Begriff und Definition der Störung der Totenruhe
Die Störung der Totenruhe ist ein Straftatbestand des deutschen Strafrechts, der das Pietätsgefühl im Zusammenhang mit Verstorbenen und deren Ruhestätten schützt. Hierunter versteht man rechtswidrige Eingriffe und Handlungen an einem Leichnam, Teilen davon oder an einer Grabstätte, die die Würde des Verstorbenen und das Empfinden der Angehörigen beeinträchtigen. Die einschlägige Strafnorm findet sich in § 168 des Strafgesetzbuchs (StGB).
Historische Entwicklung und Schutzgut
Die strafrechtliche Sanktionierung der Störung der Totenruhe hat eine lange Tradition. Schon im römischen Recht und im Mittelalter standen die Pietät und der Respekt gegenüber Verstorbenen unter besonderem Schutz. Im deutschen Strafrecht dient die Norm heute vor allem dem postmortalen Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen und dem Schutz des pietätvollen Gedenkens durch die Hinterbliebenen sowie der Allgemeinheit.
Regelung im Strafgesetzbuch
Tatbestandsmerkmale nach § 168 StGB
Gemäß § 168 StGB macht sich strafbar, wer:
- eine Leiche oder Teile einer Leiche unbefugt wegnimmt, zerstört, beschädigt oder entstellt,
- eine Totenasche unbefugt wegnimmt, zerstört oder beschädigt,
- eine Ruhestätte (z.B. Grab, Urnennische, Mausoleum) unbefugt zerstört oder beschädigt,
- eine Ruhestätte unbefugt entweiht oder unbefugt Hindernisse für die Totenruhe beseitigt.
Geschütztes Rechtsgut
Das Gesetz schützt vor allem die Pietät und das sittliche Empfinden gegenüber der Totenruhe. Die Würde des Menschen nach Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz gilt auch über den Tod hinaus und begründet den strafrechtlichen Schutz der sterblichen Überreste und der Ruhestätten.
Täter- und Opferkreis
Täter kann jede natürliche Person sein; das Delikt ist also ein Allgemeindelikt. Ein „Opfer“ im klassischen Sinne gibt es nicht, da sich die Tat gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht richtet, das auch nach dem Tod fortbesteht.
Handlungsformen und typische Fallkonstellationen
Unbefugte Wegnahme, Zerstörung oder Beschädigung einer Leiche (§ 168 Abs. 1 StGB)
Hierunter fallen etwa das Entfernen eines Leichnams aus dem Grab, Verstümmelung, Leichenschändung oder eine im Einzelfall nicht gerechtfertigte Obduktion. Das Öffnen von Särgen oder Urnen zur Entwendung fällt ebenfalls unter diesen Tatbestand.
Zerstörung oder Beschädigung der Ruhestätte
Hierzu zählen das mutwillige Umstürzen oder Beschädigen von Grabsteinen, die Verwüstung des Grabhügels oder die Entwendung und Zerstörung von Grabschmuck.
Entweihung
Unter Entweihung versteht man Handlungen, die geeignet sind, das sittliche Empfinden durch besondere Respektlosigkeit zu verletzen, beispielsweise das Besudeln oder Beschmieren von Gräbern mit beleidigenden oder demütigenden Schriftzügen oder Symbolen.
Entfernung von Hindernissen
Auch das Beseitigen von Schutzvorrichtungen an Gräbern, wodurch die Stätte leichter angreifbar wird, ist nach § 168 StGB strafbar.
Strafbarkeit und Rechtsfolgen
Strafrahmen
Die Störung der Totenruhe wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet. In besonders schweren Fällen, etwa bei gewerbsmäßigem oder aus Hass motiviertem Vorgehen, ist eine Strafschärfung durch die Gerichte möglich.
Versuch und Beihilfe
Der Versuch ist laut § 168 Abs. 3 StGB strafbar. Auch Beihilfe und Anstiftung zu Tatbeständen im Zusammenhang mit der Störung der Totenruhe sind nach allgemeinen Grundsätzen des StGB strafbewehrt.
Weitere Rechtsfolgen
Neben der strafrechtlichen Ahndung kann die betroffene Person bzw. deren Angehörige zivilrechtliche Ansprüche geltend machen, etwa auf Unterlassung, Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Darüber hinaus kommen verwaltungsrechtliche Maßnahmen, z.B. ein Betretungsverbot auf Friedhöfen, in Betracht.
Abgrenzungen und Rechtsprechung
Abgrenzung zur Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
Die Störung der Totenruhe ist ein eigenständiger Straftatbestand und tritt gegenüber Tatbeständen wie Sachbeschädigung häufig zurück, sofern beide gleichzeitig verwirklicht wurden. Der spezifische Schutz des Pietätsempfindens rechtfertigt die Abgrenzung.
Zulässige Handlungen
Nicht strafbar sind Handlungen, die mit Einwilligung der Berechtigten (z.B. Exhumierung im Rahmen einer richterlichen Anordnung oder aufgrund des Friedhofszweckes) erfolgen. Voraussetzung ist stets das Vorliegen einer entsprechenden Befugnis.
Bedeutung in der Rechtsprechung
Die Gerichte setzen bei der Würdigung des Tatgeschehens regelmäßig hohe Maßstäbe, insbesondere im Hinblick auf das Kriterium der Unbefugtheit sowie beim Nachweis von Handlungsmotiven und des Eingriffsgrads. In Zweifelsfällen kommt es auf die Umstände des Einzelfalls und das besondere Pietätsempfinden der Gesellschaft an.
Internationale Bezüge
Störung der Totenruhe in anderen Rechtsordnungen
Auch in anderen mitteleuropäischen Staaten existiert ein strafrechtlicher Schutz der Totenruhe, etwa in Österreich (§ 190 StGB) und der Schweiz (Art. 262 StGB). Die einzelnen Tatbestände und Strafrahmen ähneln sich, wobei die Voraussetzungen und der Schutzumfang im Detail variieren können.
Zusammenfassung
Die Störung der Totenruhe stellt einen wichtigen Straftatbestand im Schutz der Menschenwürde und des gesellschaftlichen Pietätsempfindens dar. Das Strafrecht wertet die pietätvolle Behandlung von Verstorbenen sowie die Unverletzlichkeit der Ruhestätten als bedeutsames Rechtsgut. Wer eine Leiche, deren Überreste oder eine Grabstätte unbefugt beeinträchtigt, beschädigt oder entweiht, macht sich nach § 168 StGB strafbar und muss mit empfindlichen straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die genaue Auslegung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und wird durch eine umfangreiche Rechtsprechung konkretisiert.
Häufig gestellte Fragen
Welche Straftatbestände sind bei einer Störung der Totenruhe einschlägig?
Im deutschen Recht ist die Störung der Totenruhe insbesondere in § 168 Strafgesetzbuch (StGB) geregelt. Dieser Tatbestand schützt die Würde des Verstorbenen und den inneren Frieden der Toten nach deren Ableben. Strafbar macht sich, wer unbefugt einen Leichnam, Teile davon oder die Asche eines Verstorbenen wegnimmt, zerstört, beschädigt oder anderweitig entstellt. Ebenso strafbar ist das unbefugte Öffnen von Grabstätten oder die Störung von Beisetzungsstätten. Neben dem § 168 StGB kommen bei bestimmten Handlungen weitere Straftatbestände in Betracht, wie etwa Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Sachbeschädigung (§ 303 StGB) oder, im Falle einer Leichenöffnung ohne Genehmigung, andere strafrechtlich relevante Vorschriften aus dem Bestattungsrecht der Länder.
Wann liegt eine unbefugte Handlung an einer Leiche im Sinne von § 168 StGB vor?
Eine unbefugte Handlung liegt vor, wenn sie nicht durch das Gesetz oder eine behördliche Anordnung gerechtfertigt ist. Dazu zählen zum Beispiel nicht genehmigte Exhumierungen, Grabplünderungen oder das Entnehmen von Leichenteilen ohne Zustimmung der berechtigten Personen oder ohne medizinische, wissenschaftliche oder rechtliche Notwendigkeit. Handlungen von Personen, die gesetzlich zur Totenfürsorge berechtigt sind – wie Bestatter, Gerichtsmediziner im Rahmen ihrer Arbeit oder Angehörige bei einer Umbettung mit entsprechender Genehmigung – sind hingegen grundsätzlich erlaubt. Unbefugt bedeutet somit immer das Fehlen einer entsprechenden Erlaubnis oder Rechtfertigung für das konkrete Vorgehen.
Welche Strafen drohen bei einer Verurteilung wegen Störung der Totenruhe?
Nach § 168 StGB droht bei einer Störung der Totenruhe eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Die konkrete Strafzumessung richtet sich nach der Schwere der Tat, etwaigem Vorsatz oder Fahrlässigkeit sowie nach den Umständen des Einzelfalls. Bei schweren, besonders verwerflichen Fällen – etwa, wenn zusätzlich Demütigung oder Verstümmelung vorliegt – kann das Strafmaß am oberen Rand des gesetzlichen Rahmens liegen. Sind gleichzeitig weitere Straftatbestände erfüllt, kann es zu einer Gesamtstrafe kommen.
Wer ist zur Anzeige oder Strafverfolgung berechtigt?
Grundsätzlich handelt es sich bei der Störung der Totenruhe um ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass die Strafverfolgungsbehörden (Polizei und Staatsanwaltschaft) bereits dann tätig werden, wenn sie Kenntnis vom Verdacht einer solchen Tat erhalten. Eine Strafanzeige kann von jeder Person eingereicht werden, die Kenntnis von einer möglichen Störung der Totenruhe erhält, unabhängig davon, ob sie persönlich betroffen oder lediglich Zeuge ist.
Inwiefern sind auch Handlungen an Asche oder Urnen von der Strafnorm erfasst?
§ 168 StGB umfasst ausdrücklich auch die Asche Verstorbener sowie Urnen, sofern diese die sterblichen Überreste enthalten. Unbefugtes Öffnen, Entnehmen oder Vernichten der Asche oder das Beschädigen, Entweihen oder Entfernen der Urne steht daher unter Strafe. Auch das Verstreuen der Asche ohne Erlaubnis kann darunterfallen, genau wie das Entwenden einer Urne aus einer Grabstelle.
Gibt es Verjährungsfristen für die Strafverfolgung wegen Störung der Totenruhe?
Die Störung der Totenruhe unterliegt nach deutschem Recht der Verfolgungsverjährung. Die Regelfrist der Verjährung beträgt gemäß § 78 StGB fünf Jahre, da das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe drei Jahre beträgt. Das bedeutet, eine Tat kann nach Ablauf von fünf Jahren nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden, es sei denn, die Verjährung wurde unterbrochen oder gehemmt.
Welche zivilrechtlichen Ansprüche können durch eine Störung der Totenruhe entstehen?
Neben strafrechtlichen Konsequenzen kann eine Störung der Totenruhe auch zivilrechtliche Ansprüche begründen. Berechtigte Angehörige oder die zur Totenfürsorge befugte Person können bei Schädigung oder Entwendung des Leichnams beziehungsweise der Grabstätte Unterlassungs- oder ggf. Schadensersatzansprüche geltend machen, insbesondere auf Grundlage des Persönlichkeitsrechts oder des deliktischen Schadensersatzes (§§ 823 ff. BGB). Auch ein Anspruch auf Wiederherstellung der Grabstätte und gegebenenfalls Schmerzensgeld wegen Persönlichkeitsverletzung kann je nach Einzelfall bestehen.