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Seetestament


Begriff und Definition des Seetestaments

Das Seetestament ist eine besondere Form des Testaments, das von einer Person während einer Seereise errichtet werden kann. Es handelt sich um eine im deutschen Erbrecht normierte Ausnahmevorschrift, die es ermöglicht, ein formgültiges Testament unter den besonderen Bedingungen einer Seereise abzufassen. Grundlage hierfür bildet insbesondere § 2251 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Das Seetestament ist vor allem für Fälle von Bedeutung, in denen eine Errichtung eines Testaments nach den allgemeinen Vorschriften aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist.

Gesetzliche Grundlagen und Voraussetzungen

Allgemeine Voraussetzungen

Ein Seetestament kann von Personen errichtet werden, die sich während einer Seereise an Bord eines deutschen Schiffes befinden (§ 2251 Abs. 1 BGB). Die Möglichkeit zur Errichtung eines Seetestaments dient dem Schutz der Testierfreiheit unter erschwerten Bedingungen auf See.

Voraussetzungen im Überblick:

  • Die testierende Person muss sich auf einer Seereise befinden.
  • Die Seereise muss an Bord eines Schiffes unter deutscher Flagge erfolgen.
  • Das Seetestament darf nur solange errichtet werden, wie das Schiff sich auf See befindet (und nicht, wenn es im Hafen liegt).
  • Geschäftsfähigkeit des Testierenden ist erforderlich.

Formvorschriften

Das Seetestament stellt eine Ausnahme von den strengen Formerfordernissen des ordentlichen Testaments dar. Zulässig ist das mündliche Tessament vor drei Zeugen, das sogenannte Nottestament. Nachfolgend die gesetzlichen Anforderungen:

  • Errichtung entweder mündlich vor drei Zeugen ODER in schriftlicher Form mit Unterzeichnung durch den Erblasser sowie zwei Zeugen.

Das deutsche BGB verweist hierbei auf die Vorschriften zum sogenannten Nottestament, insbesondere auf §§ 2250, 2251 BGB.

Schiffsführer und Besatzungsmitglieder als Zeugen

Nach den gesetzlichen Regelungen dürfen der Schiffsführer sowie die Schiffsbesatzung als Zeugen fungieren. Damit wird den besonderen Umständen auf See, die eine Zeugenwahl einschränken, ausdrücklich Rechnung getragen.

Gültigkeitsdauer und Wirksamkeit

Beschränkte Geltungsdauer

Das Seetestament ist grundsätzlich nur vorübergehend wirksam. Innerhalb von drei Monaten nach Rückkehr an Land erlischt dessen Wirksamkeit, sofern der Testierende weiterhin testierfähig bleibt (§ 2251 Abs. 2 BGB). Die beschränkte Geltungsdauer stellt sicher, dass das Seetestament lediglich als Ausnahme zur Testierfreiheit unter besonderen Bedingungen dient.

Formelle Voraussetzungen für die Verwahrung

Nach Errichtung ist das Seetestament unverzüglich dem Nachlassgericht zu übermitteln (spätestens nach Beendigung der Reise). Die Zeugen oder der Schiffsführer sind verpflichtet, für die Weiterleitung zu sorgen, um die Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Unterschiede zum Nottestament

Das Seetestament ist eine besondere Form des Nottestaments, das allgemein für Notlagen vorgesehen ist, in denen eine normale Testamentserrichtung nicht möglich ist. Während das reguläre Nottestament vor dem Bürgermeister oder vor drei Zeugen errichtet werden kann, ist das Seetestament speziell auf die Ausnahmesituation der Seereise zugeschnitten.

Internationale Bezüge

Im internationalen Kontext können unterschiedliche Regelungen zur Gültigkeit eines auf See errichteten Testaments existieren. Im deutschen Recht gilt das Seetestament grundsätzlich nur auf Schiffen unter deutscher Flagge. Für Schiffe unter ausländischer Flagge gelten die jeweiligen nationalen Gesetze. Im Einzelfall ist das internationale Privatrecht maßgeblich für die Anerkennung und Wirksamkeit des Seetestaments in anderen Staaten.

Einordnung im deutschen Erbrecht

Verhältnis zu anderen Testamentsformen

Das Seetestament steht neben dem eigenhändigen Testament, dem öffentlichen Testament sowie den Nottestamenten als Sonderform, die an außergewöhnliche Lebensumstände anknüpft. Die Formvorschriften für das Seetestament sind vergleichsweise flexibel, tragen jedoch gleichzeitig den besonderen Risiko- und Gefahrensituationen einer Seereise Rechnung.

Bedeutung für die Praxis

In der Praxis kommt dem Seetestament eine eher geringe, aber gezielt bedeutsame Rolle zu. Die Vorschrift verhindert letztwillige Verfügungen unter Ausschluss jeglicher Testiergewalt während einer Seereise und erhöht so die Rechtssicherheit für Personen auf See.

Anfechtung und Widerruf des Seetestaments

Ein Seetestament kann wie andere Testamentsformen nach den allgemeinen Regeln des deutschen Erbrechts widerrufen oder angefochten werden. Fehler in der Form, mangelnde Testierfähigkeit oder sonstige Irrtümer können zur Unwirksamkeit führen.

Zusammenfassung und Bedeutung

Das Seetestament stellt eine wichtige Sonderform letztwilliger Verfügungen dar, die auf die besonderen Verhältnisse einer Seereise zugeschnitten ist. Es unterliegt erleichterten Formvorschriften und dient der Wahrung der Testierfreiheit auch unter außergewöhnlichen Umständen. Gleichzeitig sieht das Gesetz enge Grenzen hinsichtlich der Geltungsdauer und der Voraussetzungen zum Schutz der Rechtssicherheit vor.


Quellen:

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 2250-2252
  • Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch
  • MüKoBGB, Band 10, Erbrecht

Häufig gestellte Fragen

Welche Formerfordernisse sind bei einem Seetestament rechtlich zu beachten?

Ein Seetestament muss zwingend eigenhändig – das heißt, vollständig handschriftlich – vom Erblasser oder der Erblasserin geschrieben und unterschrieben werden, sofern es nicht in notarieller Form errichtet wird. Eine Erstellung mittels Computer oder Schreibmaschine genügt dem gesetzlichen Formerfordernis ausdrücklich nicht. Ort und Datum der Errichtung sind anzugeben, da diese Angaben für die Gültigkeit des Seetestaments im Zweifel entscheidend sein können – insbesondere, wenn mehrere Verfügungen existieren. Das Seetestament ist zudem nur auf „Seereisen“ möglich, also wenn sich der Erblasser während einer Seereise nach § 2251 BGB auf einem deutschen Schiff in internationaler Fahrt befindet. Die zwingende Eigenhändigkeit dient der zweifelsfreien Authentizität und verhindert Manipulationen. Falls diese Vorgaben nicht beachtet werden, ist das Seetestament nichtig und entfaltet keinerlei Rechtswirkungen. Darüber hinaus muss das Testament nach Rückkehr an Land sowie nach Beendigung der Gefahrensituation möglichst zeitnah bei dem zuständigen Nachlassgericht abgeliefert werden, um den gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Nachlassregelung zu entsprechen.

Wer ist berechtigt, ein Seetestament zu errichten?

Nach deutschem Recht kann ein Seetestament grundsätzlich jede Person errichten, die testierfähig (§ 2229 BGB) ist, sich auf einer Seereise befindet und die Erfordernisse nach § 2251 BGB erfüllt. Dies betrifft sowohl Passagiere als auch die Besatzungsmitglieder eines unter deutscher Flagge fahrenden Schiffes, wenn sich dieses außerhalb deutscher Hoheitsgewässer, in einer akut gefährlichen Situation für Leib und Leben oder auf hoher See befindet. Minderjährige sind grundsätzlich nur dann testierfähig, wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet haben. In allen Fällen ist die Testierfähigkeit – also die Fähigkeit, eine Willenserklärung wirksam und frei von geistigen Einschränkungen abzugeben – Voraussetzung. Das Seetestament ist ausschließlich für Ausnahmesituationen konzipiert, in denen dem Erblasser eine reguläre Testamentserrichtung nicht möglich oder zumutbar ist, etwa aufgrund der räumlichen Abgeschiedenheit oder unmittelbaren Gefahr während der Seereise.

Welche Zeit wirksamer Geltung gilt für ein Seetestament?

Die Wirksamkeit eines Seetestaments ist nach deutschem Recht grundsätzlich zeitlich beschränkt. Ein Seetestament gilt rechtlich nur solange, wie der Anlass zur Errichtung – also die Seereise oder die Gefahrenlage auf See – fortbesteht. Nach Ende der Seereise oder der betreffenden Gefahr (beispielsweise nach sicherer Ankunft im Hafen oder Anlegen des Schiffes) verliert das Testament seine Besonderheit als Seetestament. Es gilt dann als formunwirksam, sofern keine nachträgliche ordentliche Beurkundung erfolgt. Das bedeutet: Das Seetestament bleibt wirksam, solange der Erblasser noch unterwegs ist oder sich die Gefahrensituation auf See fortsetzt; kehrt der Erblasser hingegen an Land zurück, ohne ein neues Testament zu errichten, wird das Seetestament nach Ablauf von drei Monaten nach Beendigung der Seereise unwirksam (§ 2253 BGB). Eine Wiederholung oder Bestätigung des letzten Willensformulars außerhalb der Notsituation ist daher dringend ratsam.

Welche Auswirkungen hat ein Seetestament auf bereits bestehende letztwillige Verfügungen?

Ein Seetestament kann bereits bestehende Testamente oder Erbverträge ergänzen oder aufheben. Im Falle sich widersprechender Regelungen gelten die Vorschriften über den Widerruf letzter Verfügungen (§ 2258 BGB), wonach die jeweils jüngere Verfügung maßgeblich ist. Entscheidend ist dabei die zeitliche Reihenfolge der Testamente und deren inhaltlicher Widerspruch. Ein Seetestament kann eine frühere Verfügung ausdrücklich widerrufen oder diese in Einzelpunkten abändern (Teilersetzung). Sind mehrere Testamente vorhanden und lässt sich nicht eindeutig bestimmen, welches zuletzt errichtet wurde, kann es zu Interpretationsschwierigkeiten kommen. Es ist daher empfehlenswert, ein Seetestament möglichst eindeutig mit Datum und Unterschrift zu versehen, um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden.

Welche Rolle spielt das Schiffsregister sowie der Kapitän bei der Errichtung und Aufbewahrung eines Seetestaments?

Der Kapitän eines deutschen Schiffes hat nach § 2252 BGB eine besondere Funktion im Zusammenhang mit Seetestamenten. Er ist verpflichtet, auf Verlangen des Erblassers bei der Errichtung eines Testaments mitzuwirken, dessen Entstehung zu bezeugen und das Schriftstück sicher aufzubewahren. Der Kapitän wird faktisch als eine Art Notariatsvertreter auf See angesehen. Nach dem Tod des Erblassers hat der Kapitän das Testament unverzüglich dem zuständigen Nachlassgericht zuzuleiten. Eine Eintragung im Schiffsregister ist nicht vorgeschrieben, allerdings erhöht eine Dokumentation durch die Schiffsführung die Rechtssicherheit des Dokuments erheblich. Die besonderen Aufbewahrungspflichten des Kapitäns sollen eine Manipulation oder den Verlust des Testaments während der Seereise verhindern.

Welche Anfechtungsmöglichkeiten bestehen bei einem Seetestament und welche rechtlichen Hürden gibt es dabei?

Ein Seetestament kann – wie jedes andere Testament – nach den Vorschriften der §§ 2078 ff. BGB angefochten werden. Anfechtungsgründe sind insbesondere Irrtum, Drohung, Täuschung oder ein unzulässiger Einfluss bei der Testamentserrichtung. Die besonderen Umstände auf See, etwa Stress oder akute Gefahrensituationen, führen jedoch nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit, sofern der Testierwille nachweisbar war. Die Anfechtung hat vor dem örtlich zuständigen Nachlassgericht zu erfolgen und ist an die gesetzlichen Fristen und Formvorgaben gebunden. Die Darlegungs- und Beweislast für die Anfechtungsgründe liegt beim Anfechtenden. Aufgrund der Ausnahmesituation und der oftmals eingeschränkten Beweismöglichkeiten auf See ist die gerichtliche Beurteilung von Seetestamenten im Anfechtungsfall besonders sorgfältig und einzelfallbezogen.

Gibt es Besonderheiten für ausländische Staatsbürger an Bord eines deutschen Schiffs beim Seetestament?

Ausländische Staatsangehörige, die sich an Bord eines unter deutscher Flagge fahrenden Schiffs befinden und dort ein Testament errichten möchten, unterliegen bei der Testamentsform grundsätzlich deutschem Recht, soweit das Testament auf die „außergewöhnlichen Umstände der Seereise“ gestützt wird und das Schiff sich in internationalem Gewässer befindet. Inhaltlich und in Bezug auf die Testierfähigkeit kann jedoch das Heimatrecht des Testierenden maßgeblich sein, sofern dieses nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde. Es ist daher ratsam, bei Beteiligung ausländischer Staatsangehöriger auf die Vereinbarkeit nationaler und internationaler Vorschriften zu achten und – soweit möglich – sachkundige Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.