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Schweigepflicht


Begriff und Grundlagen der Schweigepflicht

Die Schweigepflicht bezeichnet die rechtliche Verpflichtung bestimmter Personen oder Berufsgruppen, ihnen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit anvertraute oder bekannt gewordene Geheimnisse nicht unbefugt an Dritte weiterzugeben. Diese Pflicht stellt eine der elementaren Grundlagen des Vertrauensverhältnisses zwischen den betroffenen Berufsgruppen und ihren Klienten, Patienten oder Mandanten dar und dient insbesondere dem Schutz der Privatsphäre sowie sensibler personenbezogener Daten. Die Schweigepflicht ist in zahlreichen Gesetzen in Deutschland, Österreich und der Schweiz geregelt und unterliegt strengen Regeln und Ausnahmen.


Rechtsgrundlagen der Schweigepflicht

Deutschland

Strafgesetzbuch (StGB)

Die zentrale rechtliche Grundlage bildet in Deutschland § 203 Strafgesetzbuch (StGB). Dort wird das „Verletzen von Privatgeheimnissen“ geregelt. Demnach machen sich Angehörige bestimmter Berufsgruppen strafbar, wenn sie unbefugt fremde Geheimnisse offenbaren, die ihnen in ihrer beruflichen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden sind. Hierzu zählen insbesondere:

  • Angehörige der Heilberufe (Ärzte, Zahnärzte, Psychologen, Apotheker u.a.),
  • Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare,
  • Mitglieder von sozialen Beratungsstellen,
  • Wirtschaftsprüfer, Steuerberater.

Zivilrechtliche Regelungen

Auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) und das Handelsgesetzbuch (HGB) regeln Aspekte der Schweigepflicht, insbesondere hinsichtlich der Verschwiegenheitspflichten in Vertragsverhältnissen oder im Arbeitsrecht.

Datenschutzrecht

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ergänzen die Schweigepflicht. Sie schützen personenbezogene Daten vor unbefugter Weitergabe und Verwertung.

Österreich

In Österreich ist die Schweigepflicht für verschiedene Berufsgruppen unter anderem im Strafgesetzbuch sowie im Ärztegesetz, Psychologengesetz und anderen Spezialgesetzen verankert.

Schweiz

Schweizer Regelungen finden sich unter anderem im Strafgesetzbuch (Art. 321 StGB für Ärzte und ähnliche Berufe), aber auch in standesrechtlichen Normen einzelner Berufe.


Anwendungsbereich und Umfang der Schweigepflicht

Geschützte Informationen

Die Schweigepflicht bezieht sich auf alle Tatsachen, die dem Verschwiegenheitsverpflichteten im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder zugänglich gemacht wurden und die nicht offenkundig sind. Dazu gehören insbesondere:

  • Gesundheits- und Krankheitsdaten,
  • persönliche und familiäre Verhältnisse,
  • wirtschaftliche und geschäftliche Informationen,
  • rechtliche und steuerliche Angelegenheiten.

Verpflichtete Personengruppen

Zu den schweigepflichtigen Personen gehören insbesondere:

  • Angehörige der Heilberufe (z. B. Ärzte, Psychotherapeuten, Hebammen, Apotheker),
  • Rechtsanwälte, Notare,
  • Steuerberater, Wirtschaftsprüfer,
  • Sozialarbeiter,
  • Angehörige von Glaubensgemeinschaften (Seelsorger).

Beginn und Dauer

Die Schweigepflicht beginnt mit Aufnahme der beruflichen Tätigkeit und besteht grundsätzlich auch nach Beendigung des Beschäftigungs- oder Mandatsverhältnisses fort. Sie gilt zeitlich unbeschränkt.


Ausnahmen und Durchbrechung der Schweigepflicht

Einwilligung des Betroffenen

Die wichtigste Ausnahme von der Schweigepflicht ist die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person. Die Einwilligung kann schriftlich oder mündlich erfolgen, sollte jedoch stets dokumentiert werden.

Gesetzliche Offenbarungspflichten

Eine Durchbrechung der Schweigepflicht ist gesetzlich in bestimmten Fällen vorgeschrieben, etwa:

  • bei meldepflichtigen Infektionskrankheiten (Infektionsschutzgesetz),
  • Meldung geplanter Straftaten (z. B. nach § 138 StGB),
  • im Rahmen gerichtlich angeordneter Zeugenaussagen oder Herausgabe von Unterlagen,
  • beim Verdacht auf Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 4 KKG.

Interessen- und Güterabwägung

In manchen Situationen ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen am Geheimnisschutz und übergeordneten öffentlichen oder privaten Interessen erforderlich. Dies betrifft etwa die Abwendung akuter Gefahren für Leib und Leben.


Schweigepflicht und Datenschutz

Die Schweigepflicht ist eng mit dem Datenschutz verknüpft. Beide verfolgen das Ziel, persönliche Daten und Informationen vor unbefugter Weitergabe zu schützen. Während die Schweigepflicht auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt ist, gilt das Datenschutzrecht für alle, die personenbezogene Daten verarbeiten. Verstöße gegen Schweigepflicht können sowohl strafrechtliche als auch zivilrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.


Folgen und Sanktionen bei Verletzung der Schweigepflicht

Strafrechtliche Konsequenzen

Eine unbefugte Offenbarung geschützter Geheimnisse kann gemäß § 203 StGB strafbar sein und mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden.

Zivilrechtliche Folgen

Verletzungen der Schweigepflicht können Schadensersatzansprüche nach sich ziehen, etwa wenn dem Betroffenen durch die Offenbarung ein Vermögensschaden entsteht.

Berufsrechtliche Maßnahmen

Darüber hinaus drohen bei Verstößen auch arbeitsrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen, einschließlich Abmahnungen, Kündigungen oder dem Entzug der Berufszulassung.


Verwandte Begriffe und Abgrenzungen

Ähnliche oder verwandte Konzepte sind das Zeugnisverweigerungsrecht, das Verschwiegenheitsgebot sowie spezielle Berufsgeheimnisse. Die Schweigepflicht ist jedoch vorrangig ein Schutzmechanismus spezifischer Berufsgruppen und deren Klientel.


Bedeutung der Schweigepflicht in der Praxis

Die Schweigepflicht stellt einen zentralen Pfeiler der sorgsamen und gesetzeskonformen Ausübung vieler Berufe dar. Sie sichert das notwendige Vertrauen und gewährleistet, dass sensible Informationen nicht missbraucht oder unbefugt verwendet werden. Die Einhaltung der Schweigepflicht trägt wesentlich zum Schutz der Privatsphäre und zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit bei.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist rechtlich zur Schweigepflicht verpflichtet?

Zur Schweigepflicht sind nach deutschem Recht insbesondere bestimmte Berufsgruppen verpflichtet, die berufsmäßig mit personenbezogenen oder vertraulichen Informationen in Berührung kommen. Dazu zählen unter anderem Ärzte, Psychotherapeuten, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater, Apotheker, Hebammen, Sozialarbeiter sowie bestimmte Beamte und Amtsträger. Die genaue Reichweite und rechtliche Grundlage der Schweigepflicht variiert je nach Berufsgruppe und ist in verschiedenen Gesetzen geregelt, etwa im Strafgesetzbuch (§ 203 StGB), in den jeweiligen Berufsordnungen und Spezialgesetzen (z.B. Bundesrechtsanwaltsordnung, Heilberufsgesetz, Sozialgesetzbuch). Die Pflicht umfasst sowohl den Umgang mit Daten als auch mit Tatsachen und Wertungen, die einem im Rahmen der beruflichen Tätigkeit anvertraut oder bekannt werden. Die Verletzung der Schweigepflicht kann straf- und standesrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Unter welchen Voraussetzungen kann die Schweigepflicht aufgehoben werden?

Eine rechtmäßige Aufhebung der Schweigepflicht ist in einigen Ausnahmefällen möglich. Häufigste Voraussetzung ist die ausdrückliche, informierte Einwilligung der betroffenen Person, deren Daten geschützt sind. Diese Einwilligung muss freiwillig erfolgen und kann grundsätzlich jederzeit widerrufen werden. Weiterhin gibt es spezielle gesetzliche Ausnahmen, zum Beispiel, wenn eine gesetzliche Offenbarungspflicht besteht (z.B. Meldepflicht bei bestimmten Infektionskrankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz) oder bei Anzeige geplanter Straftaten (§ 138 StGB). In manchen Fällen kann richterlicher Beschluss eine Offenlegung anordnen, z.B. bei Durchsuchungen oder Beschlagnahmungen von patientenbezogenen Unterlagen. Allerdings ist auch hier eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Die Schweigepflicht entfällt außerdem, wenn das sogenannte rechtfertigende Notstand vorliegt, etwa zum Schutz höherwertiger Rechtsgüter wie dem Leben oder der Gesundheit Dritter.

Welche rechtlichen Folgen hat die Verletzung der Schweigepflicht?

Die unberechtigte Offenbarung von Geheimnissen, die unter die Schweigepflicht fallen, kann gravierende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Nach § 203 StGB drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. In besonders schweren Fällen oder bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung können die Strafen höher ausfallen. Neben strafrechtlichen Folgen drohen zivilrechtliche Ansprüche, insbesondere auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, wenn durch die Preisgabe vertraulicher Informationen ein Vermögens- oder immaterieller Schaden entsteht. Auch arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung oder Kündigung sind möglich. Weiterhin kommt ein berufsrechtliches Verfahren in Betracht, das disziplinarische Sanktionen bis hin zum Entzug der Berufserlaubnis nach sich ziehen kann.

Gilt die Schweigepflicht auch nach Beendigung des Berufsverhältnisses?

Die Schweigepflicht besteht grundsätzlich sowohl während als auch nach der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit und endet nicht mit dem Ausscheiden aus dem Beruf oder der Beendigung des konkreten Dienst- oder Arbeitsverhältnisses. Die Verpflichtung bleibt zeitlich unbegrenzt bestehen, sodass frühere Berufsangehörige auch Jahre oder sogar Jahrzehnte später zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Ausnahmen gelten nur für die in den gesetzlichen Vorschriften vorgesehenen Entbindungstatbestände, für eine ausdrückliche Einwilligung oder, in seltenen Fällen, für das Vorliegen eines rechtfertigenden Notstands.

Welche Informationen umfasst die Schweigepflicht rechtlich?

Die Schweigepflicht erstreckt sich rechtlich auf sämtliche Tatsachen, Daten und Informationen, die einem Berufsgeheimnisträger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit anvertraut oder bekannt werden und bei denen ein berechtigtes Interesse an deren Geheimhaltung besteht. Dazu zählen beispielsweise Diagnosen und Krankengeschichten im medizinischen Bereich, Mandantendaten und Beratungsinhalte in juristischen Berufen sowie sämtliche personenbezogenen Daten, aber auch Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse. Die Schweigepflicht gilt sowohl für schriftliche und elektronische als auch für mündliche Mitteilungen. Unter den Schutzbereich fallen auch Erkenntnisse aus Beiläufigkeiten und Zufallswissen, wenn diese einen Bezug zur eigentlichen beruflichen Tätigkeit aufweisen.

Dürfen Daten im Rahmen der Schweigepflicht digital gespeichert oder übermittelt werden?

Die Digitalisierung bringt besondere Herausforderungen hinsichtlich der Schweigepflicht mit sich. Die elektronische Speicherung und Übermittlung von Daten, die der Schweigepflicht unterliegen, ist grundsätzlich erlaubt, sofern dabei die einschlägigen Datenschutzgesetze (insbesondere die DSG