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Strafschärfungsgründe


Begriff und Bedeutung der Strafschärfungsgründe

Der Begriff Strafschärfungsgründe bezeichnet im Strafrecht diejenigen besonderen Umstände, die im Rahmen der Strafzumessung dazu führen, dass eine intensivere Strafe verhängt wird. Sie wirken sich verschärfend auf das konkrete Strafmaß aus, das ein Gericht im Einzelfall zu bestimmen hat. Strafschärfungsgründe werden auch als straferschwerende Umstände oder Umstände strafschärfender Natur bezeichnet und sind in der Regel gesetzlich normiert, können jedoch teilweise auch durch die Rechtsprechung konkretisiert werden.

Gesetzliche Grundlagen und dogmatische Einordnung

Allgemeine Strafzumessung im deutschen Strafrecht

Die Strafzumessung ist in Deutschland im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Nach § 46 Abs. 1 StGB hat das Gericht bei der Festsetzung der Strafe die Schuld des Täters sowie die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, zu berücksichtigen. Innerhalb dieses Rahmens spielen Strafschärfungsgründe als „Umstände, die für und gegen den Täter sprechen“ eine zentrale Rolle. Sie stehen dabei den Strafzumessungsgründen zugunsten des Täters (Strafmilderungsgründe) gegenüber.

Abgrenzung Tatbezogene und Täterbezogene Strafschärfungsgründe

Strafschärfungsgründe werden grundsätzlich unterteilt in:

  • tatbezogene Strafschärfungsgründe: Betreffen das Unrecht der begangenen Tat, beispielsweise die besondere Gefährlichkeit, die hohe Gewaltintensität, das Ausnutzen einer schutzlosen Lage des Opfers oder das Verüben der Tat auf besonders grausame Weise.
  • täterbezogene Strafschärfungsgründe: Beziehen sich auf die Person und das Verhalten des Täters, wie zum Beispiel einschlägige Vorstrafen, Beweggründe, Absichten oder besondere kriminelle Energie.

Diese Differenzierung ist deshalb bedeutsam, weil insbesondere bei manchen strafschärfenden Aspekten eine doppelte Berücksichtigung – etwa schon beim gesetzlichen Tatbestand sowie nochmals bei der Strafzumessung – unzulässig sein kann („Verbot der Doppelverwertung“, vgl. § 46 Abs. 3 StGB).

Beispiele und wichtige Konstellationen strafschärfender Umstände

Gesetzlich ausdrücklich normierte Strafschärfungsgründe

Das Strafgesetzbuch (StGB) und weitere Nebengesetze benennen an zahlreichen Stellen explizit bestimmte Strafschärfungsgründe. Typische Beispiele sind:

  • Wiederholungstäterschaft: Wenn eine Straftat unter den Voraussetzungen der Rückfallregelung begangen wird, findet sich oft eine Erhöhung des Strafmaßes (§ 38 StGB; § 243 StGB – besonders schwerer Fall des Diebstahls).
  • Begehung aus niedrigen Beweggründen: In verschiedenen Tatbeständen (z. B. Mord, § 211 StGB) ist das Vorliegen niedriger Beweggründe als strafschärfend geregelt.
  • Besondere Brutalität oder Heimtücke: Als Qualifikationsmerkmal kann dies bereits den Tatbestand erhöhen, in anderen Fällen bleibt es ein Strafschärfungsgrund bei der Urteilfindung.
  • Zusammenschluss zur Begehung von Straftaten: Die Mitwirkung in kriminellen Vereinigungen, Banden oder das organisierte Vorgehen wird regelmäßig strafschärfend gewertet.
  • Handeln als Amtsträger im Missbrauch der Amtsgewalt: Ist in diversen Amtsdelikten als Strafschärfungsgrund vorgesehen.

Konkrete Anwendung im Einzelfall

Auch außerhalb gesetzlicher Benennung können weitere Umstände eine Strafschärfung rechtfertigen, etwa:

  • Besonders hohe kriminelle Energie oder Planungstiefe
  • Mehrfache Tatbegehung innerhalb kurzer Zeit
  • Verletzung besonderer Vertrauensverhältnisse (z. B. bei Serienstraftaten gegen Senioren)
  • Ausnutzen schutzbedürftiger Situationen (z. B. Kinder, ältere Menschen)
  • Verursachung besonderer Leiden oder erheblicher Folgeschäden beim Opfer

Die Bewertung dieser Umstände obliegt dem Gericht und wird stets im Urteil ausführlich begründet.

Strafschärfungsgründe im internationalen Vergleich

Im europäischen und internationalen Kontext ist die Möglichkeit zur Berücksichtigung strafschärfender Umstände weit verbreitet. Fast alle kontinentaleuropäischen Rechtssysteme, etwa in Österreich (§ 33 StGB) oder der Schweiz (Art. 47 StGB), sehen vergleichbare Mechanismen vor. Unterschiede bestehen vor allem hinsichtlich der Konkretisierung und des Umfangs gesetzlich normierter Strafschärfungsgründe sowie bei der Reichweite richterlicher Ermessensspielräume.

Das Verbot der Doppelverwertung

Ein zentrales Prinzip im Zusammenhang mit Strafschärfungsgründen ist das sogenannte Verbot der Doppelverwertung gemäß § 46 Abs. 3 StGB. Dieses besagt, dass Merkmale, welche bereits Tatbestandsmerkmal sind oder die Strafrahmenverschiebung auslösen, nicht nochmals im Rahmen der Strafzumessung als erschwerend herangezogen werden dürfen. Ziel ist die Vermeidung einer unangemessenen Strafverschärfung und die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Rechtsprechung prüft hier regelmäßig, ob ein Umstand ausschließlich den Tatbestand erfüllt oder darüber hinausgeht.

Bedeutung für die Urteilsbegründung

Die Berücksichtigung strafschärfender Umstände hat eine hohe Bedeutung für die rechtsstaatlich gebotene Urteilsbegründungspflicht. Nach § 267 Abs. 3 StPO muss das Gericht in den Urteilsgründen die getroffenen Strafzumessungserwägungen darlegen. Eine nachvollziehbare Benennung und Gewichtung von Strafschärfungsgründen ist damit ebenso erforderlich wie eine gleichberechtigte Aufzählung entgegenstehender Strafmilderungsgründe. Das Unterlassen der sorgfältigen Begründung kann sogar ein Revisionsgrund sein.

Strafschärfungsgründe im Jugendstrafrecht

Im Jugendgerichtsgesetz (JGG) steht bei der Sanktionierung Jugendlicher und Heranwachsender der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Strafschärfende Gesichtspunkte treten deshalb in den Hintergrund. Sie können – im Rahmen besonderer individueller Umstände – zwar Berücksichtigung finden, sind aber stets im Gleichgewicht mit den erzieherischen Zielsetzungen zu sehen.

Kritische Betrachtung und Reformdiskussion

Die Berücksichtigung von Strafschärfungsgründen wird von Wissenschaft und Rechtsprechung regelmäßig diskutiert. Kritisch beleuchtet wird insbesondere die teilweise geringe Trennschärfe zwischen Tatbestandsmerkmalen und Strafzumessungsgründen und das damit verbundene Risiko unzulässiger Mehrfachberücksichtigungen. Auch die Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und die Transparenz richterlicher Strafzumessungspraxis stehen im Fokus rechtspolitischer Debatten.

Zusammenfassung und praktische Bedeutung

Strafschärfungsgründe sind ein zentraler Bestandteil der Strafzumessung im Strafverfahren. Sie zielen darauf ab, den individuellen Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat differenziert zu erfassen und im Strafmaß angemessen zu berücksichtigen. Die rechtliche Einbindung erfolgt durch das Zusammenspiel gesetzlicher Vorgaben, richterlichen Ermessens und prozessualer Transparenz. Ihre sorgfältige Ermittlung, Gewichtung und Begründung sind für die Rechtsanwendung und die Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen von entscheidender Bedeutung.


Lesetipp: Weiterführende Informationen zu verwandten Begriffen finden Sie in den Lexikonbeiträgen zu „Strafzumessung“, „Strafmilderungsgründe“ und „Tatbestandsmerkmal“.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielen Vorstrafen als Strafschärfungsgrund?

Vorstrafen werden nach deutschem Strafrecht bei der Strafzumessung als wesentliches strafschärfendes Moment berücksichtigt, insbesondere wenn sie mit der aktuellen Tat in einem inneren Zusammenhang stehen oder auf eine wiederholte Missachtung gesetzlicher Gebote schließen lassen. Das Vorliegen von einschlägigen Vorstrafen, insbesondere bei ähnlichen oder gleichgelagerten Delikten, wird als Indiz für eine erhöhte Gefährlichkeit des Täters bewertet und spricht gegen eine günstige Sozialprognose. Dabei ist zu prüfen, ob die Vorstrafen abgegolten sind oder die gesetzlichen Tilgungsfristen noch laufen. Die Berücksichtigung von nicht einschlägigen oder bereits getilgten Vorstrafen ist hingegen rechtlich ausgeschlossen, um eine doppelte Bestrafung zu vermeiden. Gerichte berücksichtigen Vorstrafen stets individualisierend, indem sie Art, Anzahl, Zeitraum sowie die Umstände der früheren Taten und der Verurteilungen in ihre Bewertung einbeziehen.

Inwieweit wirken sich besonders hohe kriminelle Energie und Tatplanungen strafschärfend aus?

Das deutsche Strafrecht wertet eine besonders hohe kriminelle Energie und intensive Tatplanung als erhebliche Strafschärfungsgründe. Hierzu zählt etwa das Vorliegen eines ausgeklügelten Tatplans, die Überwindung besonderer Schutzvorkehrungen, besondere Heimtücke oder auch das Agieren in arbeitsteiliger Gruppenkriminalität. Die Intensität der Vorbereitung und die Zielstrebigkeit bei der Ausführung demonstrieren eine gefestigte kriminelle Gesinnung und lassen auf eine hohe Rückfallneigung schließen. Solche Fälle werden im Rahmen der Strafzumessung gemäß § 46 StGB mit einem höheren abstrakten Unrechts- und Schuldgehalt bewertet, was sich unmittelbar in der Strafhöhe niederschlägt. Das Abstellen auf die subjektiven Tatmerkmale sowie die objektiven Umstände der Planung sichert dabei eine differenzierte und einzelfallbezogene Bewertung.

Können die Tatfolgen als Strafschärfungsgrund herangezogen werden?

Ja, die konkreten Folgen einer Straftat für die Geschädigten können einen maßgeblichen Strafschärfungsgrund darstellen. Dabei werden insbesondere der Umfang des verursachten Schadens, die Schwere der Verletzungen, das Maß der Beeinträchtigung oder auch langfristige psychische Folgen für die Opfer in die Strafzumessung einbezogen. Entscheidend ist, dass die schweren Tatfolgen vom Vorsatz oder zumindest von der Fahrlässigkeit des Täters umfasst sind. Sind die Folgen jedoch vom gesetzlichen Tatbestand bereits erfasst (z. B. schwere Körperverletzung, Tod des Opfers), dürfen sie im Regelfall nicht zusätzlich strafschärfend berücksichtigt werden, um eine Doppelverwertung zu vermeiden (§ 46 Abs. 3 StGB).

Wie beeinflusst das Vorliegen von Tatwiederholung oder Rückfälligkeit die Strafzumessung?

Tatwiederholungen oder Rückfälligkeit werden strafschärfend gewertet, da sie auf eine mangelnde Einsichtsfähigkeit und damit eine erhöhte Gefährlichkeit des Täters hinweisen. Insbesondere wird dabei darauf abgestellt, ob der Angeklagte trotz vorheriger Verurteilungen oder Maßnahmen erneut straffällig geworden ist. Eine erneute Begehung gleichartiger Delikte wird als Zeichen der fehlenden Wirkung bisheriger Sanktionen interpretiert und spricht gegen das Vorliegen positiver Resozialisierungsaussichten. Dies kann zu einer erheblichen Straferhöhung führen, insbesondere bei wiederholter Rückfälligkeit.

Spielt das Verhalten des Täters nach der Tat eine Rolle bei der Strafschärfung?

Das Verhalten des Täters nach der Tat kann bei der Strafzumessung relevant werden, allerdings kann dies sowohl strafmildernd (z. B. Geständnis, Schadenswiedergutmachung) als auch strafschärfend gewertet werden. Strafschärfend wirkt sich beispielsweise aus, wenn der Täter nach der Tat Flucht ergreift, Beweismittel fälscht oder Zeugen zu beeinflussen versucht. Auch ein demonstrativ fehlendes Unrechtsbewusstsein oder Drohungen gegenüber dem Opfer im Nachgang werden als belastende Faktoren gewertet. Eine solche Vorgehensweise kann im Einzelfall dazu führen, dass von einer Strafe im oberen Bereich des Strafrahmens ausgegangen wird.

Sind die Beweggründe und Ziele des Täters strafschärfend zu berücksichtigen?

Ja, nach § 46 Abs. 2 StGB sind insbesondere die Beweggründe und Ziele des Täters zentrale Kriterien der Strafzumessung. Taten aus niedrigen Beweggründen, wie Habgier, Rachsucht, roher Egoismus oder ideologisch motivierter Menschenverachtung, gelten als schwerwiegende Strafschärfungsgründe. Diese werden regelmäßig als Ausdruck besonderer Verwerflichkeit und gesellschaftlicher Gefährlichkeit eingestuft. Entsprechende Motive führen daher zu deutlichen Strafschärfungen, sofern sie nicht bereits Tatbestandsmerkmal (etwa „Heimtücke“ im Mord) sind.

Welche Bedeutung haben Banden- oder organisierte Kriminalität für die Strafschärfung?

Die Teilnahme an bandenmäßigen oder organisiert begangenen Straftaten stellt einen gravierenden Strafschärfungsgrund dar und ist teils sogar ausdrücklich im Gesetz geregelt (sog. Qualifikationstatbestände, z. B. §§ 244, 263 StGB). Der Hintergrund ist, dass banden- bzw. organisierte Kriminalität regelmäßig mit einer erhöhten Professionalität, Arbeitsteilung und Gefährdung für die Allgemeinheit verbunden ist. In solchen Fällen ist von einer erhöhten kriminellen Energie und strukturellen Gefährlichkeit für die Rechtsordnung auszugehen, was sich in einer deutlich verschärften Strafzumessung widerspiegelt. Die Justiz erkennt das Zusammenwirken mehrerer Täter in festen Strukturen als Indikator für nachhaltige und gewerbsmäßige Kriminalität an, und straft entsprechend schärfer ab.