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Staatsschutzkammer


Staatsschutzkammer

Die Staatsschutzkammer ist eine besondere Spruchkammer am Landgericht, die für Strafsachen mit besonderer Bedeutung für die innere oder äußere Sicherheit des Staates zuständig ist. Ihre rechtlichen Grundlagen, Zuständigkeiten, Verfahren und Besonderheiten machen sie zu einem zentralen Element des deutschen Strafverfahrensrechts, insbesondere im Zusammenhang mit Delikten gegen den Staat und der Terrorismusbekämpfung.


Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Verankerung

Die Staatsschutzkammer ist in der Strafprozessordnung (StPO) sowie im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) verankert. Maßgeblich sind insbesondere:

  • § 74a GVG: Legt die Zuständigkeit und Zusammensetzung der Staatsschutzkammer fest.
  • § 120 GVG: Bestimmt die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte (OLG) bei besonders schweren Staatsschutzdelikten.

Die Staatsschutzkammern werden an ausgewählten Landgerichten eingerichtet und unterstehen besonderen Regelungen hinsichtlich Besetzung, Verfahren und Besonderelementen der Prozessführung.


Zuständigkeit der Staatsschutzkammer

Sachliche Zuständigkeit

Die sachliche Zuständigkeit der Staatsschutzkammern umfasst insbesondere Straftaten, deren Verfolgung einen besonderen Schutz des Staates betrifft. Dazu zählen u.a.:

  • Straftaten gemäß dem 31. bis 32. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB), z.B. Hochverrat (§§ 81 ff. StGB), Landesverrat (§§ 94 ff. StGB) und Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates.
  • Delikte aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität (PMK), insbesondere Terrorismus, Spionage, Bildung und Unterstützung terroristischer Vereinigungen.

Örtliche Zuständigkeit

Grundsätzlich richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Tatortprinzip. Bei besonderen Staatsschutzstrafverfahren kann die Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren an ein anderes – örtlich zuständiges oder besonders bestimmtes – Landgericht verweisen.


Zusammensetzung der Staatsschutzkammer

Besetzung

Gemäß § 74a Abs. 1 GVG ist eine Staatsschutzkammer i.d.R. mit drei Berufsrichterinnen oder Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richterinnen oder Richtern (Schöffen) besetzt. In Fällen, in denen das Verfahren weniger schwer wiegt, kann die Kammer auf ein kleineres Richtergremium reduziert werden.

Spezifische richterliche Erfahrung

Das Gericht wählt die Mitglieder einer Staatsschutzkammer nach deren besonderer Erfahrung und Befähigung im Umgang mit empfindlichen Staatsschutzstrafverfahren aus. Dies gewährleistet eine sachgerechte Bearbeitung der häufig komplexen und mit erheblichen Sicherheitsanforderungen verbundenen Strafverfahren.


Aufgaben und Verfahren

Besondere Aufgaben

Die Staatsschutzkammer entscheidet als erste Instanz über Anklagen, die sich auf staatsgefährdende Straftaten beziehen. Ihre Verfahren zeichnen sich in der Regel durch erhöhten Ermittlungs- und Begründungsaufwand, die Notwendigkeit besonderer sicherheitsrechtlicher Maßnahmen und ein sensibles Beweismanagement aus.

Verfahrensrechtliche Besonderheiten

Die Verfahren vor der Staatsschutzkammer unterscheiden sich in mehrfacher Hinsicht von allgemeinen Strafverfahren:

  • Erweiterte Anklagebefugnis: Die Bundesanwaltschaft ist befugt, bei Staatsschutzdelikten Anklage zu erheben.
  • Maßnahmen zum Schutz von Zeugen: Es kommen besondere Vorschriften hinsichtlich Zeugenschutz, Anonymisierung und Schutzmaßnahmen im Gerichtssaal zur Anwendung.
  • Vertraulichkeitsanforderungen: Die Behandlung von Verschlusssachen und sensiblen Daten erfordert spezielle Handhabung und Verfahrensordnung.
  • Sicherheitsvorkehrungen: Hohe Sicherheitsstufen im und um den Gerichtssaal sind üblich, etwa Einlasskontrollen und verstärkter Polizeischutz.

Rechtsmittel und Revision

Urteile der Staatsschutzkammer unterliegen den allgemeinen Vorschriften der StPO; insbesondere ist die Revision zum Bundesgerichtshof eröffnet. In bestimmten Fällen besteht auch die Möglichkeit der sofortigen Beschwerde gegen Entscheidungen, zum Beispiel bei der Ablehnung von Beweisanträgen.


Abgrenzung zu anderen Gerichten

Staatsschutzsenate am Oberlandesgericht

Für besonders schwerwiegende Fälle besteht eine Zuständigkeit der Staatsschutzsenate bei den Oberlandesgerichten. Diese sind für Delikte zuständig, deren Auswirkungen oder Bedeutung den Zuständigkeitsbereich der Staatsschutzkammern überschreiten (siehe § 120 GVG).

Abgrenzung zur Großen Strafkammer

Während die Große Strafkammer allgemeine Strafsachen verhandelt, ist die Staatsschutzkammer ausschließlich für Staatsschutzdelikte vorgesehen. Die Zuweisung erfolgt durch die Generalstaatsanwaltschaft oder aufgrund gesetzlicher Vorgaben.


Bedeutung in der Praxis

Terrorbekämpfung

Im Rahmen der Bekämpfung des internationalen Terrorismus kommt den Staatsschutzkammern eine erhebliche Bedeutung zu. Sie verhandeln Verfahren mit hoher Öffentlichkeitswirksamkeit und gesellschaftlicher Relevanz.

Schutz der Staatsorgane und rechtsstaatlicher Prinzipien

Die Staatsschutzkammern tragen zum Schutz elementarer Verfassungsprinzipien und der Sicherheit des Staates bei, indem sie strafrechtliche Sanktionen für Angriffe auf die demokratische Grundordnung, die freiheitliche Verfassungsordnung und die staatliche Souveränität vorsehen.


Literatur und weiterführende Normen

  • Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), insbesondere §§ 74a, 120 GVG
  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Strafgesetzbuch (StGB), insbesondere §§ 81 ff., 94 ff., 129a, 129b StGB
  • Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG)

Zusammenfassung

Die Staatsschutzkammer ist als besondere Kammer am Landgericht integraler Bestandteil des Strafverfahrens für besonders schwere oder politisch motivierte Straftaten zum Schutz des Staates. Sie zeichnet sich durch eine spezifische sachliche und personelle Zuständigkeit, besondere Verfahren und hohe Sicherheitsanforderungen aus. Ihr Aufgabenbereich deckt ein breites Spektrum von Delikten ab, die sich gegen die staatliche Integrität und rechtsstaatliche Ordnung richten, und sichert so fundamentale Staatsinteressen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben und Zuständigkeiten hat eine Staatsschutzkammer?

Die Staatsschutzkammer ist eine besondere Kammer bei den Landgerichten in Deutschland, die auf Basis der §§ 74a, 74c, 120 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz) eingerichtet wird. Ihre Hauptaufgabe ist die Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen, die sich gegen die innere oder äußere Sicherheit des Staates richten. Dazu gehören unter anderem Verfahren wegen Hochverrats, Spionage, Terrorismus, staatsgefährdender Gewalttaten, verfassungsfeindlicher Vereinigungen sowie Strafsachen nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Darüber hinaus werden der Staatsschutzkammer auch bestimmte Straftaten gegen ausländische Staaten oder internationale Organisationen zugewiesen, sofern sie die genannten Qualifikationen erfüllen. Die Staatsschutzkammer ist sachlich und teilweise auch örtlich für diese Delikte zuständig, was eine Konzentration von Kompetenz und Erfahrung in besonders sensiblen Verfahren sicherstellen soll.

Wie ist die Staatsschutzkammer personell besetzt?

Staatsschutzkammern sind grundsätzlich mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Damit unterscheiden sie sich von der kleinen Strafkammer, die lediglich mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt ist. Der Vorsitz obliegt üblicherweise einem besonders erfahrenen Richter, dem sogenannten Vorsitzenden der Kammer. Aufgrund der Komplexität und Bedeutung der Verfahren verfügen die Richter über spezielles Fachwissen in den Bereichen des Staats- und Völkerstrafrechts, oft auch über einschlägige Erfahrungen mit politisch oder gesellschaftlich hochsensiblen Verfahren. Die Zusammensetzung kann im Einzelfall durch besondere gesetzliche Regelungen, etwa zur Entlastung der Justiz, abweichen.

Unter welchen Voraussetzungen wird ein Verfahren der Staatsschutzkammer zugewiesen?

Die staatsschutzrechtlichen Zuständigkeiten sind abschließend im Gerichtsverfassungsgesetz geregelt. Ein Verfahren wird der Staatsschutzkammer zugewiesen, wenn Anklagepunkte vorliegen, die sich auf die in §§ 74a oder 74c GVG genannten Delikte beziehen. Voraussetzung ist, dass entweder eine erhebliche Gefährdung der Sicherheit des Staates oder seiner Einrichtungen im Raum steht oder ein anders geartetes öffentliches Interesse an einer zentralen und spezialisierten Rechtsprechung gegeben ist. Die Zuweisung erfolgt bei Gerichten mit mehreren Kammern durch einen richterlichen Geschäftsverteilungsplan, der die Spezialisierung und Unabhängigkeit der für Staatsschutzsachen zuständigen Richter sicherstellen soll.

Welche Besonderheiten gelten hinsichtlich des Verfahrensablaufs vor der Staatsschutzkammer?

Der Ablauf staatschutzrechtlicher Strafverfahren unterscheidet sich in einigen Aspekten von herkömmlichen Strafverfahren, insbesondere aufgrund der Sensibilität der verhandelten Sachverhalte. Verfahren vor der Staatsschutzkammer werden unter Umständen unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt. Außerdem können gemäß § 95 GVG bestimmte, dem Schutz des Staatswohls dienende Maßnahmen wie die Ausschließung der Öffentlichkeit oder Zeugenschutzregelungen angeordnet werden. In einigen Fällen besteht auch eine Berichtspflicht gegenüber den Justizministerien der Länder oder des Bundes. Zudem gilt oftmals eine erhöhte Verfahrensbedeutung, weshalb die Verfahren mit besonderem personellen, technischen und organisatorischen Aufwand geführt werden.

Wie ist das Rechtsmittelverfahren bei Urteilen der Staatsschutzkammer ausgestaltet?

Gegen Urteile der Staatsschutzkammer steht in der Regel das Rechtsmittel der Revision offen, die beim Bundesgerichtshof eingelegt werden muss (§ 135 GVG). Damit unterliegen diese Entscheidungen der Überprüfung durch das höchste deutsche Strafgericht. Der Bundesgerichtshof prüft insbesondere die Anwendung des materiellen und formellen Rechts, sodass Fehlanwendungen oder Verfahrensfehler korrigiert werden können. Die besondere Bedeutung der staatsschutzrechtlichen Verfahren zeigt sich auch darin, dass die Revision obligatorisch durch einen Verteidiger zu begründen ist und strenge Fristvorgaben eingehalten werden müssen. Nicht selten nehmen auch spezielle Senate des Bundesgerichtshofs ausschließlich Staatsschutzsachen wahr.

Welche gesetzlichen Regelungen sind maßgeblich für die Staatsschutzkammern?

Die rechtliche Grundlage der Staatsschutzkammern bildet in erster Linie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), insbesondere die §§ 74a, 74c und 120. Ergänzend finden sich relevante Regelungen in der Strafprozessordnung (StPO), etwa zu Verfahrensfragen, dem Schutz von Zeugen oder der Öffentlichkeit. Das materielle Strafrecht ergibt sich wiederum aus dem Strafgesetzbuch (StGB) und besonderen Nebengesetzen wie dem Völkerstrafgesetzbuch oder dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG). Für besonders gelagerte Fälle enthalten auch Sicherheitsgesetze, wie das BKA-Gesetz oder das Bundesverfassungsschutzgesetz, zusätzliche Vorgaben, die im Verfahren Berücksichtigung finden können.

Gibt es besondere Schutz- oder Geheimhaltungsregelungen im Zusammenhang mit der Staatsschutzkammer?

Da die Staatsschutzkammern regelmäßig mit Sachverhalten befasst sind, die ein hohes Maß an Geheimhaltungsinteresse mit sich bringen, bestehen erweiterte rechtliche und organisatorische Schutzmaßnahmen. Hierzu zählen die Möglichkeit, Verhandlungen ganz oder teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführen (§ 172 GVG), der Einsatz von verdeckten Ermittlern und die Anordnung von Zeugenschutzmaßnahmen. Insbesondere der Umgang mit Verschlusssachen und geheimdienstlichen Erkenntnissen unterliegt strikten gesetzlichen Regelungen, welche die Rechte der Beteiligten und der Angeklagten einerseits und das Staatswohl andererseits in ein ausgewogenes Verhältnis setzen. In vielen Verfahren werden zudem nur ausgewählte Prozessbeteiligte über bestimmte Inhalte informiert, während Teile der Verfahrensakte durch Beschluss gesperrt bleiben können.