Begriff und Funktion des Strafrahmens
Der Strafrahmen bezeichnet die gesetzlich vorgegebene Spannbreite möglicher Strafen für eine bestimmte Straftat. Er legt fest, zwischen welchem Mindestmaß und welchem Höchstmaß sich die Strafe bewegen darf. Innerhalb dieses Korridors bestimmt das Gericht die konkrete Strafe unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Der Strafrahmen sichert Vorhersehbarkeit, Gleichbehandlung und bindet das Gericht an klare Grenzen.
Aufbau und Arten von Strafrahmen
Grundstrafrahmen
Für jede Straftat ist ein Grundstrafrahmen vorgesehen. Er definiert, welche Art von Strafe in Betracht kommt (etwa Geldstrafe oder Freiheitsstrafe) und in welcher Bandbreite sich diese bewegen kann. Dieser Rahmen gilt, sofern keine besonderen Erhöhungs- oder Milderungsgründe greifen.
Qualifizierte Tatbestände und besonders schwere Fälle
Bei qualifizierten Begehungsformen oder besonders schweren Fällen ist ein erhöhter Strafrahmen vorgesehen. Solche Konstellationen liegen vor, wenn zusätzliche erschwerende Merkmale erfüllt sind, die den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat deutlich steigern. Folge ist ein nach oben verschobener Rahmen.
Minder schwere Fälle
Das Gesetz kennt für manche Delikte den minder schweren Fall. Liegen die Umstände insgesamt unterhalb des durchschnittlichen Unrechts- und Schuldgehalts, kann ein abgesenkter Strafrahmen angewendet werden. Dies eröffnet dem Gericht einen milderen Korridor.
Versuch, Vorbereitung und Teilnahme
Der Versuch einer Straftat, bestimmte Vorbereitungshandlungen oder die Beteiligung als Mitwirkender können zu einer Verschiebung des Strafrahmens führen. Regelmäßig ist der Rahmen hierbei abgesenkt, weil das Unrecht im Vergleich zur vollendeten Tat geringer sein kann. Die genaue Ausgestaltung richtet sich nach der jeweiligen Konstellation der Beteiligung und dem Stadium der Tat.
Konkurrenzen: Tateinheit und Tatmehrheit
Begehen Personen durch eine Handlung mehrere Straftatbestände (Tateinheit) oder mehrere selbständige Handlungen (Tatmehrheit), wirkt sich dies auf die Bildung des Strafrahmens und die Festsetzung der Strafe aus. Bei Tateinheit erfolgt eine Strafe unter Berücksichtigung des schwersten Rahmens; bei Tatmehrheit wird eine Gesamtstrafe aus Einzelstrafen gebildet, die in einem eigenständigen Verfahren zusammengeführt werden.
Faktoren der Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens
Tatbezogene Gesichtspunkte
Art und Gewicht des Rechtsgutsangriffs, Tatablauf, Intensität der Begehung, Schadenshöhe sowie das Maß der Gefährdung beeinflussen die Einordnung innerhalb des Rahmens.
Täterbezogene Gesichtspunkte
Vorleben, Beweggründe, Einsichtsfähigkeit, persönliche Verhältnisse und Verantwortlichkeit wirken strafschärfend oder strafmildernd. Wiederholungen und einschlägige Vorerfahrungen können die Bewertung verändern.
Nachtatverhalten
Geständnis, Wiedergutmachungsbemühungen, Kooperation oder Distanzierung vom Tatgeschehen sind regelmäßig für die Zumessung relevant. Ebenso berücksichtigt werden fehlende Reue oder fortgesetzte Uneinsichtigkeit.
Allgemeine Begrenzungen
Die Strafe muss schuldangemessen, verhältnismäßig und gleichheitsgerecht sein. Auch wenn der Strafrahmen breiten Spielraum bietet, darf das Ergebnis diese Leitlinien nicht überschreiten.
Strafarten im Rahmen
Freiheitsstrafe
Die Freiheitsstrafe wird im Rahmen einer Unter- und Obergrenze festgelegt. Sie kann je nach gesetzlicher Möglichkeit zur Bewährung ausgesetzt werden, wobei die Höhe der verhängten Strafe eine maßgebliche Rolle spielt.
Geldstrafe
Die Geldstrafe besteht aus zwei Komponenten: der Anzahl der Tagessätze und der Höhe eines Tagessatzes. Die Tagessatzanzahl bildet den strafrechtlichen Rahmen ab; die Tagessatzhöhe richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen und dient der individuellen Belastungsgleichheit.
Weitere Rechtsfolgen
Neben Strafen können weitere Rechtsfolgen vorgesehen sein (zum Beispiel Fahrverbot oder die Einziehung von Taterträgen). Diese Folgen sind rechtlich eigenständig und nicht Teil des eigentlichen Strafrahmens, können aber in der Gesamtbewertung des Falls Bedeutung haben.
Ablauf der gerichtlichen Bestimmung
Schritt 1: Bestimmung des anwendbaren Strafrahmens
Das Gericht prüft zunächst, welcher Grundstrafrahmen gilt und ob besondere Erhöhungs- oder Milderungsgründe einschlägig sind.
Schritt 2: Strafrahmenverschiebung
Liegen Umstände wie minder schwerer Fall, Versuch oder qualifizierende Merkmale vor, wird der Strafrahmen gesetzlich nach unten oder oben verschoben.
Schritt 3: Konkrete Strafzumessung
Innerhalb des so ermittelten Rahmens erfolgt die individuelle Zumessung anhand tat- und täterbezogener Kriterien sowie des Nachtatverhaltens. Ziel ist eine schuldangemessene, verhältnismäßige Strafe.
Schritt 4: Gesamtstrafe bei mehreren Taten
Liegt Tatmehrheit vor, werden Einzelstrafen gebildet und anschließend zu einer Gesamtstrafe zusammengeführt. Maßstab ist eine Gesamtbewertung, die weder addiert noch isoliert, sondern das Gesamtgeschehen würdigt.
Abweichungen und Sonderfälle
Besondere Umstände
In bestimmten Konstellationen können gesetzlich angeordnete Milderungen oder Erhöhungen greifen, etwa bei erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit, besonderen Beweggründen oder außergewöhnlichen Tatfolgen. Diese führen nicht zu einer freien Überschreitung, sondern zu einer gesetzlich geregelten Anpassung des Rahmens.
Jugendliche und Heranwachsende
Für Jugendliche gilt ein eigenständiges Sanktionssystem mit erzieherischer Ausrichtung. Es arbeitet nicht mit den gleichen Strafrahmen wie das allgemeine Erwachsenenstrafrecht. Bei Heranwachsenden kann je nach Reifegrad das eine oder das andere System Anwendung finden.
Abgrenzung zu Ordnungswidrigkeiten
Ordnungswidrigkeiten unterliegen keinen Strafrahmen, sondern Bußgeldrahmen. Diese folgen eigenen Regeln und Zielen und sind vom Strafrecht zu unterscheiden.
Rechtsnatur und Bedeutung
Der Strafrahmen ist Ausdruck normativer Bindung und des Schuldprinzips. Er bündelt die Anforderungen an Voraussehbarkeit, Gleichbehandlung und Begrenzung staatlicher Sanktionen. Zugleich ermöglicht er flexible, am Einzelfall orientierte Entscheidungen innerhalb klarer, gesetzlich bestimmter Leitplanken.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet Mindest- und Höchstmaß im Strafrahmen?
Das Mindestmaß ist die niedrigste zulässige Strafe, das Höchstmaß die höchste zulässige Strafe für eine Tat. Innerhalb dieses Korridors bewegt sich die konkrete Strafe, die das Gericht festlegt.
Kann ein Gericht über das Höchstmaß hinausgehen?
Nein. Das Gericht ist an den gesetzlichen Strafrahmen gebunden. Eine Überschreitung kommt nicht in Betracht. Nur wenn ein anderer, einschlägiger Tatbestand mit höherem Rahmen zur Anwendung gelangt, ändert sich der zulässige Korridor.
Welche Rolle spielt ein Geständnis für den Strafrahmen?
Ein Geständnis führt in der Regel nicht zu einem anderen Strafrahmen, wirkt aber häufig strafmildernd innerhalb des bestehenden Rahmens. In besonderen Konstellationen kann es zur Annahme eines minder schweren Falls beitragen.
Worin unterscheidet sich Strafrahmen von Strafzumessung?
Der Strafrahmen legt die gesetzliche Bandbreite fest. Die Strafzumessung bestimmt die konkrete Strafe innerhalb dieser Bandbreite anhand der Umstände des Einzelfalls.
Gibt es bei Geldstrafen ebenfalls einen Strafrahmen?
Ja. Der Rahmen zeigt sich in der möglichen Anzahl von Tagessätzen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen, damit die Geldstrafe unterschiedliche Einkommen vergleichbar trifft.
Wie wird bei mehreren Straftaten vorgegangen?
Bei mehreren selbständigen Taten werden für jede Tat Einzelstrafen festgesetzt und zu einer Gesamtstrafe zusammengeführt. Dabei wird das Gesamtgeschehen bewertet, um eine schuldangemessene Gesamtsanktion zu erreichen.
Gilt der gleiche Strafrahmen für Jugendliche?
Nein. Für Jugendliche gilt ein eigenständiges Sanktionssystem mit erzieherischem Schwerpunkt. Es ist vom Strafrahmen des allgemeinen Erwachsenenstrafrechts zu unterscheiden.
Was ist ein minder schwerer Fall?
Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn die Gesamtumstände des Einzelfalls deutlich unter dem Durchschnitt des Unrechts- und Schuldgehalts liegen. Dann kann ein gesetzlich vorgesehener, abgesenkter Strafrahmen angewendet werden.