblematik
In der Praxis gestaltet sich der Nachweis der Stromentwendung oft schwierig. Die Feststellung erfolgt überwiegend durch technische Überprüfung der Messeinrichtungen, etwa durch
- Analyse der Verbrauchsdaten (Verbrauchssprünge, Unregelmäßigkeiten)
- Siegelbrüche oder Manipulationsspuren an Zählern
- Sichtprüfung von Leitungen auf unerlaubte Abzweigungen
Sachverständigengutachten können zur Klärung technischer Sachverhalte notwendig werden.
Sanktionen und weitere Folgen
Neben der strafrechtlichen Ahndung drohen weitere rechtliche Konsequenzen, darunter
- fristlose Kündigung des Stromliefervertrags
- Schadensersatzforderungen des Versorgers
- Veröffentlichung von Zahlungsausfällen in Auskunftsdateien (z. B. SCHUFA)
- Zivilrechtliche Klagen auf Unterlassung und Zahlung
Eine strafrechtliche Verurteilung kann bedeutende Auswirkungen auf die persönliche Zuverlässigkeit in berufsbezogenen Bereichen, etwa beim Führen von Unternehmen oder bei öffentlichen Aufträgen, haben.
Besondere Konstellationen und Abgrenzungen
Stromdiebstahl im Rahmen von Mietverhältnissen
Häufig kommt es innerhalb von Mietobjekten zu Streitigkeiten, wenn beispielsweise eine Partei Strom über den Zähler einer anderen Partei bezieht. Hier sind die Verantwortlichkeiten präzise abzuwägen, wobei zivilrechtliche und strafrechtliche Aspekte unterschiedlich zu behandeln sind.
Irrtümliche Stromentnahme
Liegt ein Irrtum über die Berechtigung zur Stromnutzung vor, insbesondere wenn etwa nach Einzug in eine Wohnung der Versorgungsvertrag noch nicht umgestellt wurde, kann der subjektive Tatbestand entfallen. Das Verschulden kann hier im Einzelfall beurteilt werden.
Verjährung
Die strafrechtliche Verfolgung der Stromentwendung unterliegt gemäß § 78 StGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von fünf Jahren. Zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz verjähren in der Regel nach drei Jahren (§ 195 BGB), jedoch kann die Frist im Einzelfall auch länger sein, insbesondere bei vorsätzlichem Handeln.
Präventionsmaßnahmen und Technik
Zur Verhinderung von Stromentwendung setzen Netzbetreiber und Energieversorger zunehmend auf moderne, digitale Messsysteme, manipulationssichere Zähler sowie datengestützte Analyseverfahren zur Früherkennung von Auffälligkeiten. Neben technischen Maßnahmen sind auch stichprobenartige Kontrollen ein gängiges Mittel.
Internationale Aspekte
Während in Deutschland die Stromentwendung durch § 248c StGB speziell geregelt wird, existieren in anderen Ländern vergleichbare Regelungen, die entweder explizit auf Elektrizität oder auf allgemeine Entnahmen von Energie- oder Versorgungsleistungen abzielen. Bei grenzüberschreitenden Fällen, etwa bei einem Netzbetreiber mit Sitz im Ausland, ist das Internationale Privatrecht zu beachten.
Zusammenfassend handelt es sich bei Stromentwendung um eine rechtswidrige und strafbare Entnahme oder Nutzung elektrischer Energie zum Schaden des Berechtigten. Sie ist in Deutschland explizit durch § 248c StGB strafrechtlich erfasst und zieht weitreichende zivilrechtliche Folgen nach sich. Der technische Fortschritt sowie zunehmende rechtliche und zivilrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten sorgen dafür, die Stromentwendung sowohl zu verhindern als auch effektiv zu verfolgen.
Häufig gestellte Fragen
Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei Stromentwendung?
Stromentwendung stellt in Deutschland eine Straftat dar und ist nach § 248c Strafgesetzbuch (StGB) explizit geregelt. Wer vorsätzlich Strom entnimmt, ohne dass eine ordnungsgemäße Abrechnung oder Autorisierung vorliegt, macht sich demnach strafbar. Die typischen Strafandrohungen reichen von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren, wobei die tatsächliche Sanktion je nach Schwere des Falls, Schadenshöhe sowie etwaiger Vorstrafen variieren kann. Zu beachten ist, dass bereits der Versuch der Stromentwendung strafbar ist. In besonders schweren Fällen, etwa wenn die Tat gewerbsmäßig oder in großem Umfang begangen wurde, drohen verschärfte Strafmaße. Neben der strafrechtlichen Verfolgung kann das Handeln auch zivilrechtliche Schadensersatzforderungen und eine außerordentliche Kündigung des Stromliefervertrags nach sich ziehen.
Wie verläuft das Ermittlungsverfahren bei Verdacht auf Stromentwendung?
Ergeben sich konkrete Anhaltspunkte für eine Stromdiebstahlhandlung, wird in der Regel ein Ermittlungsverfahren durch die Polizei oder Staatsanwaltschaft eingeleitet. Zumeist erfolgt die Anzeige durch den jeweiligen Stromversorger, der etwa durch ungewöhnliche Verbrauchsdifferenzen, Manipulationen am Zähler oder gezielte Kontrollen auf die Tat aufmerksam wird. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens können Durchsuchungen, Beschlagnahmungen sowie die Sicherstellung manipulierter Geräte angeordnet werden. Die Ermittlungsbehörden werten Beweise, wie etwa Dokumentationsfotos, Gutachten oder Aussageprotokolle, aus. Im Anschluss entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob Anklage erhoben wird oder das Verfahren, etwa mangels hinreichenden Tatverdachts, eingestellt wird. Im Falle einer Anklage folgt die strafrechtliche Hauptverhandlung vor Gericht.
Welche Rolle spielt die Beweisführung in Stromentwendungsfällen?
Die Beweisführung bei Stromentwendung ist entscheidend für den Ausgang strafrechtlicher und zivilrechtlicher Verfahren. Zentrale Beweismittel sind insbesondere technische Gutachten zu manipulierten Messeinrichtungen, Dokumentationsfotos von Zählern und Installationen sowie schriftliche Erklärungen von Zeugen, beispielsweise von Mitarbeitern des Energieversorgers. Im Rahmen des Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens muss nachgewiesen werden, dass eine Manipulation tatsächlich vorgenommen wurde und der Tatverdächtige entweder direkt oder zumindest mittelbar dafür verantwortlich war. Die Beweislast liegt grundsätzlich bei der Staatsanwaltschaft beziehungsweise dem anzeigenden Energieversorgungsunternehmen. Indizien wie unübliche Verbrauchsdifferenzen oder Spuren an Plomben und Zählern können ausreichen, sofern sie schlüssig und nachvollziehbar dargelegt werden.
Ist der Versuch der Stromentwendung ebenfalls strafbar?
Ja, gemäß § 248c StGB ist nicht nur die vollendete, sondern auch die versuchte Stromentwendung strafbar. Das bedeutet, dass bereits der Versuch, durch Manipulation an Stromzählern oder durch Umgehung der Messeinrichtung Strom zu beziehen, als Straftat eingestuft wird, selbst wenn noch kein tatsächlicher Stromverbrauch erfolgt ist. Der Tatbestand des Versuchs ist erfüllt, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat mit der Ausführung beginnt. Auch der Versuch unterliegt strafrechtlichen Konsequenzen, wobei das Strafmaß in der Regel milder sein kann als bei vollendeter Tat. Die konkreten Umstände beeinflussen jedoch maßgeblich die Bewertung durch das Gericht.
Welche zivilrechtlichen Folgen können sich aus Stromentwendung ergeben?
Neben strafrechtlichen Sanktionen drohen bei Stromentwendung auch erhebliche zivilrechtliche Konsequenzen. Zuallererst kann der Energieversorger einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des illegal entnommenen Stroms geltend machen. Die Höhe des Schadensersatzes bemisst sich in der Regel nach dem entstandenen wirtschaftlichen Schaden, der durch technische Ermittlungen und Verbrauchsanalysen bestimmt wird. Weiterhin kann der Netzbetreiber, sofern ein besonderer Grund vorliegt, wie etwa nachhaltige Störung des Vertragsverhältnisses durch die Straftat, den Stromliefervertrag außerordentlich und fristlos kündigen. Der Kunde muss dann mit sofortiger Einstellung der Stromversorgung rechnen und wird häufig in eine sogenannte „Sperrliste“ aufgenommen, was den Abschluss künftiger Energieversorgungsverträge erheblich erschweren kann.
Wann verjährt der Tatbestand der Stromentwendung?
Die Verjährung bei Stromentwendung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Strafgesetzbuches. Für diese Straftat gilt eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Tatbegehung (§ 78 Absatz 3 Nr. 4 StGB). Innerhalb dieses Zeitraums kann die Tat strafrechtlich verfolgt werden. Die Frist kann durch bestimmte Maßnahmen, wie beispielsweise die Aufnahme von Ermittlungen, unterbrochen werden, was zur Verlängerung des Zeitraums führen kann, in dem eine Strafverfolgung möglich ist. Zu beachten ist, dass zivilrechtliche Ansprüche aus der Stromentwendung anderen Verjährungsregeln unterliegen können, meist gemäß § 195 BGB innerhalb von drei Jahren.
Ist eine außergerichtliche Einigung im Fall einer Stromentwendung möglich?
Grundsätzlich besteht, wie bei anderen Straftaten auch, die Möglichkeit einer außergerichtlichen Einigung, etwa indem sich der Beschuldigte mit dem Energieversorger auf die Zahlung eines Schadensersatzbetrags einigt und gegebenenfalls den verursachten Schaden wiedergutmacht. Dies kann unter Umständen zum Rückzug der Strafanzeige oder zu einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft gegen Auflagen führen (§ 153a StPO). Ob eine solche Einigung erreicht werden kann, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles, dem Umfang der Stromentwendung sowie der Kooperationsbereitschaft beider Parteien ab. Im zivilrechtlichen Bereich empfiehlt sich zur Streitvermeidung ebenfalls eine schnelle Lösung, um gerichtliche Auseinandersetzungen und etwaige Kosten zu vermeiden.