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Straftilgung


Begriff und Bedeutung der Straftilgung

Die Straftilgung bezeichnet im deutschen Recht den Vorgang, durch den eine strafrechtliche Verurteilung rechtlich aus dem Bundeszentralregister entfernt wird. Nach Ablauf bestimmter Tilgungsfristen, die sich an gesetzlichen Vorgaben orientieren, dürfen die tilgungsfähigen Einträge im Register keine rechtliche Wirkung mehr entfalten und sind ab diesem Zeitpunkt als nicht mehr existent zu behandeln. Ziel der Straftilgung ist es, eine soziale und rechtliche Rehabilitation von betroffenen Personen zu ermöglichen und die Diskriminierung fortgesetzter, ehemals Verurteilter zu verhindern.

Rechtliche Grundlagen der Straftilgung

Bundeszentralregistergesetz (BZRG)

Die maßgeblichen Bestimmungen zur Straftilgung finden sich im Bundeszentralregistergesetz (BZRG). Das BZRG normiert, welche strafrechtlichen Entscheidungen im Register eingetragen werden, wann und unter welchen Voraussetzungen diese gelöscht (getilgt) werden und welche Wirkungen hiermit einhergehen.

Eintragungspflicht und Eintragungsarten

Im Bundeszentralregister werden unter anderem Urteile, Strafbefehle oder Verwarnungen mit Strafvorbehalt eingetragen. Nach dem BZRG besteht für bestimmte Entscheidungen eine Eintragungspflicht, die im Zusammenhang mit der Tilgung eine zentrale Rolle spielt.

Tilgungsfristen nach dem BZRG

Die Tilgungsfristen sind im BZRG detailliert geregelt und differenzieren sich abhängig von Art und Schwere der Straftat, der Höhe der verhängten Strafe und weiteren Umständen des Einzelfalls.

Allgemeine Tilgungsfristen (§ 46, § 47 BZRG)

  • Dreijährige Tilgungsfrist: Gilt beispielsweise für Verurteilungen bis zu 90 Tagessätzen Geldstrafe oder bis zu drei Monaten Freiheitsstrafe, wenn keine weiteren Eintragungen vorhanden sind.
  • Fünfjährige Tilgungsfrist: Erstreckt sich auf Verurteilungen mit geringer Straferwartung, etwa Geldstrafen, die diese Schwellenwerte überschreiten, oder Freiheitsstrafen von maximal einem Jahr.
  • Zehnjährige Tilgungsfrist: Findet Anwendung bei schwereren Straftaten mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr, bei Wiederverurteilungen sowie bei Sexualstraftaten und vergleichbaren schweren Delikten.
  • Dreißigjährige Tilgungsfrist: Besonders schwere Fälle, wie z. B. Verurteilungen zu lebenslangen Freiheitsstrafen oder bestimmte Sexualdelikte, unterliegen einer Tilgungsfrist von 30 Jahren.

Die Tilgungsfristen beginnen grundsätzlich mit dem Tag des ersten Urteils oder der ersten Gesamtverurteilung, können jedoch durch neue Verurteilungen unterbrochen oder verlängert werden.

Absolute und relative Tilgungsfristen

Während relative Tilgungsfristen durch neue Straftaten und Verurteilungen verlängert (Hemmung der Tilgung) werden können, existieren absolute Fristen, die selbst durch weitere Straftaten nicht durchbrochen werden können (insbesondere bei sehr langen Tilgungsfristen).

Hemmung der Tilgung

Die Tilgung einer vorangegangenen Strafe wird gehemmt, solange im Register weitere, noch nicht tilgungsreife Verurteilungen vermerkt sind (§ 52 BZRG). Dies soll verhindern, dass mehrfach vorbestrafte Personen durch Tilgung der früheren Verurteilung begünstigt werden.

Rechtsfolgen der Straftilgung

Wirkungen der Tilgung (§ 51 BZRG)

Nach erfolgter Tilgung dürfen die getilgten Eintragungen keinem Dritten mehr mitgeteilt werden. Im behördlichen Sinne gilt die Straftat als nicht geschehen. Dies bedeutet, dass staatliche Stellen, Gerichte und private Auftraggeber in einem begrenzten Rahmen so zu verfahren haben, als sei eine Verurteilung nie erfolgt. Es besteht grundsätzlich ein Auskunftsverbot.

Ausnahmen vom Tilgungsprinzip

Für bestimmte hoheitliche Aufgaben, insbesondere bei laufenden Strafverfahren, bei strafrechtlichen Wiederaufnahmeverfahren, bei Wahlen in öffentliche Ämter und im Bereich der Sicherheitsüberprüfung, können mitunter Ausnahmen vom strikten Tilgungsgrundsatz vorgesehen werden.

Auswirkungen auf das Führungszeugnis

Die Tilgung im Bundeszentralregister hat unmittelbare Auswirkungen auf das Führungszeugnis (§ 32 ff. BZRG). Nach Tilgung erscheint die Vorstrafe nicht mehr im Führungszeugnis und hat praktischen Einfluss auf den beruflichen Werdegang und die gesellschaftliche Rehabilitation.

Sonderformen der Tilgung

Tilgung von Jugendstrafen

Für Straftaten, die im Jugendstrafrecht (JGG) geahndet wurden, gelten gesonderte Tilgungsfristen. Geringfügigere Ahndungen, wie etwa Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel, können abweichenden Löschungszeiträumen unterliegen.

Tilgung bei Ordnungswidrigkeiten

Auch bestimmte schwerwiegende Ordnungswidrigkeiten, sofern mit einer Geldbuße belegt, sind im Bundeszentralregister eintragungsfähig und können nach entsprechenden Tilgungsfristen gelöscht werden.

Verfahren und Durchführung der Straftilgung

Automatischer Ablauf

Die Tilgung erfolgt grundsätzlich automatisch. Das Bundesamt für Justiz ist verpflichtet, nach Eintritt der Voraussetzungen sämtliche betreffenden Registereintragungen zu löschen, ohne dass es eines Antrags der betroffenen Person bedarf.

Antragstellung und Einsichtnahme

Betroffene Personen haben nach §§ 41, 42 BZRG ein Recht auf Einsichtnahme in die sie betreffenden Eintragungen im Bundeszentralregister. Zur Überprüfung, ob, wann und in welchem Umfang eine Tilgung erfolgt ist oder erfolgt werden kann, besteht ein Auskunftsrecht. Die Antragstellung ist formfrei, bedarf jedoch grundsätzlich der persönlichen Identifikation.

Bedeutung und Zielsetzung der Straftilgung

Die Vorschriften zur Straftilgung dienen dem grundrechtlich geschützten Interesse an Resozialisierung und dem Schutz der Privatsphäre. Sie sollen Rückfälle verhindern, individuelle Entwicklung fördern und eine Stigmatisierung durch vergangene Straftaten reduzieren. Das Recht auf Vergessenwerden von Verurteilungen ist damit auch Bestandteil des deutschen Rechtssystems im Rahmen der europäischen Menschenrechtsstandards.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Bundeszentralregistergesetz (BZRG)
  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • Jugendgerichtsgesetz (JGG)
  • Bundesamt für Justiz – Informationen zum Bundeszentralregister
  • Kommentierungen zu den §§ 45-52 BZRG

Hinweis: Die Informationen in diesem Beitrag bieten einen umfassenden Überblick zum Thema Straftilgung und ihrer rechtlichen Grundlage im deutschen Strafrecht. Für eine tiefergehende oder individualisierte Prüfung sind die einschlägigen Gesetzestexte und amtlichen Bekanntmachungen maßgeblich.

Häufig gestellte Fragen

Welche Fristen gelten für die Tilgung von Straftaten im Bundeszentralregister?

Im Bundeszentralregister (BZRG) werden Tilgungsfristen für Straftaten je nach Art und Schwere der Strafe sowie nach der Person des Betroffenen differenziert. Die Fristen betragen nach § 46 BZRG im Allgemeinen 3, 5 oder 10 Jahre. Bei Verurteilungen zu Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten, die nicht im Zusammenhang mit einschlägigen Delikten stehen, beträgt die Frist 3 Jahre. Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und einem Jahr führen zu einer Tilgungsfrist von 5 Jahren, soweit kein Ausschlussgrund greift. Bei Strafen über einem Jahr, jugendgerichtlichen Maßnahmen und verschiedensten sonstigen Verurteilungen erhöht sich die Tilgungsfrist in der Regel auf 10 Jahre. Die Frist beginnt mit dem Tag des ersten Urteils, bei mehreren Entscheidungen jedoch erst mit der letzten maßgeblichen Entscheidung. Weitere besondere Vorschriften gelten beispielsweise bei Maßregeln der Besserung und Sicherung sowie bei Jugendlichen und Heranwachsenden nach dem Jugendgerichtsgesetz.

Kann sich eine weitere Verurteilung auf die Tilgungsfrist auswirken?

Ja, neue strafrechtliche Verurteilungen beeinflussen in der Tat die Tilgungsfristen nach den §§ 47, 49 BZRG erheblich. Wird während einer laufenden Tilgungsfrist eine weitere strafbare Handlung rechtskräftig abgeurteilt und ist auch diese Eintragung tilgungsrelevant (also nicht etwa bereits getilgt oder bereits tilgungsreif), so beginnt die Tilgungsfrist für beide Taten erst mit dem Zeitpunkt der letzten Entscheidung von Neuem. Diese sogenannte Fristhemmung verhindert, dass mehrere Straftaten unabhängig voneinander zur Tilgung gelangen können und soll sicherstellen, dass sich Wiederholungstäter nicht durch Zeitablauf rehabilitieren, solange weitere relevante Straftaten hinzukommen.

Welche Auswirkungen hat eine getilgte Straftat auf das Führungszeugnis?

Sobald eine Straftat nach Ablauf der jeweiligen Tilgungsfrist gelöscht wurde, erscheint sie weder im erweiterten noch im einfachen Führungszeugnis (§ 51 BZRG). Bis zur Tilgung bleibt sie jedoch weiterhin vermerkt. Nach Tilgung dürfen die Angaben zur getilgten Tat grundsätzlich weder im behördlichen noch im privaten Kontext offenbart oder verwertet werden (§ 52 BZRG). Damit soll die Resozialisierung des Betroffenen gefördert und die Wiederherstellung der rechtlichen Gleichstellung gesichert werden. Beachten Sie allerdings, dass für spezielle Führungszeugnisse, etwa für das Arbeiten mit Kindern, Sonderregelungen nach § 32 BZRG gelten können, nach denen auch nach getilgten Taten Mitteilungspflichten bestehen können.

Welche Ausnahmen von der Straftilgung sieht das Gesetz vor?

Das Gesetz nimmt bestimmte Straftaten und Entscheidungen ganz oder teilweise von der Tilgung aus. Nach § 51 Abs. 1 S. 2 BZRG werden Verurteilungen wegen besonders schwerer Straftaten (beispielsweise nach § 174 ff. StGB – Sexualdelikte gegen Kinder) im erweiterten Führungszeugnis auch über die Tilgungsfrist hinaus ausgewiesen und bleiben länger bzw. dauerhaft einsehbar. Dies dient dem Schutz besonders gefährdeter Personengruppen. Ebenfalls ausgeklammert werden bestimmte Entscheidungen im Zusammenhang mit Sicherungsverwahrung oder anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen. Auch Disziplinarmaßnahmen, Berufsverbote oder behördliche Maßnahmen können von der Straftilgung ausgeschlossen werden.

Wer hat im Rahmen der Tilgung Zugriff auf die gespeicherten Daten?

Während der Tilgungsfristen dürfen staatliche Stellen, insbesondere Gerichte, Staatsanwaltschaften und bestimmte Behörden (zum Beispiel Jugendämter im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben), auf nicht getilgte Straftaten zugreifen. Nach erfolgter Tilgung werden die betreffenden Einträge auch für diese Stellen gesperrt und dürfen grundsätzlich weder mitgeteilt noch verwertet werden (§ 51, § 52 BZRG). Lediglich in besonderen Ausnahmefällen, wie etwa bei schwersten Wiederholungsdelikten oder Ermittlungen wegen einschlägiger neuer Straftaten, kann eine Einsichtnahme noch für eng begrenzte behördliche Zwecke zulässig sein.

Welche Folgen hat eine nicht tilgungsfähige Straftat im Bundeszentralregister?

Nicht tilgungsfähige Straftaten, insbesondere bestimmte Sexualstraftaten oder Verurteilungen zu lebenslangen Freiheitsstrafen, verbleiben dauerhaft im Bundeszentralregister und somit auch in darauf gestützten Dokumenten wie einem erweiterten Führungszeugnis. Sie können auch noch viele Jahre oder Jahrzehnte nach der Tat einer Person zur Last gelegt werden, beispielsweise bei besonderen Sicherheitsüberprüfungen oder bei erneuten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Dies stellt eine erhebliche Einschränkung in der rechtlichen und gesellschaftlichen Rehabilitation dar.

Wie kann ein Betroffener die Tilgung seiner Straftat überprüfen oder beantragen?

Die Tilgung im Bundeszentralregister erfolgt in der Regel von Amts wegen, also automatisch nach Ablauf der gesetzlichen Fristen. Ein Antrag des Betroffenen ist grundsätzlich nicht erforderlich. Dennoch besteht die Möglichkeit für Betroffene, eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister zur eigenen Person zu beantragen (§ 42 BZRG), um den Stand der Einträge zu prüfen. Sollte eine Eintragung trotz Fristablauf bestehen bleiben, kann der Betroffene einen Antrag auf Löschung beziehungsweise Berichtigung bei der Registerbehörde stellen. Auch eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Löschung ist im Verwaltungsverfahren möglich.

Gibt es Sonderregelungen für Jugendliche und Heranwachsende bei der Tilgung?

Ja, für Jugendliche (14 bis 17 Jahre) und Heranwachsende (18 bis 20 Jahre), die nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden, gelten teilweise abweichende Tilgungsfristen gemäß §§ 46 und 47 BZRG, in Verbindung mit den Regelungen des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Oft sind die Fristen kürzer – beispielsweise beträgt sie für Zuchtmittel meist 3 Jahre. Bei Jugendstrafen bis zu einem Jahr ist die Tilgungsfrist regelmäßig 5 Jahre. Eine Ausnahme besteht bei besonders schweren Straftaten, hier greifen teilweise die längeren Erwachsenentilgungsfristen. Ziel ist es, der besonderen Resozialisierungsbedürftigkeit junger Menschen Rechnung zu tragen.