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Straftaten aus Gruppen


Straftaten aus Gruppen: Definition, Rechtslage und Einordnung

Begriff und Abgrenzung

Straftaten aus Gruppen bezeichnen rechtswissenschaftlich Handlungen, bei denen mehrere Personen als Gruppe an der Begehung einer Straftat beteiligt sind. Die juristische Betrachtung fokussiert dabei auf die spezifischen Gefahrenlagen und Unrechtsdimensionen, die sich aus dem gemeinsamen Handeln mehrerer Täter ergeben. Straftaten aus Gruppen werden von der einfachen Mittäterschaft und der Bandenkriminalität abgegrenzt.

Abgrenzung von verwandten Formen

Mittäterschaft (§ 25 II StGB): Mehrere Personen begehen eine Tat gemeinschaftlich. Hierbei steht die gleichberechtigte Tatausführung im Vordergrund.
Bandenmäßige Begehung (§ 244 I Nr. 2, § 263 V StGB): Mindestens drei Personen haben sich zu einer fortgesetzten Begehung von Straftaten zusammengeschlossen, wobei nicht jede Tat gegenseitige Beteiligung aller voraussetzt.
Straftaten aus Gruppen: Erfasst werden rechtlich Fälle, in denen sich mehrere Täter spontan oder geplant zur gemeinsamen Tatausführung zusammenfinden, ohne die Qualifikation einer Bande zu erfüllen.

Gesetzliche Regelungen

Strafrechtliche Grundlagen

Im deutschen Strafrecht existiert keine eigenständige Vorschrift zu „Straftaten aus Gruppen“ als Oberbegriff. Allerdings werden gruppenspezifische Täterkonstellationen in zahlreichen Strafvorschriften als strafschärfend oder als besondere Begehungsform berücksichtigt.

Beispielhafte Rechtsvorschriften
  • § 224 I Nr. 4 StGB (gefährliche Körperverletzung): Die gemeinschaftliche Begehung durch mehrere Personen qualifiziert die Körperverletzung als gefährliche Körperverletzung.
  • § 243 I Nr. 2 StGB (Besonders schwerer Fall des Diebstahls): Die gemeinschaftliche Tatausführung wird als besonders schwerer Fall gewertet.
  • § 177 VI Nr. 2 StGB (Sexualstraftaten): Der sexuelle Übergriff wird besonders schwer geahndet, wenn er aus einer Gruppe heraus verübt wird.

Schuld- und Strafzumessung

Das Mitwirken in einer Gruppe kann straferschwerend berücksichtigt werden, da die Schwelle zur Tatbegehung niedriger sein kann und das Gefährdungspotenzial für das Opfer steigt. Teilweise sind Gruppentaten auch Voraussetzung für die Annahme qualifizierter Tatbestände.

Rechtsdogmatische Einordnung

Gruppendynamik und strafrechtliche Bewertung

Die typische Dynamik bei Straftaten aus Gruppen – wie gegenseitige Anstachelung, Hemmschwellenabbau und erhöhte Gefährlichkeit – werden vom Gesetzgeber durch härtere Strafandrohungen und spezielle Qualifikationstatbestände adressiert. In der Strafzumessung kann bereits die bloße Anwesenheit in der Gruppe als strafschärfender Umstand berücksichtigt werden, selbst wenn einzelne Mitglieder sich zurückhaltend verhielten oder geringfügig beteiligt waren.

Tatbeteiligtenrollen

Haupttäter: Aktive Mitwirkung an der Tatausführung.
Mitläufer/Randfigur: Passivität oder geringe Beteiligung, dennoch Beteiligung an der Tat häufig strafbar, insbesondere bei Gruppenstraftaten.
Anstifter und Gehilfen: Wer zu einer Gruppenstraftat anstiftet oder Hilfe leistet, kann wie die Haupttäter bestraft werden (§§ 26, 27 StGB).

Strafprozessuale Besonderheiten

Ermittlungen und Beweisführung

Gruppenstraftaten stellen Ermittler und Gerichte vor Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der individuellen Beweiswürdigung und Zurechnung einzelner Tatbeiträge. In der Regel muss die konkrete Beteiligung jedes Gruppenmitglieds festgestellt werden.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit

Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe allein begründet noch keine Strafbarkeit. Nachweislich muss ein Tatbeitrag vorliegen oder die Beteiligung an der Tat im Sinne einer Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe. Für die Qualifikation besonderer Tatbestände oder Strafverschärfungen ist oftmals schon eine rein unterstützende Gruppenbeteiligung ausreichend.

Kriminologische Aspekte

Motive und Entstehung

Gruppendynamik kann die Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten herabsetzen und zu schwereren Tatfolgen führen, etwa durch sogenanntes „Mitläufertum“, Gruppenzwang oder gesteigerte Solidarisierung. Dies wird in Rechtsprechung und Gesetzgebung berücksichtigt, um der erhöhten Gefährlichkeit solcher Konstellationen entgegenzuwirken.

Erscheinungsformen

Beispiele für häufige Delikte in Gruppen:

  • Körperverletzungsdelikte (z.B. gemeinschaftliche Schlägereien)
  • Raubdelikte (z.B. Überfall unter Beteiligung mehrerer Täter)
  • Sexualstraftaten (z.B. Gruppenvergewaltigungen)
  • Sachbeschädigung und Landfriedensbruch

Strafschärfung und Prävention

Gesetzgeber und Rechtsprechung messen dem gruppenbezogenen Vorgehen ein erhöhtes Unrecht bei. Entsprechend reichen die Reaktionen von Strafschärfungen bis hin zu spezialpräventiven Maßnahmen wie Betretungs- und Aufenthaltsverboten, insbesondere im Zusammenhang mit bekannten Risiko(gruppen).

Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat wiederholt bestätigt, dass bereits die bloße Anwesenheit am Tatort und das bewusste Dabeisein im Gruppenverband eine strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen können, sofern diese als psychische Unterstützung oder als Rückhalt für die Haupttäter gewertet werden kann (sog. „psychische Beihilfe“).

Zusammenfassende Bewertung

Straftaten aus Gruppen stellen im deutschen Strafrecht eine besonders schwerwiegende Form kriminellen Verhaltens dar und unterliegen zahlreichen qualifizierenden sowie strafschärfenden Vorschriften. Die Dynamik der Gruppe und die daraus resultierende erhöhte Gefährlichkeit für Rechtsgüter stehen im Zentrum der rechtlichen Bewertung. Die differenzierte Betrachtung jedes einzelnen Beteiligten bleibt dabei unerlässlich, um individuelle Strafverantwortung zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Wie wird die individuelle Strafbarkeit bei Straftaten aus Gruppen festgestellt?

Bei Straftaten, die aus Gruppen begangen werden, ist die individuelle Verantwortlichkeit jedes Beteiligten von zentraler Bedeutung. Juristisch wird unterschieden, ob eine Person eigenhändig eine Straftat verwirklicht, als Mittäter im Rahmen einer Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB), als Anstifter (§ 26 StGB), Gehilfe (§ 27 StGB) oder in sonstiger Weise an der Tat mitwirkt. Die Strafbarkeit richtet sich dabei nach dem Tatbeitrag, dem Vorsatz und der jeweiligen Strafvorschrift. Maßgeblich ist, ob einzelne Gruppenmitglieder ein gemeinsames Ziel verfolgten, wie konkret die Zusammenarbeit war und inwiefern ein gemeinsamer Tatplan bestand. Das Gericht prüft insbesondere, welche Funktion, Beteiligungsform und Verantwortlichkeit dem einzelnen Tatbeteiligten zukommen. Auch der sogenannte „exzessive Tatbeitrag“ spielt eine Rolle: Handelt ein Beteiligter außerhalb des gemeinschaftlichen Tatplans, kann er hierfür allein verantwortlich gemacht werden.

Wann liegt eine Mittäterschaft bei Gruppenstraftaten vor?

Mittäterschaft liegt vor, wenn mehrere Personen arbeitsteilig und mit gemeinsamem Tatentschluss eine Tat begehen (§ 25 Abs. 2 StGB). Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten einen wesentlichen Beitrag zur Tat leisten und die Tat als „ihr Werk“ wollen. Eine bloße Anwesenheit am Tatort oder die bloße Kenntnis von der Tat genügt nicht. Entscheidend ist eine bewusst arbeitsteilige Zusammenarbeit und ein gemeinsamer Tatplan. Das Maß der Beteiligung kann unterschiedlich ausfallen, muss jedoch die Schwelle des bloßen Gehilfentums überschreiten. Zum Beispiel können „Schmiere stehen“ oder das Verschaffen von Tatwerkzeugen eine solche wesentliche Beteiligung darstellen, sofern dies im Rahmen des Tatplans erfolgt.

Welche Rolle spielt das Maß der Beteiligung für das Strafmaß?

Der Umfang und die Qualität der Beteiligung an einer aus der Gruppe heraus begangenen Straftat sind für das Strafmaß von erheblicher Bedeutung. Das Gericht gewichtet sowohl den Tatbeitrag als auch den Grad des Vorsatzes und das individuelle Verschulden. Im Urteil werden Mitläufer, Haupttäter und mögliche Drahtzieher differenziert betrachtet. Ein Haupttäter, der eine führende Rolle übernimmt, kann mit einer höheren Strafe belegt werden als ein Beteiligter mit lediglich untergeordneter Unterstützung. Dennoch kann auch bei scheinbar geringfügiger Beteiligung eine erhebliche Strafe drohen, wenn das Gericht einen für die Tat wesentlichen Beitrag erkennt.

Gibt es spezielle Straftatbestände für Taten aus Gruppen?

Das deutsche Strafrecht kennt einzelne Tatbestände, bei denen das Handeln aus einer Gruppe heraus strafschärfend berücksichtigt wird, beispielsweise bei Landfriedensbruch (§ 125 StGB), schwerem Raub (§ 250 Abs. 2 StGB) oder bei gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB: gemeinschaftlich begangen). In diesen Fällen kann schon das gemeinsame Agieren mehrerer Personen eine qualifizierte Strafbarkeit auslösen oder das Strafmaß erhöhen. Diese Bestimmungen betonen die erhöhte Gefährlichkeit und das Drohpotenzial, das von mehreren zusammen Handelnden ausgeht.

Wie werden spontane Gruppenbildungen strafrechtlich bewertet?

Nicht nur geplante Gruppendelikte, sondern auch spontane Zusammenschlüsse („flash mobs“, Protestaktionen, Eskalationen bei Veranstaltungen) werden juristisch erfasst. Für das Maß der Strafbarkeit ist ausschlaggebend, inwiefern ein Tatentschluss während des Geschehens gebildet wurde und ob jeder Einzelne aktiv an der Tatausführung beteiligt war. Auch bei plötzlichem, situativem Handeln gilt: Jeder Einzelne ist nur für Taten haftbar, die er selbst verwirklicht oder im Rahmen eines gemeinsamen Entschlusses (Mittäterschaft) mitgetragen hat. Wird jedoch beim Landfriedensbruch die Schwelle zum „Handeln aus der Menschenmenge“ überschritten, haftet jeder Teilnehmende für die im Zusammenhang begangenen Straftaten.

Können Mitglieder einer Gruppe für Handlungen anderer Mitglieder haftbar gemacht werden?

Im Grundsatz haftet jeder nur für seine eigenen Taten. Eine Haftung für Handlungen anderer ist möglich, wenn ein gemeinsamer Tatplan vorlag und die „überschießenden“ (exzessiven) Handlungen für die anderen vorhersehbar oder vom ursprünglichen Plan gedeckt waren. Überschreitet ein Gruppenmitglied jedoch den gemeinsamen Tatplan grundsätzlich und begeht eine eigenständige Straftat („Exzess“), so ist hierfür nur dieses Individuum strafrechtlich verantwortlich. Das Maß der Voraussehbarkeit und der geteilte Vorsatz aller Beteiligten werden in der gerichtlichen Beweisaufnahme genau untersucht.

Welche Besonderheiten gelten bei Jugendlichen und Heranwachsenden in Gruppenstraftaten?

Bei Jugendlichen (14-17 Jahre) und Heranwachsenden (18-20 Jahre) werden Gruppenstraftaten im Rahmen des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) bewertet. Die Jugendgerichtsbarkeit legt besonderen Wert auf Erziehung und wie die Gruppendynamik das Verhalten beeinflusst hat. Dabei wird geprüft, welchen Gruppenzwang es gab, wie stark die Eigenverantwortlichkeit ausgeprägt war und ob die Tat als „Jugendverfehlung“ einzustufen ist. Die Sanktionen reichen von erzieherischen Maßnahmen bis hin zu klassischen jugendstrafrechtlichen Sanktionen und berücksichtigen, ob ein „Mitläufereffekt“ vorlag oder der/die Jugendliche/r Hauptinitiator/in war.

Wie wird die Beweislage bei Gruppenstraftaten sichergestellt?

In Strafverfahren wegen Gruppendelikten ist die Feststellung individueller Tatbeiträge oft schwierig. Gerichte greifen auf Zeugenaussagen, Videoaufnahmen, DNA-Spuren, Kommunikationsdaten und weitere Beweismittel zurück. Die Unterscheidung, wer welche Rolle eingenommen hat, verlangt detaillierte Ermittlungen, um Fehlurteile zu vermeiden. Bei unklarer Beweislage gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) – kann also ein konkreter Tatbeitrag nicht nachgewiesen werden, ist eine Verurteilung nicht zulässig.