Definition und Bedeutung der Streupflicht
Die Streupflicht ist eine Verkehrssicherungspflicht, die insbesondere während der Wintermonate von Bedeutung ist. Sie verpflichtet dazu, bei Eisglätte, Schneefall oder Reif auf öffentlichen und privaten Wegen durch das Streuen geeigneter Materialien für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer zu sorgen. Ziel der Streupflicht ist es, Unfälle zu verhindern und Schäden durch ausrutschende Personen oder Fahrzeuge zu vermeiden.
Rechtsgrundlagen der Streupflicht
Gesetzliche Regelungen
Die gesetzlichen Grundlagen der Streupflicht sind in Deutschland nicht bundeseinheitlich festgelegt. Sie ergeben sich aus einer Vielzahl von Rechtsquellen:
- Landesgesetze und kommunale Satzungen: Die Bundesländer und Gemeinden regeln im Rahmen des Straßen- und Wegegesetzes sowie über Straßenreinigungssatzungen die Einzelheiten zur Räum- und Streupflicht.
- § 823 und § 836 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Nach dem allgemeinen Haftungsrecht ist jeder Eigentümer oder Besitzer verpflichtet, zumutbare Maßnahmen zu ergreifen, um Gefahrenquellen abzuwehren.
- Straßenverkehrsgesetz (StVG) und Straßenreinigungsgesetze: In einigen Bundesländern finden sich detaillierte Vorgaben.
Übertragung der Streupflicht
Die Streupflicht obliegt grundsätzlich dem Träger der Straßenbaulast, in der Regel den Gemeinden im Ortsbereich und dem Land oder Straßenbaulastträger außerhalb geschlossener Ortschaften. Häufig übertragen Gemeinden mittels Satzung die Streupflicht für Gehwege auf die Eigentümer oder Besitzer der angrenzenden Grundstücke.
Vertragliche Übertragung und Delegation
Eigentümer können die ihnen obliegende Streupflicht vertraglich auf Dritte, beispielsweise Mieter oder Hausverwaltungen, übertragen. Dabei bleibt der ursprüngliche Pflichtige jedoch auch in der Verantwortung, die ordnungsgemäße Erfüllung zu kontrollieren.
Umfang und Grenzen der Streupflicht
Zeitlicher Umfang
Die Streupflicht gilt üblicherweise an Werktagen in der Zeit von etwa 7:00 bis 20:00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen ab 8:00 Uhr. Die konkreten Zeiten richten sich nach den Vorgaben der örtlichen Satzung.
Erforderliche Maßnahmen
Zur Erfüllung der Streupflicht sind geeignete Materialien wie Sand, Splitt oder abstumpfende Streumittel zu verwenden. Bei extremer Witterung (anhaltender Schneefall, Eisregen) ist unverzügliches Handeln erforderlich, die Maßnahmen müssen jedoch verhältnismäßig und zumutbar sein.
Beschränkungen
Die Streupflicht besteht nicht uneingeschränkt. Wenn eine Glättebildung trotz sorgfältigen Bemühens nicht verhindert werden kann (beispielsweise bei plötzlich einsetzendem Blitzeis), liegt keine Verletzung der Pflicht vor. Zudem ist die Pflicht auf zumutbare Maßnahmen begrenzt.
Haftung bei Verletzung der Streupflicht
Verschuldensunabhängige und verschuldensabhängige Haftung
Grundsätzlich haftet der Verantwortliche für Schäden, die auf einer Pflichtverletzung beruhen. Die Haftung setzt voraus, dass
- eine Pflichtverletzung vorlag,
- ein Schaden entstanden ist,
- ein Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden besteht.
Bei Übertragung der Streupflicht auf Dritte bleibt der ursprüngliche Verpflichtete jedenfalls aus Überwachungspflichten haftbar. Die Haftung erstreckt sich auf Sach- und Personenschäden.
Mitverschulden und Haftungsausschluss
Ein Mitverschulden des Geschädigten – etwa wenn dieser erkennbar glatte Wege betritt oder sich unangemessen verhält – kann die Haftung reduzieren oder ausschließen. Ebenso können unvermeidbare Naturereignisse die Haftungsverantwortung mindern.
Streupflicht im Mietrecht
Übertragung auf Mieter
Im Mietrecht kann die Streupflicht per Vereinbarung im Mietvertrag auf die Mieter delegiert werden, häufig in Mehrfamilienhäusern durch einen Reinigungs- und Winterdienstplan. Solche Übertragungen sind wirksam, wenn sie klar und verständlich geregelt werden. Trotzdem bleibt der Eigentümer für die Kontrolle verantwortlich.
Sanktionen und Rechtsfolgen bei Verstößen
Zivilrechtliche Ansprüche
Bei Verstößen drohen zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld der Geschädigten. Im Fall der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ist regelmäßig auch die Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung betroffen.
Ordnungswidrigkeiten und Bußgelder
Verstöße gegen die kommunalen Satzungen über die Streupflicht können als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden und Bußgelder nach sich ziehen. Die Höhe richtet sich nach Landes- und Kommunalrecht.
Streupflicht in der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an Umfang und Zumutbarkeit der Streupflicht in zahlreichen Urteilen konkretisiert. Hierzu zählen beispielsweise Urteile des Bundesgerichtshofs, die die Grenzen der Pflicht bei außergewöhnlichen Witterungsbedingungen oder beim Mitverschulden des Geschädigten abgesteckt haben.
Zusammenfassung
Die Streupflicht ist ein zentrales Element der Verkehrssicherungspflicht in Deutschland und schützt die Allgemeinheit vor witterungsbedingten Gefahren auf Wegen und Straßen. Sie ist im Wesentlichen durch Landesrecht und kommunale Satzungen geregelt, wird jedoch durch bundesrechtliche Haftungsnormen und die Rechtsprechung konkretisiert. Die Erfüllung der Streupflicht verlangt zumutbare Maßnahmen und eine angemessene Risikovorsorge, wobei Art und Umfang im Einzelfall zu prüfen sind. Verstöße gegen die Streupflicht führen zu Schadensersatzansprüchen und können ordnungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist nach deutschem Recht für die Streupflicht verantwortlich?
Die Verantwortung für die Streupflicht richtet sich in Deutschland grundsätzlich nach dem jeweiligen Straßen- und Wegegesetz des Bundeslandes und den örtlichen Gemeindesatzungen. In der Regel liegt die Streupflicht zunächst bei den Gemeinden, diese übertragen die Pflicht zur Sicherung der Gehwege jedoch nahezu immer durch Ortssatzung auf die Eigentümer:innen der anliegenden Grundstücke. In Mehrparteienhäusern folgt daraus meistens eine vertragliche Regelung (Hausordnung oder Mietvertrag), die den Pflichtenkreis weiter eingrenzt; bleibt diese aus, bleibt der Eigentümer in der Haftung. Bei vermieteten Objekten kann die Pflicht auch auf Mieter übertragen werden, entbindet den Eigentümer aber nicht automatisiert von der rechtlichen Gesamtverantwortung. Die jeweiligen Regelungen sind insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 823 BGB – Verkehrssicherungspflicht) sowie in den Straßen- und Wegegesetzen der Bundesländer verankert. Sonderfälle, wie öffentliche Plätze, Firmen- oder Parkflächen, unterliegen speziellen Regelungen oder gesonderten Anordnungen der zuständigen Behörde.
Zu welchen Uhrzeiten muss der Winterdienst (also auch das Streuen) erbracht werden?
Das Straßen- und Wegegesetz der einzelnen Länder schreibt keine bundeseinheitlichen Zeiten für die Durchführung der Streupflicht vor, sondern sieht vor allem in Satzungen der Städte und Gemeinden konkrete Zeitrahmen vor. Üblicherweise gilt werktags eine Pflicht von etwa 7:00 bis 20:00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ab ca. 8:00 oder 9:00 Uhr bis 20:00 Uhr. Während dieser Zeiten muss bei winterlicher Glätte für sichere Begehbarkeit gesorgt werden. Streu- und Räumpflichten sind unverzüglich nach Eintritt der Glätte wahrzunehmen, oftmals bereits vor Beginn des morgendlichen Fußgängerverkehrs. Es besteht keine Pflicht, nachts durchgehend zu streuen; glatteisverursachende Situationen müssen jedoch morgens umgehend und gegebenenfalls auch wiederholt während des Tages behoben werden, falls erneut Glätte entsteht.
Welche Flächen umfasst die Streupflicht rechtlich gesehen?
Die Streupflicht umfasst in erster Linie die dem öffentlichen Fußgängerverkehr dienenden Gehwege entlang der anliegenden Grundstücke, ebenso wie Zugänge zu Mülltonnenplätzen, Garagen, Zuwege zu den Hauseingängen und gegebenenfalls auch anliegende Bushaltebuchten. Die Breite des zu räumenden Gehwegstreifens richtet sich nach den örtlichen Vorschriften; häufig werden 1 bis 1,50 Meter als ausreichend angesehen, um zwei Personen die problemlose Begegnung zu ermöglichen. Öffentliche Straßenfahrbahnen hingegen werden in der Regel von der Gemeinde oder Stadt gereinigt, sofern keine explizite Übertragung auf Anlieger erfolgt. Garagenzufahrten oder privates Grundstücksareal unterliegen keiner öffentlichen Streupflicht, allerdings kann eine zivilrechtliche Verkehrssicherungspflicht bestehen, um Nutzer:innen vor Schaden zu bewahren.
Was geschieht bei Nichterfüllung der Streupflicht?
Wenn der Streupflichtige seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, drohen zivilrechtliche und unter Umständen ordnungsbehördliche Konsequenzen. Bei Unfällen, die ursächlich auf eine versäumte Streu- oder Räumpflicht zurückzuführen sind, haftet der Verantwortliche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld (§ 823 BGB). Die Haftung kann sich sowohl auf Personenschäden als auch auf Sachschäden erstrecken. Darüber hinaus können Bußgelder durch das Ordnungsamt verhängt werden, deren Höhe von den kommunalen Satzungen abhängt. Bei wiederholten oder schwerwiegenden Pflichtverletzungen drohen deutlich höhere Strafen. Besonders im Fall von Mietern, die durch vertragliche Abwälzung zuständig sind, kann auch der Vermieter belangt werden, wenn er seine Überwachungspflicht missachtet.
Muss ein Ersatz beauftragt werden, wenn man verhindert ist?
Kann der Verpflichtete seiner Streu- und Räumpflicht beispielsweise wegen Krankheit, Urlaub oder beruflicher Abwesenheit nicht persönlich nachkommen, ist er rechtlich verpflichtet, eine geeignete Vertretung zu organisieren. Wird dieser Pflicht nicht entsprochen, haftet er im Schadensfall dennoch vollumfänglich. Dies betrifft nicht nur Privatpersonen sowie Eigentümer, sondern auch Unternehmen, Hausverwaltungen und andere Pflichtenträger. Die Auswahl der Vertretung muss den Anforderungen an Sorgfalt und Zuverlässigkeit genügen; gegebenenfalls muss auch die Einweisung in die örtlichen Gegebenheiten gesichert sein. Ein einfacher Aushang oder Hinweis (wie etwa „Wegen Urlaubs kein Winterdienst“) entbindet nicht von der Haftung.
Welche Streumittel sind rechtlich zulässig und gefordert?
Das deutsche Recht folgt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Streumittel wie Splitt, Sand oder Granulat sind in vielen Kommunen ausdrücklich vorgeschrieben, insbesondere zum Schutz der Umwelt. Der Einsatz von Streusalz ist häufig durch kommunale Satzungen eingeschränkt oder nur in besonders gefährlichen oder steilen Bereichen erlaubt, da Tausalz erhebliche Umweltschäden verursachen kann. Wer entgegen bestehender Verordnungen dennoch Streusalz verwendet, riskiert ein Bußgeld. Die jeweiligen Regelungen müssen in der jeweils gültigen Ortssatzung nachgelesen werden; festgelegt werden gegebenenfalls auch Art und Menge des auszubringenden Materials sowie die Pflicht zur Beseitigung nach Beendigung der Frostperiode.
Gibt es Ausnahmen von der Streupflicht?
Die Streupflicht ist grundsätzlich flächendeckend vorgesehen, es existieren jedoch Ausnahmen und besondere Härtefälle. Unzumutbare Umstände – etwa aufgrund von extremen Witterungsbedingungen (anhaltender Schneesturm, Blitzeis) – können dazu führen, dass nicht jeder Unfall verhindert werden kann. Nach der aktuellen Rechtsprechung ist die Verkehrssicherungspflicht dann auf das nach Lage der Dinge Zumutbare beschränkt. Im Zweifel ist der Pflichtige jedoch angehalten, alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen und gegebenenfalls die Behörden zu informieren, sollte die sachgemäße Erfüllung vollkommen unmöglich sein. In der Praxis entbinden Naturkatastrophen oder unmittelbare Gefahrenlagen regelmäßig von den üblicherweise geltenden Regelungen, aber die Beweislast liegt beim Pflichtigen.