Begriff und rechtliche Einordnung der strafrechtlichen Rehabilitierung (DDR)
Die strafrechtliche Rehabilitierung (DDR) bezeichnet im deutschen Recht die Aufhebung strafrechtlicher Maßnahmen, Urteile und Nebenfolgen, die im Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) aus politischen Gründen erfolgten. Ziel ist die Anerkennung und Wiedergutmachung von Maßnahmen, die in der DDR unter Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze erlassen wurden und Betroffene in ihrem Lebensweg erhebliche Nachteile erleiden ließen. Dies erfolgt in besonderer Form nach der Wiedervereinigung Deutschlands durch das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG), welches als zentrale Rechtsgrundlage gilt.
Historischer Hintergrund und Gesetzgebung
Staatliche Verfolgung in der DDR
In der DDR wurden zahlreiche Personen aus politischen, weltanschaulichen oder religiösen Gründen strafrechtlich verfolgt. Dazu gehörten Urteile und Maßnahmen, die unter Verletzung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze ergangen sind. Die Verfolgung umfasste u.a. Freiheitsstrafen, Zwangsmaßnahmen, dauerhafte Einträge ins Strafregister sowie die Entziehung bürgerlicher Rechte.
Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG)
Das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR (StrRehaG) trat am 4. November 1992 in Kraft. Es schuf einen Rechtsrahmen, um Unrechtsurteile aufzuheben und Betroffenen Rechtsfolgen auszuräumen bzw. zu mildern. Das StrRehaG gilt auch für Maßnahmen, die von anderen Staaten des ehemaligen sowjetischen Besatzungsgebietes oder der Volksrepublik Polen, sofern sie im Zusammenhang mit der Teilung Deutschlands ergangen sind.
Anwendungsbereich und Voraussetzungen der Rehabilitierung
Persönlicher Anwendungsbereich
Die strafrechtliche Rehabilitierung können alle Personen beantragen, die wegen Handlungen, Meinungsäußerungen oder Motivationen verfolgt beziehungsweise benachteiligt worden sind, welche in der DDR oder dem sowjetischen Besatzungsgebiet nach heutigem Maßstab als Unrecht betrachtet werden.
Sachlicher Anwendungsbereich
Das StrRehaG kommt in Fällen zur Anwendung, in denen:
- ein rechtskräftiges Strafurteil,
- eine freiheitsbeschränkende Maßnahme (z. B. Untersuchungshaft),
- Nebenfolgen (z. B. Wohnsitzbeschränkungen, Berufsverbote)
auf politischen Gründen beruhten oder unter Verletzung rechtsstaatlicher Mindeststandards zustande kamen.
Ausschlussgründe sind vor allem dann gegeben, wenn die Maßnahme nach heutigem deutschen Recht ebenfalls strafbar gewesen wäre oder der Betroffene sich auch nach Einheitsmaßstäben schuldig gemacht hätte.
Voraussetzung für die Rehabilitierung
Voraussetzung für die strafrechtliche Rehabilitierung ist insbesondere, dass
- die Maßnahme ausschließlich oder überwiegend aus politischen Gründen oder willkürlich ausgesprochen wurde,
- der Sachverhalt unter neuem rechtsstaatlichen Gesichtspunkt zu bewerten ist,
- kein überwiegendes öffentliches Interesse gegen eine Aufhebung der Maßnahme spricht.
Verfahren der strafrechtlichen Rehabilitierung
Antragstellung
Das Rehabilitierungsverfahren beginnt mit einem Antrag, der bei dem zuständigen Landgericht zu stellen ist. Der Antrag muss Angaben zur Maßnahme, zu den Gründen und zur politischen Motivation enthalten, die eine Rehabilitierung rechtfertigen könnten.
Ablauf des gerichtlichen Verfahrens
Das Gericht prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Staatsanwaltschaft wird am Verfahren beteiligt. Das Gericht entscheidet aufgrund schriftlicher Antragsunterlagen; eine mündliche Anhörung findet nur in Ausnahmefällen statt.
Entscheidungen und Rechtsmittel
- Das Gericht kann das Urteil, die Maßnahme oder die Nebenfolge vollständig aufheben, abändern oder für unwirksam erklären.
- Gegen die Entscheidung steht der betroffenen Person das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu.
Rechtsfolgen der Rehabilitierung
Aufhebung strafrechtlicher Folgen
Mit der Feststellung der Rehabilitierung werden die strafrechtlichen Folgen der Maßnahme beseitigt. Dies umfasst:
- Tilgung aus dem Bundeszentralregister
- Beseitigung von Sanktionsnebenfolgen (z. B. Berufsverbote, Entzug der Fahrerlaubnis)
- Nachteilsausgleich bei sozialrechtlichen Ansprüchen
Ansprüche auf Entschädigung und Ausgleichsleistungen
Im Anschluss an die strafrechtliche Rehabilitierung haben Betroffene unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf:
- Kapitalentschädigung nach § 17 StrRehaG, pauschal pro Haftmonat
- Besondere Ausgleichsleistungen (z. B. für berufliche Schäden, Gesundheitsschäden)
- Soziale Ausgleichsleistungen nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) und dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG)
Materielle Entschädigungsansprüche
Die Höhe der Entschädigungsleistungen richtet sich nach Art und Umfang des erlittenen Schadens. Anspruchsberechtigt sind neben unmittelbaren Opfern auch Hinterbliebene. Bestimmte Leistungen unterliegen Verjährungs- und Ausschlussfristen. Die Geltendmachung erfolgt im Verwaltungsverfahren bei zuständigen Behörden.
Spezielle Problematiken und Abgrenzungen
Keine Rehabilitierung für rechtmäßige Strafurteile
Nicht rehabilitiert werden Maßnahmen, die nach heutigem Maßstab auch in der Bundesrepublik Deutschland gerechtfertigt wären, insbesondere bei gemeinrechtlichen Straftaten ohne politischen Hintergrund.
Verhältnis zu anderen Rehabilitierungsgesetzen
Die strafrechtliche Rehabilitierung ist Bestandteil eines umfassenden Systems für Opfer politischer Verfolgung in der DDR. Sie ist abzugrenzen von beruflicher und verwaltungsrechtlicher Rehabilitierung, welche eigenständige Verfahren und Rechtsfolgen regeln.
Bedeutung und praktische Auswirkung
Mit der strafrechtlichen Rehabilitierung wird ein Beitrag zur Anerkennung und Wiedergutmachung von DDR-Unrecht geleistet. Betroffene erhalten die Möglichkeit, ihre Vergangenheit rechtlich und sozial zu bereinigen und sozialrechtliche Nachteile auszugleichen. Das Rehabilitierungsrecht dient zugleich der historischen Aufarbeitung politischer Willkür im Justizsystem der DDR.
Literatur und Quellen
- Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG)
- Broschüren und Informationen des Bundesamtes für Justiz und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
- Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Anwendungsfragen des StrRehaG
- Wissenschaftliche Literatur zur Verfolgung politischer Straftaten in der DDR
Mit der strafrechtlichen Rehabilitierung (DDR) existiert ein rechtlich fundiertes Instrument, um Unrechtsurteile der DDR-Justiz systematisch aufzuarbeiten und Betroffenen individuelle sowie gesellschaftliche Genugtuung zu verschaffen. Das Verfahren ist detailliert gesetzlich geregelt und bietet einen verbindlichen Rechtsweg für alle Betroffenen mit politisch motiviertem Unrecht in der ehemaligen DDR.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für eine strafrechtliche Rehabilitierung nach DDR-Unrecht erfüllt sein?
Für eine strafrechtliche Rehabilitierung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) müssen mehrere Voraussetzungen vorliegen. Zunächst muss eine rechtsstaatswidrige strafgerichtliche Entscheidung in der DDR oder der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) vorliegen. Typischerweise handelt es sich dabei um Urteile, Strafbefehle oder Maßnahmen mit strafrechtlichem Charakter, die aufgrund politischer Verfolgung, Missachtung menschenrechtlicher Mindeststandards oder aus Willkür erfolgt sind. Die Maßnahme muss dabei zum Zeitpunkt ihrer Durchführung gegen elementare Grundsätze der Gerechtigkeit oder die damals anerkannten Mindeststandards von rechtsstaatlichem Verfahren verstoßen haben. Die Antragstellung erfolgt regelmäßig beim Landgericht, in dessen Bezirk die Entscheidung ergangen ist. Das Gericht prüft den Einzelfall und stellt fest, ob die Voraussetzungen des § 1 StrRehaG erfüllt sind. Ein Rehabilitierungsantrag muss grundsätzlich vom Betroffenen selbst oder dessen Erben/Angehörigen gestellt werden; zudem bestehen keine Fristen, da ein solcher Antrag jederzeit eingereicht werden kann.
Wer ist antragsberechtigt für die strafrechtliche Rehabilitierung?
Antragsberechtigt sind in erster Linie die Betroffenen selbst, gegen die sich die strafrechtliche Maßnahme gerichtet hat. Wenn der Betroffene verstorben ist, können die nächsten Angehörigen – hierzu zählen insbesondere Ehegatten, Kinder, Eltern sowie Geschwister – den Antrag stellen. Auch andere Erben können im Einzelfall antragsberechtigt sein. Es ist möglich, einen Antrag zu stellen, auch wenn bereits zuvor Anträge auf Entschädigungsleistungen gestellt oder erhalten wurden, sofern kein Ausschlussgrund besteht und bisher keine abschließende Entscheidung über die strafrechtliche Rehabilitierung getroffen wurde.
Welche Rechtsfolgen hat die strafrechtliche Rehabilitierung?
Mit rechtskräftiger Entscheidung über eine strafrechtliche Rehabilitierung wird die verurteilende Maßnahme aufgehoben oder für nichtig erklärt. Dadurch entfallen sämtliche Rechtsfolgen der ehemaligen Verurteilung, sowohl in strafrechtlicher als auch in staatlicher Hinsicht. Dies betrifft unter anderem Einträge im Bundeszentralregister, die Rückgabe entzogener Rechte (wie zum Beispiel Berufsausübung, Wahlrecht) sowie Korrekturen in amtlichen Registern und Personalakten. Daneben kann infolge der Rehabilitierung ein Anspruch auf Entschädigung für erlittene Freiheitsentziehungen und Vermögenseinbußen sowie auf Soforthilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts entstehen.
Gibt es einen Anspruch auf Entschädigung für erlittenes Unrecht?
Ja, das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz sieht Entschädigungsansprüche vor. Betroffene, bei denen eine strafrechtliche Rehabilitierung ausgesprochen wurde, haben Anspruch auf Entschädigung für entgangene Freiheit (z.B. Freiheitsentzug, Untersuchungshaft, Zwangsarbeit), Vermögensverluste sowie für berufliche und soziale Nachteile, soweit diese durch die Maßnahme verursacht wurden. Maßgeblich hierfür sind §§ 17 ff. StrRehaG sowie das Berufliche Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG). Die Entschädigung erfolgt auf Antrag und umfasst pauschale Sätze pro Haftmonat sowie nachgewiesene Vermögensschäden. In bestimmten Fällen kann darüber hinaus weitergehende materielle oder immaterielle Entschädigung beantragt werden.
Wie läuft das gerichtliche Rehabilitierungsverfahren ab?
Nach Eingang des Rehabilitierungsantrags prüft das zuständige Landgericht die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags. Hierbei werden vorhandene Unterlagen, insbesondere Gerichtsakten, Ermittlungsunterlagen und sonstige relevante Dokumente eingesehen. Gegebenenfalls werden Zeugen gehört oder Sachverständigengutachten eingeholt. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss; eine mündliche Verhandlung ist nicht zwingend vorgeschrieben, kann jedoch im Einzelfall angesetzt werden. Gegen eine ablehnende Entscheidung kann Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt werden. Das Verfahren ist für die Antragsteller kostenfrei; etwaige Anwaltskosten sind jedoch selbst zu tragen, es sei denn, es wird Prozesskostenhilfe bewilligt.
Welche Auswirkungen hat eine strafrechtliche Rehabilitierung auf das Bundeszentralregister?
Mit der rechtskräftigen Feststellung der Rehabilitierung wird die betreffende Verurteilung aus dem Bundeszentralregister getilgt. Ist der Betroffene noch am Leben, wird der Eintrag vollständig gelöscht. Falls der Betroffene bereits verstorben ist, wird die Registersperre vermerkt, sodass die Eintragung für künftige Auskünfte nicht mehr berücksichtigt wird. Zudem werden eventuell verhängte Nebenfolgen (wie Berufsverbote oder Maßregeln der Besserung und Sicherung) ebenfalls rückwirkend aufgehoben.
Können auch Vermögensnachteile im Rahmen der Rehabilitierung ausgeglichen werden?
Ja, das Rehabilitierungsverfahren umfasst auch die Möglichkeit des Ausgleichs von Vermögensnachteilen, die im Zusammenhang mit der rechtsstaatswidrigen strafrechtlichen Maßnahme entstanden sind. Nach § 17 ff. StrRehaG können Betroffene einen Antrag auf besondere Ausgleichsleistungen stellen, sofern ihnen im Zusammenhang mit der rechtsstaatswidrigen Freiheitsentziehung Vermögensschäden entstanden sind (z. B. Enteignungen, Einziehung von Vermögenswerten, Beschlagnahmen). Hierbei werden sowohl materielle Schäden als auch entgangene berufliche Chancen, SGB-Leistungen und Rentenansprüche entsprechend berücksichtigt. Die Geltendmachung erfolgt jedoch in einem gesonderten Antrag.