Stadtverordnetenversammlung: Begriff und rechtliche Einordnung
Die Stadtverordnetenversammlung ist das zentrale Beschlussorgan einer Stadt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Sie entscheidet über die grundlegenden Angelegenheiten der Gemeinde, legt Leitlinien der Stadtpolitik fest und kontrolliert die Verwaltung. In Deutschland ist die genaue Ausgestaltung Landesrecht. In einigen Ländern heißt dieses Organ „Stadtverordnetenversammlung“, in anderen „Gemeinderat“, „Stadtrat“ oder „Gemeindevertretung“. Inhaltlich erfüllen diese Gremien jedoch vergleichbare Funktionen: Sie vertreten die Stadtgemeinschaft, treffen verbindliche Entscheidungen und bilden den demokratischen Ort kommunaler Willensbildung.
Abgrenzung zu anderen Bezeichnungen
Die Bezeichnung variiert je nach Bundesland. Während der Begriff „Stadtverordnetenversammlung“ insbesondere in bestimmten Ländern verwendet wird, finden sich anderswo „Gemeinderat“ bzw. „Stadtrat“. Wird ein Rat so bezeichnet, gehören ihm Mitglieder an, die häufig „Stadtverordnete“ genannt werden. Inhaltlich handelt es sich stets um das Vertretungsorgan der Kommune, das als Träger der kommunalen Selbstverwaltung auftritt.
Zusammensetzung und Wahl
Wahlgrundsätze und Amtszeit
Die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung werden in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen gewählt. Die Wahlperiode ist landesrechtlich festgelegt und beträgt in der Regel mehrere Jahre. Die Zahl der Mandate richtet sich häufig nach der Einwohnerzahl. Wahlverfahren sind überwiegend Verhältniswahlsysteme; das konkrete Stimm- und Sitzzuteilungsverfahren variiert nach Landesrecht.
Sitzverteilung und Fraktionen
Die Sitzverteilung spiegelt das Wahlergebnis wider. Die Mandatsträger können sich zu Fraktionen zusammenschließen, um die Arbeit zu strukturieren, Antragsrechte zu bündeln und in Gremien proportional vertreten zu sein. Fraktionen folgen in ihrer Bildung und Anerkennung den jeweiligen landesrechtlichen und geschäftsordnungsrechtlichen Vorgaben.
Mandat und Status der Stadtverordneten
Unabhängigkeit und Pflichten
Stadtverordnete üben ihr Mandat frei und unabhängig aus. Sie sind an Recht und Ordnung gebunden und dem Gemeinwohl verpflichtet. Zu den Pflichten gehören Treue zur Gemeinde, Verschwiegenheit über nichtöffentliche Angelegenheiten und sorgfältige Amtsausübung.
Befangenheit und Unvereinbarkeiten
Bei persönlicher Betroffenheit oder Interessenkonflikten dürfen Stadtverordnete an Beratung und Beschlussfassung nicht mitwirken. Für bestimmte Funktionen in der Verwaltung oder bei verbundenen Unternehmen können Unvereinbarkeiten vorgesehen sein. Ziel ist die Sicherung objektiver Entscheidungen und die Vermeidung von Interessenkollisionen.
Entschädigung und Schutz
Das Mandat wird regelmäßig ehrenamtlich ausgeübt. Üblicherweise bestehen Ansprüche auf Aufwandsentschädigung, Ersatz notwendiger Auslagen und Ausgleich für Verdienstausfall nach den maßgeblichen Vorgaben. Für Äußerungen in Ausübung des Mandats bestehen in vielen Ländern Schutz- und Haftungsprivilegien im gesetzlich geregelten Rahmen.
Innere Organisation und Verfahren
Konstituierung und Leitung
Nach der Wahl tritt die Stadtverordnetenversammlung zur konstituierenden Sitzung zusammen. Sie wählt die oder den Vorsitzenden (häufig Stadtverordnetenvorsteherin bzw. -vorsteher) und bildet die Fachausschüsse. Die Leitung sorgt für ordnungsgemäße Einberufung, Sitzungsleitung und Aufrechterhaltung der Ordnung.
Geschäftsordnung und Sitzungen
Die Arbeit folgt einer Geschäftsordnung. Diese regelt Einberufung, Tagesordnung, Rede- und Antragsrechte, Reihenfolge der Beratungen, Fristen sowie die Arbeit der Ausschüsse. Sitzungen werden rechtzeitig bekannt gemacht; Einladungen enthalten die Beratungsgegenstände.
Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit
Grundsätzlich tagen Stadtverordnetenversammlungen öffentlich. Ausnahmen sind zulässig, wenn schutzwürdige Interessen überwiegen, etwa bei Personalangelegenheiten, vertraulichen Vertragsverhandlungen, Vergaben oder Grundstücksgeschäften. In nichtöffentlichen Teilen besteht besondere Verschwiegenheitspflicht.
Beschlussfassung und Mehrheiten
Beschlüsse ergehen regelmäßig mit einfacher Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder, sofern keine qualifizierten Mehrheiten vorgeschrieben sind. Für bestimmte Entscheidungen (z. B. grundlegendes Ortsrecht, größere Vermögensgeschäfte) können erhöhte Mehrheitserfordernisse bestehen. Vor der Abstimmung findet in der Regel eine Beratung statt; es kann auf Ausschussberichte zurückgegriffen werden.
Niederschrift und Bekanntmachung
Über Sitzungen wird eine Niederschrift geführt. Beschlüsse werden entsprechend den kommunalen Bekanntmachungsregeln veröffentlicht oder ortsüblich bekannt gemacht. Satzungen und sonstiges Ortsrecht treten nach ordnungsgemäßer Bekanntmachung in Kraft.
Ausschüsse
Zur Vorbereitung und teilweise zur Entscheidung richtet die Stadtverordnetenversammlung Ausschüsse ein. Deren Zusammensetzung spiegelt gewöhnlich das Kräfteverhältnis im Plenum wider. Häufige Ausschüsse sind Haupt- und Finanzausschuss sowie Fach- und Betriebsausschüsse.
Beratende und beschließende Ausschüsse
Beratende Ausschüsse bereiten Entscheidungen vor, beschließende Ausschüsse können in übertragener Zuständigkeit verbindliche Beschlüsse fassen. Umfang und Grenzen der Delegation ergeben sich aus Landesrecht und Geschäftsordnung. Bestimmte Kernentscheidungen verbleiben beim Plenum.
Rechte und Kontrollfunktionen
Informations- und Akteneinsicht
Stadtverordnete verfügen über umfassende Informationsrechte gegenüber der Verwaltung, einschließlich Anfragen und Akteneinsicht, soweit berechtigte Geheimhaltungsinteressen nicht entgegenstehen. Informationszugang dient der sachgerechten Kontrolle und Entscheidungsfindung.
Kontrolle der Verwaltung
Die Stadtverordnetenversammlung überwacht die Verwaltungstätigkeit und die Umsetzung ihrer Beschlüsse. Je nach kommunaler Verfassungsform wählt oder bestätigt sie Teile der Verwaltungsspitze, kann Misstrauensbekundungen aussprechen und Berichtspflichten festlegen.
Haushaltshoheit und Finanzen
Der Haushalt ist Kernbereich der Zuständigkeit. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt Haushaltssatzung und Haushaltsplan, setzt Schwerpunkte der Ausgaben- und Investitionspolitik und legt Abgaben- sowie Gebührenrahmen im Ortsrecht fest. Kreditaufnahmen, Sicherheiten und Beteiligungsentscheidungen unterliegen besonderen Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit.
Beteiligungen und Unternehmen
Bei kommunalen Unternehmen und Beteiligungen übt die Stadtverordnetenversammlung Steuerungs- und Kontrollrechte aus. Sie entscheidet über Gründung, Erwerb, Veräußerung und wesentliche Unternehmensgrundsätze sowie über Berichts- und Transparenzanforderungen.
Verhältnis zu anderen Gemeindeorganen
Verwaltungsspitze und Exekutive
Die Exekutive der Stadt wird je nach Landesrecht von einer Verwaltungsspitze (z. B. Bürgermeisterin/Bürgermeister, Oberbürgermeisterin/Oberbürgermeister) und ggf. weiteren Organen (z. B. Magistrat) geführt. Die Stadtverordnetenversammlung setzt die Leitlinien der Verwaltung, trifft Grundsatzentscheidungen und kontrolliert die Ausführung.
Kommunalaufsicht und Rechtsschutz
Die Entscheidungen der Stadtverordnetenversammlung unterliegen der Kommunalaufsicht. Aufsichtsbehörden prüfen die Rechtmäßigkeit und können bei Verstößen einschreiten. Innerkommunale Streitigkeiten zwischen Organen werden in dafür vorgesehenen Verfahren geklärt. Gegen kommunale Entscheidungen sind gerichtliche Überprüfungen im vorgegebenen Rahmen möglich.
Bürgerbeteiligung und Transparenz
Einwohnerfragestunde und Anregungen
Viele Kommunen sehen öffentliche Fragestunden oder Möglichkeiten vor, Anliegen an die Stadtverordnetenversammlung heranzutragen. Eingaben können zu Beratungen führen; die Ausgestaltung ist in der Geschäftsordnung oder im Ortsrecht geregelt.
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
In wichtigen Angelegenheiten können Bürgerbegehren und Bürgerentscheide vorgesehen sein. Sie stehen neben der repräsentativen Entscheidung durch die Stadtverordnetenversammlung und werden nach festgelegten Zulässigkeits- und Verfahrensregeln durchgeführt.
Digitale Öffentlichkeit und Datenschutz
Übertragungen und digitale Zugänge zu Sitzungen sind möglich, soweit das Landesrecht und die Geschäftsordnung dies zulassen und der Datenschutz gewahrt bleibt. Personenbezogene Daten und besonders schutzwürdige Informationen werden in nichtöffentlichen Teilen behandelt.
Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen
Digitale, hybride und Eilentscheidungen
In mehreren Ländern wurden Möglichkeiten für digitale oder hybride Sitzungen geschaffen, insbesondere zur Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit in besonderen Lagen. Für Eilfälle bestehen Verfahren, die eine kurzfristige Beschlussfassung unter Wahrung von Form und Kontrolle ermöglichen.
Interkommunale Zusammenarbeit
Städte arbeiten in Zweckverbänden, Anstalten oder Kooperationen zusammen. Die Stadtverordnetenversammlung entscheidet über die Beteiligung und entsendet Vertreterinnen und Vertreter. Die Kontrolle bleibt durch regelmäßige Berichte und Weisungsrahmen gesichert.
Häufig gestellte Fragen
Was ist die Stadtverordnetenversammlung?
Sie ist das Vertretungsorgan der Stadt und trifft die grundlegenden Entscheidungen der kommunalen Selbstverwaltung. Sie legt Ziele und Regeln der Stadtpolitik fest, beschließt das Ortsrecht und kontrolliert die Verwaltung.
Wie werden Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung gewählt?
Die Mitglieder werden in allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen gewählt. Die Dauer der Amtszeit und das konkrete Wahlverfahren sind landesrechtlich festgelegt.
Welche Aufgaben hat die Stadtverordnetenversammlung?
Sie beschließt über Haushalt und Abgaben, erlässt Satzungen, entscheidet über größere Investitionen und Beteiligungen, richtet Ausschüsse ein und überwacht die Verwaltung.
Sind Sitzungen grundsätzlich öffentlich?
Ja, Sitzungen sind im Regelfall öffentlich. Ausnahmen bestehen, wenn schutzwürdige Interessen dem entgegenstehen, etwa bei Personal- oder vertraulichen Vertragsangelegenheiten.
Dürfen Stadtverordnete bei eigener Betroffenheit mitentscheiden?
Nein. Bei Befangenheit wegen persönlicher Betroffenheit oder Interessenkonflikten ist eine Mitwirkung an Beratung und Entscheidung ausgeschlossen.
Kann die Stadtverordnetenversammlung Entscheidungen an Ausschüsse delegieren?
Ja. In bestimmten Grenzen können Ausschüsse mit Entscheidungsbefugnissen betraut werden. Kernentscheidungen verbleiben beim Plenum.
Welche Rolle spielt die Stadtverordnetenversammlung im Haushalt?
Sie verfügt über die Haushaltshoheit: Sie beschließt die Haushaltssatzung und den Haushaltsplan und setzt finanzielle Prioritäten der Stadt.