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Straflose Nachtat (Vortat)

Straflose Nachtat (Vortat): Begriff und Einordnung

Die Begriffe „straflose Nachtat“ und „straflose Vortat“ bezeichnen Verhaltensweisen, die zwar zeitlich an eine Straftat anknüpfen, für sich genommen aber nicht als eigenständige Tat geahndet werden. Der Gedanke dahinter: Wer eine Straftat begeht, soll nicht mehrfach wegen solcher Handlungen bestraft werden, die eng mit der Ausführung, Sicherung oder Nutzung des Taterfolgs verbunden sind. Solches Verhalten geht in der Bewertung der Haupttat auf und wird nicht separat verfolgt.

Was bedeutet „straflose Nachtat“?

Als straflose Nachtat gelten Handlungen nach Abschluss der Haupttat, die der Täter selbst vornimmt, um den Taterfolg zu sichern, die Beute zu verwerten oder Spuren zu beseitigen. Diese Handlungen sind regelmäßig kein eigener Unrechtskern neben der Haupttat. Für Außenstehende können dieselben Verhaltensweisen jedoch eine eigenständige Straftat darstellen (etwa Unterstützung des Täters nach der Tat), während sie für den Täter selbst nicht gesondert bestraft werden.

Was bedeutet „straflose Vortat“?

Straflose Vortaten sind vorbereitende Handlungen, die so eng mit der späteren Haupttat verknüpft sind, dass sie in deren Bewertung aufgehen. Sie werden nicht als separates Delikt verfolgt, weil sie lediglich Bausteine der späteren Haupttat bilden. Im Ergebnis kommt es nicht zu einer Doppelahndung für Schritte, die im unmittelbaren Vorfeld der Tat lagen und deren Ausführung dienten.

Verwandte Begriffe: „mitbestrafte Vortat“ und „mitbestrafte Nachtat“

Häufig wird von „mitbestrafter Vortat“ bzw. „mitbestrafter Nachtat“ gesprochen. Damit ist gemeint, dass das Verhalten nicht „sanktionsfrei“ bleibt, sondern im Rahmen der Haupttat mitbewertet wird. Der Begriff „straflose“ Vortat/Nachtat betont, dass hierfür keine eigene, zusätzliche Verurteilung erfolgt.

Rechtliche Systematik und Zweck

Grundgedanke der einheitlichen Tatbewertung

Konsumtion und Einheit des Unrechts

Maßgeblich ist das Prinzip der Konsumtion: Die Haupttat „verbraucht“ solche Vor- und Nachtaten, die lediglich deren Durchführung, Sicherung oder Nutzung dienen. Dadurch wird das Unrecht einheitlich bewertet, ohne es künstlich in mehrere eigenständige Taten aufzuspalten.

Schutz vor Doppelverfolgung

Die Einordnung als straflose Vor- oder Nachtat verhindert Mehrfachbestrafungen für eng zusammenhängende Verhaltensabschnitte. Das schützt vor einer unangemessenen Aufblähung der Strafbarkeit und fördert eine tat- und schuldangemessene Gesamtbewertung.

Grenzen der Straflosigkeit

Die Straflosigkeit findet ihre Grenze dort, wo durch die Vor- oder Nachtat neue, selbstständige Rechtsgutsverletzungen entstehen oder die Handlung die Haupttat deutlich überschreitet. In solchen Fällen liegt ein eigenständiges Delikt vor, das neben der Haupttat steht.

Typische Fallgruppen

  • Sicherungshandlungen nach der Tat: Verstecken von Tatwerkzeugen oder Beute durch den Täter selbst.
  • Verwertungshandlungen: Eigennützige Nutzung oder Veräußerung der Beute durch den Täter der Vortat.
  • Spurenbeseitigung: Entfernen eigener Tatspuren unmittelbar nach der Tat.
  • Unmittelbare Vorbereitungshandlungen: Beschaffung eines Tatwerkzeugs oder Anfertigung eines Hilfsmittels, wenn dies zielgerichtet und im engen Zusammenhang zur späteren Ausführung steht.
  • Zugangsschaffung: Beschädigung eines Zugangs, um die spätere Tat zu ermöglichen, sofern diese Beschädigung als funktionaler Schritt der Haupttat aufgeht.

Abgrenzungen

Postdeliktische Unterstützung durch Dritte

Handeln nach der Tat kann für Außenstehende eine eigenständige Straftat darstellen (zum Beispiel das systematische Verbergen von Beute oder das Verschaffen eines sicheren Fluchtwegs). Der Täter der Vortat selbst wird für solche „Anschlussdelikte“ in der Regel nicht separat bestraft, während Unterstützer ohne Beteiligung an der Haupttat eigenständig verantwortlich sein können.

Neue, selbstständige Rechtsverletzungen

Führt das Verhalten nach der Tat zu neuen Rechtsgutsverletzungen, liegt regelmäßig ein eigenständiges Delikt vor. Beispiele sind das Einschüchtern eines Zeugen, gewaltsame Widerstandshandlungen oder gefährliche Fluchtmanöver mit eigenständigen Gefährdungen. Solche Taten sind nicht mehr bloße Sicherungshandlungen, sondern greifen neue Schutzgüter an.

Zeitlicher und räumlicher Zusammenhang

Je enger zeitlich und räumlich der Zusammenhang mit der Haupttat, desto eher spricht dies für eine straflose Vor- oder Nachtat. Lösen sich spätere Handlungen deutlich von der Haupttat, können eigenständige Delikte vorliegen.

Prüfungskriterien in der Praxis

  • Funktionaler Zusammenhang: Dient die Handlung unmittelbar der Vorbereitung, Durchführung oder Sicherung der Haupttat?
  • Unrechtsgehalt: Geht der Unrechtskern der Vor-/Nachtat in dem der Haupttat auf, oder tritt ein neues, eigenständiges Unrecht hinzu?
  • Zeitliche und räumliche Nähe: Besteht ein enger Zusammenhang oder eine deutliche Zäsur?
  • Täteridentität: Handelt der Täter der Vortat selbst, oder handelt ein Außenstehender?
  • Planmäßigkeit: Entspricht die Vor-/Nachtat dem Tatplan, oder überschreitet sie ihn qualitativ?

Besondere Konstellationen

Mittäterschaft und Teilnahme

Bei gemeinsamer Tatbegehung können Vor- und Nachtaten eines Beteiligten auch den anderen zugerechnet werden, wenn sie im Rahmen der gemeinschaftlichen Ausführung stehen. Lösen sich Handlungen eines Beteiligten vom gemeinsamen Plan, kommen eigenständige Delikte in Betracht.

Dauerdelikte und tatbedingte Folgezustände

Bei Tatbeständen mit andauernder Rechtsverletzung gehören Erhaltungs- oder Sicherungshandlungen oft zur einheitlichen Haupttat. Abzugrenzen sind hiervon spätere Verhaltensweisen, die neue Rechtsgüter betreffen oder die Dauerwirkung in unzulässiger Weise ausweiten.

Vortaten als Anknüpfungspunkt für Anschlussdelikte

Bestimmte Anschlussdelikte setzen eine fremde Vortat voraus. Der Täter der Vortat ist hierfür regelmäßig nicht selbst der Adressat des Anschlussdelikts, während unbeteiligte Dritte, die nachträglich eingreifen, eigenständig strafbar sein können. Gesetzgeberische Entwicklungen können in einzelnen Bereichen die Strafbarkeit des Vortäters für spätere Verwertungshandlungen anpassen; maßgeblich sind die jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen.

Rechtsfolgen der Einordnung

  • Keine zusätzliche Verurteilung: Straflose Vor- und Nachtaten werden nicht als eigenständige Taten geahndet.
  • Berücksichtigung im Rahmen der Haupttat: Das Verhalten kann bei der Bemessung der Strafe für die Haupttat gewürdigt werden.
  • Konkurrenzrechtliche Einordnung: Die Abgrenzung beeinflusst, ob eine oder mehrere Taten vorliegen und wie die Gesamtsanktion zu bestimmen ist.

Häufig gestellte Fragen

Was umfasst der Begriff „straflose Nachtat“ konkret?

Erfasst sind Handlungen des Täters nach Abschluss der Haupttat, die der Sicherung, Verwertung oder Absicherung des Taterfolgs dienen und eng mit der Haupttat verknüpft sind. Sie werden nicht als eigenständige Tat geahndet, sondern in der Bewertung der Haupttat mitberücksichtigt.

Gibt es auch straflose Vortaten, und wie unterscheiden sie sich?

Ja. Straflose Vortaten sind vorbereitende Handlungen, die im engen funktionalen Zusammenhang mit der späteren Ausführung stehen. Anders als allgemeine Vorbereitungsschritte, die unter Umständen eigenständig strafbar sein können, gehen straflose Vortaten im Unrecht der Haupttat auf.

Gilt die Straflosigkeit der Nachtat nur für den Täter der Vortat?

Regelmäßig ja. Verhält sich ein Außenstehender nachträglich unterstützend, kann dies ein eigenständiges Delikt begründen. Für den Täter der Vortat selbst werden entsprechende Nachtaten in der Regel nicht gesondert bestraft.

Wann wird eine Nachtat ausnahmsweise doch eigenständig strafbar?

Wenn durch die Handlung nach der Tat neue Rechtsgüter verletzt oder eigenständige Gefahren geschaffen werden, liegt regelmäßig ein eigenständiges Delikt vor. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Verhalten deutlich über die Sicherung oder Nutzung des Taterfolgs hinausgeht.

Welche Rolle spielen Zeit und Ort bei der Abgrenzung?

Eine enge zeitliche und räumliche Nähe zur Haupttat spricht für eine straflose Nachtat. Je größer die zeitliche Distanz oder je stärker die Loslösung vom Tatort und -geschehen, desto eher kommt eine eigenständige Strafbarkeit in Betracht.

Wie verhält sich die straflose Nachtat zu Anschlussdelikten wie Unterstützungshandlungen oder Verwertungshandlungen?

Solche Anschlussdelikte setzen häufig eine Unterstützung oder Verwertung nach der Haupttat voraus und betreffen typischerweise Dritte. Der Täter der Vortat selbst wird hierfür in der Regel nicht gesondert bestraft; bei Dritten kann hingegen eine eigenständige Verantwortlichkeit entstehen.

Werden straflose Vor- und Nachtaten bei der Strafzumessung berücksichtigt?

Ja, das Verhalten kann innerhalb der Gesamtwürdigung der Haupttat berücksichtigt werden, ohne dass es zu einer zusätzlichen Verurteilung kommt.