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Stadtschaften


Begriff und Grundlagen der Stadtschaften

Definition und Bedeutung

Der Begriff Stadtschaften bezeichnet eine spezifische rechtliche Institution im deutschen Recht, insbesondere im Zusammenhang mit Sicherungsleistungen. Stadtschaften entstehen durch einseitige oder vertragliche Verpflichtungserklärungen, nach denen eine Person (Stadthafter) für eine bestimmte Forderung eines anderen einstehen oder Sicherheit leisten muss. Im Vergleich zur Bürgschaft, zur Hypothek oder zum Pfandrecht stellt die Stadtschaft eine eigenständige Form der Sicherung von Ansprüchen dar. Sie ist weniger bekannt, jedoch in bestimmten gesetzlichen Regelungen von erheblicher Bedeutung.

Rechtsquellen und historische Entwicklung

Die rechtliche Grundlage der Stadtschaften findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie in spezialisierten Gesetzen, etwa im Pfandbriefgesetz, im Handelsgesetzbuch (HGB) und im Zivilprozessrecht. Die Stadtschaft nimmt historisch eine vermittelnde Stellung zwischen der bloßen Schuldmitübernahme und der klassischen Bürgschaft ein. Der Begriff „Stadtschaft“ leitet sich ab von „statt-haben“, was ausdrückt, dass jemand für eine fremde Schuld „statt“ des Hauptschuldners einzustehen hat.

Rechtsnatur und Abgrenzung

Wesentliche Merkmale

Charakteristisch für die Stadtschaft ist die Verpflichtung zur Sicherung einer fremden Verbindlichkeit. Der Stadthafter haftet nach Maßgabe der Stadtschaft unmittelbar dem Gläubiger. Die Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Stadthafter ist dabei selbstständig, das heißt, unabhängig vom Bestand der Hauptschuld. Die Stadtschaft grenzt sich von ähnlichen Sicherungsmitteln ab:

  • Bürgschaft (§§ 765 ff. BGB): Hier steht die akzessorische Haftung im Mittelpunkt, d.h., die Bürgschaft ist in ihrem Bestand von der Hauptforderung abhängig.
  • Schuldbeitritt: Im Unterschied zur Stadtschaft wird beim Schuldbeitritt eine selbstständige neue Schuld übernommen.
  • Abstraktes Schuldversprechen (§§ 780, 781 BGB): Hier steht der abstrakte, also losgelöste, Schuldgrund im Zentrum.

Abgrenzung zu anderen Sicherungsrechten

Im Unterschied zur Bürgschaft, die im deutschen Recht prinzipiell akzessorisch ist, zeichnet sich die Stadtschaft als sog. „ökonomisch akzessorisches“ Sicherungsmittel aus: Die Haftung besteht unabhängig vom Bestand der Hauptschuld; der Stadthafter wird jedoch durch Leistung an den Gläubiger im Regresswege von seiner Verpflichtung entbunden.

Ein weiteres Abgrenzungsmerkmal liegt im Umfang und in der Durchgriffsmöglichkeit für den Gläubiger: Während bei der Bürgschaft sämtliche Einreden des Hauptschuldners gelten, kann der Gläubiger bei der Stadtschaft, je nach Ausgestaltung, auf den Sicherungsgeber „direkt“ zugreifen.

Anwendungsbereiche der Stadtschaften

Zivilrecht

Im BGB finden sich Regelungen zu Stadtschaften insbesondere im Zusammenhang mit Sicherungsübereignungen, Garantien und Schuldbeitritten. In der Praxis stammt die Hauptbedeutung der Stadtschaft aus dem Bereich der Sicherungsmodern, bei denen Dritte für die Verpflichtungen des Schuldners haften.

Handelsrecht

Im Handelsrecht sind Stadtschaften relevant, wenn beispielsweise im Zusammenhang mit Wechseln oder Schecks Sicherheiten gestellt werden. Hierbei übernimmt ein Dritter (meist eine Bank) die Verpflichtung, die Zahlungsverbindlichkeit zu erfüllen, sofern der Hauptschuldner ausfällt.

Bankaufsichtsrecht und Pfandbriefe

Das Pfandbriefgesetz enthält spezifische Bestimmungen für Stadtschaften: Banken dürfen bei der Emission von Pfandbriefen Stadtschaften eingehen, um für bestimmte Forderungen Sicherheit zu leisten. Die Stadtschaft fungiert hier als Garantiefunktion im Rahmen der Sicherstellung der Abdeckung der Bankforderungen.

Öffentliches Recht und Zwangsvollstreckung

Im öffentlichen Recht und im Zwangsvollstreckungsrecht kann eine Stadtschaft als Sicherungsleistung verlangt werden. So kann die Vollstreckungsbehörde beispielsweise eine Stadtschaft fordern, bevor bestimmte Maßnahmen ausgesetzt werden oder eine Vollstreckung einstweilen eingestellt wird.

Rechtsfolgen und Wirkungen

Haftung und Regress

Der Stadthafter haftet unmittelbar gegenüber dem Gläubiger, sobald die gesicherte Forderung nicht erfüllt wird. Allerdings besitzt der Stadthafter nach der Befriedigung des Gläubigers das Recht, Rückgriff beim Hauptschuldner zu nehmen. Dies entspricht dem Grundgedanken des Sicherungsmittels: Die Stadtschaft soll den Gläubiger vor dem Risiko des Forderungsausfalls schützen.

Einreden und Einwendungen

Der Umfang der zulässigen Einreden und Einwendungen des Stadthafters ist maßgeblich vom Vertragsinhalt und der gesetzlichen Ausgestaltung abhängig. Teilweise kann der Stadthafter dieselben Einreden wie der Hauptschuldner geltend machen, teilweise sind diese ausgeschlossen. Dies ist insbesondere bei der Gestaltung von Verträgen zu beachten.

Beendigung der Stadtschaft

Die Stadtschaft erlischt in der Regel mit der Erfüllung der gesicherten Forderung oder mit deren Untergang. Ebenso können Stadtschaften durch Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Fristablauf enden. Eine klare vertragliche Regelung der Beendigungsmodalitäten ist zu empfehlen.

Stadtschaften im internationalen Kontext

International existieren vergleichbare Institute, beispielsweise im anglo-amerikanischen Recht die Suretyship und die Guarantee, die inhaltlich teils der deutschen Stadtschaft, teils der Bürgschaft entsprechen. In grenzüberschreitenden Rechtsverhältnissen ist daher auf die genaue juristische Ausgestaltung des Sicherungsmittels und dessen Anerkennung im jeweiligen Rechtssystem zu achten.

Fazit und Bedeutung der Stadtschaften im Rechtssystem

Die Stadtschaft stellt im deutschen Recht ein flexibles Sicherungsmittel dar, das insbesondere bei komplexen Vertragskonstellationen Anwendung findet. Sie ermöglicht eine unmittelbare Haftung Dritter zugunsten eines Gläubigers, ohne dass die strengen Anforderungen der Bürgschaft greifen. Aufgrund ihrer spezifischen rechtlichen Ausgestaltung und ihrer Vielseitigkeit in verschiedenen Rechtsgebieten ist die Stadtschaft ein wichtiges Instrument zur Risikoabsicherung und Forderungssicherung im deutschen Recht.


Hinweis: Der Begriff „Stadtschaft“ wird in der juristischen Fachliteratur nicht einheitlich verwendet. Synonym werden häufig die Begriffe „Garantie“, „Direktbürgschaft“ oder „Aval“ (insbesondere im Bankwesen) genutzt, was die Einordnung in der Praxis erschweren kann. Bei Unsicherheiten empfiehlt sich die genaue Prüfung der vertraglichen und gesetzlichen Regelungen zur jeweiligen Sicherungsform.

Häufig gestellte Fragen

Wann wird die Stadtschaft im Zivilprozess eingesetzt?

Im Zivilprozess kommt die Stadtschaft insbesondere dann zur Anwendung, wenn formell ein anderer als der materiell Berechtigte einen Anspruch gerichtlich geltend macht. Typisch ist etwa die Prozessstandschaft, in der eine Person (Prozessstandschafter) ohne eigene materielle Berechtigung, aber mit gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Ermächtigung im eigenen Namen ein fremdes Recht einklagt. Voraussetzung ist dabei regelmäßig ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Standschafters oder eine ausdrückliche gesetzliche (z. B. § 265 ZPO) oder vertragliche Regelung. Häufige Anwendungsbeispiele sind die gesetzliche Forderungseinziehung durch Insolvenzverwalter, Pfändungsgläubiger oder Testamentsvollstrecker. Die genaue Abgrenzung zur Prozessvertretung, bei der – anders als bei der Stadtschaft – im fremden Namen gehandelt wird, ist in der rechtlichen Praxis von erheblicher Bedeutung.

Welche gesetzlichen Grundlagen regeln die Stadtschaft?

Im deutschen Recht existiert keine umfassende, eigenständige gesetzliche Regelung der Stadtschaft. Einzelne Vorschriften finden sich jedoch in verschiedenen Gesetzen, beispielsweise in der Zivilprozessordnung (ZPO), im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder in Spezialgesetzen. Typische gesetzliche Grundlagen sind etwa § 265 ZPO (Prozessführung bei Rechtsnachfolge), § 80 InsO (Befugnisse des Insolvenzverwalters), oder § 2212 BGB (Handeln des Testamentsvollstreckers). Daneben hat sich die sog. gewillkürte Stadtschaft, die vertraglich oder durch Ermächtigung entsteht, in der Rechtsprechung und Literatur entwickelt. Maßgeblich für die Zulässigkeit gewillkürter Stadtschaft ist, dass eine eigene, nach außen erkennbare Berechtigung des Standschafters an der Rechtsdurchsetzung besteht.

Welche Rechte hat der Standschafter im Verfahren?

Der Standschafter, der im Rahmen einer Stadtschaft tätig wird, übt im eigenen Namen fremde Rechte aus und ist daher Partei im juristischen Sinne. Er hat – mit Ausnahme von höchstpersönlichen Rechten – sämtliche prozessualen Befugnisse, etwa: Klageerhebung, Anerkennen oder Bestreiten von Ansprüchen, Abschluss von Vergleichen sowie Einlegung von Rechtsmitteln. Ihm stehen sämtliche Verteidigungs- und Gestaltungsmöglichkeiten offen; alle Wirkungen des gerichtlichen Verfahrens (insbesondere das Urteil) entfalten jedoch unmittelbar Wirkung für und gegen den materiell Berechtigten. Der Standschafter muss die Prozessvertretung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Beauftragten führen und hat über den Verlauf und das Ergebnis des Verfahrens Rechenschaft abzulegen.

Kann der Prozessgegner Einwendungen gegen die Stadtschaft erheben?

Der Prozessgegner ist berechtigt, die Zulässigkeit der Stadtschaft zu überprüfen und Einwendungen zu erheben, wenn Zweifel an deren Voraussetzungen bestehen, insbesondere hinsichtlich der Aktivlegitimation. In der Praxis verlangt das Gericht, dass die Berechtigung zur Standtschaft – sei es gesetzlich, sei es durch Ermächtigung – substanziiert dargelegt und ggf. nachgewiesen wird. Fehlen die Voraussetzungen, kann dies zur Unzulässigkeit der Klage führen. Allerdings darf sich der Beklagte dabei nicht auf Einwendungen beschränken, die nur den Standschafter persönlich betreffen, sondern muss auf das dem materiell Berechtigten zustehende Recht abstellen. Besonderheiten ergeben sich etwa im Falle zwischenzeitlicher Rechtsnachfolge oder bei Einwendungen, die ausschließlich dem Inhaber des Rechts zustehen.

Welche Bindungswirkung entfaltet das Urteil bei einer Stadtschaft?

Ein Urteil, das in einem Verfahren mit Stadtschaft ergeht, wirkt grundsätzlich unmittelbar für und gegen den materiell Berechtigten, nicht jedoch gegen oder für den Standschafter persönlich (Ausnahme: speziell geregelte Fälle). Dies folgt aus dem Prinzip, dass der Standschafter lediglich fremde Rechte prozessual durchsetzt. Die materielle Rechtskraft erstreckt sich demnach auf den Rechtsinhaber, der an das Ergebnis gebunden ist und gegen den gegebenenfalls Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgen können. Der Standschafter selbst wird durch das Urteil nicht haftungsrechtlich verpflichtet, es sei denn, er hat im eigenen Interesse gehandelt oder seine Pflichten verletzt. Dies gilt auch für etwaige negative Feststellungsklagen gegen den Anspruch.

Wann endet die Berechtigung zur Stadtschaft?

Die Berechtigung zur Stadtschaft endet grundsätzlich mit dem Wegfall der rechtlichen oder tatsächlichen Grundlage der Standschaft. Im Falle der gesetzlichen Standschaft ist dies etwa die Beendigung des Amtes (z. B. Abschluss des Insolvenzverfahrens, Ende der Testamentsvollstreckung). Bei gewillkürter Standschaft kann der Entzug der Ermächtigung oder die erfolgreiche Geltendmachung des Rechts durch den materiell Berechtigten gegenüber dem Schuldner den Standschafter seines Amtes entheben. Während eines laufenden Prozesses kann die Standschaft bei Wegfall ihrer Voraussetzungen zur Unterbrechung oder zur Beendigung des Verfahrens führen, was das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat. Die Auswirkungen auf bereits abgeschlossene Rechtsgeschäfte oder Urteile richten sich nach den allgemeinen Regeln der Rechtskraft und des Vertrauensschutzes.

Welche Rolle spielt die Stadtschaft im Verhältnis zur gewillkürten Prozessvertretung?

Die Stadtschaft ist von der gewillkürten Prozessvertretung klar abzugrenzen. Während der Standschafter im eigenen Namen handelt, tritt ein Prozessvertreter (z. B. ein Anwalt auf Grundlage einer Vollmacht) im fremden Namen auf. Die Zulässigkeit der gewillkürten Stadtschaft hängt davon ab, dass der Standschafter nicht ausschließlich im Auftrag und Interesse des Rechtsinhabers tätig wird, sondern ein eigenes, schutzwürdiges Interesse vorliegt und dieser offen erkennbar im eigenen Namen auftritt. Nur dann kann eine etwaige Rechtskraft des Urteils auch auf den materiell Berechtigten wirken. Im Gegensatz dazu entfalten Handlungen eines Prozessvertreters unmittelbar nur Wirkung für den Vertretenen, nicht aber für den Vertreter selbst. Diese Unterscheidung ist insbesondere für die Haftung, die Rechtssicherheit und die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung von entscheidender Bedeutung.