Begriff und Funktion der Stadtverordnetenversammlung
Die Stadtverordnetenversammlung ist ein zentrales Organ der kommunalen Selbstverwaltung in bestimmten deutschen Bundesländern, insbesondere in Hessen und Brandenburg. Sie übernimmt die grundlegende Aufgabe der Repräsentation der Einwohnerinnen und Einwohner einer Stadt und trifft bindende Entscheidungen über kommunale Angelegenheiten im Rahmen der geltenden Landesgesetzgebung. Die Stadtverordnetenversammlung entspricht in diesen Ländern funktional dem gewählten Stadtrat anderer Bundesländer.
Rechtliche Grundlagen der Stadtverordnetenversammlung
Rechtsstellung und Gesetzliche Verankerung
Die rechtliche Verankerung der Stadtverordnetenversammlung erfolgt auf Landesebene. In Hessen ist sie im Hauptsatzungsrecht gemäß Hessischer Gemeindeordnung (HGO), in Brandenburg nach der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf), geregelt.
Wesentliche gesetzliche Grundlagen:
- Hessische Gemeindeordnung (HGO)
- Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf)
Weitere Regelungen können in jeweiligen kommunalen Hauptsatzungen oder ergänzenden Ortsrechtstexten getroffen werden.
Aufgaben und Zuständigkeiten
Die Stadtverordnetenversammlung ist als oberstes Entscheidungsorgan der Stadt für alle Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung zuständig, soweit diese nicht durch Gesetz einem anderen Organ zugewiesen sind. Zu den typischen Aufgaben zählen:
- Beschlussfassung über den kommunalen Haushalt
- Erlass und Änderung von Satzungen und Verordnungen
- Strategische Zielsetzungen und stadtplanerische Entscheidungen
- Entscheidungen zu größeren Investitionen
- Wahlen und Abberufungen städtischer Amtsträger, etwa des Magistrats oder des Bürgermeisters (im Rahmen der jeweiligen Gemeindeordnung)
Die genaue Aufgabenverteilung wird durch die jeweilige Kommunalverfassung, die Hauptsatzung und die Geschäftsordnung der Versammlung bestimmt.
Organisation und Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung
Wahlmodus und Amtszeit
Die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl von den wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohnern der Stadt gewählt. Die Amtszeit beträgt in Hessen und Brandenburg in der Regel fünf Jahre. Die Anzahl der Mitglieder richtet sich nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Stadt und ist in den Kommunalwahlgesetzen der Länder festgelegt.
Rechte und Pflichten der Stadtverordneten
Mitglieder sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und haben ihr Amt nach ihrer freien, nur dem öffentlichen Wohl verpflichteten Überzeugung auszuüben. Sie unterliegen der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und zur Anzeige von möglichen Interessenkonflikten (Mitwirkungsverbot bei Befangenheit).
Vorsitz, Geschäftsordnung und Sitzungsverlauf
Den Vorsitz der Stadtverordnetenversammlung führt eine Präsidentin oder ein Präsident, der aus der Mitte der Versammlung gewählt wird. Zu den Aufgaben des Präsidiums zählt die Einberufung der Sitzungen, die Leitung derselben sowie die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Ablaufs.
Für die detaillierte Regelung des Ablaufs und der Verfahrensweisen der Stadtverordnetenversammlung wird in der Regel eine Geschäftsordnung erlassen. Sie bestimmt beispielsweise:
- Verfahrensabläufe bei der Einbringung von Anträgen und Vorlagen
- Redezeiten und Debattenführung
- Handhabung von Ordnungsmaßnahmen
Abgrenzung von anderen kommunalen Gremien
Verhältnis zum Magistrat und Bürgermeister
In hessischen Kommunen arbeitet die Stadtverordnetenversammlung eng mit dem Magistrat (Kollegialorgan der Stadtverwaltung, geleitet vom Bürgermeister) zusammen. Während der Magistrat für die laufende Verwaltung zuständig ist, trifft die Stadtverordnetenversammlung die maßgeblichen Grundsatzentscheidungen.
Unterschied zu Stadtrat und Gemeinderat
Die Bezeichnung und Zusammensetzung des wichtigsten kommunalen Vertretungsorgans variieren zwischen den Bundesländern. Wo die Stadtverordnetenversammlung eingerichtet ist, entspricht sie dem Stadtrat (z. B. in Nordrhein-Westfalen) oder dem Gemeinderat (z. B. in Baden-Württemberg). Die jeweiligen Kompetenzen und Aufgaben sind jedoch weitgehend vergleichbar, unterscheiden sich aber im Detail durch das jeweilige Kommunalrecht.
Transparenz, Öffentlichkeit und Kontrollmechanismen
Sitzungstermine und Öffentlichkeit
Grundsätzlich sind die Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung öffentlich; Ausnahmen hiervon kann es aus datenschutz- oder personalrechtlichen Gründen geben, etwa bei Beratungen über Personalangelegenheiten oder Vergaben. Die Öffentlichkeit soll Transparenz und demokratische Kontrolle gewährleisten.
Kontroll- und Beteiligungsrechte
Die Stadtverordnetenversammlung besitzt weitreichende Kontrollrechte gegenüber dem Magistrat oder der Verwaltung, etwa durch:
- Fragerechte
- Akteneinsicht
- Einsetzung von Ausschüssen (z. B. Kontrollausschuss, Prüfungsausschuss)
Zudem bestehen Beteiligungsrechte für Einwohner, beispielweise durch Einwohnerfragestunden und Antragsrechte.
Ausschüsse der Stadtverordnetenversammlung
Zur Vorbereitung der Beschlüsse oder zur Überwachung der Verwaltung kann die Stadtverordnetenversammlung ständige oder temporäre Ausschüsse bilden. Diese setzen sich meist entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zusammen. Die wichtigsten Ausschüsse sind häufig:
- Haupt- und Finanzausschuss
- Bau- und Planungsausschuss
- Rechnungsprüfungsausschuss
Die Befugnisse und Zusammensetzung werden durch die jeweilige Geschäftsordnung geregelt.
Mitwirkung und Transparenz in der kommunalen Demokratie
Die Stadtverordnetenversammlung ist ein zentrales Element demokratischer Willensbildung auf kommunaler Ebene. Sie garantiert die demokratische Mitwirkung aller wahlberechtigten Einwohner der Stadt und stellt ein Bindeglied zwischen Bürgerinteressen und Stadtverwaltung dar.
Literatur und weiterführende Vorschriften
- Hessische Gemeindeordnung (HGO)
- Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf)
- Kommunalwahlgesetze der Länder
- Hauptsatzungen und Geschäftsordnungen der Städte
Die Stadtverordnetenversammlung ist somit ein bedeutendes Organ der kommunalen Selbstverwaltung in bestimmten deutschen Bundesländern, das auf Grundlage spezifischer landesrechtlicher Vorgaben agiert und einen wesentlichen Beitrag zur demokratischen Steuerung und Kontrolle des kommunalen Handelns leistet.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung?
Die Zusammensetzung der Stadtverordnetenversammlung ist im Wesentlichen im jeweiligen Kommunalverfassungsrecht, zumeist in der Gemeindeordnung des jeweiligen Bundeslandes, geregelt. Rechtsgrundlagen wie beispielsweise die Hessische Gemeindeordnung (HGO) oder die Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NRW) bestimmen, dass die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden. Die Anzahl der Mitglieder wird durch eine Kommunalverfassung oder durch einen Beschluss der bestehenden Stadtverordnetenversammlung innerhalb gesetzlicher Grenzen festgelegt. Ergänzend hierzu regeln Durchführungsverordnungen zum Kommunalwahlrecht unter anderem Altersvoraussetzungen, Wahlmodalitäten, Wahlanfechtungen sowie Nachrückungsverfahren bei Ausscheiden von Mitgliedern. Des Weiteren beeinflussen Vorschriften des Parteiengesetzes und des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 28 GG, die demokratischen Grundsätze, die der Versammlung und ihrer Wahl zugrunde liegen.
Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen kann ein Mitglied der Stadtverordnetenversammlung sein Mandat verlieren?
Ein Mandatsverlust ist in der jeweiligen Gemeindeordnung des Bundeslandes geregelt und kann durch verschiedene rechtliche Tatbestände eintreten. Typische Gründe für den Mandatsverlust sind die Niederlegung des Mandats durch schriftliche Erklärung gegenüber der Stadtverordnetenvorsteherin oder dem Stadtverordnetenvorsteher (Rücktritt), das Erlöschen der Wählbarkeit (z.B. Wegzug aus der Gemeinde, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Eintritt der Geschäftsunfähigkeit) sowie disziplinarische Maßnahmen, wie der Verlust des Wahlrechts infolge strafgerichtlicher Verurteilung (§ 45 StGB). In einigen Landesgemeindeordnungen besteht zusätzlich die Möglichkeit, ein Mandat durch Tod (§ 33 HGO) oder durch Abwahl bei festgestellten Unvereinbarkeiten mit anderen Ämtern (z.B. Bürgermeisteramt; Stichwort: Inkompatibilitätsregelungen) zu verlieren. Das genaue Verfahren zum Mandatsverlust, einschließlich der Prüfung und Feststellung durch die Stadtverordnetenversammlung oder den Gemeindewahlausschuss, ist ebenfalls rechtlich präzise festgehalten.
Welche rechtlichen Vorschriften regeln den Ablauf und die Öffentlichkeit der Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung?
Die Durchführung der Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung unterliegt klaren gesetzlichen Regelungen, die insbesondere in den Gemeindeordnungen der Bundesländer und ergänzenden Geschäftsordnungen normiert sind. Grundsätzlich müssen Sitzungen in der Regel öffentlich abgehalten werden, um das Transparenzgebot und die demokratische Kontrolle zu gewährleisten. Ausnahmen von der Öffentlichkeit, etwa bei Personalentscheidungen oder Angelegenheiten, bei denen das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner gefährdet sind, bedürfen eines gesonderten rechtsverbindlichen Beschlusses und einer nachvollziehbaren Begründung. Der Sitzungsablauf orientiert sich an der jeweils geltenden Geschäftsordnung, die Form und Fristen für Einladungen, Tagesordnungserstellung, Redezeiten, Abstimmungsmodalitäten und Protokollführung detailliert regelt. Zudem können Schutzvorschriften greifen, beispielsweise Barrierefreiheit oder Teilnahme digitaler Hilfsmittel, je nach aktueller Rechtslage (z.B. Infektionsschutzgesetze).
Wie ist das Stimmrecht in der Stadtverordnetenversammlung rechtlich geregelt?
Das Stimmrecht in der Stadtverordnetenversammlung steht jedem gewählten Mitglied auf Basis der jeweiligen Gemeindeordnung zu und umfasst grundsätzlich das Recht, an allen Abstimmungen und Wahlen teilzunehmen. Es herrscht dabei das Prinzip „eine Person, eine Stimme“. Das Stimmrecht ist unübertragbar und darf grundsätzlich nicht durch Stellvertreter ausgeübt werden. In bestimmten Fällen kann ein Mitglied kraft gesetzlicher Regelung (etwa bei persönlicher Betroffenheit oder Mitwirkungsverboten aufgrund von Befangenheit z.B. nach § 25 HGO) von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen werden. Solche Regelungen dienen sowohl dem Schutz vor Interessenkonflikten als auch der Sicherstellung der objektiven Entscheidungsfindung. Bei Stimmengleichheit entscheidet, je nach Geschäftsordnung, die Stimme des Versammlungsleiters oder es gilt der Antrag als abgelehnt.
Unter welchen rechtlichen Bedingungen ist die Einberufung einer Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung möglich?
Die Gemeindeordnungen verschiedener Bundesländer regeln, dass eine Sondersitzung (meist „außerordentliche Sitzung“ genannt) einberufen werden kann, wenn dies entweder der Bürgermeister oder ein bestimmter Anteil der Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung verlangt – typischerweise ein Viertel. Der Antrag zur Einberufung muss schriftlich erfolgen und eine Begründung sowie die Angabe der Tagesordnungspunkte enthalten. Die Einladungsfrist und Form richtet sich ebenfalls nach den einschlägigen Vorschriften und beträgt in der Regel mehrere Tage, kann jedoch in dringenden Fällen verkürzt werden. Ein Missbrauchsverbot und die gerichtliche Überprüfbarkeit der Verweigerung durch den Vorsitzenden sind rechtlich vorgesehen, um die Minderheitenrechte zu schützen und die Kontrolle des Verwaltungshandelns sicherzustellen. Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Einberufung sind gegebenenfalls in Form einer Kommunalverfassungsbeschwerde möglich.
Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, gegen Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung vorzugehen?
Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung können unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen angefochten werden. Zunächst besteht für Mitglieder der Versammlung in der Regel ein Einspruchsrecht direkt nach der Beschlussfassung, etwa wenn Verfahrensverstöße oder Befangenheiten geltend gemacht werden. Extern können betroffene Bürger*innen oder juristische Personen gemäß den Vorschriften des Kommunalrechts (z.B. § 138 HGO hinsichtlich der Gültigkeit von Gemeindebeschlüssen) die Kommunalaufsicht anrufen. Bei schweren Verstößen gegen geltende Rechtsnormen – insbesondere bei Verletzung der Gemeindeordnung oder übergeordnetem Recht – kann eine direkte Anfechtung oder eine verwaltungsgerichtliche Klage erhoben werden. Die Frist und das Verfahren hierfür sind detailliert geregelt und setzen regelmäßig ein berechtigtes Interesse (Klagebefugnis) sowie die Ausschöpfung von Vorverfahren voraus. Erfolgt eine erfolgreiche Beanstandung durch die Kommunalaufsicht, kann die Ausführung eines rechtswidrigen Beschlusses untersagt oder aufgehoben werden.
Unter welchen Umständen sind Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung rechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtet?
Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung unterliegen nach den spezifischen Regelungen der Gemeindeordnung und gegebenenfalls ergänzender Datenschutz- oder Verschwiegenheitsvorschriften einer gesetzlichen Schweigepflicht hinsichtlich aller vertraulichen Angelegenheiten, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt geworden sind. Dies umfasst insbesondere personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie Unterlagen und Beratungsinhalte nicht-öffentlicher Sitzungen. Bei Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht drohen sowohl kommunalrechtliche Sanktionen wie der Ausschluss aus Gremien als auch strafrechtliche Konsequenzen nach § 203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen). Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht auch nach dem Ausscheiden aus dem Mandat fort. Ausnahmefälle, wie die Offenbarungspflicht gegenüber Strafverfolgungsbehörden, werden rechtlich ebenfalls geregelt und sind eng auszulegen.