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Straflöschung


Begriff und rechtliche Einordnung der Straflöschung

Die Straflöschung ist ein zentraler Begriff des deutschen Strafrechts und bezeichnet die Streichung von strafrechtlichen Eintragungen aus dem Bundeszentralregister (BZR) beziehungsweise aus dem Führungszeugnis. Sie spielt eine bedeutende Rolle für die Resozialisierung von verurteilten Personen und ist maßgeblich für das sogenannte Recht auf Vergessenwerden im Strafvollzug. Im weiteren Sinne dient die Straflöschung der Wiederherstellung der Unbescholtenheit im Rechtsverkehr und dem Schutz vor stigmatisierenden Folgen einer strafrechtlichen Verurteilung.


Grundlagen und gesetzliche Regelungen

Das Bundeszentralregister (BZR)

Das Bundeszentralregister wird beim Bundesamt für Justiz geführt. Es enthält Angaben über strafrechtliche Verurteilungen, bestimmte strafprozessuale Entscheidungen sowie weitere relevante Eintragungen, etwa aus dem Disziplinarrecht. Die gesetzliche Grundlage bildet das Bundeszentralregistergesetz (BZRG).

Löschung und Tilgung nach dem BZRG

Die Straflöschung wird im BZRG durch die Begriffe „Tilgung“ und „Löschung“ geregelt. Grundsätzlich werden rechtskräftige strafrechtliche Verurteilungen nach Ablauf festgelegter Fristen aus dem Register getilgt oder gelöscht (§§ 46 ff. BZRG). Die relevanten Vorschriften sind:

  • § 45 BZRG: Tilgungsfristen für Eintragungen
  • § 46 BZRG: Fristbeginn und Berechnung
  • § 47 BZRG: Ausnahmen von der Löschung/Tilgung
  • § 51 BZRG: Wirkung der Tilgung und Löschung

Voraussetzungen und Ablauf der Straflöschung

Tilgungsfristen

Die Tilgungsfristen richten sich nach der Art und Schwere der Straftat sowie der verhängten Sanktion:

  • Fünf Jahre: In der Regel bei Geldstrafen und Verwarnungen mit Strafvorbehalt, Jugendstrafen bis zu einem Jahr, sowie anderen weniger schwerwiegenden Sanktionen
  • Zehn Jahre: Bei Freiheitsstrafen bis zu einem bestimmten Höchstmaß (meist bis zu drei Jahren), sofern bestimmte Voraussetzungen vorliegen (z.B. keine Wiederholungsstraftaten)
  • Fünfzehn Jahre: Bei schwerwiegenden Straftaten, insbesondere wenn eine höhere Freiheitsstrafe verhängt oder Sicherungsverwahrung angeordnet wurde

Maßgeblich ist stets das gesetzliche Regelungskonstrukt. Wird nach der ersten Verurteilung eine neue Straftat begangen, verlängert sich die Tilgungsfrist regelmäßig.

Beginn der Tilgungsfrist

Die Tilgungsfrist beginnt gemäß § 46 BZRG mit dem Tag der ersten rechtskräftigen Entscheidung oder dem Datum, ab dem die Sanktion vollständig vollstreckt, verjährt oder erlassen ist. Unterbrechungen durch weitere Verurteilungen oder neue Eintragungen führen zu einer Anpassung des Fristbeginns.


Rechtsfolgen der Straflöschung

Wirkung im Rechtsverkehr

Nach erfolgter Löschung gilt die Person als nicht vorbestraft. Die gelöschte Verurteilung darf weder im Führungszeugnis noch gegenüber Dritten erwähnt oder verwertet werden (§ 51 BZRG). Behörden und Gerichte dürfen die getilgten Eintragungen grundsätzlich nicht berücksichtigen.

Einschränkungen und Ausnahmen

Einzelne Ausnahmen existieren, etwa im Bereich von Wiederaufnahmeverfahren, laufenden Ermittlungen oder bestimmten Sicherheitsüberprüfungen. Für Straf- und Disziplinargerichte, Bewährungs- und Strafvollstreckungsbehörden bestehen darüber hinaus unter Umständen erweiterte Einsichtsbefugnisse.


Besondere Aspekte der Straflöschung

Mehrfachtäter und neue Verurteilungen

Reduziert sich die Rechtswirkung der Straflöschung, wenn eine Person erneut straffällig wird, verlängern sich Tilgungsfristen oder werden unterbrochen. Bestimmte Wiederholungstaten können die Straflöschung einer Alteintragung verhindern, da die Resozialisierungsprognose dann als erschwert gilt.

Löschung von Nebenstrafen und Maßregeln

Auch Eintragungen über Nebenstrafen wie Fahrverbote oder Maßregeln der Besserung und Sicherung (z. B. Führungsaufsicht, Entziehungsmaßnahmen) unterliegen gesonderten Tilgungsfristen, geregelt in §§ 46, 50 BZRG.

Besondere Vorschriften für jugendliche Straftäter

Nach § 63 BZRG greifen für Jugendliche und Heranwachsende verkürzte Tilgungsfristen und eigenständige Regelungen, die den Resozialisierungsgedanken betonen.


Verfahren und Durchführung

Automatischer Ablauf

Die Straflöschung erfolgt in der Regel automatisiert nach Ablauf der Tilgungsfrist ohne gesonderten Antrag. Das Bundesamt für Justiz überprüft fortlaufend die Einträge und nimmt die Löschung vorgenommen.

Mögliche Anträge und Rechtsbehelfe

Bei Beanstandungen oder fehlerhaften Eintragungen kann ein Antrag auf Berichtigung oder vorgezogene Löschung gestellt werden, etwa im Fall unrichtiger Registrierungen oder bei Vorliegen besonderer Gründe nach § 52 BZRG.


Bedeutung der Straflöschung für die Praxis

Die ordnungsgemäße Löschung von Strafurteilen ist im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht, Arbeitsmarktzugang und das gesellschaftliche Leben ehemaliger Straftäter von immenser Bedeutung. Sie fördert die Resozialisierung und verhindert lebenslange Stigmatisierung. Im Arbeitsleben, bei behördlichen Anträgen oder internationalen Verfahren (z. B. Visaanträgen) sind die Wirkungen der Straflöschung von entscheidender Relevanz.


Zusammenfassung

Die Straflöschung bildet einen Kernbestandteil der gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit strafrechtlichen Verurteilungen im deutschen Recht. Sie gewährleistet, dass schuldhaftes Verhalten nicht dauerhaft mit einer Person verknüpft bleibt und ermöglicht auf diese Weise einen Neustart im gesellschaftlichen Leben. Die genauen Vorgaben zu Fristen, Voraussetzungen, Verfahren und Auswirkungen regelt das Bundeszentralregistergesetz detailliert und differenziert. Die konsequente Anwendung und Beachtung dieser Vorschriften schützt vor Diskriminierung und fördert das Ziel der Wiedereingliederung.

Häufig gestellte Fragen

Wie lange dauert es, bis eine Strafe im Führungszeugnis gelöscht wird?

Die Dauer bis zur Löschung einer Strafe aus dem Führungszeugnis hängt im Wesentlichen von der Art und Höhe der verhängten Strafe ab. Nach § 34 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) betragen die Fristen in der Regel 3, 5 oder 10 Jahre. Bei geringfügigen Strafen, etwa Geldstrafen von nicht mehr als 90 Tagessätzen, beträgt die Löschungsfrist meist 3 Jahre. Freiheitsstrafen von unter drei Monaten werden ebenfalls nach 3 Jahren gelöscht, sofern keine weiteren Verurteilungen bestehen. Bei Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und einem Jahr, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, beträgt die Frist ebenfalls 3 Jahre. Für höhere Strafen oder Rückfalltaten gelten grundsätzlich Fristen von 5 oder sogar 10 Jahren. Zu beachten ist, dass die Fristen erst mit dem Tag des ersten Urteils in Strafsachen zu laufen beginnen und frühestens mit Rechtskraft der Entscheidung. Mehrere Verurteilungen können dazu führen, dass sich die Löschungsfrist verlängert.

Kann die Löschung meiner Strafe beschleunigt werden?

Eine vorzeitige Löschung einer Eintragung im Bundeszentralregister ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Die gesetzlich geregelten Fristen nach §§ 45, 46 BZRG sind zwingend und können nur in Ausnahmefällen, beispielsweise im Gnadenweg oder bei Irrtümern, unterschritten werden. Das bedeutet, dass eine Löschung vor Ablauf der Frist im Normalfall nicht möglich ist. In einigen Fällen, wie beispielsweise bei der Rehabilitierung früherer DDR-Urteile, können jedoch gesonderte Löschungsvorschriften greifen. Nach Ablauf der Frist erfolgt die Löschung automatisch, ohne dass ein gesonderter Antrag gestellt werden muss.

Welche Straftaten werden nicht gelöscht?

Nicht alle Straftaten unterliegen den allgemeinen Löschungsfristen. Nach § 51 BZRG bleiben bestimmte Eintragungen, etwa schwere Sexualdelikte oder bestimmte besonders schwere Wiederholungstaten, unter Umständen dauerhaft gespeichert, insbesondere, wenn sie zu einer Maßregel der Sicherungsverwahrung geführt haben. Auch Verurteilungen zu lebenslangen Freiheitsstrafen oder die Aberkennung gewisser Grundrechte werden nicht gelöscht. Außerdem werden laufende Verfahren, noch nicht beglichene Geldstrafen oder offene Bewährungszeiten ebenfalls nicht gelöscht. Bestimmte Berufsverbote können ebenfalls einer Löschung entgegenstehen, solange das Verbot wirkt.

Wie wirkt sich die Löschung auf die Auskunftspflicht im beruflichen Kontext aus?

Nach erfolgter Löschung einer Verurteilung gilt gemäß § 53 BZRG das sogenannte „Recht auf Lüge“: Der Betroffene muss im Arbeitsverhältnis diese gelöschte Vorstrafe weder von sich aus offenbaren noch darf eine Nachfrage des Arbeitgebers nach gelöschten Einträgen wahrheitsgemäß beantwortet werden. Die gelöschte Strafe entfaltet im arbeitsrechtlichen Kontext grundsätzlich keine Wirkung mehr und darf auch von Behörden oder Gerichten mit wenigen Ausnahmen nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen verwendet werden. Dies gilt insbesondere für Bewerbungen und für Fälle, in denen amtliche Führungszeugnisse vorgelegt werden müssen; gelöschte Einträge erscheinen dort nicht mehr.

Unterscheidet sich die Löschung im Bundeszentralregister von der Löschung im Führungszeugnis?

Ja, es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen der Löschung im Bundeszentralregister (BZR) und jenen Einträgen, die im Führungszeugnis ersichtlich sind. Das Führungszeugnis ist ein Auszug aus dem BZR und dient dazu, bestimmte Inhalte Dritten, etwa Arbeitgebern, offen zu legen. Abhängig von der Schwere und der Anzahl der Vorstrafen werden einige Einträge zwar noch im BZR geführt, erscheinen aber gar nicht (mehr) im Führungszeugnis. Teilweise werden mildere Strafen, wie kleine Geldstrafen, oder nach Jugendstrafrecht geahndete Taten, schon gar nicht im Führungszeugnis angezeigt, obwohl sie noch eine Zeit lang im BZR gespeichert bleiben. Die Löschungsfristen gelten jedoch jeweils eigenständig, sodass eine Verurteilung aus dem Führungszeugnis schon früher verschwinden kann, als sie aus dem BZR gelöscht wird.

Was passiert nach Ablauf der Löschungsfrist mit den gespeicherten Daten?

Nach Ablauf der jeweiligen Frist gemäß BZRG werden die Eintragungen systemseitig gelöscht, das heißt, sie dürfen von Amts wegen weder übermittelt noch verwendet oder zu Auskünften herangezogen werden. Technisch werden die Daten jedoch nicht sofort aus allen Datenbeständen entfernt, sondern als „gelöscht“ markiert. Dabei sind sie gesperrt und dürfen auch ausnahmsweise nur noch in strafrechtlichen Ermittlungen oder Gerichtsverfahren eingesehen werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklich erlaubt. Die vollständige physische Löschung aus den elektronischen Speicherungen erfolgt mit zeitlicher Verzögerung im Rahmen regelmäßiger Datenpflege. Nach erfolgter Löschung dürfen die Informationen auch von Behörden nicht mehr abgerufen oder weitergegeben werden.

Welche Auswirkungen hat eine Löschung auf laufende Bewährungszeiten oder Nebenstrafen?

Solange eine Bewährungszeit läuft oder etwa eine Führungsaufsicht noch nicht beendet ist, beginnt die Löschungsfrist in der Regel gar nicht erst zu laufen. Gemäß § 36 BZRG ist Voraussetzung für den Fristbeginn die vollständige Erledigung der Strafe, also nach Abschluss der Vollstreckung und dem Ende von etwaigen Maßregeln oder Bewährungszeiten. Bei einer Verurteilung zu Nebenstrafen – wie Fahrverboten oder Berufsverboten – beginnt die Frist ebenfalls erst nach deren Ablauf. Erst mit erfolgreicher Beendigung sämtlicher strafrechtlicher Verpflichtungen können die entsprechenden Löschungsfristen zu laufen beginnen.

Kann eine gelöschte Verurteilung bei neuen Straftaten noch berücksichtigt werden?

Gelöschte Verurteilungen dürfen gemäß § 51 BZRG nach ihrer Löschung grundsätzlich nicht mehr zum Nachteil des Betroffenen verwendet werden, insbesondere nicht für die Bestimmung der Strafhöhe im Rahmen von Wiederholungstäter-Regelungen (§ 47 StGB). Allerdings können in sehr seltenen Ausnahmefällen, etwa bei erheblicher Relevanz für die Gefahrenabwehr oder bei bestimmten Berufsverboten, noch Rückgriffe auf gelöschte Verurteilungen erfolgen. Von diesen Ausnahmen wird jedoch äußerst restriktiv Gebrauch gemacht, um das Rechtsstaatsprinzip der Resozialisierung sowie das Verbot der Doppelbestrafung zu wahren.