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Straffreiheit

Begriff und Bedeutung der Straffreiheit

Straffreiheit bezeichnet den Zustand, in dem eine Person wegen eines bestimmten Verhaltens nicht mit einer Strafe belegt wird. Das kann verschiedene Ursachen haben: Es kann bereits keine strafbare Handlung vorliegen, es können Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe bestehen, es können persönliche Gründe die Strafe ausschließen, der Staat kann auf Verfolgung oder Bestrafung verzichten, oder die Strafverfolgung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Straffreiheit bedeutet daher entweder, dass keine strafrechtliche Verantwortlichkeit eintritt, oder dass trotz einer grundsätzlich verwirklichten Straftat keine Strafe verhängt oder vollstreckt wird.

Der Begriff wird im Alltag oft als Sammelbezeichnung verwendet. In der Rechtsanwendung wird hingegen unterschieden, auf welcher Ebene die Straffreiheit eintritt: bei der Tatbestandsverwirklichung (keine Straftat), bei der Rechtswidrigkeit (Rechtfertigung), bei der Schuld (Entschuldigung), bei der Strafzumessung (Absehen von Strafe) oder aus verfahrensrechtlichen Gründen (z. B. Einstellung, Verjährung).

Abgrenzungen zu verwandten Begriffen

Straflosigkeit und Tatbestandslosigkeit

Straflosigkeit liegt vor, wenn das in Rede stehende Verhalten überhaupt nicht unter einen Straftatbestand fällt. In diesem Fall fehlt bereits die Grundlage für eine Bestrafung. Die Unterscheidung ist wichtig, weil bei fehlendem Straftatbestand keine weiteren strafrechtlichen Folgen eintreten können.

Rechtfertigung und Entschuldigungsgründe

Bei einem Rechtfertigungsgrund ist das Verhalten zwar tatbestandsmäßig, aber ausnahmsweise erlaubt, etwa weil ein höherwertiges Interesse geschützt wird oder eine wirksame Einwilligung vorliegt. Bei einem Entschuldigungsgrund bleibt die Tat rechtswidrig, die Person ist aber aufgrund besonderer Umstände nicht vorwerfbar. In beiden Fällen tritt Straffreiheit ein, jedoch aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen.

Strafbefreiung trotz Schuld

In bestimmten Konstellationen kann trotz festgestellter Rechtswidrigkeit und Schuld von Strafe abgesehen werden. Das wird als Strafbefreiung verstanden. Sie kann gesetzlich vorgesehen sein (etwa bei Rücktritt von einer versuchten Tat oder bei tätiger Reue in speziellen Bereichen) oder im Einzelfall angeordnet werden. Eine Feststellung der Schuld kann dabei bestehen bleiben, ohne dass eine Strafe verhängt wird.

Verfahrenseinstellung und Opportunität

Das Strafverfahren kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit eingestellt werden, insbesondere bei geringer Schuld oder wenn Auflagen und Weisungen erfüllt werden. Eine Einstellung führt in der Regel zu Straffreiheit, ohne dass eine abschließende gerichtliche Schuldfeststellung erfolgt. Sie ist von einem Freispruch zu unterscheiden, der die Nichtfeststellbarkeit oder das Nichtvorliegen einer Straftat bezeugt.

Amnestie und Begnadigung

Amnestie ist ein genereller staatlicher Gnadenakt, der Straftaten oder Strafen für eine größere Gruppe erfasst und zu Straffreiheit führt. Begnadigung ist ein individueller Gnadenakt, der im Einzelfall die Vollstreckung einer Strafe erlassen oder abmildern kann. Bei einer Amnestie kann eine Bestrafung generell ausgeschlossen oder eine bereits verhängte Strafe aufgehoben werden.

Immunität und strafrechtliche Privilegien

Immunität schirmt bestimmte Personen, etwa Mandatsträger oder Diplomaten, vorübergehend oder in festgelegtem Umfang vor Strafverfolgung ab. Sie führt nicht automatisch zu Straffreiheit, sondern verhindert oder beschränkt die Verfolgung. Ob Straffreiheit eintritt, hängt von weiteren rechtlichen Voraussetzungen ab.

Gründe und Konstellationen der Straffreiheit

Fehlen einer Straftat

Liegt kein tatbestandsmäßiges Verhalten vor, kommt es zu keiner Bestrafung. Dazu zählen Fälle, in denen das Verhalten vom Schutzbereich der Norm nicht erfasst ist oder der notwendige Vorsatz bzw. die Fahrlässigkeit fehlt.

Rechtfertigungsgründe

Rechtfertigungsgründe machen ein an sich verbotenes Verhalten ausnahmsweise erlaubt, etwa bei Abwehr gegenwärtiger Angriffe, bei Handeln im überwiegenden Interesse oder mit wirksamer Einwilligung der betroffenen Person. In solchen Fällen tritt Straffreiheit ein, weil keine Rechtswidrigkeit vorliegt.

Schuldausschluss

Auch wenn eine Tat rechtswidrig ist, kann die persönliche Vorwerfbarkeit fehlen. Das betrifft etwa fehlende Einsichtsfähigkeit, unüberwindbare seelische Belastungen oder bestimmte Irrtümer. In solchen Fällen wird keine Strafe verhängt.

Persönliche Strafausschließungsgründe

Für bestimmte Personen oder Beziehungen sieht das Recht Strafausschlüsse vor, zum Beispiel zum Schutz der Privatsphäre in engen Angehörigenverhältnissen. Die Tat kann dabei objektiv vorliegen, führt aber wegen der persönlichen Konstellation zu Straffreiheit.

Strafaufhebungs- und Strafbefreiungsgründe

Unter Strafaufhebungsgründen versteht man Konstellationen, in denen eine ursprünglich mögliche Strafe nachträglich entfällt. Beispiele sind ein wirksamer Rücktritt vom Versuch, tätige Reue oder eine rechtzeitige Selbstanzeige in speziellen Rechtsmaterien. Hier wird Straffreiheit gewährt, obwohl eine Straftat grundsätzlich verwirklicht sein kann.

Verjährung

Ist die Strafverfolgung verjährt, darf wegen des betroffenen Sachverhalts keine Strafe mehr verhängt werden. Bei Verjährung der Vollstreckung kann eine bereits verhängte Strafe nicht mehr vollstreckt werden. Beides führt faktisch zu Straffreiheit.

Verfahrenseinstellung

Eine Einstellung kann aus rechtlichen Gründen (zum Beispiel Verfahrenshindernisse) oder aus Zweckmäßigkeitsgründen erfolgen. Mitunter werden Auflagen und Weisungen erteilt; wird das Verfahren danach endgültig eingestellt, bleibt es bei Straffreiheit, ohne dass eine Verurteilung erfolgt.

Rechtsfolgen der Straffreiheit

Auswirkungen auf Eintragungen

Fällt das Verfahren ohne Verurteilung weg (etwa durch Einstellung oder Freispruch), erfolgt regelmäßig keine strafrechtliche Eintragung. Kommt es zu einer Schuldfeststellung mit Absehen von Strafe, kann gleichwohl eine Eintragung vorgesehen sein. Die genauen Folgen richten sich nach der Art der Entscheidung und den einschlägigen Registerregeln.

Auswirkungen auf zivilrechtliche Ansprüche

Straffreiheit bedeutet nicht automatisch, dass zivilrechtliche Ansprüche ausgeschlossen sind. Ersatz- oder Unterlassungsansprüche können unabhängig vom Ausgang eines Strafverfahrens bestehen oder entfallen, da sie anderen Maßstäben folgen.

Kosten- und Nebenfolgen

Je nach Ausgang können Kostenfolgen unterschiedlich ausfallen. Nebenfolgen, die an eine Verurteilung anknüpfen, treten bei Straffreiheit regelmäßig nicht ein. Bei individuellen Gnadenakten kann die Strafe erlassen werden, während eine Verurteilung als solche bestehen bleiben kann.

Verwaltungsrechtliche Konsequenzen

Unabhängig von der Straffrage können verwaltungsrechtliche Maßnahmen möglich sein, wenn dafür eigene Voraussetzungen vorliegen, etwa bei Zuverlässigkeitsprüfungen. Der strafrechtliche Ausgang ist dabei ein gewichtiges, aber nicht allein entscheidendes Kriterium.

Ablauf und prozessuale Einordnung

Feststellung der Straffreiheit

Ob Straffreiheit besteht, wird je nach Stadium des Verfahrens von den Ermittlungsbehörden oder vom Gericht geprüft. Sie kann durch Bescheid, Einstellungsverfügung, Beschluss oder Urteil in Erscheinung treten.

Prüfungsebenen

Die Entscheidung folgt regelmäßig einem stufenweisen Prüfungsaufbau: Zunächst wird geprüft, ob der Tatbestand erfüllt ist. Danach folgen die Ebenen der Rechtswidrigkeit und der Schuld. Erst im Anschluss stellt sich die Frage der Strafe und etwaiger Strafbefreiung. Verfahrenshindernisse, etwa Verjährung, können die Prüfung vorzeitig beenden.

Rechtskraft und erneute Verfolgung

Ist eine Entscheidung rechtskräftig, ist eine erneute Strafverfolgung wegen desselben Sachverhalts im Grundsatz ausgeschlossen. Das schützt vor mehrfacher Inanspruchnahme und schafft Rechtssicherheit.

Internationale und historische Perspektiven

Amnestien und Übergangsprozesse

Amnestien werden international gelegentlich in politischen oder gesellschaftlichen Ausnahmesituationen eingesetzt, etwa zur Befriedung von Konflikten. Sie können Straftaten vergangener Zeiträume erfassen und zu umfassender Straffreiheit führen.

Straffreiheit und Menschenrechtsstandards

Internationale Standards betonen, dass Straffreiheit nicht zu Lasten grundlegender Schutzgüter gehen darf. Insbesondere bei schweren Menschenrechtsverletzungen wird die Zulässigkeit von Amnestien und ähnlichen Akten eng bewertet.

Häufig gestellte Fragen

Bedeutet Straffreiheit immer, dass keine Straftat begangen wurde?

Nein. Straffreiheit kann auch dann eintreten, wenn eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Handlung vorliegt, jedoch ein Entschuldigungsgrund besteht oder aus anderen Gründen von Strafe abgesehen wird. Ebenso kann Straffreiheit verfahrensrechtlich begründet sein, etwa durch Einstellung oder Verjährung.

Worin unterscheidet sich Straffreiheit von einer Verfahrenseinstellung?

Eine Verfahrenseinstellung ist ein verfahrensrechtlicher Wegfall der Strafverfolgung, häufig ohne abschließende Schuldfeststellung. Straffreiheit ist das Ergebnis, dass keine Strafe verhängt wird. Eine Einstellung führt meist zu Straffreiheit, ist aber vom materiellen Freispruch zu unterscheiden.

Was ist der Unterschied zwischen Amnestie und Begnadigung?

Amnestie erfasst als genereller Gnadenakt eine Vielzahl von Fällen und kann Straffreiheit für bestimmte Taten oder Zeiträume anordnen. Begnadigung ist ein individueller Akt, der die Strafe in einem einzelnen Fall erlässt, mildert oder aussetzt, während die Verurteilung bestehen bleiben kann.

Bleiben zivilrechtliche Ansprüche trotz Straffreiheit bestehen?

Ja, zivilrechtliche Ansprüche werden unabhängig vom Strafverfahren beurteilt. Selbst wenn Straffreiheit eintritt, können Ansprüche auf Schadensersatz oder Unterlassung bestehen, wenn ihre eigenen Voraussetzungen vorliegen.

Wird Straffreiheit im Strafregister eingetragen?

Kommt es zu keiner Verurteilung, erfolgt in der Regel keine strafrechtliche Eintragung. Bei einer Feststellung der Schuld mit Absehen von Strafe kann eine Eintragung vorgesehen sein. Die konkrete Eintragungsfolge hängt von der Art der Entscheidung ab.

Kann Straffreiheit nachträglich entfallen?

Grundsätzlich gilt eine rechtskräftige Entscheidung fort. Wird Straffreiheit jedoch von Bedingungen oder Auflagen abhängig gemacht, kann bei Nichterfüllung eine erneute Verfolgung möglich werden. Zudem kann in seltenen Fällen eine Wiederaufnahme des Verfahrens in Betracht kommen.

Welche Rolle spielt die Verjährung für Straffreiheit?

Verjährung begrenzt die Zeit, in der der Staat verfolgen oder vollstrecken darf. Ist die Verfolgung verjährt, kann wegen des Sachverhalts keine Strafe mehr verhängt werden; ist die Vollstreckung verjährt, kann eine Strafe nicht mehr vollzogen werden. Beides führt faktisch zu Straffreiheit.