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Straßenverkehrshaftung


Begriff und Grundlagen der Straßenverkehrshaftung

Die Straßenverkehrshaftung stellt einen zentralen Rechtsbegriff im deutschen Verkehrsrecht dar und bezeichnet die zivilrechtliche Haftung von Personen für Schäden, die im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Verkehrsflächen entstehen. Die Systematik basiert maßgeblich auf den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).

Die Regelung dient dem Schutz von Verkehrsteilnehmern und potenziell Geschädigten. Ergänzende Regelungen finden sich im Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) und in einschlägigen europäischen Richtlinien.


Rechtliche Grundlagen

Haftungstatbestände

Die Straßenverkehrshaftung gliedert sich im Wesentlichen in drei Haftungstatbestände:

  • Gefährdungshaftung
  • Verschuldenshaftung
  • Halter- und Fahrerhaftung

Gefährdungshaftung nach § 7 StVG

Die Gefährdungshaftung nach § 7 StVG normiert, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden haftet, die aufgrund eines Kraftfahrzeugbetriebs entstehen, unabhängig von einem individuellen Verschulden. Ziel ist es, den besonderen Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs Rechnung zu tragen. Die Haftung ist eine sogenannte „Gefährdungshaftung“ und greift bereits ab dem Moment, in dem durch den Betrieb des Fahrzeugs eine Gefahr für andere entsteht.

Verschuldenshaftung (§ 823 BGB)

Die Verschuldenshaftung ergänzt die Gefährdungshaftung, insbesondere dann, wenn ein Verhalten im Sinne einer fahrlässigen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung vorliegt. Die Vorschriften der §§ 823 ff. BGB kommen etwa im Zusammenhang mit Delikten zur Anwendung, etwa bei vorsätzlicher Schädigung.

Haftung des Fahrzeughalters und -führers

Das StVG unterscheidet zwischen Halter- und Fahrerhaftung. Während dem Halter regelmäßig eine verschuldensunabhängige Haftung aus Betriebsgefahr seines Fahrzeugs erwächst, haftet der Fahrer nach Maßgabe des § 18 StVG, soweit ihn ein Verschulden trifft.


Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

Definition des Halters

Als Halter gilt, wer das Fahrzeug auf eigene Rechnung in Gebrauch hat und die tatsächliche Verfügungsgewalt besitzt. Hierbei sind Eigentum und Haltereigenschaft nicht zwingend identisch.

Begriffsbestimmung „Betrieb eines Kraftfahrzeugs“

Der „Betrieb“ umfasst alle gefahrenbezogenen Vorgänge im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug, also auch das Stehenlassen oder das Abstellen, solange noch ein Gefahrenzusammenhang mit dem Straßenverkehr besteht. Die Rechtsprechung stellt hierbei auf einen weiten Betriebsbegriff ab.

Ausnahmen und Ausschlüsse der Haftung

Gemäß § 7 Abs. 2 StVG besteht keine Haftung, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde. Auch greift die Haftung nicht bei Eigenbeschädigungen des Fahrers oder Halters.


Umfang der Ersatzpflicht

Arten ersatzfähiger Schäden

Im Rahmen der Straßenverkehrshaftung sind folgende Schäden ersatzfähig:

  • Personenschäden: Körperverletzungen, Gesundheitsschädigungen, Tod
  • Sachschäden: Beschädigung oder Zerstörung von Sachen (z.B. Kraftfahrzeug)
  • Vermögensschäden: Folgeschäden wie Verdienstausfall, Heilbehandlungskosten, Unterhaltsschäden

Mitverschulden und Gefährdungsabzug

Beim Zusammentreffen mehrerer Haftungstatbestände, etwa bei einer Kollision mehrerer Fahrzeuge, sind die Vorschriften über das Mitverschulden (§ 254 BGB) sowie der sogenannte Gefährdungsabzug zu beachten. Dies führt zu einer quotenmäßigen Haftungsverteilung.


Gesetzliche Haftungshöchstbeträge und Haftungsbeschränkungen

Begrenzung der Haftung nach § 12 StVG

Das StVG sieht in § 12 Haftungshöchstbeträge vor, die im Fall besonders hoher Schadenssummen die Haftung des Halters und Fahrers deckeln. Dies betrifft insbesondere Personenschäden.

Fahrerflucht und Haftung

Bei unerlaubtem Entfernen vom Unfallort kommt es regelmäßig zum Verlust des Versicherungsschutzes. In diesen Fällen kann der Fahrer für entstandene Schäden gesamtschuldnerisch haften.


Deckung durch die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung

Gemäß § 1 PflVG muss für jedes Fahrzeug eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Diese Versicherung übernimmt die Regulierung berechtigter Schadensersatzansprüche und wehrt unberechtigte Ansprüche ab. Die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestdeckungssummen dienen dabei dem Opferschutz.


Verjährung von Ansprüchen

Die Verjährung im Rahmen der Straßenverkehrshaftung richtet sich nach § 115 (1) VVG sowie nach den allgemeinen Vorschriften des BGB. Regelmäßig verjähren Ansprüche aus einem Verkehrsunfall nach drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte Kenntnis von Anspruch und Schädiger erlangt hat.


Europäische und internationale Bezüge

Im europäischen Kontext regeln diverse Richtlinien den Mindestschutz bei grenzüberschreitenden Schadensfällen und vereinheitlichten Versicherungsdeckungsschutz. Innerhalb der EU besteht ein automatischer Versicherungsschutz für Kraftfahrzeuge in den Mitgliedstaaten.


Bedeutung der Straßenverkehrshaftung im deutschen Recht

Die Straßenverkehrshaftung spielt im deutschen Recht eine essenzielle Rolle bei der Abwicklung von Verkehrsunfällen. Sie dient sowohl dem Ausgleich von Schäden als auch der Prävention durch finanzielle Sanktionen.


Literatur und Rechtsprechung

Für die Auslegung der Straßenverkehrshaftung ist fortlaufende obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung maßgeblich. Kommentierungen und wissenschaftliche Literatur bieten darüber hinaus eine kontinuierliche Weiterentwicklung und Präzisierung der Anwendungsbereiche.


Siehe auch

Häufig gestellte Fragen

Wer haftet bei einem Unfall im Straßenverkehr, wenn mehrere Personen beteiligt sind?

Im Falle eines Unfalls im Straßenverkehr, bei dem mehrere Personen beteiligt sind, kommt die sogenannte Gesamtschuldnerschaft gemäß § 840 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und § 18 StVG (Straßenverkehrsgesetz) zum Tragen. Das bedeutet, dass sämtliche Unfallbeteiligte, sofern ihnen ein Mitverschulden zur Last gelegt werden kann oder sie Halter oder Fahrer eines der beteiligten Fahrzeuge sind, für den entstandenen Schaden gemeinsam und in vollem Umfang gegenüber dem Geschädigten haften. Die Haftung jedes Einzelnen richtet sich nach dem Maß seiner Verursachung und der Betriebsgefahr, die von seinem Fahrzeug ausging. Der Geschädigte kann sich zunächst an einen oder mehrere der Gesamtschuldner halten; diese können sich im Anschluss im Rahmen des sogenannten Innenausgleichs gemäß § 426 BGB untereinander regressieren. Maßgeblich für die Haftungsquote sind hierbei das festgestellte Verschulden und die jeweiligen Mitverursachungsanteile. Zudem ist im Straßenverkehr stets zu prüfen, ob die sogenannte Gefährdungshaftung greift, das heißt, ob bereits durch den Betrieb eines Fahrzeugs eine verschuldensunabhängige Haftung begründet wird.

Welche Ansprüche können Geschädigte bei der Straßenverkehrshaftung geltend machen?

Geschädigte eines Verkehrsunfalls können eine Vielzahl von Ansprüchen geltend machen, die sich nach dem erlittenen Schaden richten. Zu den wichtigsten Schadenpositionen zählen der Ersatz von Sachschäden am Fahrzeug oder an sonstigen Gegenständen, Heilbehandlungskosten, Schmerzensgeld, Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden sowie Kosten für Gutachter, Abschleppdienst und Mietwagen. Weiterhin besteht ein Anspruch auf Ersatz von Folgeschäden wie einer möglichen Wertminderung des Fahrzeugs oder einer Erwerbsminderung bei schweren Personenschäden. Im Falle eines tödlichen Unfalls können Hinterbliebene Ansprüche auf Unterhaltsschäden und Beerdigungskosten geltend machen. Sämtliche Ansprüche richten sich zunächst gegen den Schädiger sowie dessen Haftpflichtversicherer. Die konkrete Anspruchsdurchsetzung und deren Umfang bestimmen sich nach den Vorschriften des BGB, StVG sowie der jeweiligen Versicherungsverträge.

Welche Bedeutung hat die sogenannte Gefährdungshaftung im Straßenverkehr?

Die Gefährdungshaftung ist ein zentrales Element der Straßenverkehrshaftung und bedeutet, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden haftet, die durch den Betrieb seines Fahrzeugs verursacht werden, unabhängig davon, ob ihn selbst ein Verschulden trifft (§ 7 StVG). Ziel dieser verschuldensunabhängigen Haftung ist es, die mit dem Betrieb von Kraftfahrzeugen verbundenen besonderen Gefahren für Dritte auszugleichen. Die Haftung tritt bereits dann ein, wenn das Fahrzeug „bei Betrieb“ einen Schaden verursacht. Ausnahmen von der Gefährdungshaftung bestehen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde oder der Schaden durch das Verschulden eines Dritten oder des Geschädigten allein verursacht wurde. Die Haftung des Halters ist – außer bei Personenschäden – in ihrer Höhe gesetzlich begrenzt.

Wie wirkt sich ein Mitverschulden des Geschädigten auf die Haftung aus?

Ein Mitverschulden des Geschädigten bewirkt eine anteilige Kürzung der Ersatzansprüche. Nach § 9 StVG in Verbindung mit § 254 BGB ist bei der Schadenregulierung zu prüfen, inwieweit der Geschädigte durch eigenes Verhalten zur Schadensentstehung beigetragen hat, beispielsweise durch Missachtung von Verkehrsregeln, Fahren ohne Sicherheitsgurt oder riskantes Verhalten im Straßenverkehr. Die Haftungsquote wird in solchen Fällen – gegebenenfalls unter Einbeziehung gerichtlicher Feststellungen – nach dem Grad des beiderseitigen Verschuldens festgelegt. Im Extremfall kann der Anspruch auf Schadenersatz ganz entfallen, wenn das Eigenverschulden des Geschädigten als alleinige Ursache für den Unfall bewertet wird.

Welche Rolle spielt die Kfz-Haftpflichtversicherung im Rahmen der Straßenverkehrshaftung?

Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben und bildet das wichtigste Instrument zum Schutz der am Straßenverkehr teilnehmenden Personen vor den finanziellen Risiken eines Unfalls. Sie übernimmt im Falle eines Haftungsfalles die Regulierung berechtigter Ersatzansprüche Dritter und wehrt unberechtigte Ansprüche ab (§ 115 VVG – Versicherungsvertragsgesetz, § 1 PflVG – Pflichtversicherungsgesetz). Die Versicherung ist grundsätzlich verpflichtet, im gesetzlichen Umfang für Personen-, Sach- und Vermögensschäden aufzukommen. Ist der Unfallverursacher nicht versichert oder flüchtig, kann der Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche beim „Verein Verkehrsopferhilfe e.V.“ geltend machen.

Wie lange können Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend gemacht werden (Verjährung)?

Die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche aus einem Verkehrsunfall beträgt gemäß § 195 BGB grundsätzlich drei Jahre. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte Kenntnis von Schaden, Schädiger und haftungsbegründenden Umständen erlangt hat (§ 199 BGB). Bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung, wie sie bei Verkehrsunfällen regelmäßig in Betracht kommen, gelten ebenfalls diese Fristen, wobei in Sonderfällen – etwa bei Personenschäden – auch längere oder abweichende Verjährungsfristen greifen können. Es empfiehlt sich daher, die Ansprüche frühzeitig geltend zu machen und gegebenenfalls deren Hemmung sicherzustellen.