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Stille Gesellschaft


Begriff und Wesen der Stillen Gesellschaft

Die stille Gesellschaft ist eine besondere Form der Innengesellschaft im deutschen Recht, die im Wesentlichen durch eine zivilrechtliche Beteiligung einer natürlichen oder juristischen Person (stiller Gesellschafter) an dem Handelsgewerbe eines Kaufmanns (Inhaber) gegen Einlageleistung und Beteiligung am Gewinn oder Verlust gekennzeichnet ist. Sie ist in den §§ 230 bis 236 Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt und stellt eine in der Praxis häufig genutzte Möglichkeit der Kapitalbeteiligung dar, ohne dass der stille Gesellschafter nach außen in Erscheinung tritt oder mit dem Gesellschaftsvermögen haftet. Die stille Gesellschaft zählt zu den Personengesellschaften und ist von anderen Gesellschaftsformen, wie der offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesellschaft (KG), abzugrenzen.


Rechtsgrundlagen der Stillen Gesellschaft

Gesetzliche Regelungen

Die zentrale gesetzliche Grundlage für die stille Gesellschaft bildet das Handelsgesetzbuch (HGB), insbesondere die §§ 230 ff. Ergänzend finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sowie zum Teil das Steuerrecht Anwendung. Es handelt sich um eine im Gesetz nur in Grundzügen geregelte Gesellschaftsform, weshalb die konkrete Ausgestaltung weitgehend durch den Gesellschaftsvertrag erfolgt.

Charakteristische Merkmale

Innengesellschaft

Eine stille Gesellschaft ist ausschließlich nach innen wirksam (Innengesellschaft). Anders als die OHG oder KG tritt sie nicht am Rechtsverkehr teil, sondern wirkt ausschließlich im Innenverhältnis zwischen dem Inhaber des Handelsgewerbes und dem stillen Gesellschafter.

Beteiligung am Handelsgewerbe

Beteiligter am Handelsgewerbe kann jeder Kaufmann sein, unabhängig von dessen Rechtsform. Der stille Gesellschafter beteiligt sich durch eine Vermögenseinlage, die in Geld, Sachen oder Rechten bestehen kann.

Keine Außenwirkung

Der stille Gesellschafter bleibt im Hintergrund und tritt nach außen nicht in Erscheinung. Geschäftsführung und Vertretung obliegen ausschließlich dem Inhaber des Handelsgeschäfts. Eine Eintragung ins Handelsregister erfolgt nicht.


Formen der Stillen Gesellschaft

Einfache Stille Gesellschaft

Die einfache stille Gesellschaft beschränkt sich auf die im Gesellschaftsvertrag geregelten Rechte und Pflichten unter Zugrundelegung der gesetzlichen Vorschriften. Der stille Gesellschafter haftet ausschließlich mit seiner Einlage, nimmt am Gewinn teil und erhält nach Vertragsbeendigung das Guthaben zurück.

Atypisch Stille Gesellschaft

Bei der atypisch stillen Gesellschaft wird der stille Gesellschafter darüber hinaus am Wertzuwachs des Unternehmens und an den stillen Reserven beteiligt. Er hat in der Regel zusätzliche Mitwirkungsrechte, etwa bei der Geschäftsführung oder Kontrollrechten, wodurch sich die Gesellschaft der Mitunternehmerschaft annähert. Diese Variante ist in steuerlicher Hinsicht für beide Seiten von besonderer Relevanz, da der stille Gesellschafter als Mitunternehmer behandelt werden kann.


Zustandekommen und Rechtsverhältnis

Gesellschaftsvertrag

Der Gesellschaftsvertrag bedarf keiner Formvorschrift, sollte jedoch zur Wahrung der Rechtssicherheit schriftlich geschlossen werden. Er regelt insbesondere die Höhe der Einlage, die Gewinn- und Verlustbeteiligung, Kontrollrechte, Kündigungsfristen und weitere Modalitäten.

Einlage des Stillen Gesellschafters

Die Einlage kann in Form von Geld, Sachwerten oder Rechten erbracht werden. Mit der Einbringung der Einlage erwirbt der stille Gesellschafter einen schuldrechtlichen Anspruch auf den vereinbarten Anteil am Gewinn des Handelsgewerbes.

Rechte und Pflichten

Der stille Gesellschafter ist typischerweise lediglich am Gewinn beteiligt. Je nach Vertragsgestaltung kann auch eine Verlustbeteiligung vereinbart werden, die sich jedoch auf die geleistete Einlage beschränkt (§ 232 Abs. 2 HGB). Kontrollrechte des stillen Gesellschafters sind auf die Einsicht in die Handelsbücher und die Jahresbilanz begrenzt (§ 233 HGB).

Geschäftsführung und Vertretung

Die Leitung des Geschäfts obliegt ausschließlich dem Inhaber des Handelsgewerbes. Der stille Gesellschafter besitzt kein Vertretungs- oder Geschäftsführungsrecht, es sei denn, dies wird ausdrücklich vereinbart (häufig bei der atypisch stillen Gesellschaft).


Haftung und Gläubigerschutz

Ein wesentliches Merkmal der stillen Gesellschaft ist die Haftungsbeschränkung des stillen Gesellschafters. Dieser haftet ausschließlich mit der Einlage gegenüber dem Inhaber, nicht jedoch unmittelbar gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Ein Rückgriff der Gläubiger auf den stillen Gesellschafter ist, anders als bei den Gesellschaftern der OHG oder KG, ausgeschlossen.


Beendigung der Stillen Gesellschaft

Durch ordentliche Kündigung

Die stille Gesellschaft kann gemäß § 235 HGB unter Einhaltung der im Vertrag vorgesehenen oder gesetzlichen Kündigungsfristen jederzeit ordentlich gekündigt werden.

Durch Tod oder Insolvenz

Stirbt einer der Gesellschafter oder wird das Handelsgewerbe eingestellt beziehungsweise insolvent, so gilt die stille Gesellschaft grundsätzlich als aufgelöst. Besteht die Gesellschaft aus mehreren stillen Gesellschaftern, endet die Beteiligung nur bezüglich des jeweiligen Gesellschafters.

Auseinandersetzung und Rückgewähr der Einlage

Nach Beendigung der stillen Gesellschaft steht dem stillen Gesellschafter eine Auseinandersetzungsbilanz zu, auf deren Grundlage er seine Einlage sowie gegebenenfalls seinen Anteil am Gewinn oder am Wertzuwachs zurückfordert.


Steuerliche Behandlung

Die steuerliche Einordnung richtet sich nach der Ausgestaltung der Gesellschaft. Bei der typischen stillen Gesellschaft erzielt der stille Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), während bei der atypisch stillen Gesellschaft gewerbliche Einkünfte vorliegen (§ 15 EStG), da der stille Gesellschafter Mitunternehmer ist. Die gewerbesteuerliche Behandlung korrespondiert mit dieser Einordnung.


Abgrenzung zu anderen Gesellschaftsformen

Die stille Gesellschaft unterscheidet sich von der Kapitalbeteiligung bei Gesellschaften wie der OHG, KG oder der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) insbesondere durch ihre fehlende Außenwirkung, die streng interne Beteiligung und die Haftungsbeschränkung. Während Gesellschafter anderer Gesellschaftsformen regelmäßig als Mitunternehmer mit Außenwirkung auftreten, bleibt die Rolle des stillen Gesellschafters auf das Innenverhältnis zum Inhaber beschränkt.


Bedeutung und praktische Anwendungsbereiche

Stille Gesellschaften werden in der Praxis häufig zur Kapitalbeschaffung eingesetzt, ohne dass die Eigenkapitalsituation oder die Unternehmensführung nach außen verändert werden muss. Sie kommen vor allem in mittelständischen Betrieben oder bei Finanzierungen durch Risikokapitalgeber vor, die keine aktive Rolle im Unternehmen übernehmen wollen.


Literaturhinweise

  • Handelsgesetzbuch (HGB), §§ 230-236
  • MüKoHGB/Müller, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 5. Aufl.
  • Baumbach/Hopt, HGB, 41. Aufl.
  • Wertenbruch, Gesellschaftsrecht, 2019

Diese Darstellung bietet eine umfassende, rechtswissenschaftlich fundierte Übersicht über die stille Gesellschaft im deutschen Recht, deren praktische Besonderheiten sowie ihre Abgrenzung zu verwandten Gesellschaftsformen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte und Pflichten hat der stille Gesellschafter im Rahmen der stillen Gesellschaft?

Der stille Gesellschafter ist nach deutschem Recht ausschließlich am Handelsgeschäft eines Kaufmanns beteiligt, tritt jedoch als außenstehender Kapitalgeber auf und bleibt nach außen hin anonym (§ 230 HGB). Seine Rechte und Pflichten ergeben sich in erster Linie aus dem Gesellschaftsvertrag sowie den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 230 ff. HGB. Typischerweise beschränkt sich das Mitspracherecht des stillen Gesellschafters auf Kontrollrechte hinsichtlich der Jahresabschlüsse und Buchführung, er hat jedoch kein Mitspracherecht in der Geschäftsführung oder Vertretung des Unternehmens. Zu seinen Pflichten zählt in erster Linie die Leistung der im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einlage, die entweder als Geld-, Sach- oder Dienstleistung erbracht werden kann. Weitere Pflichten, wie Nachschusspflichten, können im Vertrag individuell geregelt werden. Die Haftung des stillen Gesellschafters ist grundsätzlich auf seine Einlage beschränkt, eine persönliche Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft besteht nicht. Steuerlich wird der stille Gesellschafter als Mitunternehmer qualifiziert, sofern die Vereinbarung eine typische stille Gesellschaft betrifft.

Wie erfolgt die Gewinn- und Verlustbeteiligung bei der stillen Gesellschaft?

Die Gewinn- und Verlustbeteiligung des stillen Gesellschafters bemisst sich nach den bestehenden vertraglichen Vereinbarungen, soweit diese geschlossen wurden. Nach § 231 Abs. 2 HGB ist der stille Gesellschafter grundsätzlich am Gewinn und, wenn vertraglich nicht ausgeschlossen, auch am Verlust der Gesellschaft beteiligt, wobei der Verlust seine Einlage nicht überschreiten darf (bei der typischen stillen Gesellschaft). Andernfalls endet die Verlustbeteiligung mit der vollständigen Aufzehrung der Einlage. Eine abweichende Gewinnverteilung ist zulässig, wenn sie im Gesellschaftsvertrag geregelt ist. In der Praxis werden häufig Mindest- oder Fixbeteiligungen am Gewinn vereinbart; bei einer atypischen stillen Gesellschaft kann auch eine umfassende Verlustbeteiligung des stillen Gesellschafters über die Einlage hinaus vereinbart werden. Die Gewinnzuweisung erfolgt in der Regel nach Feststellung des Jahresabschlusses durch den Inhaber des Handelsgeschäfts.

Ist die stille Gesellschaft als eigenständige juristische Person zu qualifizieren?

Die stille Gesellschaft ist gemäß deutschem Recht keine eigenständige juristische Person, sondern lediglich ein schuldrechtliches Vertragsverhältnis zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem stillen Gesellschafter. Das Unternehmen selbst tritt ausschließlich nach außen auf, während die stille Gesellschaft als Rechtsverhältnis rein intern bleibt. Die stille Gesellschaft besitzt weder eigene Rechtsfähigkeit noch selbstständige Organe; sie kann somit keine eigenen Rechte und Pflichten außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses begründen und wird auch nicht in das Handelsregister eingetragen. Ansprüche des stillen Gesellschafters richten sich daher stets gegen den Geschäftsinhaber persönlich.

Wie kann eine stille Gesellschaft gekündigt oder beendet werden?

Die Beendigung einer stillen Gesellschaft richtet sich in erster Linie nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags. Fehlen entsprechende Regelungen, so gelten die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 234 ff. HGB. Die stille Gesellschaft kann ordentlich zum Ende des Geschäftsjahres unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist gekündigt werden, sofern sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wurde. Eine außerordentliche Kündigung ist aus wichtigem Grund jederzeit möglich, zum Beispiel bei groben Pflichtverletzungen des Geschäftsinhabers oder des stillen Gesellschafters. Mit Beendigung der stillen Gesellschaft erfolgt eine Auseinandersetzung, bei der der stille Gesellschafter Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage (abzüglich etwaiger Verluste) und auf seinen Anteil am noch nicht ausgezahlten Gewinn hat.

Inwieweit unterliegt die stille Gesellschaft der Mitunternehmerstellung im steuerlichen Sinne?

Die steuerliche Behandlung der stillen Gesellschaft ist differenziert zu betrachten, insbesondere im Hinblick auf die Unterscheidung zwischen der typischen und atypischen stillen Gesellschaft. Bei einer typischen stillen Gesellschaft bleibt der stille Gesellschafter steuerlich gesehen Kapitalgeber, der seinen Gewinnanteil als Einkünfte aus Kapitalvermögen (bei natürlichen Personen) versteuert. Der Inhaber des Handelsgeschäfts führt die entsprechenden Steuern ab. Bei der atypischen stillen Gesellschaft kann der stille Gesellschafter als Mitunternehmer (sog. Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko) qualifiziert werden, was dazu führt, dass er Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, mit allen daraus resultierenden steuerlichen Konsequenzen wie z.B. Gewerbesteuerpflicht. Maßgeblich sind hier die vertraglichen Vereinbarungen und der Umfang der Rechte und Pflichten des stillen Gesellschafters.

Welche Unterschiede bestehen zwischen einer typischen und einer atypischen stillen Gesellschaft?

Der zentrale Unterschied zwischen der typischen und der atypischen stillen Gesellschaft liegt im Umfang der Rechte und Pflichten des stillen Gesellschafters. Bei der typischen stillen Gesellschaft beschränken sich die Rechte des stillen Gesellschafters auf die Einlageleistung und die damit verbundene Gewinn- und evtl. Verlustbeteiligung. Es besteht kein Mitspracherecht an den Geschäften, keine Beteiligung an den stillen Reserven oder am Firmenwert, und steuerlich liegt keine Mitunternehmerstellung vor. Bei der atypischen stillen Gesellschaft hingegen wird dem stillen Gesellschafter betriebliches Mitspracherecht sowie eine Beteiligung an den stillen Reserven und dem Firmenwert eingeräumt. Steuerlich wird er als Mitunternehmer behandelt, mit allen entsprechenden Konsequenzen für die Gewinnermittlung und Besteuerung. Die Unterschiede sind daher sowohl gesellschaftsrechtlich als auch steuerlich von erheblicher Bedeutung.

Welche Formvorschriften gelten für den Abschluss eines stillen Gesellschaftsvertrages?

Für den Abschluss eines stillen Gesellschaftsvertrages bestehen nach deutschem Recht grundsätzlich keine besonderen Formvorschriften. Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt sich jedoch stets die Schriftform, insbesondere weil individuelle Vereinbarungen über Gewinn- und Verlustbeteiligung, Kündigungsmodalitäten oder weitere Sonderrechte des stillen Gesellschafters festgehalten werden können. Wird im Rahmen der Einlage eine Übertragung von Immobilienrechten oder anderen formbedürftigen Geschäften vereinbart, sind ggf. die jeweiligen Spezialvorschriften (z.B. notarielle Beurkundung nach § 311b BGB) zu beachten. In der Praxis wird der stille Gesellschaftsvertrag meist schriftlich fixiert, um spätere Streitigkeiten und Beweisprobleme zu vermeiden.