Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»IT Recht»Störerhaftung

Störerhaftung

Begriff und Grundidee der Störerhaftung

Die Störerhaftung beschreibt die Verantwortung einer Person oder eines Unternehmens für die Beeinträchtigung geschützter Rechte, obwohl diese nicht selbst unmittelbar die Rechtsverletzung begangen haben. Sie knüpft daran an, dass jemand in willentlicher und zurechenbarer Weise zu einer Störung beiträgt oder eine Störung nicht verhindert, obwohl dies im Rahmen des Zumutbaren möglich gewesen wäre. Ziel ist die Abwehr und Beendigung rechtswidriger Zustände sowie die Vermeidung künftiger Beeinträchtigungen.

Abgrenzung zu anderen Haftungsformen

Die Störerhaftung unterscheidet sich von der Haftung des unmittelbaren Verursachers. Während der unmittelbare Verursacher typischerweise für Schadensersatz und weitere Folgen einstehen muss, richtet sich die Störerhaftung vorrangig auf Unterlassung und Beseitigung. Es geht darum, denjenigen in Anspruch zu nehmen, der eine Störung ermöglicht oder begünstigt hat und dem zumutbare Prüf- oder Handlungspflichten oblagen. Begleitend können in bestimmten Konstellationen Kosten der Rechtsdurchsetzung eine Rolle spielen.

Zweck und Einordnung

Die Störerhaftung schließt Verantwortlichkeitslücken: Sie verpflichtet diejenigen, die in besonderer Nähe zur Störung stehen, zur Mitwirkung an der Beseitigung und Verhinderung. Gleichzeitig wird sie durch Grundrechte und Prinzipien wie Verhältnismäßigkeit begrenzt, damit Kommunikation, Innovation und wirtschaftliche Betätigung nicht unangemessen beeinträchtigt werden.

Voraussetzungen der Störerhaftung

Beitrag zur Störung

Erforderlich ist ein willentlicher und zurechenbarer Beitrag zur Beeinträchtigung. Das kann durch Handeln (z. B. Bereitstellen einer Plattform oder Infrastruktur) oder durch Unterlassen geschehen, wenn eine besondere Verantwortungslage besteht. Entscheidend ist die Nähe zur Störung und der Einfluss auf deren Entstehung oder Fortdauer.

Verletzung zumutiger Prüf- und Handlungspflichten

Prüf- und Handlungspflichten entstehen in der Regel dort, wo konkrete Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen vorliegen. Ihr Umfang richtet sich nach den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten, der Gefahrennähe, der Häufigkeit und Offensichtlichkeit von Verstößen sowie der wirtschaftlichen und technischen Zumutbarkeit. Eine allgemeine, anlasslose Überwachungspflicht besteht nicht.

Rechtswidrigkeit der Störung

Vorausgesetzt ist die Beeinträchtigung eines geschützten Interesses, etwa des Eigentums, des Persönlichkeitsrechts oder von Kennzeichen- und Urheberrechten. Häufig ist eine Abwägung erforderlich, etwa zwischen Kommunikations- und Informationsfreiheit auf der einen und Schutzinteressen auf der anderen Seite.

Zurechnung und Verantwortungsbereich

Die Pflichtverletzung muss dem Betroffenen zurechenbar sein. Maßgeblich sind Organisation, Kontrolle, technische Gestaltung und die Rolle in der Kette der Informations- oder Leistungserbringung (z. B. bloße Durchleitung, Zwischenspeicherung, Hosting oder Veröffentlichung).

Rechtsfolgen

Unterlassung

Die Störerhaftung begründet regelmäßig einen Anspruch, künftige gleichartige Beeinträchtigungen zu unterlassen. Dies kann die Verpflichtung umfassen, Störungsquellen zu kontrollieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, soweit dies zumutbar ist.

Beseitigung

Daneben kann die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands verlangt werden. In der Praxis reicht dies von der Entfernung oder Sperrung bestimmter Inhalte bis hin zur technischen oder organisatorischen Unterbindung weiterer Störungen.

Auskunft und Kosten

In bestimmten Konstellationen können Auskünfte über Herkunft, Umfang oder Beteiligte der Störung verlangt werden. Auch Kosten der außergerichtlichen Rechtsdurchsetzung können eine Rolle spielen. Ein Anspruch auf Schadensersatz ist der Störerhaftung typischerweise nicht zugeordnet.

Typische Anwendungsfelder

Digitale Plattformen und Dienste

Bei Foren, Marktplätzen und sozialen Netzwerken können Verantwortliche nach Hinweis auf konkrete Rechtsverletzungen gehalten sein, Inhalte zu prüfen und zu entfernen. Der Umfang der Pflichten richtet sich nach Größe, Einflussmöglichkeiten, technischen Ressourcen und dem Risiko wiederkehrender Verstöße.

Internetanschlüsse und WLAN

Die Störerhaftung wurde im Zusammenhang mit Rechtsverletzungen über private oder gewerbliche Internetzugänge intensiv diskutiert. Der Gesetzgeber hat für bestimmte Vermittlungsdienste Privilegierungen vorgesehen. Gleichwohl können nach konkretem Hinweis zumutbare Pflichten zur Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen bestehen.

Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Vereine

Wo Strukturen, Netzwerke oder Räume bereitgestellt werden, können organisatorische und technische Pflichten zur Abwehr von Störungen bestehen. Maßgeblich sind die tatsächliche Kontrolle und die Möglichkeit, rechtsverletzende Zustände zu beenden.

Nachbarschaft und Eigentum

Im Bereich von Grundstücken und Anlagen wird zwischen Handlungsstörer (aktive Verursachung) und Zustandsstörer (Störung geht vom beherrschten Zustand aus) unterschieden. Beide können auf Unterlassung oder Beseitigung in Anspruch genommen werden, abhängig von ihrer Einflussmöglichkeit.

Veranstaltungen und Verkehrssicherung

Wer Gefahrenquellen schafft oder eröffnet, kann verpflichtet sein, zumutbare Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Bei Verstößen kommen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in Betracht, soweit dies zur Abwehr der Störung erforderlich ist.

Grenzen und Schutzmechanismen

Keine allgemeine Überwachungspflicht

Es besteht kein Erfordernis, jede Nutzung oder jeden Inhalt anlasslos zu kontrollieren. Pflichten entstehen regelmäßig erst bei konkreten Hinweisen oder klaren Anhaltspunkten.

Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit

Maßnahmen müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Technische Möglichkeiten, wirtschaftliche Belastungen, die Rolle des Betroffenen und die Bedeutung der betroffenen Rechte fließen in die Bewertung ein.

Privilegierungen und branchenspezifische Regeln

Für bestimmte Diensteanbieter bestehen Haftungserleichterungen, insbesondere bei rein vermittelnder Tätigkeit oder automatisierten Prozessen. Branchenspezifische Standards können den Rahmen der Prüf- und Handlungspflichten näher prägen.

Abgrenzungen und besondere Konstellationen

Störerhaftung versus unmittelbare Verantwortlichkeit

Wer selbst aktiv und eigenverantwortlich eine Rechtsverletzung begeht, wird unmittelbar verantwortlich. Die Störerhaftung greift, wenn der Beitrag mittelbar ist und vorrangig Unterlassung und Beseitigung im Vordergrund stehen.

Haftung mehrerer Beteiligter

Mehrere Personen oder Einrichtungen können nebeneinander als Störer in Anspruch genommen werden. Wer in welchem Umfang verantwortlich ist, richtet sich nach der individuellen Nähe zur Störung und den jeweiligen Einflussmöglichkeiten.

Grenzüberschreitende Sachverhalte

Bei internationalen Konstellationen stellt sich die Frage nach anwendbarem Recht und Zuständigkeiten. Grundprinzipien wie Kenntnis, Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit sind auch dort leitend, werden aber durch die jeweils einschlägigen Regelungen konkretisiert.

Rechtsentwicklung und aktuelle Tendenzen

Die Störerhaftung ist wesentlich durch die Rechtsprechung entwickelt und später teilweise gesetzlich gerahmt worden. In der digitalen Welt zeichnen sich geschärfte Regeln für Vermittlungsdienste und Plattformen ab. Tendenziell werden einerseits Intermediäre in bestimmten Rollen privilegiert, andererseits steigen Anforderungen an transparente und wirksame Verfahren zur Entfernung rechtsverletzender Inhalte nach Hinweis.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Störerhaftung in einfachen Worten?

Störerhaftung meint die Verantwortung derjenigen, die eine Rechtsverletzung nicht selbst begehen, aber in zurechenbarer Weise dazu beitragen oder eine Störung nicht verhindern, obwohl dies zumutbar wäre. Es geht vor allem um Unterlassung und Beseitigung, nicht um Schadensersatz.

Wofür kann ein Störer in Anspruch genommen werden?

Typischerweise für die Unterlassung zukünftiger Störungen und die Beseitigung eines bestehenden rechtswidrigen Zustands. In Einzelfällen können Auskünfte und bestimmte Kosten der Rechtsdurchsetzung hinzukommen.

Ab wann entstehen Prüfpflichten?

Prüfpflichten entstehen in der Regel bei konkreten Hinweisen auf Rechtsverletzungen oder wenn Verstöße offenkundig sind. Ihr Umfang richtet sich nach Einflussmöglichkeiten, Gefahrennähe und Zumutbarkeit.

Müssen Inhalte vorbeugend überwacht werden?

Eine allgemeine, anlasslose Überwachungspflicht besteht nicht. Prüf- und Handlungspflichten knüpfen meist an konkrete Hinweise oder erkennbare Risiken an.

Trägt die Inhaberin oder der Inhaber eines Internetanschlusses Verantwortung für Handlungen Dritter?

Das kann in Betracht kommen, wenn nach konkretem Hinweis zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Rechtsverletzungen unterlassen werden. Für rein vermittelnde Tätigkeiten bestehen allerdings Privilegierungen.

Gibt es Störerhaftung auch außerhalb des Internets?

Ja. Sie spielt etwa im Nachbarschaftsrecht, bei Anlagen, Veranstaltungen oder Verkehrssicherungspflichten eine Rolle, wenn Störungen von einer beherrschbaren Quelle ausgehen.

Umfasst die Störerhaftung Schadensersatz?

Regelmäßig nicht. Die Störerhaftung zielt auf Abwehr- und Beseitigungsansprüche. Schadensersatz setzt andere Voraussetzungen voraus und knüpft typischerweise an unmittelbare Verursachung und Verschulden an.