Begriff und rechtliche Einordnung der Strafunterbrechung
Strafunterbrechung bezeichnet in der deutschen Rechtssprache einen Unterbrechungstatbestand im Rahmen der Strafvollstreckung, durch den der Vollzug einer rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe oder einer anderen strafrechtlichen Sanktion zeitweilig ausgesetzt wird. Die Maßnahme dient in der Regel bestimmten Schutzinteressen des Verurteilten oder der Allgemeinheit und ist im Strafvollzugsgesetz (StVollzG) sowie spezialgesetzlich geregelt. Der Begriff wird dabei insbesondere von der Aussetzung der Strafe zur Bewährung (oft auch als Strafaussetzung bezeichnet) abgegrenzt, die andere Voraussetzungen und Rechtsfolgen hat.
Gesetzliche Grundlagen der Strafunterbrechung
Nationale Gesetzgebung
Rechtsgrundlagen für die Strafunterbrechung finden sich vor allem in den §§ 455 ff. Strafprozessordnung (StPO) sowie ergänzend im Strafvollzugsgesetz (StVollzG). Darüber hinaus existieren einzelgesetzliche Regelungen, beispielsweise im Jugendgerichtsgesetz (JGG) und im Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
§ 455 StPO – Unterbrechung der Strafvollstreckung aus gesundheitlichen Gründen
Nach § 455 StPO kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung unterbrochen werden, wenn der Verurteilte aus gesundheitlichen Gründen nicht haftfähig ist. Eine Unterbrechung ist zwingend, wenn während des Strafvollzugs die Voraussetzungen der Haftunfähigkeit eintreten.
Weitere unterbrechende Gründe
Neben der Haftunfähigkeit kommt gemäß § 456 StPO eine Strafunterbrechung bei Schwangerschaft oder Mutterschaft in Betracht. Auch nach §§ 35 ff. BtMG kann bei Therapiebereitschaft im Falle von Betäubungsmitteldelikten eine Unterbrechung zugelassen werden.
Voraussetzungen der Strafunterbrechung
Allgemeine Voraussetzungen
Die grundsätzliche Voraussetzung ist das Vorliegen eines gesetzlichen Tatbestands, der die Strafunterbrechung rechtfertigt. Je nach Unterbrechungsgrund müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils: Die Strafvollstreckung muss bereits begonnen haben oder unmittelbar bevorstehen.
- Vorliegen eines Hinderungsgrundes: Dies kann insbesondere eine akute Erkrankung, Schwangerschaft, die Betreuung minderjähriger Kinder oder ein drohender schwerer Nachteil sein.
- PRÜFUNG DER ZULÄSSIGKEIT: Die zuständige Vollstreckungsbehörde prüft eingehend, ob die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere keine Flucht- oder Verdunklungsgefahr, vorliegen.
Sonderregelungen
Spezielle Voraussetzungen gelten im Jugendstrafrecht (§ 90 JGG) und nach dem BtMG, vorrangig zur Förderung therapeutischer Maßnahmen bei Suchtmittelnabhängigkeit.
Verfahren zur Anordnung der Strafunterbrechung
Antragstellung und Verfahren
Ein Antrag auf Strafunterbrechung kann von der verurteilten Person selbst oder durch Bevollmächtigte gestellt werden. Die Entscheidung trifft in der Regel die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde. Bei Freiheitsstrafen über zwei Jahre kann das Gericht eingeschaltet werden. Die Entscheidung kann mit Rechtsmitteln angefochten werden, wobei ein sofortiger Vollzugsaussetzungsantrag möglich ist.
Dauer und Überwachung
Die Dauer der Unterbrechung richtet sich nach dem individuellen Einzelfall und kann befristet oder unbefristet angeordnet werden. Die Vollstreckungsbehörde ist verpflichtet, den Fortbestand der Unterbrechungsgründe regelmäßig zu überprüfen.
Rechtswirkungen und Folgen der Strafunterbrechung
Wirkungen auf Strafvollzug und Strafrest
Während der Unterbrechung ruht der Vollzug der Strafe. Das bedeutet insbesondere, dass die Zeit der Unterbrechung nicht auf den Strafrest angerechnet wird (vgl. § 454b Abs. 1 StPO). Sobald der Unterbrechungsgrund entfällt, wird die Strafe weiter vollstreckt.
Haftverschonung und Sonderfälle
Bei bestimmten schweren Erkrankungen kann es – unter Umständen zeitlich unbegrenzt – zur dauerhaften Haftverschonung kommen. In diesen Fällen ist keine Fortsetzung der Strafvollstreckung zu erwarten, falls eine Genesung ausgeschlossen ist.
Abgrenzung zu anderen strafrechtlichen Maßnahmen
Unterschied zur Strafaussetzung zur Bewährung
Anders als bei der Strafaussetzung zur Bewährung wird der Verurteilte bei der Strafunterbrechung nach wie vor als rechtskräftig Verurteilter betrachtet, dessen Strafe nur zeitweise nicht vollstreckt wird. Eine Umwandlung der Strafe in eine Bewährungsstrafe findet nicht statt.
Unterschied zu Gnadenentscheidungen
Im Rahmen von Gnadenverfahren kann es zwar zur Strafunterbrechung kommen, hierbei handelt es sich jedoch um eine allein aus Fürsorgegesichtspunkten getroffene Entscheidung, die außerhalb der gesetzlichen Regelungen steht.
Rechtsschutz und Rechtsmittel im Zusammenhang mit der Strafunterbrechung
Mögliche Rechtsmittel
Betroffene können gegen ablehnende Entscheidungen im Hinblick auf eine Strafunterbrechung Beschwerde einlegen. Zuständig ist das zuständige Gericht nach den maßgeblichen Vorschriften der StPO (§§ 306 ff. StPO).
Praxisrelevanz und Bedeutung
Die praktische Bedeutung der Strafunterbrechung liegt insbesondere im Bereich der gesundheitlichen Gründe, Schwangerschaften und Suchtproblematiken. Sie dient der Wahrung menschenrechtlicher Mindeststandards und dem Schutzbereichen der Betroffenen und stellt ein bedeutendes Korrektiv im System der Strafvollstreckung dar.
Literatur und weiterführende Vorschriften (Auswahl)
- Strafprozessordnung (StPO), §§ 455-462
- Strafvollzugsgesetz (StVollzG)
- Jugendgerichtsgesetz (JGG)
- Betäubungsmittelgesetz (BtMG), §§ 35 ff.
Zusammenfassung
Die Strafunterbrechung ist ein gesetzlich normierter, zeitlich begrenzter Unterbrechungstatbestand im Rahmen der Strafvollstreckung, der unter engen Voraussetzungen dem Schutz berechtigter Interessen dient. Sie stellt ein wichtiges Instrument zur Berücksichtigung humanitärer Belange im Strafvollzug dar und gewährleistet eine flexible Reaktion auf außergewöhnliche Fallkonstellationen im Strafvollstreckungsverfahren.
Häufig gestellte Fragen
Wann kann eine Strafunterbrechung gewährt werden?
Eine Strafunterbrechung kann grundsätzlich dann gewährt werden, wenn bestimmte gesetzlich normierte Gründe vorliegen, die eine sofortige Weiterverbüßung der Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme als unzumutbar erscheinen lassen. Häufige Gründe sind insbesondere schwere Erkrankungen oder akute gesundheitliche Notlagen des Verurteilten, die eine adäquate Behandlung innerhalb der Justizvollzugsanstalt unmöglich machen. Daneben kommt eine Unterbrechung auch aus humanitären Erwägungen – etwa bei nahendem Tod oder zur Wahrnehmung unverzichtbarer familiärer Pflichten (z.B. Beerdigung eines nahen Angehörigen) – in Betracht. Die konkrete Beurteilung, ob die Voraussetzungen vorliegen, obliegt der Justizbehörde bzw. dem Gericht, wobei stets ein strenger Maßstab anzulegen ist. Zudem ist eine umfassende Interessenabwägung zwischen den Belangen des Verurteilten und dem öffentlichen Sicherheitsinteresse vorzunehmen.
Wer entscheidet über die Gewährung einer Strafunterbrechung?
Die Entscheidung über die Gewährung sowie die Dauer einer Strafunterbrechung obliegt primär der Justizbehörde, insbesondere der zuständigen Vollstreckungsbehörde oder, in bestimmten Fällen, dem Gericht. In der Praxis wird zunächst die Justizvollzugsanstalt einen entsprechenden Antrag prüfen und eine Stellungnahme abgeben. Die abschließende Entscheidung trifft dann die Strafvollstreckungskammer auf Basis der vorliegenden Gutachten, ärztlichen Atteste oder anderer Nachweise. Ist jedoch Gefahr im Verzug oder handelt es sich um sehr kurzfristige Entscheidungen, kann die Anordnung auch durch den Anstaltsleiter erfolgen. Bei schwerwiegenden Fällen, etwa bei lebensgefährlichen oder tödlichen Erkrankungen, kann zudem eine sofortige gerichtliche Entscheidung nach § 455 StPO erforderlich werden.
Welche Voraussetzungen müssen für eine Strafunterbrechung vorliegen?
Die formellen und materiellen Voraussetzungen für eine Strafunterbrechung sind im deutschen Strafvollstreckungsrecht genau geregelt, insbesondere in den §§ 455 und 455a StPO. Zentral ist das Vorliegen eines „wichtigen Grundes“. Dazu zählen insbesondere eine schwere Krankheit, eine dringende medizinische Maßnahme außerhalb des Justizvollzugs oder außergewöhnliche familiäre Ereignisse. Der Antragsteller muss den wichtigen Grund detailliert darlegen und ggf. durch medizinische Gutachten oder amtliche Nachweise untermauern. Es erfolgt regelmäßig eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit und des öffentlichen Interesses an der Strafvollstreckung. Die bloße Geltendmachung von beruflichen, finanziellen oder allgemein sozialen Nachteilen reicht dagegen nicht aus. Außerdem darf bei einer temporären Unterbrechung kein erheblicher Sicherheits- oder Fluchtanreiz bestehen.
Wie lange kann eine Strafunterbrechung dauern?
Die Dauer der Strafunterbrechung richtet sich nach dem Einzelfall und bemisst sich grundsätzlich an der Dauer des zugrundeliegenden wichtigen Grundes. Eine pauschale Höchstdauer sieht das Gesetz nicht vor, allerdings ist die Strafunterbrechung stets zeitlich zu befristen und darf nicht länger dauern als erforderlich. Eine Verlängerung ist möglich, wenn der wichtige Grund weiterhin vorliegt und dies entsprechend nachgewiesen wird. Sobald die maßgeblichen Umstände entfallen oder eine Rückkehr in den Vollzug möglich ist, endet die Unterbrechung automatisch. In bestimmten Fällen, beispielsweise bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit tödlichem Verlauf, kann der Vollzug der Strafe dauerhaft ausgesetzt werden.
Welche Rechtsmittel stehen gegen die Ablehnung einer Strafunterbrechung zur Verfügung?
Wird der Antrag auf Strafunterbrechung durch die Vollstreckungsbehörde abgelehnt, steht dem Antragsteller grundsätzlich der Rechtsweg offen. Zunächst kann die gerichtliche Entscheidung gemäß § 458 StPO bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer beantragt werden. Das Gericht überprüft sodann die Entscheidung der Behörde in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Gegen die Entscheidung des Gerichts ist wiederum die Beschwerde nach den allgemeinen Vorschriften der Strafprozessordnung möglich. In besonders gelagerten Fällen kann auch Verfassungsbeschwerde eingelegt werden, wenn eine Grundrechtsverletzung behauptet wird. Die Einlegung der Rechtsmittel hat allerdings keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, das Gericht ordnet dies ausdrücklich an.
Was sind die Folgen einer Strafunterbrechung für die Reststrafenzeit?
Bei einer Strafunterbrechung ruht die Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßnahme. Das bedeutet, dass der Zeitraum der Unterbrechung nicht auf die Strafzeit angerechnet wird – die Strafverbüßung ist also in dieser Zeit ausgesetzt, nicht aber beendet. Die verbleibende Reststrafenzeit bleibt bestehen und ist nach Ende der Unterbrechung weiter zu vollstrecken. Ausnahme: Bei endgültiger Strafaussetzung oder Gnadenerweis kann die Reststrafe erlassen werden, was jedoch in der Regel eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung voraussetzt.
Kann eine laufende Strafunterbrechung widerrufen werden?
Eine gewährte Strafunterbrechung kann jederzeit widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung nachträglich entfallen sind, der Verurteilte gegen ihm auferlegte Beschränkungen oder Auflagen gröblich verstößt oder neue Tatsachen bekannt werden, die im Rahmen der Interessenabwägung zwingend zu einer anderen Entscheidung führen müssen. Insbesondere wenn der Sicherheitsaspekt überwiegt oder der Betroffene sich dem weiteren Strafvollzug entzieht, ist die sofortige Beendigung der Unterbrechung möglich. Der Widerruf erfolgt dabei durch die zuständige Vollstreckungsbehörde oder das Gericht, wobei der Verurteilte grundsätzlich anzuhören ist.