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Strafverlangen

Begriff und Einordnung des Strafverlangens

Strafverlangen bezeichnet die Willenserklärung, dass eine Person wegen eines bestimmten Verhaltens staatlich bestraft werden soll. Der Ausdruck wird in der deutschsprachigen Rechtswelt in zwei Bedeutungen verwendet: zum einen als Synonym oder Oberbegriff für den formellen Antrag, eine Tat zu verfolgen (bei sogenannten Antragsdelikten), zum anderen für das inhaltliche Begehren, eine konkrete Strafe zu verhängen (etwa im Rahmen von Privatklageverfahren oder in Plädoyers).

Das Strafverlangen ist damit von der bloßen Mitteilung eines Verdachts zu unterscheiden. Eine Verdachtsmitteilung (Strafanzeige) informiert die Behörden, während ein Strafverlangen das Verlangen nach Verfolgung oder Bestrafung zum Ausdruck bringt. Je nach Verfahrensart ist das Strafverlangen Voraussetzung für die Aufnahme eines Strafverfahrens oder eine prozessuale Stellungnahme ohne Bindungswirkung für das Gericht.

Erscheinungsformen des Strafverlangens

Strafantragsdelikte: Strafverlangen als Verfahrensvoraussetzung

Bei bestimmten Delikten ist die Verfolgung nur zulässig, wenn eine berechtigte Person ein Strafverlangen in Form eines Antrags auf Strafverfolgung stellt. Dieses Strafverlangen begründet die Befugnis der Strafverfolgungsbehörden, die Sache aufzugreifen. Ohne einen solchen Antrag bleibt das Verhalten in der Regel straflos, weil die staatliche Verfolgung nicht beginnt. In einigen Rechtsordnungen sind Ausnahmen zugelassen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse bejaht wird.

Das Strafverlangen muss erkennen lassen, dass die Verfolgung gewollt ist, sowie die betroffene Tat und die beschuldigte Person so weit wie möglich bestimmen. Es ist an kurze, gesetzlich festgelegte Fristen gebunden. Versäumt die berechtigte Person die Frist, entfällt die Verfolgungsmöglichkeit. Ein einmal wirksam erklärtes Strafverlangen kann – je nach Rechtsordnung – bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgezogen werden, wodurch die Verfolgung in diesen Delikten endet.

Privatklage und Privatstrafklage: Strafverlangen als inhaltliches Begehren

Neben der staatlichen Verfolgung kennen einige Systeme Verfahren, in denen die verletzte Person selbst als antragstellende oder klagende Partei auftritt. Dort kann das Strafverlangen inhaltlich weiter gehen: Es kann nicht nur die Verurteilung, sondern auch eine bestimmte Sanktion begehren. Dieses Begehren konkretisiert die Zielsetzung der klagenden Person, bindet das Gericht jedoch nicht. Scheitert die Klage, können Kosten- und Aufwandsfolgen entstehen.

Strafverlangen im Plädoyer der Strafverfolgungsbehörden

Im Hauptverfahren beantragt die Staatsanwaltschaft regelmäßig eine bestimmte rechtliche Bewertung und eine konkrete Strafe. Auch dies wird als Strafverlangen bezeichnet. Es handelt sich um einen Antrag innerhalb des Verfahrens, der die gerichtliche Entscheidungsfindung anleitet, jedoch keine Bindungswirkung entfaltet. Das Gericht entscheidet eigenständig über Schuld- und Straffrage.

Abgrenzungen

Strafanzeige versus Strafverlangen

Die Strafanzeige ist die Mitteilung eines Sachverhalts an die Behörden zur Prüfung, ob ein Anfangsverdacht besteht. Sie ist formfrei und kann von jedermann erstattet werden. Das Strafverlangen hingegen ist die ausdrückliche Erklärung, dass eine Verfolgung oder Bestrafung gewünscht wird, und ist bei Antragsdelikten Verfahrensvoraussetzung. Eine Anzeige kann ein Strafverlangen enthalten, tut dies aber nicht zwingend.

Zivilansprüche im Strafverfahren

Die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche (zum Beispiel Schadenersatz) ist vom Strafverlangen zu unterscheiden. Beide können im selben Verfahren zusammentreffen, dienen aber unterschiedlichen Zielen: Das Strafverlangen zielt auf Sanktion, die zivilrechtliche Forderung auf Ausgleich. Das Gericht behandelt beide Komplexe nach den jeweils einschlägigen Regeln.

Strafverlangen und öffentliches Interesse

Bei Delikten, die von erheblicher Allgemeinbedeutung sind, verfolgt der Staat grundsätzlich auch ohne Strafverlangen. Bei Antragsdelikten tritt der staatliche Strafanspruch gegenüber der Dispositionsbefugnis der verletzten Person zurück. Nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen kann ein Überwiegen des öffentlichen Interesses dazu führen, dass trotz fehlenden oder zurückgezogenen Strafverlangens ein Verfahren fortgeführt wird.

Verfahrensrechtliche Aspekte

Form und Inhalt

Das Strafverlangen muss die Bereitschaft zur Strafverfolgung klar erkennen lassen. In der Praxis werden die betroffene Tat, die betroffene Person (soweit bekannt) und die Umstände dargestellt. Es kann mündlich oder schriftlich erklärt werden; häufig ist eine schriftliche Bestätigung vorgesehen. Eine pauschale Missbilligung genügt nicht; erforderlich ist eine nachvollziehbare Zuordnung der beanstandeten Handlung.

Fristen und Verwirkung

Für das Strafverlangen bei Antragsdelikten gelten kurze Fristen, die mit Kenntnis von Tat und Täter zu laufen beginnen. Nach Ablauf der Frist ist ein erstmaliges Strafverlangen regelmäßig ausgeschlossen. Fristwahrung und Fristbeginn beurteilen sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach dem Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntnis.

Rückzug und Einverständnis

Der Rückzug eines Strafverlangens ist in vielen Systemen bis zu einem bestimmten Stadium des Verfahrens möglich. Der Rückzug bewirkt, dass das Verfahren in Antragsdelikten nicht weitergeführt wird. Häufig bedarf der Rückzug der Zustimmung weiterer Berechtigter, wenn mehrere Personen antragsberechtigt sind, und kann Wirkungen gegenüber allen Beteiligten der Tat entfalten.

Wirkung auf Verfolgung und Verfahrensstand

Ein wirksames Strafverlangen eröffnet den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, Ermittlungen zu führen. Ohne Strafverlangen unterbleibt dies bei Antragsdelikten. In Verfahren mit privater Beteiligung kann das Strafverlangen die Rolle der verletzten Person stärken, etwa durch Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte. Auf die gerichtliche Entscheidung in der Sache hat das Strafverlangen keine Bindungswirkung hinsichtlich Schuld und Strafe.

Überblick nach Rechtsordnungen (DE/AT/CH)

Im deutschen Sprachraum wird das formelle Erfordernis bei Antragsdelikten überwiegend als Strafantrag bezeichnet. Der Begriff Strafverlangen wird teils synonym, teils beschreibend für das dahinterstehende Begehren verwendet. Die Grundzüge ähneln sich: kurze Antragsfristen, Berechtigung der unmittelbar betroffenen Person, Möglichkeit des Rückzugs und fehlende Bindung des Gerichts an inhaltliche Strafbegehren. Unterschiede bestehen im Detail der Ausgestaltung von Privatklage und privater Beteiligung.

Rechte und Pflichten der Beteiligten

Befugte Personen

Antragsberechtigt ist in der Regel, wer durch die Tat unmittelbar verletzt ist. In bestimmten Konstellationen können Angehörige, gesetzliche Vertreter oder sonstige Berechtigte das Strafverlangen erklären. Mehrere Berechtigte können nebeneinander befugt sein.

Vertretung und Stellvertretung

Das Strafverlangen kann durch Vertreter erklärt werden, wenn eine entsprechende Vertretungsmacht besteht. Bei minderjährigen oder nicht handlungsfähigen Personen handeln die gesetzlichen Vertreter. In besonderen Situationen sind ergänzende Zustimmungserfordernisse vorgesehen.

Bindungswirkung und Dispositionsbefugnis

Das Strafverlangen eröffnet das Verfahren, bindet das Gericht jedoch nicht in der Sache. Die berechtigte Person kann das Verfahren durch Rückzug beeinflussen, soweit die Rechtsordnung dies zulässt. Inhaltliche Strafbegehren werden berücksichtigt, bleiben aber unverbindlich für die Entscheidung über Schuld und Maß der Strafe.

Datenschutz und Vertraulichkeit

Erklärungen zum Strafverlangen enthalten personenbezogene Daten. Deren Verarbeitung richtet sich nach den einschlägigen Datenschutz- und Verfahrensregeln. Einsichts- und Auskunftsrechte werden mit dem Schutz von Persönlichkeitsrechten abgewogen.

Typische Anwendungsfälle

Antragsdelikte

In der Praxis betrifft das Strafverlangen häufig Delikte, bei denen der Schutz persönlicher Interessen im Vordergrund steht. Dazu zählen beispielsweise Ehrverletzungen, Eingriffe in den Hausfrieden oder bestimmte Vermögensdelikte in Konstellationen, in denen die Verfolgung vom Willen der betroffenen Person abhängig gemacht ist.

Interessenkonflikte und Schutzmechanismen

Weil das Strafverlangen den staatlichen Strafanspruch steuert, bestehen Schutzmechanismen gegen Missbrauch, etwa Anforderungen an Bestimmtheit, Fristen, Zustimmungs- oder Rückzugsregelungen sowie Kostenfolgen in privat betriebenen Verfahren. Zugleich sichern Beteiligungsrechte der verletzten Person deren Einfluss auf den Verfahrensverlauf.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Strafverlangen in einfachen Worten?

Strafverlangen ist die Erklärung, dass eine Person wegen eines bestimmten Verhaltens staatlich bestraft werden soll. Es kann als Voraussetzung für die Strafverfolgung dienen oder als Antrag auf eine bestimmte Sanktion im Verfahren verstanden werden.

Wer darf ein Strafverlangen stellen?

In der Regel ist die unmittelbar verletzte Person berechtigt. Je nach Situation können auch gesetzliche Vertreter, Angehörige oder andere Berechtigte ein Strafverlangen erklären. Mehrere Personen können gleichzeitig berechtigt sein.

Welche Rolle spielt das Strafverlangen bei Antragsdelikten?

Bei Antragsdelikten ist das Strafverlangen Voraussetzung dafür, dass die Behörden tätig werden. Ohne wirksames Strafverlangen findet in diesen Fällen keine Verfolgung statt, es sei denn, eine eng begrenzte Ausnahme greift.

Kann ein Strafverlangen zurückgezogen werden?

Der Rückzug ist häufig bis zu einem bestimmten Stadium des Verfahrens möglich. Der Rückzug bewirkt bei Antragsdelikten in der Regel das Ende der Verfolgung. Teilweise bedarf der Rückzug der Zustimmung weiterer Berechtigter.

Ist das Gericht an ein Strafverlangen gebunden?

Nein. Das Strafverlangen eröffnet das Verfahren oder formuliert eine Zielvorstellung, bindet das Gericht aber nicht. Über Schuld und Strafe entscheidet das Gericht eigenständig.

Worin besteht der Unterschied zwischen Strafanzeige und Strafverlangen?

Die Strafanzeige teilt einen Verdacht mit. Das Strafverlangen verlangt die Verfolgung oder Bestrafung. Eine Anzeige kann ein Strafverlangen enthalten, muss es aber nicht.

Welche Fristen gelten für das Strafverlangen?

Für das Strafverlangen bei Antragsdelikten gelten kurze Fristen, die mit Kenntnis von Tat und Täter beginnen. Nach Fristablauf ist ein erstmaliges Strafverlangen in der Regel ausgeschlossen.

Welche Folgen hat ein fehlendes Strafverlangen?

Fehlt bei einem Antragsdelikt das Strafverlangen, unterbleibt die Verfolgung. In Verfahren ohne Antragserfordernis hat das fehlende Strafverlangen keine rechtliche Sperrwirkung.