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Streubesitz


Begriff und Definition des Streubesitzes

Streubesitz bezeichnet im Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht jenen Teil der Aktien oder Anteile an einem Unternehmen, der sich nicht in festen Händen befindet. Er umfasst demnach jene Wertpapiere, die weder von Großaktionären noch von institutionellen Investoren gehalten werden, sondern breit gestreut auf zahlreiche Aktionäre verteilt sind. Die Aktien im Streubesitz bilden somit keinen zusammenhängenden Einflussblock, sondern werden typischerweise von privaten Kleinanlegern, manchmal auch von Finanzinvestoren mit geringen Beteiligungsquoten, gehalten.

Abgrenzung zu festen Beteiligungen

Der Streubesitz grenzt sich klar gegenüber kontrollierenden oder strategischen Beteiligungen ab. Anteilseigner, die über eine signifikante Stimmenanzahl verfügen oder ein besonderes wirtschaftliches Interesse an der Gesellschaft verfolgen, werden in der Regel nicht zum Streubesitz gerechnet. Die Definition, welche Aktienanteile konkret als Streubesitz einzustufen sind, hängt häufig von der jeweiligen Rechtsordnung und den Regelwerken der Börse ab.

Streubesitz aus rechtlicher Sicht

Aktienrechtliche Bedeutung des Streubesitzes

Im deutschen Aktienrecht existiert keine direkte Definition des Begriffs Streubesitz. Seine rechtliche Relevanz ergibt sich jedoch aus mehreren Bestimmungen des Aktiengesetzes (AktG) und dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Der Streubesitz spielt insbesondere eine Rolle im Zusammenhang mit Mitteilungspflichten, Veröffentlichungspflichten und der Zusammensetzung der Hauptversammlung.

Mitteilungspflichten nach § 21 WpHG

Das Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet Aktionäre dazu, das Überschreiten oder Unterschreiten bestimmter Beteiligungsschwellen der Gesellschaft zu melden. Aktionäre mit Streubesitzanteilen, die unterhalb der relevanten Schwellen (3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 oder 75 Prozent) liegen, sind von der Meldepflicht im Regelfall nicht betroffen. Sobald der Anteil jedoch eine gesetzlich definierte Schwelle überschreitet, entstehen Mitteilungspflichten, die dem Ziel dienen, Transparenz über die Eigentümerstruktur der Gesellschaft zu schaffen.

Kapitalmarktrechtliche Regelungen zum Streubesitz

Die Börsenordnung und die einschlägigen kapitalmarktrechtlichen Vorschriften behandeln den Streubesitz mit Blick auf die Liquidität eines Wertpapiers und die Zulassung zum Handel an der Börse.

Mindeststreubesitzquoten für Börsensegmente

Für die Zulassung von Aktien in den regulierten Marktsegmenten besteht oft eine Mindestanforderung an den Streubesitz. In Deutschland etwa schreibt die Frankfurter Wertpapierbörse für eine Zulassung zum Prime Standard einen Streubesitz (Free Float) von mindestens 25 Prozent vor. Dies dient der Sicherstellung ausreichender Handelsliquidität und der Attraktivität der Aktie für den Handel.

Definition des Free Float

Die exakte Bestimmung, was als Streubesitz (international oft „Free Float“ genannt) gilt, richtet sich nach den Regularien der jeweiligen Börse. Festgelegte Schwellenwerte definieren, ab wann größere Beteiligungen keine Berücksichtigung im Streubesitz mehr finden, häufig bei Beteiligungen über 5 Prozent. Auch eigene Aktien der Gesellschaft werden grundsätzlich nicht zum Streubesitz gezählt.

Bedeutung bei Übernahmeangeboten

Der Streubesitz hat eine wesentliche Rolle bei öffentlichen Übernahmeangeboten. Gemäß Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) kann eine Übernahme dann als erfolgreich angesehen werden, wenn ein Erwerber einen bestimmten Prozentsatz der Aktien erwirbt und somit Kontrolle erlangt. Der verbleibende Streubesitz ist in diesem Zusammenhang maßgeblich, da nach einem erfolgreichen Übernahmeangebot die Börsennotierung häufig aufgehoben (Delisting) wird oder ein Squeeze-out zugunsten des Hauptaktionärs durchgeführt werden kann.

Squeeze-out und Streubesitz

Kommt es zu einem Squeeze-out gemäß § 327a AktG, können Aktionäre mit Streubesitz gegen eine angemessene Barabfindung aus der Gesellschaft gedrängt werden, wenn ein Hauptaktionär mindestens 95 Prozent des Grundkapitals hält. Damit endet auch die Möglichkeit der Streubesitzaktionäre, sich an der Hauptversammlung oder an Unternehmensentscheidungen zu beteiligen.

Steuerrechtliche Aspekte des Streubesitzes

Besteuerung von Streubesitzdividenden

Ein steuerlicher Sonderfall besteht bei der Besteuerung von Dividenden aus Streubesitzanteilen. Hat eine Körperschaft Anteile an einer anderen Gesellschaft und beträgt ihre Beteiligung weniger als 10 Prozent, so gelten die vereinnahmten Dividenden als so genannte Streubesitzdividenden, die nach § 8b Absatz 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) nicht steuerfrei gestellt werden, sondern der Körperschaftsteuer unterliegen. Diese Regelung soll die missbräuchliche Nutzung der Steuerfreiheit von Dividenden verhindern.

Entsprechende Anwendung im internationalen Steuerrecht

Auch im internationalen Kontext kann die Einordnung als Streubesitz Auswirkungen auf Quellensteuern und Doppelbesteuerungsabkommen haben. Maßgeblich ist jeweils der Anteil, den die jeweilige Körperschaft an der anderen Gesellschaft hält.

Bedeutung des Streubesitzes für Gesellschaftsrecht und Unternehmensführung

Einfluss auf die Unternehmensführung

Der Streubesitz hat unmittelbar Einfluss auf die Machtverhältnisse in der Hauptversammlung. Aufgrund der breiten Streuung der Aktien ist es für einzelne Streubesitzaktionäre regelmäßig schwer, Einfluss auf die Gesellschaftsführung zu nehmen. Entscheidungen werden maßgeblich von Großaktionären und strategischen Investoren gelenkt.

Corporate Governance und Streubesitz

Der hohe Anteil von Streubesitz kann gleichwohl positive Effekte auf die Corporate Governance haben, da Unternehmen mit breit gestreutem Aktionariat verstärkt Transparenz, Investor Relations und Kommunikationsmaßnahmen pflegen müssen. Dies kann einen positiven Effekt auf die Unternehmensführung und die Außenwirkung eines Unternehmens haben.

Auswirkungen auf Kapitalbeschaffung und Börsenkurs

Ein hoher Streubesitz wird von Börse und Investoren regelmäßig als Zeichen für eine hohe Liquidität der Aktie gewertet. Dadurch sind Unternehmen mit hohem Streubesitz besser in der Lage, Eigenkapital am Kapitalmarkt aufzunehmen. Gleichzeitig gilt: Je geringer der Streubesitz, desto weniger Aktien stehen für den Handel zur Verfügung, was zu einer erhöhten Volatilität und Schwierigkeiten bei der Kursfeststellung führen kann.

Zusammenfassung

Streubesitz im rechtlichen Kontext umfasst sämtliche Aktien oder Anteile an einer Gesellschaft, die sich nicht in festen Händen von Großinvestoren oder der Gesellschaft selbst befinden. Die rechtlichen Grundlagen und die praktische Bedeutung des Streubesitzes sind vielfältig: Sie reichen von kapitalmarkt- und aktienrechtlichen Regelungen über steuerliche Besonderheiten bis hin zu gesellschaftlichen Einflussmöglichkeiten und kapitalmarktbezogenen Überlegungen. Der Streubesitz ist daher ein elementarer Bestandteil des Gesellschaftsrechts und spielt für die Struktur und Funktionsweise börsennotierter Unternehmen eine entscheidende Rolle.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen für die Offenlegung von Streubesitz bei börsennotierten Gesellschaften?

Die rechtlichen Anforderungen zur Offenlegung des Streubesitzes bei börsennotierten Gesellschaften sind in verschiedenen Vorschriften geregelt, insbesondere im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), im Aktiengesetz (AktG) sowie ergänzend in EU-rechtlichen Vorgaben wie der Transparenzrichtlinie. Emittenten, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, sind verpflichtet, relevante Stimmrechtsmitteilungen sowie Veränderungen in der Aktionärsstruktur offenzulegen, sobald bestimmte Schwellenwerte (§ 33 WpHG, z.B. 3 %, 5 %, 10 % usw.) über- oder unterschritten werden. Hierbei spielt der Streubesitz eine zentrale Rolle, da insbesondere institutionelle und größere Aktionäre diesen beeinflussen können. Der Streubesitz selbst – also der Anteil der Aktien, der im Umlauf ist und nicht von Großaktionären, dem Unternehmen selbst oder nahestehenden Personen gehalten wird – muss im Rahmen der Investor-Relations-Berichterstattung und häufig auch auf Basis börsenseitiger Regularien regelmäßig aktualisiert und offengelegt werden. Börsen können hierzu eigene Vorgaben definieren, beispielsweise für die Indizes-Zugehörigkeit im Prime Standard (Frankfurter Wertpapierbörse), bei denen häufig ein Mindeststreubesitz verlangt und zugleich dessen Zusammensetzung offen dargelegt werden muss. Die Einhaltung dieser Informationspflichten wird von der BaFin überwacht und Verstöße können empfindliche Sanktionen zur Folge haben.

Welche Bedeutung hat der Streubesitz im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG)?

Im Kontext von öffentlichen Übernahmeangeboten nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) spielt der Streubesitz eine bedeutende Rolle, da das Übernahmeangebot typischerweise auf die frei verfügbaren Aktien des Unternehmens abzielt, also auf den Streubesitz. Die rechtlichen Vorgaben sehen vor, dass der Bieter in seinem Angebot transparent offenlegen muss, zu welchen Konditionen der Streubesitz bedient werden soll, und welche Aktien bereits von anderen Aktionären (z.B. Großaktionären, konzernverbundenen Gesellschaften) gehalten werden. Relevant ist hierbei zudem die sogenannte Mindestannahmeschwelle: Für einen erfolgreichen Kontrollwechsel im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG muss der Bieter sämtliche sich im Streubesitz befindlichen Aktien adressieren, um ggf. die notwendige Mehrheit zu erlangen. Gleichzeitig kommen bei Konzernbildungen oder Squeeze-outs auch besondere gesetzliche Schutzbestimmungen zum Tragen, die speziell für Minderheits- bzw. Streubesitzaktionäre entwickelt wurden und sicherstellen, dass deren Rechte im Übernahmeprozess gewahrt bleiben. So sind etwa im Rahmen eines Squeeze-outs strenge Anforderungen an das Bewertungsverfahren und die gebotene Abfindung zu stellen, damit die Interessen der Streubesitzaktionäre nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden.

Wie beeinflusst der Streubesitz die Stimmrechtsausübung auf Hauptversammlungen rechtlich?

Rechtlich betrachtet sind sämtliche Aktionäre – unabhängig davon, ob sie dem Streubesitz zuzurechnen sind – grundsätzlich gleichgestellt und verfügen entsprechend ihrer Aktienanzahl über Stimmrechte auf der Hauptversammlung. Der Streubesitz hat dabei eine besondere Bedeutung für die Willensbildung, da die aus ihm resultierenden Stimmen oftmals das Zünglein an der Waage sind, wenn keine dominierenden Mehrheitsaktionäre bestehen. Nach §§ 118 ff. AktG werden alle Stimmrechte nach dem sogenannten „one share, one vote“-Prinzip gewährt, wobei dem Streubesitz keine Sonderrechte zukommen. Rechtliche Komplexität ergibt sich insbesondere hinsichtlich der Einberufung und Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen: Streubesitzaktionäre können zusammen ab einer bestimmten Mindestquote bestimmte Rechte ausüben (z.B. Sonderprüfungen nach § 142 AktG verlangen, Ergänzungsanträge zur Tagesordnung nach § 122 Abs. 2 AktG stellen oder Sammelklagen einreichen). Auch sind die Schutzvorschriften für Minderheitsrechte darauf ausgelegt, die Position von Streubesitzaktionären im Entscheidungsprozess abzusichern, etwa durch qualifizierte Mehrheiten bei Strukturentscheidungen (z.B. Satzungsänderungen, Kapitalmaßnahmen).

Welche rechtlichen Folgen hat eine Änderung im Streubesitz für Pflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz?

Rechtsfolgen einer Änderung im Streubesitz können insbesondere Meldepflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) auslösen. Sobald Investoren bestimmte Schwellenwerte an Stimmrechten (beginnend bei 3 %, dann stufenweise höher) überschreiten oder unterschreiten, sind sie verpflichtet, dies unverzüglich der Gesellschaft und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitzuteilen (§§ 33 ff. WpHG). Diese Pflicht betrifft insbesondere Aktien, die bislang dem Streubesitz zugeordnet waren und durch Kauf, Verkauf oder anderweitige Übertragung einen Wechsel des Eigentümers erfahren. Die Gesellschaft wiederum muss diese Meldungen innerhalb von drei Handelstagen veröffentlichen. Verstöße gegen Meldepflichten können Bußgelder, Ordnungsgelder und je nach Ausmaß der Pflichtverletzung auch den Verlust von Stimmrechten nach sich ziehen (§ 44 WpHG). Zudem beeinflussen Änderungen im Streubesitz auch die Berechnung von Indexzugehörigkeiten und können regulatorische Folgepflichten auf Börsenebene mit sich bringen.

Welche Bedeutung hat der Streubesitz für die Zulassung und das Listing an einer Wertpapierbörse aus rechtlicher Sicht?

Für die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt, insbesondere an den großen Börsenplätzen wie der Frankfurter Wertpapierbörse, sind bestimmte rechtliche Mindestanforderungen an den Streubesitz vorgeschrieben. Diese sind meist in den jeweiligen Börsenordnungen geregelt, beispielsweise verlangt der Prime Standard der Deutschen Börse einen Mindeststreubesitz von 25 %. Hintergrund ist die Erhöhung der Liquidität und der öffentlichen Handelbarkeit, was von regulatorischer Seite als Voraussetzung für einen fairen und transparenten Markt angesehen wird. Das Unternehmen hat nachzuweisen, dass ein ausreichender Streubesitz zum Börsenstart vorhanden ist und muss diesen bei späteren Kapitalmaßnahmen oder bedeutenden Veränderungen im Aktionariat überwachen und melden. Kommt die Gesellschaft den Anforderungen des Streubesitzes nicht mehr nach, kann die Börse Sanktionen verhängen, die bis zur Androhung des Delistings reichen (§ 39 BörsG). Ferner sind diese Streubesitz-Kriterien auch für die Aufnahme in bedeutende Börsenindizes (DAX, MDAX, SDAX) rechtlich relevant, was wiederum Folgepflichten beim Reporting und im Corporate Governance Bereich nach sich zieht.

Welche rechtlichen Schutzmechanismen bestehen für Streubesitzaktionäre im Falle von Strukturmaßnahmen wie Squeeze-out oder Delisting?

Bei bedeutenden Strukturmaßnahmen wie Squeeze-out oder Delisting bestehen im deutschen Recht umfassende Schutzmechanismen zugunsten der Streubesitzaktionäre. Der Squeeze-out (§§ 327a ff. AktG) erlaubt einem Hauptaktionär mit mindestens 95 % der Anteile, die Übertragung der restlichen Aktien gegen eine angemessene Barabfindung zu erzwingen. Hierzu sind umfangreiche Informations-, Bewertungs- und Berichtspflichten einzuhalten, wobei der auszuzahlende Abfindungsbetrag in einem gerichtlichen Spruchverfahren überprüft werden kann. Beim Delisting (Rückzug von der Börse) schützt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Streubesitzaktionäre durch die Pflicht zur Abgabe eines Pflichtangebots an alle außenstehenden Aktionäre – in der Regel zu einem angemessenen Kurs, der dem gewichteten Durchschnittskurs entspricht. Beide Maßnahmen unterliegen strengen Verfahrensvorgaben, um Minderheitenschutz, Transparenz und Überprüfbarkeit zu gewährleisten; entsprechende Verstöße können zu gerichtlichen Anfechtungsverfahren führen.

Wie wirkt sich der Streubesitz auf die Pflichten zur Marktmissbrauchsüberwachung aus?

Aus rechtlicher Sicht ist der Streubesitz maßgeblicher Faktor bei der Überwachung und Verhinderung von Insiderhandel und Marktmanipulation nach der Marktmissbrauchsverordnung (MAR). Da im Streubesitz grundsätzlich eine hohe Anzahl an wechselnden Aktionären besteht, besteht ein erhöhtes Risiko, dass nichtöffentliche, kursrelevante Informationen zur Marktbeeinflussung genutzt werden könnten. Deshalb sind Emittenten gesetzlich dazu verpflichtet, Insiderlisten zu führen, Ad-hoc-Publizität sicherzustellen und Verdachtsmomente unverzüglich der BaFin zu melden. Börsenseitige Überwachungssysteme analysieren zudem den Handelsfluss und können bei ungewöhnlichen Kursbewegungen im Streubesitzbereich Nachforschungen einleiten. Zuwiderhandlungen können empfindliche Straf- und Bußgeldsanktionen für die Gesellschaft wie auch für einzelne Aktionäre nach sich ziehen.


Gerne kann dieser Fragenkatalog weiter ausgeführt oder um spezielle rechtliche Aspekte ergänzt werden.