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Strafbemessung

Begriff und Einordnung der Strafbemessung

Strafbemessung bezeichnet die gerichtliche Entscheidung darüber, wie hoch eine Strafe im konkreten Einzelfall ausfällt. Sie schließt sich an die Feststellung an, dass eine Person eine Straftat begangen hat, und bestimmt Art und Maß der Sanktion. Ziel ist eine am Einzelfall orientierte, nachvollziehbare und gerechte Reaktion des Staates auf die Tat. Die Strafbemessung findet im Strafverfahren vor Gericht statt und wird im Urteil begründet.

Leitprinzipien

Schuldprinzip und Verhältnismäßigkeit

Grundlegend ist das Schuldprinzip: Die Strafe darf die individuelle Schuld nicht überschreiten und muss zur Tat und zur persönlichen Verantwortung des Täters passen. Daraus folgt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Die Sanktion muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Unrechts und zur konkreten Tatbeteiligung stehen.

Gleichheit und Individualisierung

Gleiche Fälle sollen gleich, ungleiche entsprechend ihrer Besonderheiten behandelt werden. Die Strafbemessung berücksichtigt daher sowohl allgemeine Maßstäbe als auch die individuellen Merkmale des konkreten Falles, um eine gleichheitsgerechte und zugleich individualisierte Entscheidung zu treffen.

Zwecke der Strafe

Die Strafe dient mehreren Zwecken: Sie soll Unrecht ausgleichen, künftige Taten abschrecken (Allgemein- und Spezialprävention), die Rechtsordnung bestätigen und den Rechtsfrieden sichern. Diese Zwecke dürfen die schuldangemessene Obergrenze nicht überschreiten.

Ablauf der Strafbemessung vor Gericht

Beweisgrundlage und Feststellungen

Ausgangspunkt sind die vom Gericht festgestellten Tatsachen zur Tat und zur Person. Sie ergeben sich aus Beweiserhebung, Einlassungen, Aussagen und weiteren Erkenntnissen des Verfahrens. Nur diese festgestellten Umstände dürfen in die Strafbemessung einfließen.

Vorträge der Verfahrensbeteiligten

Staatsanwaltschaft und Verteidigung beantragen regelmäßig eine bestimmte Strafhöhe oder einen Strafrahmen und würdigen die relevanten Faktoren. Die Angeklagte oder der Angeklagte erhält das letzte Wort. Das Gericht ist an die Anträge nicht gebunden.

Entscheidung und Begründung

Das Gericht wägt erschwerende und mildernde Gesichtspunkte ab und legt Art und Maß der Strafe fest. Es begründet die Entscheidung, damit sie überprüfbar und nachvollziehbar ist. Die Begründung darf nur Umstände verwerten, die rechtsfehlerfrei festgestellt wurden.

Einflussfaktoren der Strafbemessung

Tatbezogene Merkmale

Berücksichtigt werden insbesondere die Schwere des Unrechts, die Intensität des Tatvorsatzes oder der Fahrlässigkeit, das Vorgehen bei der Tat, der verursachte Schaden, die Gefährdung von Rechtsgütern und die Folgen für Betroffene. Auch Tatdauer, Tatvorbereitung und Tatbeiträge bei mehreren Beteiligten sind bedeutsam.

Täterbezogene Merkmale

Einflüsse können sich aus Vorleben und Vorstrafen, Lebensumständen, Motivation, Einsicht, Reue und dem Verhalten nach der Tat ergeben. Ein Geständnis kann sowohl die Aufklärung fördern als auch Ausdruck von Verantwortung sein. Gesundheitszustand und persönliche Belastungen werden nur berücksichtigt, soweit sie in einem rechtlich anerkannten Zusammenhang zur Tat oder zur Schuld stehen.

Opfer- und Folgenperspektive

Die Auswirkungen auf Betroffene, erlittene Verletzungen oder Vermögenseinbußen sowie Wiedergutmachungsbemühungen, Entschuldigungen oder Schadensregulierungen spielen eine Rolle, wenn sie die Tatschwere oder die Täterhaltung erkennbar beeinflussen.

Verfahrensbezogene Umstände

Verfahrensdauer, Kooperation bei der Aufklärung oder eine Verständigung im Verfahren können berücksichtigt werden, soweit sie schuldangemessene Erwägungen betreffen. Bloße Prozessstrategie ohne Bezug zur Schuld darf nicht überbewertet werden.

Mehrere Taten und Gesamtentscheidung

Bei mehreren Straftaten wird über eine Gesamtstrafe entschieden. Dabei werden die Einzelstrafen in eine einheitliche Sanktion zusammengeführt, die das Gesamtunrecht abbildet, ohne einzelne Taten zu vernachlässigen.

Strafarten und ihre Bemessung

Geldstrafe

Geldstrafen werden häufig in Tagessätzen verhängt. Ihre Anzahl spiegelt das Unrecht und die Schuld wider. Die Höhe eines Tagessatzes orientiert sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen der verurteilten Person, damit die Geldstrafe spürbar, aber nicht existenzgefährdend ist.

Freiheitsstrafe

Freiheitsstrafen werden nach der Schwere der Tat und den persönlichen Umständen in ihrer Dauer bestimmt. In bestimmten Fällen kann eine Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn die Prognose nahelegt, dass weitere Straftaten nicht zu erwarten sind und Auflagen oder Weisungen genügen, um künftige Rechtsbrüche zu vermeiden.

Nebenstrafen und Nebenfolgen

Neben der Hauptstrafe können zusätzliche Rechtsfolgen angeordnet werden, etwa Fahrverbote, Einziehungen oder berufsbezogene Beschränkungen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und die Entscheidung zur Tatschwere und Prävention passt.

Sichernde und therapiebezogene Maßnahmen

Unabhängig oder neben der Strafe können Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit oder zur Behandlung angeordnet werden, etwa therapeutische Auflagen oder Unterbringungen. Sie verfolgen andere Zwecke als die Strafe und richten sich nach speziellen Voraussetzungen.

Besonderheiten in speziellen Konstellationen

Jugendliche und Heranwachsende

Bei jungen Menschen steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Sanktionen reichen von Erziehungsmaßregeln über Zuchtmittel bis hin zu Jugendstrafe. Die Entscheidung berücksichtigt Reifegrad, Entwicklung und pädagogische Wirkung.

Strafbefehl

Im schriftlichen Verfahren kann eine Strafe ohne Hauptverhandlung festgesetzt werden, typischerweise eine Geldstrafe. Die Strafbemessung folgt auch hier den allgemeinen Grundsätzen, basiert aber auf der Aktenlage.

Verständigung im Verfahren

Unter engen Voraussetzungen kann eine Verständigung über das Verfahren und die Straferwartung stattfinden. Eine bindende Festlegung der Strafe erfolgt dadurch nicht; das Gericht bleibt zur eigenständigen Prüfung und Begründung verpflichtet.

Dokumentation und Kontrolle

Transparenz der Urteilsgründe

Die Entscheidung zur Strafhöhe muss erkennen lassen, welche Tatsachen und Erwägungen maßgeblich waren. Unzulässig ist die doppelte Verwertung desselben Umstands zu Lasten der verurteilten Person oder die Berücksichtigung nicht festgestellter Tatsachen.

Rechtsmittel

Die Strafhöhe kann in zulässigen Rechtsmittelverfahren überprüft werden. Kontrolliert wird, ob das Gericht den maßgeblichen Strafrahmen richtig bestimmt, relevante Umstände vollständig erfasst, sachgerecht abgewogen und die Entscheidung nachvollziehbar begründet hat.

Typische Fehlerquellen

Fehler treten auf, wenn gewichtige mildernde oder erschwerende Faktoren übersehen, rechtlich unzulässige Erwägungen angestellt, die Grenze schuldangemessener Strafe überschritten oder Begründungspflichten nicht erfüllt werden.

Vergleichende Perspektive

International reichen Modelle von festen Strafrahmen mit detaillierten Richtlinien bis zu weitgehender richterlicher Einzelfallentscheidung. Gemeinsame Bezugspunkte sind Verhältnismäßigkeit, Transparenz und rechtsstaatliche Kontrolle. Unterschiede bestehen in der Bindung an Vorgaben und im Spielraum der Gerichte.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Strafbemessung genau?

Strafbemessung ist die gerichtliche Festlegung der Art und Höhe der Strafe nach festgestellter Tat. Sie basiert auf einer Abwägung von Tat- und Täterumständen sowie grundsätzlichen Maßstäben wie Schuldangemessenheit und Verhältnismäßigkeit.

Welche Faktoren erhöhen typischerweise die Strafe?

Strafschärfend wirken vor allem eine hohe Tatschwere, erhebliche Folgen für Betroffene, planvolles Vorgehen, wiederholte Tatbegehung, einschlägige Vorstrafen sowie fehlende Einsicht oder Reue, sofern diese Umstände im Einzelfall festgestellt sind.

Welche Faktoren können die Strafe mindern?

Strafmildernd wirken unter anderem ein frühzeitiges Geständnis, aktive Wiedergutmachung, geringes Tatverschulden, außergewöhnliche Belastungen, kooperatives Verhalten im Verfahren sowie langwierige Verfahrensdauer, soweit dies schuldangemessen berücksichtigt werden darf.

Wie wird eine Geldstrafe bemessen?

Die Geldstrafe setzt sich aus Anzahl und Höhe von Tagessätzen zusammen. Die Anzahl spiegelt das Unrecht der Tat wider, die Tagessatzhöhe richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der verurteilten Person, um eine gleichwertige spürbare Wirkung zu erzielen.

Wann kommt eine Freiheitsstrafe zur Bewährung in Betracht?

Eine Aussetzung zur Bewährung ist möglich, wenn die Gesamtwürdigung von Tat und Person eine günstige Zukunftsprognose nahelegt und Auflagen oder Weisungen als ausreichend erscheinen. Maßgeblich sind insbesondere Lebensumstände, Vorleben und Nachtatverhalten.

Welche Bedeutung hat ein Geständnis für die Strafbemessung?

Ein Geständnis kann aufklärungsfördernd wirken und Verantwortung dokumentieren. Es wird in der Regel als strafmildernder Umstand gewürdigt, sofern es glaubhaft und nicht lediglich opportunistisch erfolgt.

Wie lässt sich eine als zu hoch empfundene Strafe überprüfen?

Die Strafhöhe unterliegt der gerichtlichen Kontrolle in Rechtsmittelverfahren. Geprüft wird, ob der Strafrahmen zutreffend bestimmt, alle relevanten Umstände berücksichtigt, sachgerecht abgewogen und die Entscheidung ordnungsgemäß begründet wurde.

Gibt es Besonderheiten bei Jugendlichen?

Bei Jugendlichen und Heranwachsenden steht die erzieherische Einwirkung im Vordergrund. Sanktionen sind stärker auf Entwicklung, Förderung und Vermeidung künftiger Taten ausgerichtet und unterscheiden sich in Art und Bemessung von denen gegenüber Erwachsenen.