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Strafschärfungsgründe

Strafschärfungsgründe: Bedeutung, Funktion und Einordnung

Strafschärfungsgründe sind Umstände, die bei der Festsetzung einer Strafe das Gewicht der Tat und die persönliche Vorwerfbarkeit erhöhen. Sie führen dazu, dass innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens eine strengere Sanktion gewählt wird. Der Gedanke dahinter ist, dass nicht jede Straftat und nicht jeder Täter gleich zu bewerten sind: Bestimmte Tat- oder Tätermerkmale lassen das Unrecht und die Schuld schwerer erscheinen und rechtfertigen daher eine erhöhte Strafe.

Zweck im Strafzumessungsprozess

Ziel der Berücksichtigung von Strafschärfungsgründen ist eine gerechte, fallangemessene Reaktion auf strafbares Verhalten. Sie unterstützen die differenzierte Abwägung zwischen Tatschwere, Täterpersönlichkeit und den Folgen der Tat. So wird die Strafe individualisiert und zugleich der Schutz elementarer Rechtsgüter und das Vertrauen in die Rechtsordnung gestärkt.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Strafschärfungsgründe sind von strafbegründenden Merkmalen einer Tat zu unterscheiden. Merkmale, die eine Straftat erst definieren oder eine Qualifikation begründen, sind nicht zugleich als Strafschärfungsgrund verwertbar. Ebenso sind sie von Strafmilderungsgründen abzugrenzen, die das Unrecht oder die Schuld mindern. Beide Gruppen werden im Einzelfall gegeneinander abgewogen.

Arten von Strafschärfungsgründen

Tatbezogene Faktoren

Vorgehensweise und Tatdurchführung

Eine besonders planvolle, organisierte oder aufwendige Vorbereitung, der Einsatz gefährlicher Mittel oder die Führung einer maßgeblichen Rolle bei der Tat können strafschärfend wirken. Gleiches gilt für eine erhöhte Gefährlichkeit des Vorgehens oder die Ausnutzung besonderer Gelegenheiten.

Intensität der Rechtsgutsverletzung

Je gravierender die Verletzung von Leib, Freiheit, Eigentum oder sonstigen Rechtsgütern, desto stärker kann die Strafe ausfallen. Ein hoher Sach- oder Vermögensschaden, besonders nachhaltige Beeinträchtigungen oder eine Vielzahl betroffener Personen sind typische Gewichtungsfaktoren.

Organisation und Planung

Strukturiertes, arbeitsteiliges oder wiederholtes Vorgehen weist auf eine verfestigte Tatneigung hin und kann als Ausdruck erhöhter krimineller Energie gewertet werden.

Täterbezogene Faktoren

Vorbelastungen und Rückfallnähe

Vorangegangene einschlägige Verfehlungen und die Nähe zum Rückfall können strafschärfend ins Gewicht fallen, insbesondere wenn sich zeigt, dass vorherige Sanktionen keine nachhaltige Wirkung entfaltet haben.

Verantwortlichkeit und Einsicht

Fehlende Einsichtsfähigkeit kann die Schuld berühren. Strafschärfend bewertet wird regelmäßig nicht die Wahrnehmung prozessualer Rechte, sondern etwa die zielgerichtete Vereitelung der Aufklärung außerhalb legitimer Verteidigungsmöglichkeiten.

Motiv- und Gesinnungsaspekte

Verwerfliche Beweggründe, etwa eigennütziges Verhalten auf rücksichtsloser Kosten anderer oder menschenverachtende Motive, können die Vorwerfbarkeit erhöhen. Persönliche Merkmale des Täters als solche dürfen hingegen nicht negativ gewertet werden.

Umgebungs- und Folgenfaktoren

Auswirkungen auf einzelne Opfer

Dauerhafte körperliche oder seelische Folgen, besondere Schutzbedürftigkeit oder eine Vertrauensstellung zwischen Täter und Opfer können den Schuldgehalt steigern.

Auswirkungen auf die Allgemeinheit

Erhebliche Störungen des öffentlichen Lebens, massenhafte Betroffenheit oder spürbare Erschütterungen des Sicherheitsgefühls können strafschärfend berücksichtigt werden.

Grenzen und Leitlinien der Berücksichtigung

Verbot der Doppelverwertung

Ein und derselbe Umstand darf nicht doppelt zu Lasten verwertet werden. Was bereits die Tat als solche prägt oder eine gesetzliche Qualifikation ausmacht, kann nicht nochmals als Strafschärfungsgrund dienen.

Schuldprinzip und Verhältnismäßigkeit

Die Strafe muss sich am Maß der individuellen Schuld orientieren. Strafschärfungsgründe dürfen die Grenze zur Unangemessenheit nicht überschreiten und müssen in einem gerechten Verhältnis zur Tat und zum Täter stehen.

Diskriminierungsverbot und Schutz sensibler Merkmale

Herkunft, Weltanschauung, Religion, Geschlecht, sexuelle Identität, Behinderung oder ähnliche persönliche Merkmale dürfen nicht als strafschärfend berücksichtigt werden. Anders kann es sein, wenn die Tat aus diskriminierenden Motiven begangen wurde; dann betrifft die Wertung nicht das Merkmal des Täters, sondern die verwerfliche Motivation.

Anwendung im Verfahren

Ermittlung und Vortrag im Prozess

Strafschärfungsrelevante Umstände werden durch Ermittlungen und Beweisaufnahme festgestellt. Sie müssen tragfähig belegt und in der Hauptverhandlung thematisiert sein, damit sie in die Strafzumessung einfließen können.

Urteilsbegründung und Transparenz

Das Gericht legt im Urteil nachvollziehbar dar, welche Umstände strafschärfend oder strafmildernd gewertet wurden und welches Gewicht sie im Ergebnis hatten. Die Begründung dient der Transparenz und der Überprüfbarkeit.

Rechtsmittelkontrolle

Höhe und Begründung der Strafe unterliegen der Kontrolle im Rechtsmittelverfahren. Geprüft wird insbesondere, ob maßgebliche Umstände verkannt, doppelt verwertet oder in unvertretbarer Weise gewichtet wurden.

Typische Beispiele für Strafschärfungsgründe

  • Besonders planvolles oder professionelles Vorgehen
  • Erhebliche Gewaltanwendung oder Gefährdung
  • Ausnutzen einer besonderen Schutzlosigkeit oder Vertrauensstellung
  • Führungsrolle oder zentrale Tatorganisation
  • Wiederholte Begehung, einschlägige Vorbelastungen, Rückfallnähe
  • Hoher Schaden, zahlreiche Betroffene oder weitreichende Folgen
  • Verwerfliche Beweggründe, einschließlich menschenverachtender oder diskriminierender Motive
  • Gezielte Beweisvereitelung oder Vertuschung außerhalb legitimer Verteidigung

Wechselwirkung mit Strafmilderungsgründen

Abwägung und Gewichtung

Strafschärfende und strafmildernde Umstände werden gemeinsam gewürdigt. Entscheidend ist das Gesamtbild: Wie schwer wiegen die belastenden Faktoren im Vergleich zu den entlastenden Aspekten der Tat und der Persönlichkeit?

Kumulation mehrerer Umstände

Mehrere Strafschärfungsgründe können zusammenwirken. Ihr Gewicht addiert sich jedoch nicht automatisch; es ist stets eine wertende Gesamtschau vorzunehmen, die die individuellen Besonderheiten des Falles berücksichtigt.

Häufig gestellte Fragen

Was sind Strafschärfungsgründe?

Das sind Umstände, die das Unrecht und die Schuld einer konkreten Tat erhöhen und deshalb zu einer strengeren Strafe innerhalb des gesetzlichen Rahmens führen. Sie beziehen sich auf die Tat selbst, die Täterpersönlichkeit oder die Tatfolgen.

Wie unterscheiden sich Strafschärfungsgründe von Strafmilderungsgründen?

Strafschärfungsgründe erhöhen das Gewicht der Tat, während Strafmilderungsgründe dieses mindern. Beide werden im Urteil gegeneinander abgewogen, um eine tat- und täterangemessene Strafe zu bestimmen.

Wer entscheidet, welche Umstände strafschärfend wirken?

Die Entscheidung trifft das Gericht auf Grundlage der festgestellten Tatsachen. Es prüft, welche Umstände rechtlich bedeutsam sind und welches Gewicht ihnen im Rahmen der Gesamtabwägung zukommt.

Dürfen persönliche Merkmale des Täters strafschärfend berücksichtigt werden?

Persönliche Merkmale wie Herkunft, Religion oder sexuelle Identität dürfen nicht negativ gewertet werden. Strafschärfend in Betracht kommen jedoch verwerfliche Tatmotive, etwa wenn eine Tat aus diskriminierenden Beweggründen begangen wurde.

Was bedeutet das Verbot der Doppelverwertung?

Ein Umstand, der die Tat bereits rechtlich prägt oder ihre Strafbarkeit bestimmt, darf nicht zusätzlich als Strafschärfungsgrund herangezogen werden. Die gleiche Tatsache darf nicht zweimal zulasten der betroffenen Person zählen.

Können mehrere Strafschärfungsgründe gleichzeitig berücksichtigt werden?

Ja, mehrere belastende Umstände können zusammenwirken. Ihr Einfluss ergibt sich jedoch aus einer wertenden Gesamtschau; eine schematische Addition findet nicht statt.

Welche Rolle spielt das Verhalten nach der Tat?

Nachtatverhalten kann strafschärfend wirken, wenn es die Aufklärung gezielt außerhalb legitimer Verteidigung erschwert, etwa durch Beweisvereitelung. Die Ausübung prozessualer Rechte darf nicht zulasten gewertet werden.