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Strafverlangen


Begriff und Definition: Strafverlangen

Das Strafverlangen ist ein rechtlicher Begriff, der insbesondere im Strafrecht von Bedeutung ist. Er beschreibt das formelle Begehren einer berechtigten Person, die Strafverfolgung wegen einer bestimmten Straftat einzuleiten oder durchzuführen. Das Strafverlangen unterscheidet sich inhaltlich und funktionell von der Strafanzeige sowie dem Strafantrag und ist insbesondere im schweizerischen Strafrecht von zentraler Relevanz.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Das Strafverlangen ist vom Strafantrag abzugrenzen. Während der Strafantrag das ausdrücklich geäußerte Begehren ist, eine bestimmte Person für eine bestimmte Tat strafrechtlich zu verfolgen, bezeichnet das Strafverlangen das allgemeine Verlangen nach einer Strafverfolgung, ohne notwendigerweise konkrete Angaben zu einer Person zu enthalten. Das Strafverlangen wird rechtsdogmatisch besonders im Kontext von Antragsdelikten relevant.

Rechtliche Grundlagen des Strafverlangens

Gesetzliche Regelungen

Im schweizerischen Recht

Im schweizerischen Strafrecht ist das Strafverlangen in Art. 30 bis Art. 33 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Dort wird zwischen Delikten unterschieden, die von Amtes wegen verfolgt werden, und solchen, bei denen ein Strafverlangen erforderlich ist. Typische Straftaten mit Erfordernis eines Strafverlangens sind Ehrverletzungsdelikte oder bestimmte Privatdelikte.

Strafverlangen im internationalen Kontext

In einigen Rechtsordnungen außerhalb der Schweiz existiert ein vergleichbares Institut des Strafverlangens nicht, oder es wird unter anderen Begriffen geführt. Im deutschen Strafrecht ist der Strafantrag das Pendant, wobei das klassische Strafverlangen im engeren Sinne dort nicht ausdrücklich normiert ist.

Materielle Voraussetzungen

Ein Strafverlangen kann in der Regel nur durch den unmittelbar Verletzten oder dessen Vertretungsberechtigte gestellt werden. Die gesetzlichen Vorschriften grenzen den Kreis der berechtigten Antragsteller genau ab. Die wirksame Stellung des Strafverlangens ist regelmäßig an Form- und Fristanforderungen gebunden.

Frist und Form

Das Strafverlangen muss innerhalb einer im Gesetz bestimmten Frist – meist innert drei Monaten ab Kenntnis von Täter und Tat – gestellt werden. Die Form kann schriftlich oder mündlich bei der zuständigen Behörde erfolgen, wobei die genaue Ausgestaltung je nach Delikt variiert.

Rechtsfolgen und Wirkung des Strafverlangens

Strafverfolgung von Antragsdelikten

Durch das wirksam gestellte Strafverlangen wird bei Antragsdelikten die Grundlage für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens geschaffen. Ohne ein solches Verlangen bleibt die Strafverfolgungsbehörde grundsätzlich untätig. Das Fehlen eines wirksamen Strafverlangens führt zur prozessualen Einstellung durch die Strafverfolgungsbehörden.

Rücknahme und Verzicht

Das Strafverlangen kann in bestimmten Fällen zurückgenommen werden. Der Verzicht auf das Strafverlangen ist in einigen Fällen gesetzlich vorgesehen und wirkt insofern rechtshindernd auf das weitere Verfahren.

Bindungswirkung

Mit Eintritt der Rechtskraft eines Urteils ist das Strafverlangen verbraucht und entfaltet keine weitere Wirkung. Auch eine spätere Rücknahme ist dann ausgeschlossen.

Besondere Konstellationen und Konstellationsfälle

Mehrere Berechtigte

Liegen mehrere verletzte Personen vor, bedarf es entweder eines Strafverlangens eines einzelnen Berechtigten oder – je nach Delikt – aller verletzter Personen. Bei Todesfällen können Angehörige zu einem Strafverlangen berechtigt sein.

Minderjährige und Entmündigte

Minderjährige oder betreute Personen können ein Strafverlangen durch ihre gesetzlichen Vertreter stellen lassen. Dabei gelten besondere Regelungen gemäß Zivil- und Strafprozessrecht.

Kollektivdelikte und Unternehmensdelikte

Bei Delikten zum Nachteil juristischer Personen ist zu prüfen, ob das Strafverlangen vom Organ oder von einer anderweitig berechtigten Person eingebracht werden muss.

Unterschied zwischen Strafverlangen, Strafanzeige und Strafantrag

| Begriff | Inhalt | Wirkung auf Verfahren | Berechtigter Personenkreis |
|———————-|———————————————|—————————-|—————————————–|
| Strafverlangen | Allgemeines Ersuchen um Strafverfolgung | Voraussetzung bei Antragsdelikten | Verletzter oder Vertreter |
| Strafanzeige | Mitteilung eines Sachverhalts an die Behörde| Einleitung Ermittlungen | Jeder |
| Strafantrag | Begehren, bestimmte Person zu verfolgen | Voraussetzung bei Antragsdelikten | Verletzter oder Vertreter |

Fazit und Bedeutung in der Praxis

Das Strafverlangen ist ein zentrales Institut zur steuernden Mitwirkung der verletzten Person an der Strafverfolgung. Es stellt sicher, dass im Bereich bestimmter Antragsdelikte ohne das Interesse des Verletzten keine Strafverfolgung erfolgt. Seine präzise Unterscheidung von Strafantrag und Strafanzeige ist für eine ordnungsgemäße Verfahrenseinleitung unerlässlich. Im schweizerischen Strafrecht sowie in verwandten Rechtsordnungen kommt dem Strafverlangen eine bedeutende Funktion im Gefüge der Strafverfolgungsinteressen zu.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist berechtigt, ein Strafverlangen zu stellen?

Grundsätzlich ist das Strafverlangen ein wichtiges Element bei sogenannten Antragsdelikten, deren Strafverfolgung nicht von Amtes wegen erfolgt, sondern die Initiative einer dazu berechtigten Person voraussetzen. Zu diesen Berechtigten zählen in erster Linie die unmittelbar durch die Straftat Verletzten, etwa das Opfer oder dessen gesetzlicher Vertreter, sofern der Verletzte handlungsunfähig oder minderjährig ist. In speziellen Konstellationen, wie bei Delikten gegen eine juristische Person, kann auch deren Organ berechtigt sein, ein Strafverlangen zu stellen. Wichtig ist, dass das Strafverlangen persönlich und innert der gesetzlichen Frist (meist drei Monate ab Kenntnis der Tat und des Täters) gestellt werden muss. Zudem ist eine Übertragung des Strafverlangensrechts an Dritte grundsätzlich nicht zulässig, es sei denn, dies wäre gesetzlich explizit vorgesehen.

Was passiert, wenn kein Strafverlangen gestellt wird?

Ohne ein fristgerecht eingereichtes und formgültiges Strafverlangen ist bei Antragsdelikten die Eröffnung eines Strafverfahrens unzulässig. Die Strafverfolgungsbehörden sind in diesen Fällen an das fehlende Verlangen gebunden und müssen das Verfahren entweder gar nicht einleiten oder – wenn sie bereits Kenntnis vom Sachverhalt erlangt haben – einstellen. Dies bedeutet, dass selbst bei Vorliegen klarer Beweise und eindeutiger Schuld kein Strafverfahren durchgeführt werden kann. Dies resultiert aus dem Grundsatz, dass der Staat in bestimmten Konstellationen den Entscheid über die Strafverfolgung der Beteiligten (zumeist dem Opfer) überlässt, um deren Autonomie zu stärken und das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung als weniger gewichtig einstuft.

Kann ein einmal gestelltes Strafverlangen zurückgezogen werden?

Das Strafverlangen als Ausdruck des Strafantragsrechts lässt sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückziehen, was juristisch als Verzicht (Rückzug) auf das Strafverlangen bezeichnet wird. Diese Möglichkeit endet in der Regel mit Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils. Der Rückzug muss ausdrücklich und eindeutig erfolgen; ein konkludenter Verzicht genügt nicht. Wird das Strafverlangen rechtswirksam zurückgezogen, führt dies zwingend zur Beendigung des Strafverfahrens, wobei ein erneutes Verlangen wegen derselben Tat grundsätzlich ausgeschlossen ist (Grundsatz der Unwiderruflichkeit nach Rückzug). Ein Rückzug des Strafverlangens entfaltet auch Wirkung gegenüber Mitbeteiligten, soweit dies das Gesetz vorsieht.

Müssen bestimmte Formvorschriften für das Strafverlangen eingehalten werden?

Für das Strafverlangen ist grundsätzlich keine bestimmte Form vorgeschrieben, es kann mündlich oder schriftlich gestellt werden; einzelne Verfahrensordnungen verlangen jedoch schriftliche Einreichung oder Bestätigung. Das Strafverlangen muss jedoch klar erkennen lassen, dass Strafverfolgung tatsächlich gewünscht wird und gegen welche Person(en) sie sich richtet. Es ist ratsam, das Strafverlangen zu dokumentieren und sämtliche relevanten Angaben (Tatzeit, Tathandlung, Täter) möglichst genau zu beschreiben. Auch muss sichergestellt werden, dass das Verlangen eigenhändig und innert Frist beim zuständigen Organ (Polizei, Staatsanwaltschaft) eingeht. Falsche oder unvollständige Anträge können zur Unzulässigkeit des Strafverlangens und damit zur Einstellung des Verfahrens führen.

Welche Frist ist für die Einreichung eines Strafverlangens zu beachten?

Das Gesetz setzt für die Stellung des Strafverlangens im Regelfall eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von der Tat und dem Täter Kenntnis erlangt. Diese Frist ist eine gesetzliche Ausschlussfrist und beginnt unabhängig von der individuellen Einsicht, sondern auf objektiver Grundlage ab. Eine verspätete Geltendmachung ist ausgeschlossen, was bedeutet, dass das Strafverlangen nach deren Ablauf nicht mehr wirksam gestellt werden kann. Fristberechnungen und die Ermittlung der Kenntnisnahmezeit bieten im Einzelfall häufig anwaltlichen Klärungsbedarf, vor allem bei Beteiligung Minderjähriger oder juristischer Personen.

Gibt es besondere Regelungen für Minderjährige oder geschäftsunfähige Personen hinsichtlich des Strafverlangens?

Im Falle minderjähriger oder geschäftsunfähiger Geschädigter obliegt das Recht zur Stellung eines Strafverlangens grundsätzlich deren gesetzlichen Vertretern, also in der Regel Eltern oder Vormünder. Handelt es sich um eine Person mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit, kann diese unter Umständen, je nach konkreter Gesetzesausgestaltung und Urteilsfähigkeit für einzelne Angelegenheiten, selbst ein Strafverlangen stellen. In Fällen divergierender Interessen zwischen gesetzlichen Vertretern und dem Minderjährigen sind besondere gesetzliche Schutzmechanismen, etwa die Bestellung eines Beistands, vorgesehen, um sowohl die Willensbildung als auch den effektiven Schutz der Interessen der verletzten Person zu gewährleisten.

Können auch juristische Personen oder Unternehmen ein Strafverlangen stellen?

Ja, juristische Personen, Verbände oder Unternehmen können in bestimmten Fällen selbständig ein Strafverlangen stellen, sofern sie unmittelbar durch eine Katalogtat in ihren Rechten verletzt worden sind und das betreffende Delikt ein Antragsdelikt darstellt. Hierzu ist das nach Gesetz vertretungsberechtigte Organ, beispielsweise der Verwaltungsrat, Geschäftsführer oder eine speziell bevollmächtigte Person, legitimiert. Die Anforderungen an den Nachweis der Vertretungsbefugnis sowie die Einhaltung der oben genannten Fristen gelten analog wie für natürliche Personen. Im Zweifelsfall empfiehlt sich die Beilage entsprechender Vertretungsnachweise zur Verfahrensbeschleunigung.