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Selbsthilfegruppen


Begriff und Bedeutung von Selbsthilfegruppen

Definition

Selbsthilfegruppen sind freiwillige Zusammenschlüsse von Menschen, die sich regelmäßig treffen, um gemeinsame Erfahrungen, Probleme oder Krankheiten im sozialen, gesundheitlichen oder psychologischen Bereich zu besprechen und sich gegen­seitig zu unterstützen. Sie agieren in erster Linie auf der Basis persönlicher Betroffenheit und Austausch, ohne primäre Leitung durch medizinische, psychologische oder soziale Institutionen. In Deutschland sind Selbsthilfegruppen ein zentrales Element der gesundheitlichen und psychosozialen Versorgung und übernehmen eine bedeutende Ergänzungsfunktion im Rahmen der sogenannten Selbsthilfeförderung.

Begriffsabgrenzung und rechtliche Einordnung

Selbsthilfegruppen sind von professionellen Dienstleistenden und formellen Vereinen abzugrenzen. Sie sind typischerweise selbstorganisiert, vielfach aber in Verbänden, Netzwerken oder als eingetragene Vereine organisiert. Rechtlich handelt es sich bei informell organisierten Gruppen meist um nichtrechtsfähige Vereine nach §§ 54, 21 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wobei keine Eintragung in das Vereinsregister besteht. Formell organisierte Selbsthilfegruppen treten oftmals als eingetragener Verein (e.V.) nach §§ 21 ff. BGB auf. Die genaue Rechtsform hat unmittelbare Auswirkungen auf Haftung, Vertretung und För­der­möglichkeiten.

Rechtliche Grundlagen von Selbsthilfegruppen

Rechtsform und rechtlicher Status

Nichtrechtsfähige Vereine (§ 54 BGB)

Ein Großteil der Selbsthilfegruppen agiert als nichtrechtsfähiger Verein. Sie entstehen durch den Zusammenschluss mehrerer Mitglieder zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks, ohne in das Vereinsregister eingetragen zu werden. Sie sind rechtsfähig, soweit sie Träger von Rechten und Pflichten sein können, jedoch können sie im eigenen Namen keine Grundstücke erwerben oder veräußern. Die Haftung trägt in der Regel der vertretungsberechtigte Personenkreis (z. B. Vorstand).

Eingetragener Verein (§§ 21 ff. BGB)

Zum Schutz der Mitglieder vor persönlicher Haftung und zur Erlangung besserer Rechts- und Fördermöglichkeiten wählen viele Selbsthilfegruppen den Status des eingetragenen Vereins. Diese Form erlaubt eine klare interne Organisation, Vertretung nach außen sowie die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft gemäß §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) mit den damit verbundenen steuerlichen Vorteilen.

Weitere Rechtsformen

In Ausnahmefällen wählen Selbsthilfegruppen andere Organisationsformen, beispielsweise die Gründung einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) oder einer Stiftung. Dies geschieht vor allem, wenn komplexere wirtschaftliche Betätigungen oder größere Vermögenswerte verwaltet werden.

Gemeinnützigkeit und Steuerrecht

Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit

Die Gemeinnützigkeit ist für Selbsthilfegruppen von zentraler Bedeutung, da sie den Zugang zu steuerlichen Erleichterungen (§§ 51 ff. AO) und öffentlichen Fördermitteln ermöglicht. Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Die Zweckverfolgung muss in der Satzung eindeutig festgelegt sein; die Mittelverwendung ist nach den Grundsätzen der Selbstlosigkeit, Unmittelbarkeit und Ausschließlichkeit auszugestalten.

Steuerrechtliche Konsequenzen

Die Anerkennung als gemeinnützige Organisation führt zu Steuerbefreiungen bei der Körperschaft- und Gewerbesteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG) sowie Spendenabzugsfähigkeit (§ 10b EStG). Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben unterliegen allerdings auch bei Selbsthilfegruppen steuerlichen Einschränkungen, sofern sie nicht den ideellen Zwecken dienen.

Förderung und Zuschüsse

Rechtlicher Rahmen der Förderung

Das Sozialgesetzbuch V (SGB V) verpflichtet die gesetzlichen Krankenkassen zur Unterstützung von Selbsthilfegruppen, § 20h SGB V. Die Förderung erfolgt in Form von finanziellen Zuschüssen (sog. Selbsthilfeförderung), um die gesundheitsbezogenen Zwecke der Selbsthilfegruppen zu unterstützen. Die konkrete Ausgestaltung der Mittelvergabe erfolgt auf Landes- und Bundesebene nach jeweils geltenden Förderrichtlinien.

Anspruchsgrundlagen und Antragsverfahren

Ein Anspruch auf Förderung besteht für Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen, wenn die Voraussetzungen nach § 20h SGB V vorliegen. Dazu zählen die Verfolgung gesundheitsbezogener Ziele, demokratische Strukturen, Gemeinnützigkeit sowie die Trägerschaft durch Betroffene. Anträge und Nachweise sind in der Regel jährlich zu stellen und sorgfältig zu dokumentieren.

Datenschutz und Schweigepflicht

Datenschutzpflichten nach DSGVO und BDSG

Selbsthilfegruppen verarbeiten regelmäßig besonders sensible personenbezogene Daten (Gesundheitsdaten) ihrer Mitglieder und Teilnehmenden. Die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) sind zu beachten. Dies betrifft insbesondere Informationspflichten, das Erfordernis einer ausdrücklichen Einwilligung (Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO) sowie die Verpflichtung zur sicheren Datenverarbeitung.

Schweigepflicht und Vertraulichkeit

In Selbsthilfegruppen besteht von Gesetzes wegen keine gesetzlich normierte Schweigepflicht, wie sie für ärztliche, psychologische oder soziale Berufsträger gilt. Dennoch sind die Gruppen aus grundsätzlichen Erwägungen gehalten, die Vertraulichkeit der persönlichen Informationen der Mitglieder strikt zu wahren. In vielen Gruppen wird dies durch verbindliche interne Regelungen oder eine Verschwiegenheitserklärung sichergestellt.

Haftung und Versicherung

Haftungsregelungen

Die Haftung in Selbsthilfegruppen richtet sich nach ihrer Rechtsform. Bei nichtrechtsfähigen Vereinen haften handelnde Personen grundsätzlich persönlich; bei eingetragenen Vereinen haftet grundsätzlich nur das Vereinsvermögen (§§ 31, 55 BGB). Gruppenleitungen sollten darauf achten, die Haftungsrisiken durch vertragliche Regelungen und Versicherungen zu minimieren.

Versicherungen

Vielfach ist der Abschluss einer Haftpflichtversicherung (Vereins-Haftpflicht) ratsam. Bei Nutzung öffentlicher Räume können zusätzliche Versicherungspflichten entstehen, die insbesondere bei förmlichen Gruppen über die Kommune oder Dachverbände abgedeckt werden.

Arbeitsrechtliche Aspekte

Selbsthilfegruppen sind vorwiegend ehrenamtlich getragen. Sobald Arbeitsverhältnisse (beispielsweise für Koordination, Verwaltung) entstehen, gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften, insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sowie der Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG).

Besondere rechtliche Fragestellungen

Selbsthilfekontaktstellen

Selbsthilfekontaktstellen fungieren als Schnittstelle zwischen Selbsthilfegruppen und dem Gesundheitswesen. Sie übernehmen zentrale Aufgaben wie Information, Beratung und Koordination und benötigen ebenfalls eine passende Rechtsform, meist als eingetragener Verein.

Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen

Selbsthilfegruppen arbeiten häufig mit öffentlichen Einrichtungen wie Kommunen, Krankenkassen und Wohlfahrtsverbänden zusammen. Vertragsabschlüsse (Förder-, Miet- oder Kooperationsverträge) unterliegen jeweils den einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts sowie den Besonderheiten des öffentlichen Zuwendungsrechts.

Fazit

Selbsthilfegruppen nehmen im sozialrechtlichen und gesellschaftlichen Gefüge eine bedeutende Rolle ein. Ihre rechtliche Gestaltung, insbesondere hinsichtlich der Rechtsform, Gemeinnützigkeit, Verwaltung von Fördermitteln und Datenschutz, ist mit hohen Anforderungen verbunden. Eine sorgfältige Beachtung der einschlägigen gesetzlichen Grundlagen, insbesondere aus Bürgerlichem Gesetzbuch, Abgabenordnung, Sozialgesetzbuch sowie Datenschutzrecht, ist für einen rechtssicheren Betrieb unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen gelten für die Gründung einer Selbsthilfegruppe?

Die Gründung einer Selbsthilfegruppe ist in Deutschland grundsätzlich rechtlich nicht reglementiert, eine spezielle gesetzliche Grundlage gibt es dazu nicht. Rechtlich betrachtet handelt es sich meist um einen sogenannten nichtrechtsfähigen Verein nach §54 BGB, da eine formale Gründung, beispielsweise mit Satzung, Vorstand und Eintragung ins Vereinsregister, selten erfolgt. Die Gründung ist formlos möglich; sobald sich mehrere Personen regelmäßig zu einem bestimmten Zweck, wie zum Austausch über eine Krankheit oder Lebenssituation, treffen, gilt diese Gemeinschaft bereits als Selbsthilfegruppe. Entscheidet sich eine Gruppe dennoch, einen eingetragenen Verein zu gründen (e.V.), sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 21-79 BGB) zu beachten; insbesondere müssen Satzungserstellung, Gründungsversammlung und die Eintragung ins Vereinsregister erfolgen. Die rechtlichen Grundlagen beeinflussen u. a. die mögliche Gemeinnützigkeit, Haftung und Fördermöglichkeiten.

Müssen Selbsthilfegruppen eine Rechtsform wählen?

Selbsthilfegruppen sind nicht verpflichtet, eine bestimmte Rechtsform zu wählen. In der Praxis bleiben die meisten Gruppen formlos und existieren als nichtrechtsfähige Vereinigung (§54 BGB). Das bedeutet, sie sind im rechtlichen Sinne nicht selbständige Rechtsträger, sondern lediglich Zusammenschlüsse von Privatpersonen. Die Wahl einer Rechtsform, wie etwa die Gründung eines eingetragenen Vereins (e.V.), kann jedoch Vorteile bieten, beispielsweise bei der Beantragung von Fördermitteln oder im Hinblick auf Haftungsfragen. Ein Verein ist ein eigener Rechtsträger, kann Verpflichtungen eingehen und Eigentum erwerben. Die Entscheidung für eine Rechtsform ist freiwillig und abhängig von den Zielen, der Größe und der geplanten Dauerhaftigkeit der Selbsthilfegruppe.

Welche Haftungsregeln gelten für Mitglieder einer Selbsthilfegruppe?

Die Haftung innerhalb einer Selbsthilfegruppe richtet sich danach, ob eine Rechtsform besteht. Ist die Gruppe als nichtrechtsfähige Vereinigung organisiert, können Mitglieder, die im Namen der Gruppe handeln, persönlich für etwaige Verpflichtungen haften. Bei einer losen Gruppierung braucht es häufig individuelle Absicherung, z. B. durch private Haftpflichtversicherungen. Bei Gründung eines eingetragenen Vereins (e.V.) beschränkt sich die Haftung grundsätzlich auf das Vereinsvermögen; Vorstände haften nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz persönlich. Für Veranstaltungen oder Räume ist der Abschluss zusätzlicher Versicherungen (z. B. Veranstaltungshaftpflicht) empfehlenswert, um Haftungsrisiken zu minimieren, insbesondere da Teilnehmende nicht automatisch über die Krankenkassen oder staatliche Institutionen versichert sind.

Wie steht es um die Gemeinnützigkeit von Selbsthilfegruppen?

Selbsthilfegruppen können als gemeinnützig anerkannt werden, wenn sie bestimmte Voraussetzungen der Abgabenordnung (§§ 51-68 AO) erfüllen. Voraussetzung ist, dass die Gruppe selbstlos, ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verfolgt, wie die Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege oder die Unterstützung hilfebedürftiger Personen (§52 AO). Für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist die Gründung als Verein und die Eintragung beim Finanzamt erforderlich, einschließlich einer entsprechenden Satzung, die den steuerlichen Vorgaben genügt. Mit der Gemeinnützigkeit gehen steuerliche Vorteile einher, wie etwa die Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie die Berechtigung zur Ausstellung von Spendenbescheinigungen.

Unterliegen Selbsthilfegruppen dem Datenschutzrecht?

Ja, Selbsthilfegruppen unterliegen dem Datenschutzrecht, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Da meist sensible personenbezogene Daten wie Gesundheitsinformationen verarbeitet werden, gelten besonders hohe Anforderungen an den Datenschutz. Verantwortlich für die Einhaltung sind die Personen, die die Gruppe organisieren oder die Daten verarbeiten. Es müssen klare Regelungen über die Erhebung, Speicherung und Weitergabe von Mitgliederdaten getroffen werden. Die Betroffenen sind über ihre Rechte (z. B. Auskunftsrecht, Recht auf Löschung) zu informieren. Bei Online-Kommunikation sind zusätzliche Datenschutzmaßnahmen (z. B. verschlüsselte Messenger) zu berücksichtigen. Wird die Gruppe als Verein geführt, ist häufig ein Datenschutzbeauftragter erforderlich.

Haben Selbsthilfegruppen Zugang zu staatlichen Fördermitteln?

Selbsthilfegruppen können unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen staatliche Fördermittel beantragen, beispielsweise nach §20h SGB V, der die Förderung der Selbsthilfe durch die Krankenkassen regelt. Dafür ist in der Regel ein formloser Status als Gruppe ausreichend; für umfangreichere Förderungen (z. B. dauerhafte Projektförderung oder institutionelle Förderung) verlangen viele Förderstellen jedoch eine gemeinnützige Anerkennung oder Vereinsstruktur. Die Förderung ist meist zweckgebunden, das heißt, sie darf nur für die im Förderbescheid genannten Aktivitäten verwendet werden. Die Verwendung der Mittel muss nachweisbar und transparent erfolgen, um Rückforderungen auszuschließen.

Gibt es eine Meldepflicht oder Registrierungspflicht für Selbsthilfegruppen?

Für Selbsthilfegruppen besteht grundsätzlich keine gesetzliche Meldepflicht oder Registrierungspflicht. Sie müssen sich also bei keiner Behörde, Institution oder Organisation als Gruppe anmelden, solange sie nicht die Rechtsform eines Vereins wählen oder als Träger von Fördermitteln offiziell auftreten. In einigen Bundesländern oder Kommunen kann jedoch eine freiwillige Registrierung sinnvoll sein, zum Beispiel bei lokalen Selbsthilfekontaktstellen oder Gesundheitsämtern, um Zugang zu Netzwerken und Beratungsmöglichkeiten zu erhalten. Formal bindend ist eine solche Registrierung jedoch nicht; Ausnahmen bestehen nur, wenn ein Verein gegründet wird (Pflicht zur Eintragung beim Vereinsregister) oder Zuwendungen öffentlicher Stellen erhalten werden.