Begriff und rechtliche Einordnung der Spartenaktie
Die Spartenaktie ist ein spezielles Finanzinstrument im Aktienrecht und bezeichnet eine Aktie, die sich auf einen bestimmten Unternehmensbereich (Sparte, Segment, Geschäftsbereich) eines börsennotierten Unternehmens bezieht. Die Spartenaktie bildet nicht – wie herkömmliche Aktien – unmittelbar das Gesamtergebnis des Unternehmens ab, sondern ist wert- und ertragsmäßig an die Entwicklung eines Teilbereichs gebunden. In der deutschen Rechtspraxis wird die Spartenaktie zum Teil auch als „Tracking Stock“ oder „Segmentaktie“ bezeichnet.
Im Folgenden wird der Begriff der Spartenaktie umfassend, mit besonderem Fokus auf die rechtlichen Grundlagen, die praktische Ausgestaltung, deren Bedeutung im Kapitalmarktrecht sowie zentrale rechtliche Streitfragen dargestellt.
Grundlagen: Aktienrechtlicher Rahmen
Aktiengattung und Sonderrechte
Im Aktienrecht werden verschiedene Aktiengattungen unterschieden, darunter Stammaktien, Vorzugsaktien und Namensaktien. Die Spartenaktie ist rechtlich keine eigene Aktiengattung, sondern wird als Sonderform klassifiziert, die mit besonderen Vermögens- und Verwaltungsrechten ausgestattet sein kann. Spartenaktien können sich durch spezielle Gewinn- und Stimmrechte oder abweichende Dividendenausschüttungen auszeichnen, die ausschließlich den von der Sparte erwirtschafteten Gewinn betreffen.
Emissionsvoraussetzungen
Die Emission von Spartenaktien setzt grundsätzlich die Änderung der Satzung der Aktiengesellschaft voraus. Nach § 23 Aktiengesetz (AktG) ist für jede Veränderung der Aktionärsrechte eine entsprechende Satzungsänderung durch die Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit erforderlich. Besondere Bedeutung kommt der klaren Abgrenzung und Definition der betroffenen Sparten innerhalb der Satzung zu, um Transparenz für die Anteilseigner sicherzustellen.
Regelungen im deutschen und europäischen Recht
Zulässigkeit und Ausgestaltung
Das deutsche Aktiengesetz sieht die Spartenaktie als solche nicht explizit vor. Ihre Einführung erfolgt faktisch über eine Kombination verschiedener gesellschaftsrechtlicher und kapitalmarktrechtlicher Regelungen, vor allem durch die satzungsmäßige Festschreibung der Rechte der Spartenaktionäre. Gemäß § 54 AktG können unterschiedliche Rechte und Pflichten mit Aktien verknüpft werden, sofern die Satzung dies vorsieht. Die konkrete Gestaltung der Spartenaktie und ihrer Rechte obliegt weitgehend der gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsfreiheit, ist jedoch an die allgemeinen zwingenden Vorschriften des Aktiengesetzes gebunden.
Kapitalmarktrechtliche Anforderungen
Die Emission von Spartenaktien unterliegt den allgemeinen kapitalmarktrechtlichen Vorgaben, insbesondere den Vorschriften des Wertpapierprospektgesetzes (WpPG), der EU-Prospektverordnung (VO (EU) 2017/1129), sowie den Transparenz- und Publizitätspflichten nach Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Insbesondere sind potenzielle Anleger im Wertpapierprospekt über die spezifischen Chancen und Risiken sowie die abweichende Gewinnbeteiligung der Spartenaktien ausführlich zu informieren.
Rechte und Pflichten der Spartenaktionäre
Gewinnbezugsrechte
Spartenaktien gewähren im Regelfall einen Anspruch auf den Gewinn, der aus dem jeweiligen Unternehmenssegment resultiert. Die genaue Berechnung der „spartenbezogenen“ Dividende erfolgt nach den in der Satzung oder im Emissionsprospekt festgelegten Kriterien. Überschüsse oder Verluste anderer Segmente bleiben bei der Berechnung außer Betracht.
Stimmrechte
Die Spartenaktie kann mit vollen Stimmrechten in der Hauptversammlung versehen sein, gewöhnlich jedoch werden die Mitsprache- und Stimmrechte auf das betreffende Segment beschränkt oder sind modifiziert. Auch eine vollständige Stimmrechtslosigkeit ist gesellschaftsrechtlich zulässig, sofern dies in der Satzung geregelt ist und die gesetzlichen Mindeststandards des § 12 AktG beachtet werden.
Mitverwaltungsrechte
Neben den Grundrechten der Aktionäre (z.B. Teilnahme an der Hauptversammlung, Auskunftsrecht gemäß § 131 AktG), können den Inhaberinnen und Inhabern von Spartenaktien zusätzlich besondere Mitverwaltungsrechte eingeräumt werden, etwa das Vorschlagsrecht bestimmter Vorstandsmitglieder, die für das jeweilige Segment zuständig sind.
Praktische Anwendungsfälle und Motive
Zweck und Zielsetzung
Unternehmen nutzen Spartenaktien, um die spezifische Wertentwicklung eines Teilbereichs am Kapitalmarkt sichtbar und handelbar zu machen. Typische Motive sind die Erhöhung der Transparenz, die gezielte Kapitalaufnahme für einzelne Geschäftsbereiche, sowie das Steigern des Marktwertes durch eine differenzierte Bewertung aussichtsreicher Sparten.
Beispiele und Abgrenzung
In der internationalen Praxis haben vor allem große Mischkonzerne (z.B. im Technologiebereich oder Telekommunikationssektor) auf die Emission von Spartenaktien zurückgegriffen. Abzugrenzen sind Spartenaktien von konzerninternen Ausgliederungen, wie die Übertragung einer Sparte auf eine rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft.
Steuerliche Grundlagen
Die steuerliche Behandlung von Spartenaktien erfolgt analog zu anderen Aktien, wobei spezifische Besonderheiten bei der Zurechnung von Gewinnausschüttungen auf Ebene des (Mit-)Unternehmens sowie für die persönliche Ertragsbesteuerung der Anteilseigner zu beachten sind. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sind zusätzliche steuerrechtliche Vorschriften des internationalen Steuerrechts zu berücksichtigen.
Spartenaktien im Kontext von Übernahme- und Umwandlungsrecht
Bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen, Unternehmensumwandlungen oder Übernahmevorgängen kann die Präsenz von Spartenaktien erhebliche rechtliche Auswirkungen auf die Stimmrechtsverhältnisse und die Durchführung von Hauptversammlungsbeschlüssen haben. Die Rechte der Spartenaktionäre sind insbesondere bei Verschmelzungen und Spaltungen zu wahren (§§ 222 ff. Umwandlungsgesetz, UmwG).
Risiken und rechtliche Streitfragen
Transparenz- und Informationspflichten
Ein zentrales Risiko bei Spartenaktien stellen Interessenkonflikte zwischen den Inhaberinnen und Inhabern von Spartenaktien und den Stammaktionären dar. Insbesondere ist eine transparente und nachvollziehbare Ex-Post-Berichtserstattung über die wirtschaftliche Entwicklung der jeweiligen Sparte rechtlich geboten.
Minderheitsrechte und Gleichbehandlungsgrundsatz
Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Aktionäre (§ 53a AktG) ist auch im Kontext von Spartenaktien zu gewährleisten. Das Recht auf angemessene Beteiligung am Liquidationserlös sowie auf Gleichbehandlung bei unternehmensweiten Beschlussfassungen sind durch ergänzende Satzungsregelungen zu sichern.
Internationale Perspektive und Rechtsvergleich
Im angloamerikanischen Raum sind sogenannte „Tracking Stocks“ rechtlich und wirtschaftlich verbreiteter als in Deutschland. In den USA etwa unterliegt die Emission dieser Aktiengattung den Regeln der Securities and Exchange Commission (SEC), mit umfangreichen Offenlegungspflichten und besonderen Anforderungen an die Segmentberichterstattung.
Fazit
Die Spartenaktie ist ein rechtlich hochkomplexes Instrument, das Unternehmen ermöglicht, einzelne Geschäftsbereiche durch gesonderte Aktiengattungen separat am Kapitalmarkt zu vertreten. Ihre Einführung und Ausgestaltung erfordert fundierte Kenntnisse der aktien-, kapitalmarkt- und steuerrechtlichen Grundlagen. Eine klare Satzungsregelung, vollständige Information der Aktionäre sowie die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sind zentrale Voraussetzungen für die Zulässigkeit und wirtschaftliche Akzeptanz der Spartenaktie.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist rechtlich zur Ausgabe von Spartenaktien berechtigt?
Die Ausgabe von Spartenaktien ist ausschließlich Aktiengesellschaften (AG) vorbehalten, da nur diese Gesellschaftsform aktienrechtlich zur Emission selbständiger Aktiengattungen berechtigt ist. Hierbei bedarf es einer entsprechenden Regelung sowohl in der Satzung als auch eines expliziten Hauptversammlungsbeschlusses, der mit qualifizierter Mehrheit ergehen muss (§ 179 AktG i.V.m. § 23 AktG). Erst im Zuge einer solchen Satzungsänderung ist es zulässig, Aktien auszugeben, die auf den wirtschaftlichen Erfolg eines abgegrenzten Unternehmensteils (Sparte) Bezug nehmen. Anzumerken ist, dass die rechtlichen Anforderungen an die Satzung exakt definiert sein müssen, etwa im Hinblick auf die Voraussetzungen der Gewinn- und Verlustzurechnung sowie auf mögliche Abweichungen von der Abstimmungsbindung auf der Hauptversammlung (§ 140 ff. AktG). Gesellschaftsrechtlich ist ferner zu beachten, dass die begebenen Spartenaktien auf der rechtlichen Zugehörigkeit zur Einheitsgesellschaft beruhen und gerade nicht Anteile an einer rechtlich verselbständigten Konzern- oder Tochtergesellschaft darstellen.
Welche gesetzlichen Grundlagen sind für Spartenaktien relevant?
Für die rechtliche Gestaltung von Spartenaktien sind insbesondere die Vorschriften des Aktiengesetzes (AktG) relevant, insbesondere zur Schaffung unterschiedlicher Aktiengattungen (§ 11 AktG) sowie zur Ausgestaltung der Rechte und Pflichten, die mit diesen Aktien verbunden sind. Eine zentrale Rolle spielt zudem § 23 Abs. 3 Nr. 5 AktG, wonach die Satzung genaue Angaben zur jeweiligen Aktiengattung und zu damit einhergehenden Rechten und Beschränkungen enthält. Besonderheiten gelten bei der Zuweisung von Gewinnen und Verlusten sowie beim Bezugsrecht und Stimmrecht, wobei stets die Vorschriften zur Gleichbehandlung der Aktionäre (§ 53a AktG) zu wahren sind. Weitere einschlägige Normen ergeben sich aus dem Börsenrecht, sofern Spartenaktien zum Handel zugelassen werden, etwa aus dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG), und aus dem Kapitalanlegerschutzrecht.
Wie werden die Rechte der Spartenaktionäre gegenüber der Hauptgesellschaft gesichert?
Die Rechte der Inhaber von Spartenaktien werden primär durch detaillierte Satzungsbestimmungen gesichert, die eine eindeutige Abgrenzung und Verteilung etwa von Dividendenansprüchen und Mitwirkungsrechten in Bezug auf die jeweilige Unternehmenssparte gewährleisten. Daneben bestehen allgemeine aktienrechtliche Schutzvorschriften wie der Anspruch auf Gleichbehandlung und die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, sollte die Satzung oder das Gesetz verletzt werden. Ergänzend dazu ist gerichtlich überprüfbar, inwieweit die tatsächliche Gewinnzurechnung auf die Spartenaktionäre korrekt erfolgt ist. Die gerichtliche Kontrolle obliegt letztlich den Zivilgerichten, insbesondere im Rahmen des AktG für die Anfechtungsklage (§ 243 AktG) und Sonderprüfungen (§ 142 AktG).
Welche Haftungsrisiken bestehen aus Sicht der Gesellschaft und der Spartenaktionäre?
Aus rechtlicher Sicht besteht für die Gesellschaft ein erhöhtes Haftungsrisiko, sofern sie die in der Satzung niedergelegten Rechte der Spartenaktionäre verletzt oder falsche oder irreführende Angaben zur wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Sparte macht. Spartenaktionäre haben in einem solchen Fall die Möglichkeit, ihre Ansprüche auf Schadensersatz oder Unterlassung geltend zu machen, etwa im Rahmen der Prospekthaftung (§§ 9 ff. WpPG) oder durch Anfechtungsklagen. Für die Spartenaktionäre ist grundsätzlich zu beachten, dass sie ausschließlich Gläubigerrechte gegenüber der Muttergesellschaft, nicht jedoch unmittelbare Ansprüche gegenüber der jeweiligen Sparte oder einem etwaigen Spartenmanagement haben.
Welche Mitspracherechte stehen Spartenaktionären auf der Hauptversammlung zu?
Die Mitspracherechte der Spartenaktionäre richten sich nach den jeweiligen satzungsmäßigen Vereinbarungen und den gesetzlichen Vorgaben. Im Grundsatz gilt, dass Spartenaktien häufig mit abweichenden Stimmrechten ausgestattet sind, etwa mit eingeschränktem oder gar keinem Stimmrecht in gesellschaftsübergreifenden Angelegenheiten, außer wenn satzungsmäßig direkt die jeweilige Sparte betroffen ist. Die uneingeschränkte Mitwirkung der Spartenaktionäre ist allerdings bei sogenannten Sondersachverhalten erforderlich, insbesondere dann, wenn grundlegende Entscheidungen die Sparte oder die ihr zugewiesenen Aktiva wesentlich betreffen. Die Stellung der Spartenaktionäre als Minderheitsaktionäre gemäß § 122 AktG kann dabei besondere Bedeutung erlangen.
Besteht eine Prospektpflicht bei der Emission von Spartenaktien?
Bei der Emission von Spartenaktien im Wege eines öffentlichen Angebots ist regelmäßig ein Wertpapierprospekt gemäß Wertpapierprospektgesetz (WpPG) zu erstellen und durch die zuständige Aufsichtsbehörde (BaFin) zu billigen. Der Prospekt muss sämtliche für Anteilseigner wesentlichen Informationen enthalten, insbesondere zur rechtlichen Ausgestaltung der Spartenaktien, ihrer Risikostruktur und den Grundlagen der Zurechnung wirtschaftlicher Ergebnisse in der jeweiligen Sparte. Eine Ausnahme von der Prospektpflicht besteht nur in eng begrenzten Fällen, etwa bei Privatplatzierungen oder bestimmten Schwellenwerten. Die Einhaltung der Prospektpflicht und die Korrektheit der Angaben unterliegen einer strengen Überwachung und resultieren im Falle von Verstößen in weitreichenden zivilrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Haftungsfolgen.
Welche Besonderheiten gelten bei Umwandlungen oder Strukturmaßnahmen?
Bei Umwandlungen und anderen Strukturmaßnahmen der Gesellschaft, wie etwa Verschmelzungs- oder Spaltungsmaßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG), muss auch die rechtliche Behandlung der Spartenaktien explizit geregelt werden. Dies betrifft insbesondere Fragen der Gleichbehandlung, des Umtauschverhältnisses sowie etwaiger Kompensations- oder Abfindungsansprüche der Spartenaktionäre (§§ 15 ff. UmwG). Die Satzung oder ein im Zuge der Strukturmaßnahme aufzustellendes Umtauschkonzept muss klarstellen, wie die Eigentümer von Spartenaktien am neu entstehenden Rechtsträger beteiligt werden oder ob ihnen ein Bezugsrecht in anderer Form zukommt. In Zweifelsfragen ist eine gerichtliche Prüfung durch das Registergericht oder gegebenenfalls eine Anfechtung vor den ordentlichen Gerichten möglich.