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Strafverteidiger


Begriff und Definition: Strafverteidiger

Ein Strafverteidiger ist eine Person, die im Rahmen eines Strafverfahrens mit der Verteidigung einer beschuldigten oder angeklagten Person beauftragt ist. In Deutschland und vergleichbaren Rechtssystemen handelt es sich dabei in der Regel um eine rechtskundige Person, die die Interessen der Mandantschaft im Strafprozess gegenüber Ermittlungsbehörden, Gerichten und gegebenenfalls der Öffentlichkeit vertritt und wahrt. Die Tätigkeit des Strafverteidigers ist ein zentrales Element der rechtsstaatlichen Ordnung, da sie die Wahrung des Anspruchs auf ein faires Verfahren gemäß den Grundrechten sicherstellt.

Der Begriff zeichnet sich durch eine klare Trennung von anderen Vertretungsformen aus, wie zum Beispiel der rechtlichen Beratung im Zivilrecht oder der Vertretung in verwaltungsrechtlichen Verfahren. Im Mittelpunkt steht stets die Vermeidung oder Minderung strafrechtlicher Sanktionen für den Beschuldigten oder Angeklagten.

Allgemeiner Kontext und Relevanz

Bedeutung im Strafverfahren

Strafverteidiger nehmen im Strafprozess eine essenzielle Stellung ein. Sie sichern die Einhaltung prozessualer Rechte und unterstützen die beschuldigte Person dabei, sich gegen Vorwürfe zur Wehr zu setzen. Der Strafprozess sieht traditionell die Konfrontation zweier Parteien vor: auf der einen Seite die Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde, auf der anderen Seite den/die Angeklagte/n, vertreten durch den Strafverteidiger.

Strafverteidiger tragen dazu bei:

  • Die Einhaltung grundlegender Rechte wie das Recht auf Gehör und das Schweigerecht zu gewährleisten.
  • Die Inanspruchnahme rechtlicher Mitwirkungsrechte zu ermöglichen, etwa im Hinblick auf Beweisanträge und Ausübung von Befangenheitsanträgen.
  • Fehlurteile durch lückenhafte Ermittlungen oder Verfahren zu verhindern.

Relevanz in verschiedenen Lebensbereichen

Die Notwendigkeit eines Strafverteidigers ergibt sich typischerweise:

  • Im Rahmen von Ermittlungs- und Strafverfahren gegenüber natürlichen Personen (z. B. bei Tatvorwürfen im Straßenverkehr, Vermögensdelikten, Gewaltdelikten).
  • Bei Verfahren gegen Unternehmen, etwa im Bereich des Unternehmensstrafrechts.
  • In Fällen von Ordnungswidrigkeiten erhöhter Relevanz oder mit strafprozessualen Elementen.
  • In komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen, zum Beispiel Geldwäsche- oder Korruptionsverfahren.

Definition aus rechtlicher und laienverständlicher Perspektive

Formelle Definition

Unter einem Strafverteidiger versteht man nach § 137 Strafprozessordnung (StPO) die Person, die dem Beschuldigten oder Angeklagten im Strafverfahren zur Seite steht, um dessen Rechte und Interessen wahrzunehmen und eine effektive Verteidigung zu gewährleisten. Der Strafverteidiger ist befugt, uneingeschränkt an allen Verfahrensabschnitten teilzunehmen, Akteneinsicht zu nehmen, Beweisanträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen.

Laienverständliche Erklärung

Ein Strafverteidiger ist derjenige, der eine beschuldigte Person vor Gericht oder während polizeilicher Ermittlungen berät, informiert und sich dafür einsetzt, dass diese fair behandelt wird. Ein Strafverteidiger erklärt die Rechte der betroffenen Person, hilft bei der Formulierung von Aussagen oder Stellungnahmen und sorgt dafür, dass das Recht auf Verteidigung zu jeder Zeit gewahrt bleibt.

Gesetzliche Vorschriften und rechtlicher Rahmen

Grundsatz der Strafverteidigung

Der Anspruch auf Verteidigung ist ein elementares Prinzip des deutschen Strafprozesses und findet sich in verschiedenen Normen wieder. So heißt es beispielsweise in Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), dass jede angeklagte Person das Recht auf Verteidigung durch eine gewählte oder bestellte Vertretung hat.

Zentrale Vorschriften im Überblick

Im deutschen Recht sind insbesondere folgende Vorschriften maßgeblich:

  • § 137 StPO: Regelt das Recht des Beschuldigten, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen.
  • §§ 140 ff. StPO: Beschreiben Fälle der notwendigen Verteidigung, in denen die Mitwirkung eines Strafverteidigers vom Gesetz zwingend vorgeschrieben ist (z. B. bei schwerwiegenden Vorwürfen oder Untersuchungshaft).
  • § 138 StPO: Regelt die Zulassung und die Voraussetzungen zur Verteidigung.
  • Art. 6 EMRK: Betont das Recht auf ein faires Verfahren, einschließlich der Verteidigung.

Rolle bei notwendiger Verteidigung

In bestimmten Strafsachen schreibt das Gesetz die Mitwirkung eines Strafverteidigers zwingend vor, etwa bei Verbrechenstatbeständen mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder bei Untersuchungshaft. Hier wird, falls keine Wahlverteidigung erfolgt, von Amts wegen ein sogenannter Pflichtverteidiger bestellt.

Typische Aufgaben und Tätigkeitsbereiche

Die Aufgaben eines Strafverteidigers erstrecken sich über sämtliche Stadien eines Strafverfahrens und unterscheiden sich je nach Phase und Komplexität des Verfahrens:

Vorverfahren und Ermittlungsverfahren

  • Prüfung des Akteninhalts nach erfolgter Akteneinsicht
  • Beratung zur Einlassung (Aussagen oder Schweigen)
  • Stellung von Beweisanträgen oder Gegenvorstellungen
  • Teilnahme an Durchsuchungen oder Vernehmungen

Zwischenverfahren und Hauptverfahren

  • Begleitung und Vertretung im gerichtlichen Zwischenverfahren
  • Strategische Prozessführung vor Gericht
  • Kreuzverhöre und eigene Beweisführungen
  • Plädoyer für den Mandanten
  • Überwachung der Einhaltung rechtsstaatlicher Vorgaben und Verhandlungsordnung

Rechtsmittelverfahren

  • Einlegung von Berufung, Revision oder Beschwerde
  • Prüfung von Verfahrensfehlern und Rechtsanwendungsfehlern
  • Vertretung im Rechtsmittelverfahren vor höheren Instanzen

Strafvollstreckung und Nebenbereiche

  • Beratung zum Strafvollzug oder möglichen Vollstreckungsaufschub
  • Unterstützung in Gnadenverfahren oder im Rahmen von Wiederaufnahmeverfahren

Typische Beispiele für strafverteidigerische Tätigkeit:

  • Verteidigung einer wegen Diebstahls angeklagten Person vor Amtsgericht
  • Beratung und Wahrnehmung von Rechten bei Verdacht auf Steuerhinterziehung
  • Begleitung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Körperverletzung

Gesetzliche Rahmenbedingungen und Institutionen

Die Rechte und Pflichten des Strafverteidigers ergeben sich im Wesentlichen aus der Strafprozessordnung. Insbesondere ist das Verhältnis zwischen Strafverteidiger und Gericht sowie Polizei durch Möglichkeiten der Verfahrensbeteiligung und die Verschwiegenheitspflicht geprägt.

Verschwiegenheitspflicht

Strafverteidiger unterliegen einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht über alle ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Umstände. Dies ist in § 203 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und dient dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zum Mandanten.

Auswahl und Bestellung

Beschuldigte können ihren Verteidiger grundsätzlich frei wählen. In besonders gelagerten Fällen bestellt das Gericht einen Pflichtverteidiger, sofern die Voraussetzungen des § 140 StPO erfüllt sind. Die Bestellung erfolgt unabhängig vom Willen des Beschuldigten, wenn die Sach- und Rechtslage dies erfordert.

Institutionelle Einbindung

Strafverteidiger stehen traditionell in keinem Dienstverhältnis zu Justiz oder Ermittlungsbehörden, sondern agieren unabhängig und im ausschließlichen Interesse der vertretenen Person. Sie sind gleichzeitig den gesetzlichen Vorgaben unterworfen, insbesondere im Hinblick auf Menschlichkeit, Gesetzestreue und Loyalität zum Mandanten.

Relevante Besonderheiten und häufige Problemstellungen

Interessenkonflikte

Strafverteidiger dürfen nicht tätig werden, wenn ein Interessenkonflikt vorliegt, beispielsweise bei gleichzeitiger Verteidigung mehrerer Beschuldigter mit gegenläufigen Interessen (§ 146 StPO).

Kommunikation mit dem Mandanten

Insbesondere bei Inhaftierung bestehen besondere Regelungen zum Informationsaustausch. Der Schriftwechsel mit dem Verteidiger darf gemäß § 148 StPO grundsätzlich nicht überwacht werden, was die Vertraulichkeit gewährleistet.

Pflichtverteidigung und Kosten

Im Rahmen der Pflichtverteidigung übernimmt zunächst die Staatskasse die Vergütung des Verteidigers. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass der Beschuldigte zur Erstattung herangezogen wird, sollte die Tat nachgewiesen werden.

Professionelle Entfernung

Ein Straftäter kann auch gegen den Willen des Mandanten von der Verteidigung entbunden werden, etwa bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Pflichten, wie Illoyalität oder grober Pflichtverletzung.

Zusammenfassung

Der Strafverteidiger ist im Strafprozess von herausragender Bedeutung für die Wahrung rechtsstaatlicher Verfahren. Er vertritt die Interessen einer beschuldigten oder angeklagten Person gegenüber den Ermittlungsbehörden und Gerichten. Die Tätigkeit ist rechtlich umfassend geregelt, insbesondere in der Strafprozessordnung und durch die Grundrechte. Zu den wesentlichen Aufgaben eines Strafverteidigers zählen rechtliche Beratung, Prozessführung, die Sicherung von Verteidigungsrechten und der Schutz vor staatlichen Übergriffen. Die Bestellung eines Strafverteidigers ist insbesondere in solchen Fällen zwingend vorgesehen, die schwerwiegende Rechtsfolgen für den Betroffenen haben können. Problemstellungen wie Interessenkonflikte, Pflichtverteidigung und Verschwiegenheitspflichten gehören zum beruflichen Alltag.

Hinweise zur Relevanz des Begriffs

Der Begriff Strafverteidiger ist besonders für folgende Personengruppen relevant:

  • Personen, gegen die ein Strafverfahren eingeleitet wurde
  • Angehörige oder Freunde von Beschuldigten, die Informationsbedarf bezüglich eines Strafverfahrens haben
  • Unternehmen, denen Vorwürfe im Zusammenhang mit strafrechtlich relevanten Sachverhalten gemacht werden
  • Personen, die sich mit dem Ablauf und den Prinzipien des Strafverfahrens vertraut machen möchten

Kenntnisse über Aufgaben, Rechte und gesetzliche Rahmenbedingungen des Strafverteidigers sind ein wesentlicher Bestandteil des Verständnisses von strafrechtlichen Verfahren in einer freien und rechtsstaatlichen Gesellschaft.

Häufig gestellte Fragen

Was macht ein Strafverteidiger genau?

Ein Strafverteidiger ist ein spezialisierter Rechtsanwalt, der Personen verteidigt, denen eine Straftat vorgeworfen wird. Seine Aufgaben beginnen bereits im Ermittlungsverfahren und erstrecken sich über das gesamte Strafverfahren bis hin zur möglichen Berufung oder Revision. Der Strafverteidiger analysiert die Ermittlungsakte, entwickelt eine individuelle Verteidigungsstrategie und berät den Mandanten ausführlich über Verfahrensabläufe und Risiken. Er nimmt Stellung zu den Vorwürfen, sammelt und bewertet entlastende Beweise, stellt Beweisanträge, führt Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft und sorgt dafür, dass die Rechte seines Mandanten zu jeder Zeit gewahrt werden. Zudem kann er bei Verhaftungen schnelle Hilfe leisten, Akteneinsicht beantragen und im Bedarfsfall Zeugen befragen oder Sachverständigengutachten einholen. Sein Ziel ist es, eine Einstellung des Verfahrens, einen Freispruch oder zumindest eine möglichst geringe Strafe für seinen Mandanten zu erreichen.

Ab wann sollte ich einen Strafverteidiger einschalten?

Es wird dringend empfohlen, einen Strafverteidiger so früh wie möglich einzuschalten, idealerweise bereits bei der ersten polizeilichen Anhörung oder sogar schon, wenn Sie erfahren, dass gegen Sie ermittelt wird. Viele Fehler im Strafverfahren passieren in der Frühphase, etwa durch unbedachte Aussagen gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft. Ein frühzeitiger Beistand durch einen Anwalt ermöglicht es, Ihre Rechte sofort zu wahren, die Ermittlungsakte einzusehen, frühzeitig Beweise zu sichern und eine Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Gerade im Ermittlungsverfahren besteht die Möglichkeit, durch gezielte anwaltliche Maßnahmen das Verfahren zur Einstellung zu bringen, bevor es überhaupt zu einer Anklage kommt.

Welche Rechte habe ich als Beschuldigter im Strafverfahren?

Als Beschuldigter im Strafverfahren stehen Ihnen zahlreiche Rechte zu, die der Strafverteidiger kennt und durchsetzt. Das wichtigste Recht ist das Schweigerecht – Sie müssen keine Angaben zur Sache machen und sollten davon auch unbedingt Gebrauch machen, bis Ihr Anwalt Einblick in die Akte hatte. Außerdem besteht das Recht auf Akteneinsicht (durch den Verteidiger), das Recht auf Anwesenheit bei Vernehmungen und Hauptverhandlung, das Recht auf eine angemessene Verteidigung sowie auf faires Verfahren. Ihr Verteidiger setzt sich dafür ein, dass diese Rechte in jedem Stadium des Verfahrens beachtet werden und Sie keiner ungerechtfertigten Behandlung ausgesetzt sind.

Übernimmt meine Rechtsschutzversicherung die Kosten für einen Strafverteidiger?

In vielen Fällen übernimmt eine Rechtsschutzversicherung keine Kosten für die Verteidigung in Strafsachen, insbesondere dann nicht, wenn Ihnen Vorsatz (z. B. Betrug, Diebstahl, Körperverletzung) vorgeworfen wird. Einige Policen decken lediglich fahrlässige Delikte ab, beispielsweise bei Verkehrsdelikten. Es ist daher wichtig, die Bedingungen Ihrer Rechtsschutzversicherung genau zu prüfen und gegebenenfalls Rücksprache mit dem Versicherer oder einem Anwalt zu halten. Ein Strafverteidiger kann Sie hierzu beraten und gegebenenfalls auch einen Deckungsschutzantrag bei Ihrer Versicherung stellen.

Was kostet ein Strafverteidiger?

Die Kosten für einen Strafverteidiger richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder können individuell vereinbart werden. Sie hängen vom Umfang und der Schwierigkeit der Angelegenheit, vom Verfahrensstadium sowie von möglichen Wahlleistungen wie Akteneinsicht oder Gutachteneinholung ab. In einfacheren Fällen kann eine pauschale Gebühr vereinbart werden, während sich die Kosten in komplexen Verfahren, insbesondere bei längeren Hauptverhandlungen, deutlich erhöhen können. In bestimmten Fällen, beispielsweise bei extrem geringen finanziellen Möglichkeiten des Mandanten, besteht die Möglichkeit der Pflichtverteidigung. Ihr Anwalt klärt Sie transparent über die voraussichtlich entstehenden Kosten auf.

Was ist der Unterschied zwischen Pflichtverteidiger und Wahlverteidiger?

Ein Wahlverteidiger ist ein Strafverteidiger, den Sie selbst auswählen und beauftragen. Dies ermöglicht die freie Auswahl eines für Sie passenden Anwalts mit der gewünschten Spezialisierung. Der Pflichtverteidiger hingegen wird vom Gericht beigeordnet, wenn Sie keinen Anwalt selbst bestimmen und das Gesetz eine ’notwendige Verteidigung‘ vorsieht, zum Beispiel bei schwerwiegenden Vorwürfen, Untersuchungshaft oder wenn Ihnen eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr droht. Die Qualität der Verteidigung muss dabei nicht schlechter sein, jedoch haben Sie weniger Einfluss auf die Auswahl. Die Kosten für einen Pflichtverteidiger trägt zunächst der Staat, können Ihnen aber bei einer Verurteilung auferlegt werden.

Was passiert bei einer Hauptverhandlung vor Gericht?

In der Hauptverhandlung werden sämtliche Beweise vor Gericht erörtert, Zeugen befragt, Sachverständigengutachten bewertet und die Positionen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung dargelegt. Der Strafverteidiger sorgt dafür, dass keine unzulässigen Beweise verwendet werden und stellt Beweisanträge, um die Sachverhaltsaufklärung zu Ihren Gunsten zu beeinflussen. In seinem Plädoyer fasst er die Argumente zusammen, beantragt einen Freispruch oder eine geringe Strafe. Sie selbst müssen in der Regel anwesend sein und können sich jederzeit mit Ihrem Verteidiger beraten. Das Gericht fällt am Ende der Hauptverhandlung das Urteil, gegen das unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsmittel eingelegt werden können. Ihr Verteidiger wird Sie auch über weitere Schritte und mögliche Folgen umfassend informieren.