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Strafvereitelung


Begriff und Definition der Strafvereitelung

Strafvereitelung ist ein Straftatbestand des deutschen Strafrechts und beschreibt das rechtswidrige Verhindern, Be- oder Verhindern der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung einer rechtswidrigen Tat. Die Strafvorschrift ist in § 258 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt und dient dem Schutz der Rechtspflege, indem sie sicherstellt, dass begangene Straftaten verfolgt und verhängte Strafen durchgesetzt werden können. Die Strafvereitelung steht im Kontext der Justizdelikte, welche die ordnungsgemäße Funktion der Rechtspflege und damit das Vertrauen der Allgemeinheit in diese Institution schützen sollen.


Rechtsgrundlagen

Gesetzliche Regelung in Deutschland

Die maßgebliche Vorschrift ist § 258 StGB. Nach dem Wortlaut des Gesetzes macht sich strafbar, wer absichtlich oder wissentlich bewirkt, dass andere einer Strafe, einer Maßregel der Besserung und Sicherung, einer Nebenstrafe oder einer Nebenfolge ganz oder teilweise nicht, nur erschwert oder verzögert unterworfen wird.

Wortlaut § 258 StGB

„Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft oder mit einer Maßregel der Besserung und Sicherung belegt wird, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Systematische Stellung

Die Strafvereitelung ist im 21. Abschnitt des Strafgesetzbuchs „Straftaten gegen die Rechtspflege“ eingeordnet. Sie gehört zu den Delikten, die die effektive Strafrechtspflege sichern sollen.


Tatbestandsmerkmale der Strafvereitelung

Objektiver Tatbestand

Tathandlung

Der Täter muss die Strafverfolgung oder Strafvollstreckung ganz oder zum Teil vereiteln, erschweren oder verzögern. Typische Formen sind das Verstecken eines Täters, das Vernichten von Beweismitteln, das Bereitstellen falscher Alibis oder das Überreden von Zeugen zum Schweigen.

Vereitelungserfolg

Erforderlich ist ein tatsächlicher Nachteil für die Strafverfolgung oder -vollstreckung. Vollendet ist die Tat, wenn die Strafverfolgung oder Vollstreckung zumindest vorübergehend unmöglich, erschwert oder erheblich verzögert wird (sog. Vereitelungserfolg).

Täterkreis

Jeder kann Täter einer Strafvereitelung sein, ausgenommen ist lediglich der Teilnehmer an der Vortat (siehe privilegierende Regelungen unten).

Subjektiver Tatbestand

Voraussetzung ist mindestens bedingter Vorsatz. Der Handelnde muss also zumindest billigend in Kauf nehmen, dass durch sein Verhalten die Verfolgung oder Bestrafung eines anderen verhindert, erschwert oder verzögert wird. Eine fahrlässige Strafvereitelung ist nicht nach § 258 StGB strafbar.


Abgrenzungen und Verwandte Tatbestände

Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB)

Für Amtsträger (zum Beispiel Polizeibeamte, Richter, Staatsanwälte), die ihre dienstliche Stellung missbrauchen, um die Vereitelung herbeizuführen, gilt § 258a StGB: „Strafvereitelung im Amt“. Diese Vorschrift sieht schärfere Sanktionen vor.

Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB)

Von der Strafvereitelung abzugrenzen ist die falsche Verdächtigung (§ 164 StGB), die das bewusste Belasten eines Unschuldigen betrifft. Ebenso ist eine klare Trennlinie zur Beihilfe zu einer Straftat zu ziehen; die Beihilfe erfolgt vor oder während der Haupttat, die Strafvereitelung setzt hingegen eine bereits abgeschlossene Straftat voraus.


Strafbarkeit der Eigenen Tat (Selbstbegünstigung)

Nach § 258 Abs. 5 StGB wird der Täter nicht wegen Strafvereitelung bestraft, wenn die Vereitelungshandlung der Bestrafung oder Maßregelvollstreckung hinsichtlich seiner eigenen Tat gilt. Dies folgt aus dem Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare (niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten). Wer also durch aktives Verhalten eine Bestrafung wegen der eigenen Tat verhindert, macht sich nicht strafbar.


Konkurrenzen

Verhältnis zu anderen Straftaten

Strafvereitelung kann mit anderen Delikten zusammentreffen, zum Beispiel mit Urkundenfälschung (§ 267 StGB), wenn etwa eine Bescheinigung gefälscht wird, um eine Tat zu verdecken. In diesen Fällen ist Idealkonkurrenz möglich, das heißt, beide Straftatbestände werden unabhängig voneinander erfüllt.


Strafmaß und Rechtsfolge

Für die einfache Strafvereitelung sieht § 258 StGB Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Die Tat kann sowohl im Versuch als auch in der Vollendung bestraft werden. Besonders schwer wiegt jedoch die Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB), bei der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren droht.

Für besondere Konstellationen (z.B. versuchte Strafvereitelung, minder schwere Fälle) gibt es gesetzliche Milderungsmöglichkeiten.


Strafvereitelung in anderen Rechtsordnungen

In vielen europäischen Ländern findet sich ein vergleichbarer Tatbestand; in Österreich ist dies etwa „Strafvereitelung“ nach § 299 StGB, in der Schweiz „Verhinderung einer Strafverfolgung“ gemäß Art. 305 StGB. Im angelsächsischen Rechtskreis gibt es verwandte Regelungen wie „Perverting the Course of Justice“ (England, Wales).


Praxisbeispiele und typische Fallkonstellationen

  • Verstecken eines Täters: Wer eine gesuchte Person verbirgt, um die Ergreifung zu verhindern.
  • Falsche Alibiaussagen: Wer zugunsten eines Beschuldigten wahrheitswidrige Angaben über dessen Aufenthaltsort macht.
  • Manipulation von Beweismitteln: Das Vernichten, Verstecken oder Verfälschen von relevanten Beweisgegenständen.
  • Beeinflussung von Zeugen: Das Überreden oder Bedrohen von Zeugen, um sie von einer Aussage abzuhalten.

Bedeutung der Strafvereitelung im Rechtsschutzsystem

Strafvereitelung ist ein zentrales Instrument, um die Integrität der Strafrechtspflege zu bewahren. Sie sichert das Vertrauen der Allgemeinheit in die Ermittlungsorgane und Justiz. Die Vorschrift schützt nicht nur das öffentliche Interesse an der Ahndung von Straftaten, sondern auch die effektive Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Strafgesetzbuch (StGB), letzter Stand
  • Fischer, Thomas: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar
  • Joecks, Wolfgang: Münchener Kommentar zum StGB, §§ 258-262
  • Schönke/Schröder: Strafgesetzbuch, Kommentar

Siehe auch


Hinweis: Die vorstehenden Ausführungen bieten einen umfassenden Überblick über die Strafvereitelung und dienen insbesondere dem allgemeinen Verständnis und der systematischen Einordnung dieses Straftatbestandes im deutschen Strafrecht.

Häufig gestellte Fragen

Welche Handlungen können als Strafvereitelung gewertet werden?

Grundsätzlich umfasst Strafvereitelung sämtliche Verhaltensweisen, die darauf abzielen, die Bestrafung eines Täters für eine bereits begangene Straftat zu vereiteln oder zumindest wesentlich zu erschweren. Hierunter fällt insbesondere das aktive oder passive Eingreifen zugunsten eines Beschuldigten, etwa durch die Beweisvereitelung (z.B. Vernichten oder Verstecken von Beweismitteln), das gezielte Falschaussagen zu dessen Gunsten, die Unterstützung bei Flucht oder Verstecken des Täters, aber auch die bewusste Nichtanzeige einer vollendeten Straftat gegenüber den zuständigen Behörden, sofern diese Unterlassung nicht selbst strafbewehrt ist. Entscheidend ist, dass die Handlung subjektiv auf das Vereiteln der Strafverfolgung gerichtet ist und objektiv geeignet ist, die Strafverfolgung zu vereiteln oder zumindest erheblich zu erschweren. Nicht erfasst sind bloße allgemeine Sympathiebekundungen oder Handlungen, die lediglich moralische Unterstützung bieten, solange diese nicht die Strafverfolgungsinteressen konkret beeinträchtigen.

Welche Voraussetzungen müssen für eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung vorliegen?

Für eine Strafbarkeit nach § 258 StGB müssen mehrere Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein. Zunächst muss eine rechtswidrige Tat eines Dritten vorliegen, für deren Verfolgung und Bestrafung die Handlung potenziell relevant ist. Sodann muss eine objektive Tathandlung vorliegen, durch die die Bestrafung, Vollstreckung oder Feststellung der Tat oder des Täters vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Subjektiv ist Vorsatz erforderlich, das heißt, der Täter muss wissen und wollen, dass er die Strafverfolgung vereitelt. Eine fahrlässige Vereitelung ist nicht tatbestandsmäßig. Ferner muss eine sogenannte fremde Tat betroffen sein, ein Täter kann sich also nicht wegen Strafvereitelung an seiner eigenen Straftat strafbar machen. Ausgenommen sind zudem Angehörige bestimmter nahe stehender Personen (z.B. Ehegatten, Eltern), die gemäß § 258 Abs. 6 StGB privilegiert und somit durch die Vorschrift begünstigt sind.

Inwiefern können auch Unterlassungen strafbar sein?

Neben aktiven Handlungen kann auch ein Unterlassen als Strafvereitelung strafbar sein, wenn eine sogenannte Garantenstellung besteht. Das bedeutet, dass jemand rechtlich dafür einzustehen hat, dass eine Strafverfolgung erfolgt – dies ist typischerweise bei Amtsträgern der Fall, wie z.B. Polizisten, Staatsanwälten oder Richtern. Unterlassen diese pflichtwidrig die Verfolgung oder Weiterleitung eines bekannten Sachverhalts und tragen so zur Vereitelung der Strafverfolgung bei, verwirklichen sie den Tatbestand der Strafvereitelung durch Unterlassen gemäß § 13 StGB. Für Privatpersonen besteht ohne eine entsprechende Rechtspflicht im Allgemeinen keine Strafbarkeit wegen strafbarer Unterlassung, doch können sie sich dann möglicherweise nach anderen Vorschriften, z.B. Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) oder Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB), strafbar machen.

Welche Rolle spielt die Vollendung der Vortat bei der Strafvereitelung?

Eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung setzt voraus, dass eine sogenannte Vortat tatsächlich vollendet wurde. Das bedeutet, die Tat, deren Strafverfolgung vereitelt werden soll, muss bereits begangen und abgeschlossen sein; bloße Vorbereitungshandlungen oder der Versuch einer Straftat reichen dafür nicht aus. Die exakte rechtliche Würdigung der Vortat ist dabei unerheblich; es genügt, dass ein strafbares Verhalten objektiv vorliegt. Ein Irrtum über das Vorliegen der Vortat kann jedoch Auswirkungen auf den Vorsatz des Täters haben, was wiederum zur Straflosigkeit führen kann, wenn der Täter z.B. irrig von einer Straftat ausgeht, die tatsächlich nicht begangen wurde.

Gibt es Ausnahmen oder Privilegierungen vom Straftatbestand der Strafvereitelung?

Gemäß § 258 Abs. 6 StGB sind enge Angehörige des Täters (z.B. Ehegatte, Verlobte, Eltern, Kinder, Geschwister) privilegiert, d.h. sie werden in der Regel für eine zu Gunsten des Täters begangene Strafvereitelung nicht bestraft. Diese Ausnahme soll dem besonderen Vertrauensverhältnis und der Solidarität innerhalb der Familie Rechnung tragen und das Zeugnisverweigerungsrecht im Strafverfahren ergänzen. Allerdings bezieht sich die Privilegierung nur auf solche Angehörigen, die eine Tat zugunsten des Täters begehen. Für Strafvereitelung zu Ungunsten eines anderen gelten diese Regelungen nicht. Ebenso greift die Ausnahme nicht bei gewerbs- oder bandenmäßigem Handeln.

Was unterscheidet die Strafvereitelung von der Begünstigung (§ 257 StGB)?

Obwohl beide Tatbestände dem Schutz der Strafrechtspflege dienen, unterscheiden sie sich wesentlich in ihrem Anwendungsbereich. Begünstigung (§ 257 StGB) erfasst Handlungen, die darauf abzielen, einem Täter einer rechtswidrigen Tat Vorteile aus dieser Tat zu sichern oder ihn für diese Tat zu belohnen, unabhängig davon, ob dadurch die Strafverfolgung beeinträchtigt wird. Strafvereitelung (§ 258 StGB) hingegen hat ausschließlich das Vereiteln oder Erschweren der Strafverfolgung, Strafvollstreckung oder Feststellung der Tat bzw. Täterschaft zum Gegenstand. Die Strafvereitelung ist damit der speziellere Tatbestand und geht der Begünstigung bei Konkurrenz vor, sofern beide verwirklicht sind.

Können auch Amtsträger strafrechtlich wegen Strafvereitelung belangt werden?

Besonders für Amtsträger existiert neben dem allgemeinen § 258 StGB zusätzlich der Qualifikationstatbestand der Strafvereitelung im Amt nach § 258a StGB. Dieser sieht für Amtsträger, die in Ausübung ihres Amtes bewusst und gewollt die Strafvereitelung begehen (etwa ein Polizist, der absichtlich Beweismittel verschwinden lässt), eine erhöhte Strafandrohung vor. Die Vorschrift erfasst jede rechtswidrige Tat, deren Verfolgung von einem Amtsträger pflichtgemäß zu gewährleisten ist. Der Schutzzweck liegt hier insbesondere im Erhalt des Vertrauens in die Rechtsstaatlichkeit und Funktionsfähigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden. Bereits der Versuch ist strafbar, und aus dienstrechtlicher Sicht drohen neben der strafrechtlichen Sanktionierung auch disziplinarische Konsequenzen.

Welche Strafen drohen bei einer Verurteilung wegen Strafvereitelung?

Das Strafmaß für eine Strafvereitelung richtet sich grundsätzlich nach § 258 StGB und sieht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. In minder schweren Fällen kann die Strafe herabgesetzt werden. Besondere Schwere kann dann angenommen werden, wenn durch die Strafvereitelung die Vollstreckung einer Strafe oder Maßregel verhindert wird; in solchen Fällen ist eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen (§ 258 Abs. 2 StGB). Für Amtsträger nach § 258a StGB ist das Strafmaß erhöht und liegt zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Freiheitsstrafe, in minder schweren Fällen zwischen drei Monaten und fünf Jahren. Neben der eigentlichen Strafe können weitere Folgen wie Verlust des Arbeitsplatzes, Vermögenseinziehung oder weitere Nebenstrafen hinzukommen.