Geschichte und Entwicklung des StaRuG
Das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRuG) – offiziell Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen – ist ein bedeutendes Regelwerk im deutschen Restrukturierungsrecht, das am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist. Mit dem Inkrafttreten des StaRuG wurde die EU-Richtlinie (EU) 2019/1023 zur präventiven Restrukturierung umgesetzt und das bestehende Sanierungsrecht grundlegend erweitert.
Ziel des StaRuG ist es, Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine Möglichkeit zur frühzeitigen Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu bieten, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Das Gesetz schließt die Lücke zwischen einer rein privatrechtlichen Sanierung und einem formellen Insolvenzverfahren.
Zweck und Geltungsbereich des StaRuG
Das StaRuG richtet sich an Unternehmen aller Rechtsformen, die ihren Sitz im Inland haben und bei denen eine drohende, aber noch nicht eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung besteht (§ 29 StaRuG). Unternehmen soll ermöglicht werden, Restrukturierungsmaßnahmen im Konsens mit ihren Gläubigern oder – unter bestimmten Voraussetzungen – auch gegen deren Widerspruch durchzusetzen.
Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind Unternehmen des Finanzsektors, wie Kreditinstitute oder Versicherungen, für die gesonderte aufsichtsrechtliche Anforderungen gelten.
Wesentliche Instrumente und Verfahrensmöglichkeiten
Restrukturierungsplan
Ein zentrales Element des StaRuG ist der Restrukturierungsplan (§§ 7 ff. StaRuG). Dieser Plan ist mit einem Insolvenzplan vergleichbar und dient der Regelung von Restrukturierungsmaßnahmen, insbesondere der Änderung von Forderungsinhalten, Schuldenschnitten oder Rangrücktritten. Der Restrukturierungsplan kann sich auf alle oder nur auf bestimmte Gruppen von Gläubigern erstrecken.
Inhalt des Restrukturierungsplans
Der Restrukturierungsplan muss einen darstellenden Teil, der die Ausgangslage, die Ursachen der Krise, sowie die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen erläutert, und einen gestaltenden Teil, der die rechtlichen Änderungen (insbesondere im Hinblick auf die betroffenen Forderungen) enthält, umfassen.
Gläubigergruppenbildung und Mehrheitsprinzip
Die betroffenen Gläubiger werden in Gruppen eingeteilt. Innerhalb jeder Gruppe entscheidet die Mehrheit (75 % der Stimmrechte) über die Annahme des Plans. Dieses Mehrheitsprinzip trägt dazu bei, Sanierungshemmnisse durch einzelne ablehnende Gläubiger zu überwinden.
Stabilisierungsanordnungen
Auf Antrag des schuldenden Unternehmens kann das Restrukturierungsgericht Stabilisierungsanordnungen erlassen (§§ 49 ff. StaRuG), die einzelne oder sämtliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen untersagen. Diese haben das Ziel, einen geordneten Restrukturierungsprozess zu ermöglichen und ein „Auseinanderfallen“ der Gläubigerinteressen zu verhindern.
Restrukturierungsbeauftragter
Das Restrukturierungsgericht kann, auf Antrag oder von Amts wegen, eine unabhängige Person als Restrukturierungsbeauftragten bestellen (§§ 73 ff. StaRuG). Der Beauftragte unterstützt die Verhandlungen, überwacht die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und berichtet regelmäßig an das Gericht.
Gerichtliche Planbestätigung
Kommt der Restrukturierungsplan nicht im vollständigen Konsens zustande, kann das Unternehmen die gerichtliche Planbestätigung beantragen (§§ 60 ff. StaRuG). Das Gericht prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen eingehalten sind, insbesondere die korrekte Gläubigergruppeneinteilung sowie die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Plan kann auch gegen den Willen einzelner Gruppen (sog. „Cram-down“) bestätigt werden, sofern diese nicht schlechter gestellt werden als ohne den Plan.
Unterschied zum Insolvenzverfahren
Das StaRuG ist vorinsolvenzlich ausgestaltet, das heißt, es kann bereits vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung angewandt werden. Dies unterscheidet es grundsätzlich von den Regelungen der InsO (Insolvenzordnung). Die Geschäftsleitung bleibt im Regelfall im Amt; es erfolgt keine automatische Einsetzung eines Insolvenzverwalters.
Zudem kann das Unternehmen den Kreis der einbezogenen Gläubiger beschränken. Während im Insolvenzverfahren alle Gläubiger betroffen sind, können im Restrukturierungsrahmen auch lediglich Teilbereiche der Verbindlichkeiten restrukturiert werden (sog. „Segmentierung“).
Pflichten des Schuldnerunternehmens
Während des Restrukturierungsverfahrens bestehen erhöhte Sorgfalts- und Berichtspflichten für die Geschäftsleitung. Kommt es nach Beginn der Restrukturierung dennoch zur Insolvenzreife, besteht eine fortdauernde Insolvenzantragspflicht. Gläubiger sind regelmäßig und transparent über den Stand des Verfahrens zu informieren (§§ 29 ff., 35 ff. StaRuG).
Auswirkungen des StaRuG auf Unternehmenssanierungen
Durch das StaRuG wurde erstmals ein gesetzlicher Rahmen für gezielte, außergerichtliche Sanierungsverfahren in Deutschland geschaffen. Dies ermöglicht es Unternehmen, Krisen frühzeitig, strukturiert und unter gerichtlichem Schutz, jedoch ohne die mitunter stigmatisierende Wirkung einer Insolvenz, zu bewältigen. Gleichzeitig stärkt das Gesetz die Rechte der Gläubiger durch gerichtliche Kontrolle und prozedurale Mitwirkungsrechte.
Literatur und weiterführende Vorschriften
- Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRuG) – BGBl. I S. 3256
- Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen
- Insolvenzordnung (InsO)
Fazit
Das StaRuG stellt einen Meilenstein im deutschen Restrukturierungsrecht dar. Es sichert notleidenden Unternehmen einen flexiblen und rechtssicheren Weg zur Bewältigung wirtschaftlicher Schwierigkeiten und trägt erheblich zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts bei. Durch die Integration von Gläubigerschutzmechanismen und gerichtlicher Kontrolle ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sanierungsinteresse des Unternehmens und den Belangen der Gläubiger gewährleistet.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens nach dem StaRuG erfüllt sein?
Für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRuG) müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zentrales Kriterium ist das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 InsO. Nach der Legaldefinition liegt diese vor, wenn das Schuldnerunternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Eine bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) schließen hingegen die Einleitung eines Verfahrens nach StaRuG aus – hier greift unmittelbar das Insolvenzrecht. Zusätzlich ist erforderlich, dass das betreffende Unternehmen einen Restrukturierungsplan vorlegt, welcher konkret zur Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit geeignet ist. Weiterhin muss der Restrukturierungsplan die Gläubiger, deren Ansprüche durch den Plan berührt werden, eindeutig identifizieren und in Gruppen einteilen. Des Weiteren darf gegen das Unternehmen kein Insolvenzverfahren eröffnet oder dessen Eröffnung beantragt worden sein. Die Einleitung ist freiwillig, und das Unternehmen behält die Eigenverwaltung, solange keine gerichtlichen Maßnahmen, etwa eine Stabilitätsanordnung, beantragt werden. Nur mit Beschlussfähigkeit und den notwendige Mehrheiten bei der Planabstimmung kann ein Plan rechtswirksam angenommen werden.
Welche Rolle spielt das Restrukturierungsgericht im Rahmen des StaRuG?
Das Restrukturierungsgericht nimmt im Verfahren nach dem StaRuG eine zentrale, aber maßgeblich unterstützende oder kontrollierende Rolle ein. Im Grundsatz wird das Restrukturierungsverfahren außergerichtlich geführt; das Gericht wird nur auf Antrag des Schuldners eingeschaltet, etwa zur Bestätigung eines Restrukturierungsplans, zur Anordnung von Stabilisierungsmaßnahmen (zum Beispiel zur Suspendierung von Vollstreckungsmaßnahmen) oder zur Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten. Das Gericht prüft die Einhaltung der formellen und materiellen Voraussetzungen des StaRuG, überwacht das Verfahren in bestimmten Konstellationen und schützt die Interessen der betroffenen Gläubiger und des Schuldners gleichermaßen. Insbesondere kommt dem Gericht die Aufgabe zu, Anfechtungen von Gläubigern zu prüfen und zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung oder Versagung des Restrukturierungsplans erfüllt sind, wobei insbesondere Gläubigergleichbehandlung, Informationspflichten und Planwirksamkeit eine entscheidende Rolle spielen.
Welche Rechte haben Gläubiger während eines StaRuG-Verfahrens?
Während eines StaRuG-Verfahrens behalten die betroffenen Gläubiger zahlreiche Rechte, die ihre Interessen wahren sollen. Sie haben insbesondere Anspruch auf umfassende Information und Einsicht in die für die Restrukturierung relevanten Unterlagen. Vor Abstimmungen müssen sie ordnungsgemäß über den Restrukturierungsplan, die voraussichtlichen Auswirkungen sowie mögliche Planalternativen informiert werden. Die Gläubiger können an der Abstimmung über den Plan teilnehmen und müssen dazu in vergleichbare Gruppen eingeteilt werden. Innerhalb dieser Gruppen gilt das Mehrheitsprinzip (§ 26 StaRuG), wobei jede Gruppe eine Mehrheit von 75% der Stimmrechte benötigt, damit die Annahme als erfolgt gilt. Unter bestimmten Voraussetzungen haben einzelne Gläubiger oder Gruppen ein Anfechtungsrecht gegen den Plan und können Einwendungen geltend machen, insbesondere bei Benachteiligungen oder mangelnder Gleichbehandlung. Stehen gerichtliche Stabilisierungsanordnungen im Raum, können sie bei Gericht Stellung nehmen und entsprechende Rechtsmittel einlegen. Zudem dürfen individuelle Sicherungsrechte grundsätzlich erst nach gerichtlicher Prüfung aufgehoben oder beeinträchtigt werden.
Wie erfolgt die Bestätigung und Durchsetzung eines Restrukturierungsplans nach StaRuG?
Die Bestätigung und Durchsetzung eines Restrukturierungsplans erfolgt in einem mehrstufigen rechtlichen Verfahren. Nach erfolgreicher Annahme durch die notwendigen Gläubigermehrheiten in den jeweiligen Gruppen wird der Plan dem Restrukturierungsgericht zur Bestätigung vorgelegt. Das Gericht prüft, ob die gesetzlichen Anforderungen an Transparenz, Gleichbehandlung der Gläubiger und der Schutz der Minderheiten eingehalten wurden. Insbesondere wird geprüft, ob die Benachteiligung einer Gläubigergruppe durch eine angemessene Kompensation ausgeglichen wird. Nach erfolgter Bestätigung durch Gerichtsbeschluss (§ 68 StaRuG) ist der Plan für alle betroffenen Parteien, auch die ablehnenden Gläubiger, verbindlich und vollstreckbar. Sämtliche hierin enthaltenen Maßnahmen, wie Forderungsverzichte, Stundungen, Umwandlungen oder Kapitalmaßnahmen, können somit rechtlich durchgesetzt werden. Rechtsmittel gegen den gerichtlichen Bestätigungsbeschluss sind möglich, haben jedoch keine aufschiebende Wirkung, um die praktische Umsetzung nicht zu blockieren.
Was ist die Bedeutung der Stabilisierungsanordnung und welche rechtlichen Auswirkungen hat sie?
Die Stabilisierungsanordnung stellt ein zentrales Instrument des StaRuG dar und kann auf Antrag des Schuldners vom Restrukturierungsgericht erlassen werden. Sie bezweckt in erster Linie, Vollstreckungsmaßnahmen einzelner oder mehrerer Gläubiger gegen das Schuldnerunternehmen temporär zu untersagen, um dem Unternehmen während der Restrukturierungsverhandlungen einen rechtlichen Schutzraum zu gewährleisten. Gesetzlich geregelt ist dies in §§ 49 ff. StaRuG. Die Anordnung kann sich auf Zwangsvollstreckungen, Verwertungen von Sicherheiten und Kündigungsrechte beziehen. Der Zeitraum ist begrenzt (maximal drei Monate mit Verlängerungsmöglichkeit bis zu acht Monaten), und die Maßnahme darf das Interesse der Gläubiger insgesamt nicht unbillig beeinträchtigen. Eine Stabilisierungsanordnung ist zudem im Schuldnerverzeichnis zu veröffentlichen und zieht eine Informationspflicht an die betroffenen Gläubiger nach sich. Jeder betroffene Gläubiger kann beim Gericht Gehör einfordern und die Anordnung angreifen. Die Einhaltung dieser rechtlichen Grenzen wird durch das Restrukturierungsgericht streng überwacht.
Wie wird die Berater- und Organhaftung nach StaRuG geregelt?
Das StaRuG nimmt die Leitungsorgane (insbesondere Geschäftsführer, Vorstände) des Schuldnerunternehmens in eine besondere Verantwortung. Sie sind verpflichtet, kontinuierlich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu überprüfen und bei Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit aktiv einen Restrukturierungsplan zu entwickeln und umzusetzen, sofern dies zur Beseitigung der Krise geboten ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 StaRuG). Unterlassen sie dies schuldhaft, drohen zivilrechtliche Haftungsansprüche, etwa wegen Insolvenzverschleppung oder pflichtwidrigen Verhaltens gegenüber Gläubigern. Auch für Berater (zum Beispiel Restrukturierungsberater, Sanierungsexperten) ergeben sich Haftungsrisiken, wenn sie ihre Tätigkeit nicht mit der im StaRuG vorgesehenen Sorgfalt ausüben oder den Organen fehlerhafte Empfehlungen geben, die zu Schaden bei Gläubigern oder dem Unternehmen führen. Besonders bei der Erstellung und Durchführung des Restrukturierungsplans ist auf vollständige Transparenz und rechtssichere Dokumentation zu achten, um eigen- wie fremdverschuldete Haftungsfälle zu vermeiden.
Welche Bedeutung kommt der Öffentlichkeit und dem Gläubigerschutz im StaRuG-Verfahren zu?
Das StaRuG-Verfahren ist grundsätzlich vertraulich und wird in der Regel außergerichtlich geführt, um das betroffene Unternehmen vor Reputationsschäden zu bewahren und einen geordneten Restrukturierungsprozess zu ermöglichen. Öffentlich bekannt gemacht werden rechtlich relevante Entscheidungen, insbesondere Stabilisierungsanordnungen und gerichtliche Restrukturierungsplanbestätigungen, im Schuldnerverzeichnis. Der Gläubigerschutz steht im Mittelpunkt: Alle berührten Gläubiger müssen umfassend informiert und ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt werden. Gleichzeitig sind Minderheitenrechte und Anfechtungsrechte gesetzlich garantiert. Das Gericht kann einen Restrukturierungsbeauftragten bestellen, um die Interessen der Gläubigergesamtheit besonders zu wahren. So wird sichergestellt, dass keine Gläubigergruppe einseitig benachteiligt wird und das Verfahren unter strenger rechtsstaatlicher Kontrolle bleibt.