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Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen


Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen

Begriff und allgemeine Definition

Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen zählen zu den schwersten Straftaten gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung und sind durch ihren Einsatz gefährlicher Stoffe sowie ihr erhebliches Gefährdungspotenzial für Leben, Gesundheit und Sachwerte geprägt. Sie umfassen Delikte, bei denen entweder Sprengstoffe, explosionsgefährliche Stoffe, radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung unter missbräuchlichen oder illegalen Umständen eingesetzt werden. Rechtsgrundlagen, spezielle Tatbestandsmerkmale und Strafrahmen sind im deutschen Strafrecht ebenso gesetzlich normiert wie internationale Regelungen zur Bekämpfung und Verfolgung derartiger Straftaten.


Rechtliche Grundlagen der Sprengstoffverbrechen

Relevante Gesetze und Rechtsquellen

Zu den maßgeblichen Rechtsquellen gehören insbesondere das Strafgesetzbuch (StGB), das Sprengstoffgesetz (SprengG), das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) sowie einschlägige Verordnungen und internationale Abkommen. Zentrale strafrechtsrelevante Vorschriften im Bezug auf Sprengstoffdelikte finden sich in den §§ 308 bis 310 StGB:

  • § 308 StGB – Herbeiführen einer Explosion durch Sprengstoff: Bestraft wird unter anderem das vorsätzliche Herbeiführen einer Explosion, die Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährden kann.
  • § 309 StGB – Missbrauch von explosionsgefährlichen Stoffen: Betrifft den nicht bestimmungsgemäßen Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen.
  • § 310 StGB – Vorbereitung von Explosionsverbrechen durch Sprengstoffe: Sanktioniert wird insbesondere, Sprengstoffe herzustellen, zu erwerben, zu überlassen oder weiterzugeben, um einen Sprengstoffanschlag vorbereiten zu können.
  • Sprengstoffgesetz (SprengG): Regelt die Voraussetzungen für den Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen und sieht straf- sowie bußgeldbewehrte Verbote und Erlaubnispflichten vor.

Tatbestandsvoraussetzungen

Die wichtigsten Tatbestandsmerkmale sind:

  • Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit: Der Täter muss mit Wissen und Wollen oder bedingt vorsätzlich gehandelt haben.
  • Gefährdung von Leben, Gesundheit oder bedeutenden Sachwerten: Bereits die konkrete Gefährdungsschutzpflicht wird durch das Strafrecht als ausreichend angesehen, ein Schaden muss nicht zwangsläufig eingetreten sein.
  • Eigene und fremde Sprengstoffe: Ob es sich um amtlich hergestellte oder illegal gehandelte Stoffe handelt, ist für die Strafbarkeit nachrangig.

Strafrahmen und Sanktionen

Das Strafmaß variiert je nach Schwere des Tatbestands und der daraus resultierenden Gefährdung. Für besonders schwere Fälle von Sprengstoffverbrechen sind Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren oder lebenslang möglich. Bei weniger schwerwiegenden Fällen können Strafen ab sechs Monaten zur Anwendung kommen. Das Gesetz sieht zudem die Möglichkeit des erweiterten Verfalls und Einziehung, insbesondere der verwendeten Gefahrstoffe, vor.


Rechtliche Aspekte von Strahlungsverbrechen

Rechtsquellen und Abgrenzung zu Sprengstoffdelikten

Strahlungsverbrechen sind im Strafgesetzbuch hauptsächlich in § 311 StGB und ergänzend im Atomgesetz (AtG) geregelt. Sie umfassen Straftaten, in denen ionisierende, radioaktive oder andere gesundheitsgefährdende Strahlen vorsätzlich oder fahrlässig zum Einsatz kommen.

  • § 311 StGB – Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion durch Kernenergie/Strahlung: Tatbestände umfassen unter anderem das Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie oder die Freisetzung ionisierender Strahlung, sofern dadurch Leib, Leben oder Sachwerte anderer gefährdet werden.
  • Atomgesetz (AtG): Legt den Umgang, die Beförderung, Lagerung und Entsorgung radioaktiver Stoffe sowie Genehmigungs- und Erlaubnisregelungen fest.
  • Strahlenschutzgesetz (StrlSchG): Regelt den Schutz von Menschen und Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen ionisierender Strahlung.

Tatbestände und Täterverhalten

Die wichtigsten strafbaren Handlungen im Zusammenhang mit Strahlungsverbrechen sind:

  • Vorsätzliche oder fahrlässige Freisetzung radioaktiver Stoffe: Bewusstes Einwirken mit radioaktiven Substanzen auf Menschen, Tiere oder Sachen durch Freisetzen, Lagern, Verbringen oder Behandeln.
  • Unbefugter Umgang und illegaler Handel: Umgang, Besitz oder Handel mit radioaktiven Stoffen ohne gesetzlich erforderliche Genehmigung.
  • Sabotage und Terrorismus: Missbräuchliche Verwendung zur Durchführung terroristischer Akte oder zur gezielten Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.

Strafrahmen und Sanktionen

Die Ahndung von Strahlungsverbrechen orientiert sich an der Schwere des Vergehens:

  • Freiheitsstrafe: Je nach Konstellation sieht das Gesetz Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren sowie in besonders schweren Fällen lebenslange Freiheitsstrafe vor.
  • Sicherheitsverwahrung und Berufsverbot: Mögliche Nebenfolgen können neben der Freiheitsstrafe auch Sicherheitsverwahrung oder Berufsverbote sein.

Besondere Erscheinungsformen und Abgrenzungen

Verhältnis zu Terrorismus, Sabotage und Kriegsverbrechen

Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen überschneiden sich teilweise mit anderen schwerwiegenden Delikten, etwa im Kontext des internationalen Terrorismus oder der Sabotage kritischer Infrastruktur. Im Kriegsvölkerrecht fallen Handlungen, die Sprengstoffe oder Strahlenwaffen zum Zweck der Massenvernichtung einsetzen, unter das Völkerstrafrecht. In derartigen Fällen kommen zusätzliche strafrechtliche Regelungen und internationale Abkommen zur Anwendung.

Versuch, Vorbereitung und Mittäterschaft

Wesentliche Aspekte liegen auch in den Bereichen Vorbereitung, Versuch und Beteiligung:

  • Vorbereitungshandlungen: Bereits die Vorbereitung, wie Herstellung, Erwerb oder Überlassung von Gefahrstoffen, ist strafbar.
  • Versuch und Vollendung: Der Versuch eines Sprengstoff- oder Strahlungsverbrechens ist – unabhängig von einer tatsächlichen Schadenseinwirkung – strafbar.
  • Beteiligungsformen: Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe werden gleichermaßen umfassend sanktioniert.

Präventive und repressive Maßnahmen

Sicherheitstechnische und polizeiliche Maßnahmen

Zur Verhinderung und Aufklärung dieser Verbrechen existieren umfangreiche Regelungen, darunter:

  • Erlaubnispflichten und Überwachung: Strenge staatliche Genehmigungsverfahren für Herstellung, Erwerb und Besitz von Sprengstoffen und radioaktiven Stoffen.
  • Identitäts- und Zuverlässigkeitsprüfungen: Überwachung von Personen und Unternehmen, die mit gefährlichen Stoffen umgehen.
  • Polizeiliche Maßnahmen und Überwachung: Ermöglichung präventiver Maßnahmen, wie Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Observation.

Internationale Zusammenarbeit

Angesichts der grenzüberschreitenden Gefahr stellt die internationale Zusammenarbeit einen wesentlichen Aspekt dar. Institutionen wie die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), INTERPOL und Europol unterstützen bei der Überwachung, Verfolgung und Bekämpfung entsprechender Delikte. Abkommen wie das Internationale Übereinkommen zum Schutz vor Kernmaterial (NPT, CWC) ergänzen die nationalen Regelungen.


Strafprozessuale Besonderheiten

Beweisführung und Ermittlungsverfahren

Straftaten mit Sprengstoff- oder Strahlenhintergrund zeichnen sich durch besondere Anforderungen an die Beweissicherung und das Ermittlungsverfahren aus, da neben kriminaltechnischen Analysen auch radiologische und chemische Gutachten eine erhebliche Rolle spielen. Die enge Zusammenarbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft, technischen Überwachungsstellen und internationalen Stellen ist hierbei von zentraler Bedeutung.


Zusammenfassung

Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen gehören zu den gravierendsten Gefährdungsdelikten im deutschen und internationalen Strafrecht. Sie unterliegen strengsten gesetzlichen Regeln, umfassen umfassende Strafrahmen und werden durch präventive sowie repressive Maßnahmen begleitet, um sowohl die Allgemeinheit als auch den Einzelnen vor erheblichen Schäden an Leib, Leben und Umwelt zu schützen. Aufgrund ihrer Relevanz für die öffentliche Sicherheit und ihres hohen Schadenpotenzials erfolgt ihre strafrechtliche Verfolgung in besonderem Maße auch durch internationale Zusammenarbeit und spezialisierte Ermittlungsbehörden.

Häufig gestellte Fragen

Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen bei dem unbefugten Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen?

Der unbefugte Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen ist in Deutschland nach dem Sprengstoffgesetz (SprengG) und darüber hinaus nach dem Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Gemäß § 40 SprengG macht sich strafbar, wer ohne erforderliche Erlaubnis Sprengstoffe herstellt, bearbeitet, verarbeitet, erwirbt, verwahrt, verwendet, verbringt, vernichtet oder damit Handel treibt. Die Tat kann mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. In besonders schweren Fällen, zum Beispiel wenn durch die Tat Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdet wird, kann die Strafe deutlich höher ausfallen. Eine solche Tat kann auch nach § 308 oder § 310 StGB (Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion bzw. Vorbereitung eines Explosionsverbrechens) verfolgt werden, was im Extremfall sogar eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe nach sich ziehen kann. Neben der Hauptstrafe kommen häufig weitere Maßnahmen wie Einziehung des Materials oder berufsrechtliche Konsequenzen in Betracht.

Welche besondere Bedeutung hat der Begriff der „Gefahr“ im Zusammenhang mit Strahlungsverbrechen?

Der Begriff der „Gefahr“ spielt im Zusammenhang mit Strahlungsverbrechen eine zentrale Rolle, insbesondere bei der Bewertung von Rechtsverletzungen nach dem Strafgesetzbuch (§ 309 StGB, Herbeiführen einer Explosion durch Kernenergie) und dem Strahlenschutzgesetz (StrlSchG). Maßgeblich ist hierbei das tatsächliche oder beabsichtigte Freisetzen radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung in einer Weise, die zur konkreten Gefahr für Leben, Gesundheit oder bedeutende Sachwerte führen kann. Strafbar sind nicht nur der tatsächliche Eintritt eines Schadens, sondern bereits die Schaffung einer Risiko- oder Gefährdungssituation, unabhängig davon, ob es tatsächlich zu physischen Schäden kommt. Die rechtliche Einordnung richtet sich nach dem Gefährdungsgrad – wurde eine abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit oder konkret für Einzelpersonen geschaffen, kann bereits der Versuch strafbar sein.

Inwiefern unterscheiden sich Versuch und Vollendung bei Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen rechtlich?

Aus rechtlicher Sicht sind sowohl der Versuch als auch die Vollendung von Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen strafbar, wobei die Unterscheidung erhebliche Auswirkungen auf das Strafmaß haben kann. Der Versuch beginnt, sobald der Täter nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt, § 22 StGB. Bei besonders gefährlichen Delikten wie Sprengstoffdelikten (§ 308 StGB) und Strahlungsverbrechen (§ 309 StGB) ist bereits die Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich geregelt, und der Gesetzgeber sieht durch die besondere Gefahrenlage einen erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt auch im Versuchsstadium. Die Vollendung liegt vor, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, zum Beispiel eine Explosion tatsächlich herbeigeführt oder gefährliche Strahlung freigesetzt wurde. Die Strafe für den Versuch kann gemildert werden, aber bei besonders gefährlichen Taten bleibt das Strafmaß häufig nah am Höchstmaß.

Welche Rolle spielt Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei der Strafbarkeit von Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen?

Für die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen ist in der Regel Vorsatz erforderlich, das heißt, der Täter muss mit Wissen und Wollen gehandelt haben. Neben dem direkten Vorsatz erfasst das Strafgesetzbuch auch Eventualvorsatz – es reicht aus, wenn der Täter den Erfolg seiner Handlung für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Bei einigen Delikten, insbesondere im Bereich des SprengG und StrlSchG, sind auch fahrlässige Handlungen strafbar, also wenn der Täter die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt und dadurch eine Gefährdung eintritt. Die Abgrenzung erfolgt dabei anhand des konkreten Gesetzeswortlauts; insbesondere § 309 StGB (Strahlungsverbrechen) und § 308 StGB (Sprengstoffverbrechen) sehen sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Tatbegehung als strafbar an, wobei das Strafmaß bei Fahrlässigkeit regelmäßig geringer ausfällt.

Welche besonderen Vorschriften gelten für die Strafverfolgung und das Strafverfahren bei Strahlungsverbrechen?

Die Strafverfolgung und das Strafverfahren bei Strahlungsverbrechen unterliegen teilweise speziellen Vorschriften, da es sich häufig um besonders gefährliche und gesellschaftlich bedeutsame Delikte handelt. Ermittlungen werden meist durch spezialisierte Dienststellen der Polizei und Staatsanwaltschaft geführt, oft unter Einbindung technischer Experten des Bundesamtes für Strahlenschutz oder des Bundeskriminalamtes. Auch bei der Sicherung und Analyse von Spuren kommen Sondervorschriften zur Anwendung, etwa hinsichtlich der Lagerung oder Vernichtung radioaktiver Beweisstücke gemäß Strahlenschutzrecht. Das Strafverfahren selbst kann zur Geheimhaltung gewisser Details oder zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden. Zudem besteht die Möglichkeit präventiver Maßnahmen, wie beispielsweise die Sicherstellung von Vermögenswerten oder die Anordnung von Schutzmaßnahmen für potenziell gefährdete Personen.

In welchen Fällen kommt eine Strafbarkeit nach dem internationalen Strafrecht in Betracht?

Sprengstoff- und Strahlungsverbrechen können auch nach internationalem Strafrecht relevant werden, wenn beispielsweise völkerrechtliche Verträge, wie das Übereinkommen zur Bekämpfung terroristischer Bombenanschläge oder das Nuklearterrorismus-Übereinkommen, betroffen sind. Begibt sich der Täter ins Ausland oder werden grenzüberschreitend Delikte begangen, kann das deutsche Strafrecht nach dem Weltrechtsprinzip (§ 6 Nr. 9 StGB) und völkerrechtlichen Vereinbarungen Anwendung finden, wenn das Delikt geeignet ist, internationale Sicherheitsinteressen zu gefährden. In solchen Fällen sind gegebenenfalls auch internationale Strafgerichte oder Auslieferungsverfahren betroffen, wobei die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden nach internationalen Standards erfolgt.