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Sollbesteuerung

Begriff und Grundprinzip der Sollbesteuerung

Die Sollbesteuerung ist ein gesetzlich vorgesehener Grundsatz der Umsatzbesteuerung, bei dem die Steuer grundsätzlich danach bemessen wird, was vertraglich als Entgelt vereinbart ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung. Die Steuer entsteht damit regelmäßig unabhängig davon, wann die Zahlung tatsächlich zufließt. Dieses Prinzip wird häufig als Besteuerung nach vereinbarten Entgelten bezeichnet.

Im Unterschied zur Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (oft als Istbesteuerung bekannt) stellt die Sollbesteuerung auf den Leistungszeitpunkt und die vereinbarte Gegenleistung ab. Dadurch wird die steuerliche Erfassung wirtschaftlicher Vorgänge an die Entstehung der Forderung geknüpft und nicht an den Zahlungseingang.

Abgrenzung zur Istbesteuerung

Zeitpunkt der Steuerentstehung

Unter Sollbesteuerung entsteht die Umsatzsteuer grundsätzlich mit der Ausführung der Leistung. Bei der Istbesteuerung entsteht sie erst, wenn das Entgelt vereinnahmt wird. Anzahlungen bilden eine Besonderheit: Sie führen bereits bei Zufluss zu einer Steuerentstehung, unabhängig davon, ob Soll- oder Istbesteuerung vorliegt.

Auswirkungen auf Abrechnung und Buchführung

Die Sollbesteuerung erfordert eine klare Abbildung des Leistungszeitpunkts, der vereinbarten Entgelte und möglicher Entgeltänderungen (zum Beispiel durch Skonti oder Boni). Die periodengerechte Zuordnung der Umsätze folgt der wirtschaftlichen Leistungserbringung.

Anwendungsbereich

Wer unterliegt der Sollbesteuerung?

Die Sollbesteuerung ist für die meisten umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer der gesetzliche Regelfall. Sie gilt für Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Inland steuerbar und steuerpflichtig sind, soweit nicht besondere Abrechnungsmechanismen eingreifen.

Ausnahmen und Wahlrechte

Vom Regelfall der Sollbesteuerung kann abgewichen werden, wenn gesetzliche Voraussetzungen für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten erfüllt sind und diese angewendet wird. Darüber hinaus bestehen besondere Abrechnungsmechanismen, beispielsweise in Fällen, in denen der Leistungsempfänger die Steuer schuldet.

Zeitpunkt der Steuerentstehung im Detail

Lieferung und sonstige Leistung

Bei der Sollbesteuerung ist der Zeitpunkt der Leistungsausführung bestimmend. Die Steuer entsteht in dem Voranmeldungszeitraum, in dem die Lieferung erfolgt oder die sonstige Leistung erbracht ist. Bei komplexen Sachverhalten ist auf den wirtschaftlichen Abschluss der Leistung abzustellen.

Anzahlungen und Vorauszahlungen

Erhält der leistende Unternehmer einen Teil des Entgelts vor Ausführung der Leistung, entsteht die Steuer insoweit bereits mit Zufluss der Anzahlung. Die spätere Steuer auf die Gesamtleistung wird um die bereits entstandene Steuer aus der Anzahlung ergänzt oder entsprechend abgegrenzt.

Teilleistungen und Dauerleistungen

Wird eine Leistung wirtschaftlich in abgrenzbare Abschnitte unterteilt und jeweils gesondert abgerechnet, liegt eine Teilleistung vor. In diesen Fällen entsteht die Steuer für jeden abgerechneten Teil gesondert mit dessen Ausführung. Bei Dauerleistungen (zum Beispiel wiederkehrende Leistungen über einen längeren Zeitraum) entsteht die Steuer regelmäßig mit dem Ablauf der vereinbarten Abrechnungszeiträume.

Gutschriften und Abrechnung über Dritte

Erfolgt die Abrechnung im Gutschriftverfahren oder über Dritte, bleibt das Prinzip der Sollbesteuerung unberührt. Maßgeblich ist weiterhin der Leistungszeitpunkt, während die Abrechnungsform die Dokumentation und den Nachweis strukturiert.

Bemessungsgrundlage und Entgelt

Entgeltvereinbarung, Rabatte, Skonti, Boni

Die Bemessungsgrundlage ist das Entgelt, das der Leistungsempfänger aufzuwenden hat. Vereinbarte Preisnachlässe wie Rabatte, Skonti oder Boni mindern die Bemessungsgrundlage, sofern sie das endgültige Entgelt betreffen. Nachträgliche Entgeltminderungen werden durch eine entsprechende Rechnungsberichtigung nachvollzogen.

Nebenkosten und Nebenleistungen

Mit der Hauptleistung unmittelbar zusammenhängende Nebenleistungen sowie abgerechnete Nebenkosten gehören grundsätzlich zur Bemessungsgrundlage. Die steuerliche Beurteilung richtet sich nach dem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Hauptleistung und folgt im Regelfall deren steuerlichem Schicksal.

Rechnungsstellung und Nachweisfragen

Pflichtangaben und Bezug zur Sollbesteuerung

Die Rechnung bildet den maßgeblichen Abrechnungsbeleg. Sie muss die wesentlichen Angaben enthalten, die den Leistungszeitpunkt, die Art und den Umfang der Leistung sowie das Entgelt und die Steuer ausweisen. Bei Anzahlungen wird regelmäßig auf den Anzahlungscharakter hingewiesen; bei Teilleistungen auf die jeweilige Teilleistung.

Berichtigungen

Ändert sich die Bemessungsgrundlage nachträglich oder war eine Rechnung fehlerhaft, erfolgt eine Berichtigung. Rechtsfolge ist die Anpassung der Steuer in dem Zeitraum, in dem die Voraussetzungen für die Änderung vorliegen. Die Berichtigung erfordert eine nachvollziehbare Dokumentation.

Sonderkonstellationen

Uneinbringliche Forderungen

Wird eine Forderung ganz oder teilweise uneinbringlich, kann die zuvor entstandene Steuer auf das Entgelt entsprechend korrigiert werden. Dies setzt voraus, dass die Uneinbringlichkeit feststeht. Eine spätere Vereinnahmung führt zu einer erneuten Steuerentstehung in Höhe des tatsächlich vereinnahmten Betrags.

Reverse-Charge-Fälle

In bestimmten Konstellationen schuldet nicht der leistende Unternehmer, sondern der Leistungsempfänger die Steuer. Die Sollbesteuerung betrifft dann nicht die Steuerschuld des Leistenden, wohl aber die korrekte Abrechnung und den Ausweis des Mechanismus in der Rechnung oder Gutschrift.

Grenzüberschreitende Sachverhalte

Bei grenzüberschreitenden Leistungen gelten besondere Orts- und Nachweiskonzepte. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung richtet sich nach dem für die jeweilige Leistung geltenden Regelwerk. Für innergemeinschaftliche Lieferungen und bestimmte sonstige Leistungen sind abweichende Abgrenzungen und Nachweise relevant.

Gutscheine

Bei Gutscheinen hängt der Zeitpunkt der Steuerentstehung davon ab, ob der Gutschein bereits eine eindeutige Zuordnung von Leistung und Steuer zulässt. Ist dies der Fall, kann die Steuer bereits mit Übertragung des Gutscheins entstehen; andernfalls erst mit Einlösung.

Einordnung gegenüber Ertragsteuern

Die Sollbesteuerung ist ein umsatzsteuerlicher Begriff. Sie ist von der Frage zu trennen, nach welchem Prinzip Umsätze und Erträge für Zwecke der Einkommen- oder Körperschaftsteuer erfasst werden. Die Methoden können voneinander abweichen; maßgeblich ist jeweils das einschlägige Steuerrecht des betroffenen Steuerbereichs.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Sollbesteuerung in einfachen Worten?

Bei der Sollbesteuerung entsteht die Umsatzsteuer grundsätzlich mit Ausführung der Lieferung oder Leistung, also wenn der Anspruch auf das Entgelt entsteht. Sie ist nicht davon abhängig, wann das Geld tatsächlich bezahlt wird.

Worin liegt der Unterschied zur Istbesteuerung?

Die Istbesteuerung knüpft an den tatsächlichen Zahlungseingang an. Die Sollbesteuerung knüpft an den Leistungszeitpunkt und das vereinbarte Entgelt an. Dadurch können Steuerentstehung und Zahlung zeitlich auseinanderfallen.

Wann entsteht die Steuer bei Anzahlungen?

Anzahlungen führen bereits beim Zufluss zur Steuerentstehung, und zwar in Höhe des vereinnahmten Teilbetrags. Bei späterer Leistungserbringung wird die zuvor entstandene Steuer berücksichtigt und entsprechend ergänzt oder abgegrenzt.

Wie werden Skonti, Boni und Rabatte berücksichtigt?

Skonti, Boni und Rabatte mindern die Bemessungsgrundlage, sofern sie das endgültige Entgelt betreffen. Die Minderung wird durch eine ordnungsgemäße Rechnungsberichtigung nachvollzogen.

Was passiert, wenn eine Forderung uneinbringlich wird?

Steht fest, dass eine Forderung uneinbringlich ist, kann die zuvor entstandene Steuer auf das Entgelt berichtigt werden. Kommt es später doch zu einer Zahlung, entsteht die Steuer in Höhe des erhaltenen Betrags erneut.

Gilt die Sollbesteuerung auch bei Reverse-Charge?

Bei Reverse-Charge schuldet der Leistungsempfänger die Steuer. Für den leistenden Unternehmer wirkt sich die Sollbesteuerung insoweit nicht als eigene Steuerschuld aus, jedoch bleibt die korrekte Abrechnung maßgeblich.

Welche Rolle spielt die Rechnung bei der Sollbesteuerung?

Die Rechnung dokumentiert die Leistung, das Entgelt und die Steuer. Sie muss die maßgeblichen Angaben enthalten, um die Steuerentstehung und den Vorsteuerabzug beim Empfänger rechtssicher zuzuordnen. Bei Änderungen des Entgelts ist eine Berichtigung erforderlich.