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Strafmündigkeit


Begriff und Definition der Strafmündigkeit

Unter Strafmündigkeit wird in der Rechtswissenschaft die Fähigkeit einer natürlichen Person verstanden, für strafbare Handlungen nach Maßgabe des Strafrechts verantwortlich gemacht und strafrechtlich verfolgt werden zu können. Diese Fähigkeit ist an das Alter und die damit verbundene geistige und sittliche Reife geknüpft. Die Strafmündigkeit gilt als grundlegendes Prinzip des Strafrechts und markiert die Schwelle, ab der Kinder und Jugendliche für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden dürfen.

Gesetzliche Regelung in Deutschland

Altersgrenzen nach dem Strafgesetzbuch

In Deutschland ist die Strafmündigkeit im Strafgesetzbuch (StGB) in Verbindung mit dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) umfassend geregelt. Die maßgebliche Altersstufe ist in § 19 StGB verankert:

  • Kinder unter 14 Jahren sind gemäß § 19 StGB absolut strafunmündig. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit ist ausgeschlossen.
  • Jugendliche ab 14 Jahren bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sind nach § 1 Abs. 2 JGG grundsätzlich strafmündig, jedoch unterliegen sie eigenständigen Vorschriften und Verfahrensweisen des Jugendstrafrechts.
  • Heranwachsende ab dem 18. bis zum 21. Lebensjahr können unter bestimmten Voraussetzungen nach Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht behandelt werden (§ 105 JGG).
  • Erwachsene ab dem 21. Lebensjahr sind voll strafmündig und unterliegen dem allgemeinen Strafrecht.

Ausschluss der Strafmündigkeit

Neben der altersbezogenen Regelung kann die Strafmündigkeit aus persönlichen Gründen entfallen. Nach § 20 StGB ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen seelischer Störungen, krankhafter seelischer Beeinträchtigung oder tiefgreifender Bewusstseinsstörungen unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Entwicklung der Strafmündigkeit in Deutschland

Der Gesetzgeber hat die Regelungen zur Strafmündigkeit mehrfach verändert, um gesellschaftlichen Entwicklungen und Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie Rechnung zu tragen. Während in früheren Jahrhunderten deutlich niedrigere Altersgrenzen galten, wurde mit dem Inkrafttreten des JGG 1953 die aktuelle Grenze von 14 Jahren festgeschrieben, um insbesondere das Wohl und die Entwicklung von Kindern zu schützen.

Sanktionen vor Erreichen der Strafmündigkeit

Maßnahmen bei strafunmündigen Kindern

Obwohl strafunmündige Kinder (§ 19 StGB) keiner strafrechtlichen Sanktion unterliegen, können andere rechtliche Schritte erfolgen. Maßnahmen des Jugendamtes gemäß Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) oder familienrechtliche Interventionen des Familiengerichts nach § 1666 BGB kommen in Betracht, wenn das Verhalten des Kindes Gefahren für dessen Entwicklung birgt.

Vorteilsnahme und Ordnungswidrigkeiten

Kinder unter 14 Jahren können nicht Täter oder Teilnehmer einer Straftat im rechtlichen Sinn sein. Dennoch können sie Adressaten von zivil- oder verwaltungsrechtlichen Konsequenzen werden, beispielsweise im Bereich des Schadensersatzrechts oder bei Ordnungswidrigkeiten, sofern diese dem Aufsichtspflichtigen zur Last gelegt werden.

Strafmündigkeit im internationalen Vergleich

Die Altersgrenze für die Strafmündigkeit ist international unterschiedlich ausgestaltet. In europäischen Ländern reicht die Schwelle meist von 10 bis 16 Jahren:

  • Österreich: 14 Jahre
  • Schweiz: 10 Jahre
  • Frankreich: Keine ausdrücklich festgelegte Altersgrenze, richterliche Einzelfallentscheidungen
  • Großbritannien: 10 Jahre
  • Niederlande: 12 Jahre

Bei der Einstufung des Mindestalters differieren die Länder mit Blick auf gesellschaftliche, historische und kulturelle Rahmenbedingungen.

Strafrechtliche Verantwortlichkeit im Jugendstrafverfahren

Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes

Ab Erreichen der Strafmündigkeit mit 14 Jahren unterliegen jugendliche Tatverdächtige dem Jugendgerichtsgesetz (JGG). Das Jugendstrafrecht legt besonderen Wert auf erzieherische Maßnahmen, den Schutz der Entwicklung und die Vermeidung von Stigmatisierung durch den Strafvollzug.

Erziehungsmaßnahmen und Zuchtmittel

Mögliche Rechtsfolgen im Jugendstrafverfahren sind unter anderem Erziehungsmaßregeln (u. a. Weisungen, Hilfe zur Erziehung), Zuchtmittel (Verwarnung, Auflagen, Jugendarrest) und Jugendstrafe (Freiheitsstrafe). Die Auswahl der Sanktionen richtet sich nach dem Entwicklungsstand des Jugendlichen sowie nach Art, Schwere und den Umständen der Tat.

Besondere Vorschriften für Heranwachsende

Für Heranwachsende (18 bis 20 Jahre) kann gemäß § 105 JGG das Jugendstrafrecht angewandt werden, sofern die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters und der Tat die Anwendung des Jugendstrafrechts rechtfertigt.

Psychologische und soziale Aspekte

Die Bestimmung der Strafmündigkeit basiert auf dem Konsens, dass Kinder unterhalb einer bestimmten Altersgrenze die Reife zur zutreffenden Beurteilung von Unrecht und Eigenverantwortlichkeit in der Regel noch nicht besitzen. Damit dient die Regelung dem Schutz kindlicher Entwicklung und setzt ein Mindestalter für strafrechtliche Verantwortlichkeit.

Nicht jede Handlung im strafunmündigen Alter ist automatisch folgenlos. Gerade schwere Delikte können sozialpädagogische Interventionen, familiengerichtliche Maßnahmen oder den Schutzauftrag des Jugendamts auslösen. Das Prinzip der Strafmündigkeit balanciert somit zwischen dem Schutz junger Menschen und den Anforderungen an das gesellschaftliche Zusammenleben.

Kritik und Reformdiskussionen

Die aktuelle Altersgrenze von 14 Jahren ist regelmäßig Gegenstand gesellschaftspolitischer Debatten. Befürworter einer Senkung verweisen insbesondere auf sich verändernde Lebensrealitäten, geringere Hemmschwellen und hohe Delinquenz auch im kindlichen Altersbereich. Gegner einer Senkung heben den entwicklungspsychologischen Schutzgedanken und die begrenzte pädagogische Wirksamkeit des Strafrechts bei Kindern hervor.

Zusammenfassung

Die Strafmündigkeit ist ein zentrales Rechtsprinzip, das das Mindestalter für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Kindern und Jugendlichen festlegt. In Deutschland liegt die Grenze bei 14 Jahren. Vor Erreichen dieser Schwelle greifen vorrangig Maßnahmen des Jugendhilferechts und des Familienrechts. Die Regelung der Strafmündigkeit dient dem Ausgleich zwischen dem Schutz kindlicher Entwicklung und dem Interesse an gesellschaftlicher Sicherheit und besteht in ähnlicher Form in nahezu allen modernen Rechtsordnungen. Die Diskussion um ihre Gestaltung und die Frage ihrer Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen bleibt ein fortlaufendes Thema rechtspolitischer Debatten.

Häufig gestellte Fragen

Ab welchem Alter gilt eine Person in Deutschland als strafmündig?

In Deutschland ist die Strafmündigkeit gesetzlich im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Nach § 19 StGB sind Kinder, die bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt sind, strafrechtlich nicht verantwortlich. Ab Vollendung des 14. Lebensjahres gilt eine Person als strafmündig und kann grundsätzlich für strafrechtlich relevantes Verhalten zur Verantwortung gezogen werden. Allerdings findet bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren nicht das allgemeine Erwachsenenstrafrecht, sondern das Jugendstrafrecht gemäß Jugendgerichtsgesetz (JGG) Anwendung, das auf Erziehung und Prävention abzielt. Zwischen dem vollendeten 18. und 21. Lebensjahr kann im Einzelfall ebenfalls Jugendstrafrecht angewendet werden (Heranwachsende), sofern die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist.

Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich daraus, wenn ein strafunmündiges Kind eine Straftat begeht?

Begeht ein Kind unter 14 Jahren eine Tat, die ansonsten als Straftat gilt, bleibt es strafrechtlich folgenlos für das Kind selbst. Polizei und Jugendamt können dennoch eingeschaltet werden: Liegt eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls vor, kann das Jugendamt erzieherische Maßnahmen einleiten oder Empfehlungen für das Familiensystem aussprechen. Zivilrechtliche Ansprüche, zum Beispiel auf Schadenersatz, können gegebenenfalls unabhängig von der Strafmündigkeit geprüft werden. In jedem Fall steht bei strafunmündigen Kindern der Schutz und die Förderung im Vordergrund.

Wie wird die Schuld- und Verantwortungsfähigkeit jugendlicher Straftäter beurteilt?

Jugendliche Straftäter (14-17 Jahre) sind grundsätzlich strafmündig, jedoch ist nach § 3 JGG zusätzlich zu prüfen, ob sie zum Tatzeitpunkt die erforderliche Einsichtsfähigkeit und die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, besaßen. Das Gericht muss also in jedem Einzelfall feststellen, ob der Jugendliche das Unrecht seiner Tat einsehen konnte (Einsichtsfähigkeit) und ob er in der Lage war, nach dieser Einsicht zu handeln (Steuerungsfähigkeit). Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist der Jugendliche ausnahmsweise nicht strafrechtlich verantwortlich.

Welche Besonderheiten gelten für Heranwachsende im Alter zwischen 18 und 21 Jahren?

Für Heranwachsende bietet das Jugendgerichtsgesetz die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen auch bei Personen zwischen dem 18. und dem vollendeten 21. Lebensjahr das Jugendstrafrecht anzuwenden, sofern die Tat als Jugendverfehlung einzustufen ist oder der Täter in seiner Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichsteht. Dies entscheidet das Gericht nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung von Reife, Entwicklung und den Umständen der Tat. Ziel ist es, die erzieherischen Aspekte des Jugendstrafrechts weiter zur Geltung zu bringen, falls es angezeigt erscheint.

Gibt es Unterschiede bei der Strafmündigkeit für verschiedene Straftaten?

Das Gesetz differenziert hinsichtlich der Strafmündigkeit grundsätzlich nicht zwischen den Arten der Straftaten; die Altersgrenzen gelten einheitlich. Das bedeutet, für leichte wie für schwere Straftaten gilt gleichermaßen: unter 14 Jahren besteht keine Strafmündigkeit. Für Jugendliche und Heranwachsende werden allerdings die Umstände und die Schwere der Tat – zum Beispiel bei schwerwiegenden Vergehen wie Tötungs- oder Sexualdelikten – bei der Entscheidung über die Sanktion und gegebenenfalls über die Anwendung des Jugendstrafrechts besonders bedacht.

Welche Rolle spielen psychische Erkrankungen oder Reifeverzögerungen bei der Strafmündigkeit?

Psychische Erkrankungen, geistige Behinderungen oder erhebliche Entwicklungsverzögerungen können unabhängig vom Alter dazu führen, dass ein Täter entweder nicht schuldfähig (§ 20 StGB) oder nur vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) ist. Bei Jugendlichen muss zusätzlich laut § 3 JGG individuell überprüft werden, ob die notwendige Einsichtsfähigkeit zum Tatzeitpunkt vorlag. Wird eine komplette Schuldunfähigkeit festgestellt, so entfällt die strafrechtliche Verantwortlichkeit völlig, wobei dennoch zivilrechtliche oder jugendhilferechtliche Maßnahmen ergriffen werden können.

Welche Sanktionen können bei strafmündigen Jugendlichen verhängt werden?

Gegen strafmündige Jugendliche können nach dem Jugendgerichtsgesetz verschiedene Sanktionen verhängt werden, die sich in Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe unterscheiden. Erziehungsmaßregeln sind unter anderem Weisungen oder die Anordnung, sich einer Betreuung zu unterziehen. Zuchtmittel umfassen etwa Verwarnungen, die Erteilung von Arbeitsauflagen oder den Jugendarrest. Nur bei schweren Straftaten kann eine Jugendstrafe, also eine Freiheitsentziehung, verhängt werden, wobei der höchstmögliche Strafrahmen deutlich unter demjenigen aus dem Erwachsenenstrafrecht liegt. Ziel sämtlicher Sanktionen ist vorrangig die Erziehung und Resozialisierung.