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Sicherungshaft


Begriff und Grundzüge der Sicherungshaft

Die Sicherungshaft stellt eine besondere Form der Freiheitsentziehung im deutschen Recht dar. Sie dient dem Zweck, Menschen unter bestimmten Voraussetzungen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder zur Sicherung von Verwaltungsmaßnahmen ihrer Freiheit zeitweise zu entziehen, ohne dass eine strafrechtliche Verurteilung zugrunde liegt. Rechtliche Grundlagen, Voraussetzungen und Ablauf der Sicherungshaft sind detailliert geregelt und unterliegen hohen rechtsstaatlichen Anforderungen.

Rechtliche Grundlagen der Sicherungshaft

Ordnungswidrigkeitenrecht und Polizei- und Ordnungsrecht

Der Begriff „Sicherungshaft“ ist kein eigenständiger, abschließend geregelter Begriff des deutschen Rechts, sondern beschreibt verschiedene Rechtsinstitute, die dem Schutz der Allgemeinheit oder bestimmten Verwaltungszwecken dienen. Rechtsgrundlagen finden sich im Polizei- und Ordnungsrecht der Länder sowie teilweise im Bundesrecht, etwa im Aufenthaltsgesetz im Zusammenhang mit ausländerrechtlichen Maßnahmen.

Typische Fallgruppen sind:

  • Sicherungshaft nach den Polizeigesetzen der Länder („präventive Haft“)
  • Sicherungshaft zur Durchsetzung aufenthaltsrechtlicher Maßnahmen (sog. Abschiebungshaft, Zurückschiebungshaft)
  • Sicherungshaft im Bereich der Ordnungswidrigkeiten (z. B. Erzwingungshaft)

Verfassungsrechtliche Vorgaben

Jede Freiheitsentziehung – und somit auch jede Form der Sicherungshaft – unterliegt strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dies ergibt sich aus dem Grundrecht auf Freiheit der Person nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Grundgesetz (GG). Freiheitsentziehungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, einer richterlichen Entscheidung und müssen stets verhältnismäßig sowie zeitlich befristet sein.

Sicherungshaft im Polizeirecht

Zweck und Anordnung

Im Polizei- und Ordnungsrecht dient die Sicherungshaft dazu, drohende erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden. Sie wird meist als „Gewahrsamnahme“ bezeichnet, wenn Personen, die eine gegenwärtige Gefahr darstellen, zur Abwehr oder Verhinderung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten befristet festgehalten werden.

Typische Anwendungsfälle sind:

  • Unmittelbare Gefahrenabwehr bei drohender Gewalt
  • Verhinderung bevorstehender schwerer Straftaten
  • Schutz der Person vor Eigen- oder Fremdgefährdung

Verfahrensrechtliche Absicherung

Eine Sicherungshaft darf nur auf richterliche Anordnung erfolgen, soweit sie über einen kurzen Zeitraum (in der Regel über 24 Stunden hinaus) andauert. Die Betroffenen haben Anspruch auf rechtliches Gehör und können gegen die Maßnahme Rechtsmittel einlegen. Die Dauer der Sicherungshaft ist gesetzlich begrenzt und richtet sich nach der konkreten Gefahrprognose und den Zwecken der Maßnahme.

Unterschied zur präventiven Inhaftierung

Im Unterschied zur präventiven Haft im Strafrecht (z. B. Sicherungsverwahrung) setzt die Sicherungshaft keine kriminellen Vorverhalten voraus, sondern dient ausschließlich präventiven Verwaltungszwecken. Es handelt sich demnach um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr und nicht der Strafverfolgung.

Sicherungshaft im Ausländerrecht (Abschiebungshaft und Zurückschiebungshaft)

Abschiebungshaft

Eine besondere Bedeutung hat die Sicherungshaft im Rahmen des ausländerrechtlichen Vollzugs. Die Abschiebungshaft soll sicherstellen, dass eine Ausreisepflichtige oder ein Ausreisepflichtiger während des laufenden Abschiebungsverfahrens nicht untertaucht und steht als letztes Mittel zur Verfügung, wenn mildere Maßnahmen ausgeschlossen sind. Rechtsgrundlage ist insbesondere § 62 Aufenthaltsgesetz.

Die Anordnung der Abschiebungshaft erfolgt durch das Amtsgericht auf Antrag der zuständigen Ausländerbehörde. Voraussetzungen sind:

  • Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht
  • Konkreter Haftgrund (z. B. Fluchtgefahr, Verstoß gegen Mitwirkungspflichten)
  • Verhältnismäßigkeit sowie Prüfung, ob milderes Mittel möglich ist

Zurückschiebungshaft

Daneben kann Zurückschiebungshaft zur Anwendung kommen, wenn Personen unerlaubt eingereist sind und zurückgeschoben werden sollen. Auch diese Form der Sicherungshaft ist strikt an die gesetzlichen Voraussetzungen und richterliche Anordnung gebunden.

Verfahrensvorschriften und Rechtsschutz

Personen in Abschiebungshaft müssen über ihre Rechte unterrichtet werden und haben Anspruch auf eine gerichtliche Überprüfung der Maßnahme. Die Haftdauer ist grundsätzlich zeitlich begrenzt und darf nur so lange andauern, wie die Zwecke der Haftmaßnahme fortbestehen. Besondere Schutzbestimmungen, insbesondere für Minderjährige und Familien, sind gesetzlich vorgesehen.

Sicherungshaft im Kontext internationaler und europäischer Vorgaben

Die Anwendung der Sicherungshaft muss im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards stehen. Insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), das EU-Recht sowie verschiedene Richtlinien und Urteile des Europäischen Gerichtshofs setzen zusätzliche Maßstäbe für Gesetzgebung und praxisgerechte Ausgestaltung der Sicherungshaft.

Zu den wichtigsten Anforderungen zählen:

  • Verbot willkürlicher Freiheitsentziehung
  • Recht auf gerichtliche Kontrolle und Rechtsmittel
  • Notwendigkeit, Sicherungshaft als letztes Mittel einzusetzen

Abgrenzung zu weiteren Haftformen

Die Sicherungshaft ist abzugrenzen von verwandten Rechtsbegriffen wie Untersuchungshaft (im Strafprozess zur Sicherung des Verfahrens), Strafhaft (aufgrund strafrechtlicher Verurteilung) sowie den Gewahrsamnahmen, die rein polizeilicher Natur sind. Insbesondere in der juristischen Bewertung ist auf die konkrete gesetzliche Grundlage und den Zweck der jeweiligen Maßnahme abzustellen.

Verfahrensgarantien und Rechtsschutz

Freiheitsentziehende Maßnahmen wie die Sicherungshaft sind mit strengen rechtsstaatlichen Garantien versehen. Hierzu zählen insbesondere:

  • Richtervorbehalt: Eine richterliche Entscheidung ist grundsätzlich zwingend erforderlich.
  • Rechtliches Gehör: Die betroffene Person muss angehört werden.
  • Recht auf Verteidigung und anwaltliche Unterstützung.
  • Anspruch auf Überprüfung (Beschwerde oder Antrag auf gerichtliche Entscheidung).
  • Dokumentations- und Begründungspflichten der Behörden.

Die Einhaltung dieser Garantien dient dem Schutz der individuellen Freiheit und stellt die Möglichkeit sicher, unrechtmäßigen Freiheitsentzug gerichtlich überprüfen zu lassen.

Zusammenfassung und Bedeutung in der Praxis

Die Sicherungshaft ist im deutschen Recht eine bedeutende Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, zur Durchführung verwaltungsrechtlicher Maßnahmen oder zur Gefahrenabwehr. Sie ist stets streng gesetzlich geregelt und bedarf umfangreicher rechtsstaatlicher Sicherungen. Die Praxis der Sicherungshaft steht unter ständiger Beobachtung gesellschaftlicher und europarechtlicher Entwicklungen, um einen angemessenen Ausgleich zwischen Freiheitsschutz und öffentlichem Interesse zu gewährleisten.

Häufig gestellte Fragen

Wann wird Sicherungshaft angeordnet?

Sicherungshaft wird im rechtlichen Kontext insbesondere dann angeordnet, wenn von einer Person eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit und öffentliche Ordnung ausgeht und somit ihre Inhaftierung zur Verhinderung zukünftiger erheblicher Straftaten notwendig erscheint. Sie ist als Maßnahme der Gefahrenabwehr ausgestaltet und kommt in der Regel erst nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe in Betracht. Die rechtlichen Voraussetzungen sind im Strafgesetzbuch (§ 66 StGB für die Sicherungsverwahrung) beziehungsweise beispielsweise im Aufenthaltsgesetz (§ 62 AufenthG für die Sicherungshaft bei Ausreisepflichtigen) geregelt. Gerichtliche Entscheidungen über die Anordnung der Sicherungshaft müssen stets den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren, was bedeutet, dass die Haft nur als letztes Mittel zur Sicherung einer späteren Ausweisung oder als Maßnahme zum Schutz der Allgemeinheit vor schweren Straftaten eingesetzt werden darf.

Welche rechtlichen Schutzmechanismen bestehen für Betroffene der Sicherungshaft?

Betroffene der Sicherungshaft genießen eine Reihe von rechtsstaatlichen Schutzmechanismen. Zentrales Element ist die gerichtliche Überprüfung der Haftanordnung, die regelmäßig erfolgen muss. So ist zum Beispiel im Bereich der Sicherungshaft nach dem Aufenthaltsgesetz eine richterliche Entscheidung zwingend vorgeschrieben (§ 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Im Rahmen der Sicherungsverwahrung schreiben Gerichte regelmäßig Überprüfungsfristen vor, um sicherzustellen, dass die Haft nur so lange andauert, wie es die rechtlichen Voraussetzungen erfordern. Zudem besteht ein Anspruch auf rechtliches Gehör, das Recht auf anwaltliche Vertretung sowie die Möglichkeit, Rechtsmittel, wie Beschwerde oder Berufung, einzulegen. Die Menschenwürde und die persönlichen Rechte der Betroffenen sind auch in der Sicherungshaft nach Grundgesetz und Europäischer Menschenrechtskonvention zu achten.

Wie unterscheidet sich Sicherungshaft von Untersuchungshaft und Strafhaft?

Sicherungshaft hebt sich rechtlich deutlich von der Untersuchungshaft und der Strafhaft ab. Untersuchungshaft dient der Sicherung des Strafverfahrens, insbesondere zur Verhinderung von Flucht, Verdunkelung oder Wiederholung von Straftaten vor dem Urteilsspruch (§ 112 StPO). Strafhaft hingegen erfolgt im Anschluss an eine rechtskräftige Verurteilung als unmittelbare Folge einer Straftat. Sicherungshaft hingegen ist präventiv ausgerichtet und dient nicht der Sanktionierung vergangener, sondern der Verhinderung zukünftiger Straftaten oder der Sicherstellung behördlicher Maßnahmen wie Abschiebungen. Zudem unterliegt die Anordnung und Verlängerung von Sicherungshaft besonders strengen Anforderungen an Verhältnismäßigkeit und richterliche Kontrolle.

Welche juristischen Anforderungen bestehen an die Begründung und Dauer der Sicherungshaft?

Die Anordnung von Sicherungshaft muss ausführlich begründet werden. Die richterliche Entscheidung muss darlegen, aus welchen konkreten Gründen eine erhebliche Gefahr vorliegt, weshalb mildere Mittel als nicht ausreichend angesehen werden und wie die individuelle Verhältnismäßigkeit im vorliegenden Fall gewahrt wird. Die Dauer der Sicherungshaft ist durch das jeweilige Rechtsgebiet und durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt. So darf die Haft beispielsweise bei ausreisepflichtigen Ausländern grundsätzlich nur bis zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder bis zur endgültigen Klärung des Aufenthaltsstatus andauern. Im Bereich der Sicherungsverwahrung erfolgt zudem eine regelmäßige Überprüfung, mindestens jährlich, ob die Voraussetzungen für die Fortdauer noch bestehen.

Welche Bedeutung kommt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu?

Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt bei der Sicherungshaft wesentliche Bedeutung zu. Dieser verlangt, dass jedes staatliche Handeln – insbesondere eine so gravierende Maßnahme wie der Entzug der Freiheit – nur dann und nur insoweit erfolgen darf, als es zur Gefahrenabwehr alternativlos und geeignet ist. Das bedeutet, dass Sicherungshaft nur dann angeordnet werden darf, wenn keine weniger einschneidenden Maßnahmen (wie Meldeauflagen, Aufenthaltsauflagen oder elektronische Überwachung) ausreichen, um die Gefahr zu bannen. Bei der Prüfung wird stets auch das Grundrecht auf Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 GG gegen das öffentliche Interesse abgewogen, wobei die Freiheitsentziehung immer nur das absolut notwendige Maß überschreiten darf.

Welche Rechtsmittel stehen gegen die Anordnung von Sicherungshaft zur Verfügung?

Gegen die Anordnung oder Verlängerung der Sicherungshaft können verschiedene Rechtsmittel eingelegt werden. Im Verwaltungsrecht und Strafrecht steht die Beschwerde nach §§ 304 ff. StPO bzw. nach § 62 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz zur Verfügung. In der Regel entscheidet darüber das übergeordnete Gericht, welches die Angelegenheit unabhängig prüft. Sollte auch diese Instanz die Sicherungshaft bestätigen, besteht bei behaupteten Verstößen gegen höherrangiges Recht die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht oder einer Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMRK), insbesondere bei Verletzung von Grund- oder Menschenrechten wie dem Recht auf persönliche Freiheit. Betroffene können zudem Akteneinsicht verlangen und sind berechtigt, sich jederzeit anwaltlich vertreten zu lassen.

Unter welchen Voraussetzungen kann Sicherungshaft vorzeitig beendet werden?

Eine vorzeitige Beendigung der Sicherungshaft ist möglich, sofern die Gefahr, die zur Anordnung geführt hat, weggefallen ist oder mildere Maßnahmen ausreichen. Dies wird regelmäßig durch das zuständige Gericht überprüft. Die Haft ist sofort zu beenden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen nachträglich entfallen – etwa, weil eine Abschiebung nicht mehr durchgeführt werden kann oder sich neue Erkenntnisse zur Gefährlichkeit der Person ergeben haben. Der Antrag auf Haftaufhebung kann jederzeit gestellt werden; die Gerichte müssen daraufhin unverzüglich prüfen, ob die Fortdauer der Sicherungshaft noch gerechtfertigt ist. Auch können Veränderungen der tatsächlichen Umstände oder neue Gutachten zur Ungefährlichkeit einer Person Anlass für eine Haftentlassung bieten.