Begriff und Zweck der Sozialen Erhaltungssatzung
Die Soziale Erhaltungssatzung – häufig auch Milieuschutzsatzung genannt – ist ein kommunales Planungsinstrument zum Schutz der Wohnbevölkerung in bestimmten Stadtgebieten. Ziel ist es, die gewachsene Zusammensetzung der Anwohnenden zu bewahren und Verdrängung durch bauliche Aufwertungen, Nutzungsänderungen oder Umwandlungen zu verhindern. Die Satzung legt ein Erhaltungsgebiet fest, in dem bestimmte bauliche Maßnahmen und Nutzungsänderungen einer behördlichen Genehmigung bedürfen.
Im Mittelpunkt steht nicht der Schutz einzelner Gebäude, sondern die soziale Struktur eines Quartiers. Die Kommune steuert hierzu bauliche Entwicklungen, die erfahrungsgemäß zu deutlichen Mietsteigerungen oder zum Verlust preisgünstigen Wohnraums führen können.
Rechtsnatur und Wirkungsweise
Die Soziale Erhaltungssatzung ist eine allgemeine, für alle im Gebiet geltende Regelung der Gemeinde. Sie entfaltet ihre Wirkung über einen Genehmigungsvorbehalt: Bestimmte Vorhaben sind nur mit behördlicher Zustimmung zulässig. Die Entscheidung erfolgt nach einer Abwägung, ob das Vorhaben die Ziele des Milieuschutzes gefährdet. Die Eigentumsgarantie bleibt gewahrt; Eingriffe erfolgen in Form von Steuerung und Auflagen, nicht als Entzug des Eigentums.
Die Satzung wirkt ergänzend zu anderen Instrumenten der Stadtentwicklung. Sie regelt weder Mietpreise noch einzelne Mietverhältnisse, sondern setzt an der baulichen Seite an. Von gestalterischen Erhaltungssatzungen (die das Stadtbild schützen) ist sie abzugrenzen: Beim Milieuschutz steht die soziale Erhaltungsfunktion im Vordergrund.
Abgrenzung und typische Inhalte
Abgrenzung zu anderen Satzungen
- Soziale Erhaltungssatzung: Schutz der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung, Steuerung von baulichen und nutzungsbezogenen Maßnahmen mit möglicher Verdrängungswirkung.
- Gestalterische Erhaltungssatzung: Schutz des Ortsbilds oder historischer Bausubstanz; Prüfmaßstäbe richten sich nach städtebaulichem Erscheinungsbild, nicht nach sozialen Folgen.
Typische Regelungsinhalte
Im Erhaltungsgebiet sind regelmäßig genehmigungspflichtig:
- Der Abbruch von Wohngebäuden oder Teilen davon.
- Die Änderung der Wohnnutzung, insbesondere Umnutzungen zu nichtwohnlichen Zwecken oder kurzfristiger Beherbergung.
- Grundrissänderungen, Zusammenlegungen und Teilungen von Wohnungen, wenn hierdurch insbesondere kleine, bezahlbare Einheiten entfallen oder deutlich aufgewertet werden.
- Luxuriöse oder umfassende Modernisierungen, die eine erhebliche Anhebung des Ausstattungsniveaus und mittelbar der Mieten erwarten lassen.
- Bauliche Maßnahmen, die die Zahl der Wohnungen verringern oder den Charakter des Wohnraums wesentlich verändern.
Häufig als genehmigungsfähig oder privilegiert gelten, teils mit Auflagen:
- Erhaltungs-, Instandsetzungs- und Sicherheitsmaßnahmen.
- Maßnahmen zur Barrierearmut oder grundlegenden energetischen Verbesserung, sofern sie das Ausstattungsniveau nicht unverhältnismäßig anheben.
- Vorhaben, die keine nachteiligen Auswirkungen auf die soziale Zusammensetzung erwarten lassen oder durch Nebenbestimmungen sozialverträglich ausgestaltet werden können.
Verfahren zur Festsetzung eines Erhaltungsgebiets
Die Gemeinde legt das Gebiet durch Satzungsbeschluss fest. Grundlage ist eine städtebauliche Begründung, die die soziale Situation, Wohnstruktur und Verdrängungsrisiken untersucht. Typisch sind:
- Bestandsaufnahme von Wohnungsgrößen, Ausstattungsstandards, Mieten und Bewohnerstruktur.
- Abgrenzung eines sachgerecht zugeschnittenen Gebietes mit nachvollziehbarer Begründung.
- Politischer Beschluss durch das zuständige kommunale Gremium und ortsübliche Bekanntmachung.
- Regelmäßige Überprüfung, ob die Voraussetzungen fortbestehen; bei Bedarf Anpassung oder Aufhebung.
Zur Vermeidung von Vorwegnahmen kann die Gemeinde bereits während der Vorbereitung interimistische Sicherungen vorsehen. Ab diesem Zeitpunkt greifen in der Praxis oft vorläufige Genehmigungspflichten.
Genehmigungspflichten und Prüfmaßstab
Innerhalb des Erhaltungsgebiets sind genehmigungspflichtige Maßnahmen der zuständigen Behörde anzuzeigen und zu genehmigen. Die Prüfung orientiert sich daran, ob das Vorhaben geeignet ist, die erhaltenswerte Zusammensetzung der Bewohnerschaft zu beeinträchtigen. Wesentliche Kriterien sind die zu erwartenden Mietwirkungen, der Erhalt preisgünstiger Wohnungsgrößen und -ausstattungen sowie der Erhalt der Wohnnutzung.
Genehmigungen können mit Nebenbestimmungen versehen werden, etwa mit Auflagen zur Ausführung, zur Erhaltung der Wohnungsanzahl oder zur Begrenzung bestimmter Effekte. Eine Versagung kommt in Betracht, wenn die Ziele des Milieuschutzes konkret gefährdet wären und die Beeinträchtigung nicht durch Bedingungen oder Auflagen vermieden werden kann. In besonderen Fällen können Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, wenn eine unzumutbare Betroffenheit anders nicht abgewendet werden kann.
Unterlassene Genehmigungen können zu bauaufsichtlichen Maßnahmen und Sanktionen führen. Entscheidungen sind zu begründen und unterliegen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
Verhältnis zu Mietrecht, Umwandlungen und Vorkaufsrecht
Die Soziale Erhaltungssatzung greift nicht in laufende Mietverhältnisse ein und setzt keine Mieten fest. Sie wirkt mittelbar über die Steuerung baulicher Maßnahmen. Das allgemeine Mietrecht bleibt unberührt und gilt unabhängig von der Satzung.
In Erhaltungsgebieten können zusätzliche Genehmigungspflichten für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen bestehen. Die Genehmigung kann versagt werden, wenn durch die Umwandlung Verdrängungstendenzen zu erwarten sind. Zugleich bestehen in vielen Kommunen besondere Prüfkriterien, unter welchen Umständen eine Umwandlung dennoch in Betracht kommt.
Beim Verkauf von Grundstücken oder Gebäuden in Erhaltungsgebieten kann ein besonderes kommunales Vorkaufsrecht bestehen. Es dient der Sicherung der Ziele der Satzung. Häufig wird der Ausübung durch vertragliche Zusagen des Käufers begegnet, die den Schutzzweck absichern und eine Ausübung entbehrlich machen.
Pflichten und Rechte der Beteiligten
- Eigentümerinnen und Eigentümer: Pflicht zur Einholung erforderlicher Genehmigungen; Beachtung von Auflagen; Duldung behördlicher Kontrollen im gesetzlichen Rahmen.
- Bewohnerschaft: Betroffen durch mögliche Bauvorhaben und durch den Schutz vor Verdrängung; in der Regel keine eigene Antragspflicht im Genehmigungsverfahren.
- Gemeinde: Feststellung und Begründung der Erhaltungsziele; rechtmäßige, verhältnismäßige Entscheidungspraxis; Überwachung der Einhaltung und Durchsetzung.
Gegen belastende Verwaltungsentscheidungen stehen die üblichen verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfe offen. Die Rechtmäßigkeit der Satzung und der Einzelentscheidungen kann gerichtlich überprüft werden.
Praktische Auswirkungen und Grenzen
Die Soziale Erhaltungssatzung kann Aufwertungsprozesse verlangsamen, den Bestand bezahlbarer Wohnungen stabilisieren und die soziale Durchmischung bewahren. Ihre Reichweite ist jedoch begrenzt: Markt- und Mietpreisentwicklungen werden nicht unmittelbar reguliert, erforderliche Instandsetzungen bleiben möglich, und die Verwaltung muss jeden Einzelfall sorgfältig abwägen. Der Erfolg hängt von einer fundierten Gebietsabgrenzung, konsistenter Anwendung und regelmäßiger Fortschreibung ab.
Häufig gestellte Fragen
Was ist eine Soziale Erhaltungssatzung?
Es handelt sich um eine kommunale Satzung, die in einem festgelegten Stadtgebiet die soziale Zusammensetzung der Wohnbevölkerung vor Verdrängung schützen soll. Dazu werden bestimmte bauliche Maßnahmen und Nutzungsänderungen genehmigungspflichtig gemacht.
Welche Maßnahmen sind im Erhaltungsgebiet genehmigungspflichtig?
Typischerweise bedürfen Abbrüche, Wohnungszusammenlegungen oder -teilungen, Nutzungsänderungen weg von Wohnzwecken sowie aufwertende Modernisierungen einer Genehmigung. Erhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen sind in der Regel genehmigungsfähig, teils mit Auflagen.
Dürfen Modernisierungen weiterhin durchgeführt werden?
Modernisierungen bleiben grundsätzlich möglich. Entscheidend ist, ob sie die erhaltenswerte soziale Struktur gefährden. Maßnahmen, die vor allem der Instandsetzung, Sicherheit, Barrierearmut oder grundlegenden Energieeffizienz dienen, sind häufig genehmigungsfähig.
Regelt die Soziale Erhaltungssatzung Mieten oder Mietverträge?
Nein. Die Satzung steuert bauliche und nutzungsbezogene Vorhaben, nicht die Miethöhe oder den Inhalt einzelner Mietverträge. Das allgemeine Mietrecht gilt unabhängig davon.
Wie lange gilt eine Soziale Erhaltungssatzung?
Sie gilt, solange die Gemeinde sie aufrechterhält. Es gibt keine feste Laufzeit, jedoch eine regelmäßige Überprüfung, ob die Voraussetzungen weiterhin bestehen.
Kann die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen untersagt werden?
In Erhaltungsgebieten unterliegt die Umwandlung häufig einer besonderen Genehmigung. Sie kann versagt werden, wenn dadurch Verdrängung zu erwarten ist. Es existieren kommunale Kriterien, nach denen im Einzelfall entschieden wird.
Welche Rolle spielt das kommunale Vorkaufsrecht?
Beim Verkauf von Grundstücken oder Gebäuden im Erhaltungsgebiet kann die Gemeinde ein Vorkaufsrecht ausüben, um die Ziele der Satzung zu sichern. Üblich sind vertragliche Zusagen des Käufers, die eine Ausübung entbehrlich machen können.
Welche Rechtsmittel gibt es gegen Entscheidungen im Erhaltungsgebiet?
Gegen behördliche Entscheidungen bestehen die üblichen verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelfe. Sowohl die Satzung als auch einzelne Genehmigungen oder Versagungen können gerichtlich überprüft werden.
 
								 
								 
								 
                                                                                                   