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Schusswaffengebrauch


Begriff und Definition des Schusswaffengebrauchs

Der Schusswaffengebrauch bezeichnet den Einsatz von Schusswaffen durch Einzelpersonen oder Behörden, insbesondere im Rahmen gesetzlich geregelter Befugnisse zur Durchsetzung staatlicher Gewalt. Unter Schusswaffengebrauch wird dabei ausdrücklich nicht nur das Abfeuern einer geladenen Schusswaffe verstanden, sondern jede Handlung, bei der mit einer Schusswaffe gedroht, sie einsatzbereit gehalten oder auch tatsächlich geschossen wird.

Der Begriff findet sowohl im Polizei- und Ordnungsrecht als auch im Strafrecht, Waffenrecht sowie im Notwehrrecht Anwendung. Die gesetzlichen Regelungen des Schusswaffengebrauchs dienen dem Schutz von Leben, Gesundheit und Sicherheit sowohl der handelnden Personen als auch potentiell betroffener Dritter. Im Zentrum steht stets das Bemühen, verhältnismäßige, rechtsstaatlich kontrollierte Eingriffe zu ermöglichen.

Rechtliche Grundlagen des Schusswaffengebrauchs

Schusswaffengebrauch im Polizei- und Ordnungsrecht

Im deutschen Polizei- und Ordnungsrecht ist der Schusswaffengebrauch als Teil der sogenannten „unmittelbaren Zwangsausübung“ abschließend geregelt. Die maßgeblichen Vorschriften finden sich in den jeweiligen Polizeigesetzen der Länder, im Bundespolizeigesetz (BPolG), im Waffengesetz (WaffG) sowie im Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes (UZwG).

Voraussetzungen des Schusswaffengebrauchs

Der gesetzliche Schusswaffengebrauch setzt grundsätzlich voraus:

  • Rechtmäßigkeit der Maßnahme: Die Maßnahme, die mittels Schusswaffengebrauch durchgesetzt werden soll, muss ihrerseits rechtmäßig sein.
  • Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Schusswaffen dürfen nur eingesetzt werden, wenn der Zweck nicht durch mildere Mittel erreicht werden kann.
  • Androhungspflicht: Der Gebrauch ist regelmäßig anzudrohen, es sei denn, dies würde den Erfolg der Maßnahme gefährden.
  • Einsatz gegen Personen: Schusswaffen gegen Personen dürfen grundsätzlich nur im äußersten Notfall (Lebens-, Gesundheitsgefährdung) eingesetzt werden.
  • Einsatz gegen Sachen: Die Schwellen für den Schusswaffengebrauch gegen Sachen sind geringer, unterliegen aber dennoch dem Verhältnismäßigkeitsgebot.

Besondere Regelungen

Einzelne Polizeigesetze enthalten detaillierte Vorgaben zur Reihenfolge der Zwangsmittel („Stufenfolge“), den Schusswaffengebrauch gegen Menschenmengen und Minderjährige sowie zu Berichtspflichten.

Schusswaffengebrauch im Strafrecht

Der Schusswaffengebrauch kann im Kontext des Strafrechts auf zweierlei Weise relevant werden: Einerseits als Tatbestand einer strafbaren Handlung (unerlaubter Schusswaffengebrauch), andererseits als Rechtfertigungsgrund, etwa im Rahmen der Notwehr nach § 32 StGB, des Notstands nach § 34 StGB oder der Ausübung von Jedermannsrechten.

Unerlaubter Schusswaffengebrauch

Ein nicht gerechtfertigter, insbesondere nicht gesetzlich gedeckter Einsatz einer Schusswaffe kann Straftatbestände erfüllen, wie z. B. gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), Totschlag (§ 212 StGB), fahrlässige Tötung (§ 222 StGB) oder Verstöße gegen das Waffengesetz (§§ 52 ff. WaffG).

Rechtfertigungsgründe

Ein ansonsten möglicherweise strafbarer Schusswaffengebrauch kann gerechtfertigt sein durch:

  • Notwehr (§ 32 StGB): Erlaubt den Gebrauch, wenn ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff abgewehrt wird und das gewählte Mittel zur Verteidigung erforderlich ist.
  • Notstand (§ 34 StGB): Rechtfertigt den Schusswaffengebrauch zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder bedeutende Rechtsgüter unter strikter Güterabwägung.

Schusswaffengebrauch im Waffenrecht

Das deutsche Waffengesetz (WaffG) regelt in umfassender Weise den Besitz, Erwerb, Transport, Aufbewahrung und Gebrauch von Schusswaffen. Neben der Schießerlaubnis und dem sich daraus ergebenden sachlichen Schießrecht enthält das WaffG spezifische Vorschriften zum zulässigen Schusswaffengebrauch außerhalb dienstlicher Zwecke, beispielsweise im sportlichen oder jagdlichen Bereich. Im Rahmen des WaffG besteht strikte Pflicht zum verantwortungsvollen und sachgerechten Umgang, Verstöße werden meist als Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten geahndet.

Schusswaffengebrauch durch Bundeswehr und Zoll

Für Angehörige der Bundeswehr regelt das Soldatengesetz (SG) in Verbindung mit der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv 12/11) sowie dem „Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes“ die Bedingungen eines Schusswaffengebrauchs.

Auch für den Zoll finden sich Regelungen im Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) sowie in organisationsspezifischen Dienstvorschriften.

Praktische Anwendung: Typische Konstellationen des Schusswaffengebrauchs

Schusswaffengebrauch bei Gefahr im Verzug

Besteht eine akute, nicht anders abwendbare Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen, kann der Schusswaffengebrauch zulässig und geboten sein. Die im deutschen Recht verankerte Grundregel verlangt, dass alle anderen Maßnahmen (z. B. Androhung, Warnschuss, Einsatz körperlicher Gewalt, Schlagstock, Pfefferspray) aussichtslos oder ungeeignet erscheinen.

Schusswaffengebrauch gegen Tatverdächtige

Ein gezielter Schusswaffengebrauch gegen Personen ist ausschließlich dann gestattet, wenn hierdurch eine erhebliche Gefahr abgewendet werden kann, z. B. im Falle eines bewaffneten Angriffs, einer Geiselnahme oder eines terroristischen Aktes. Der gezielte Körpertreffer ist – außer zur Abwehr einer akuten Lebensgefahr – weitestgehend ausgeschlossen. Zuvor sind in der Regel Schüsse auf weniger vitale Körperbereiche oder unmittelbar drohende Gefahr (Warnschuss, Beinschuss) anzustreben, sofern verhältnismäßig.

Schusswaffengebrauch im Objektschutz und bei Alarmauslösung

Schutzpersonen und Wachdienste sind unter streng definierten Voraussetzungen zum Schusswaffengebrauch befugt, beispielsweise zur Abwehr eines Angriffs auf zu schützende Objekte oder zur Wahrung der Unversehrtheit von Menschen.

Verfahrensrechtliche Aspekte und Kontrolle des Schusswaffengebrauchs

Berichtspflichten und Dokumentation

Jeder Schusswaffengebrauch durch Bedienstete des Staates ist rechtsverbindlich zu dokumentieren und zu begründen. Es besteht häufig eine unverzügliche Meldepflicht gegenüber Vorgesetzten und eine umfassende Berichtspflicht. Untersuchungen und Nachprüfungen durch unabhängige Kontrollinstanzen dienen der Aufklärung und eventuellen Rechtsverfolgung.

Rechtsschutzmöglichkeiten

Betroffene Personen haben die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit eines Schusswaffengebrauchs gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Verwaltungsgerichte entscheiden in Verfahren des Verwaltungsrechtswegs über Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs, einschließlich des Schusswaffengebrauchs.

Disziplinarrechtliche Konsequenzen

Einflussreiche disziplinarrechtliche Folgen können sich bei unverhältnismäßigem, unrechtmäßigem oder fahrlässigem Schusswaffeneinsatz ergeben, bis hin zu Beendigung von Dienstverhältnissen oder Verweigerung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit.

Internationales Recht und Schusswaffengebrauch

Die wichtigsten internationalen Standards zum Schusswaffengebrauch ergeben sich unter anderem aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der UN-Konvention gegen Folter und anderen überstaatlichen Regelwerken. Die „Basic Principles on the Use of Force and Firearms by Law Enforcement Officials“ der Vereinten Nationen legen international anerkannte Mindeststandards fest, welche auch in der deutschen Rechtsauslegung berücksichtigt werden.

Fazit

Der Schusswaffengebrauch ist in Deutschland umfassend gesetzlich geregelt. Die komplexe Verbindung von Bundes- und Landesrecht, Polizeirecht, Strafrecht und internationalen Regelungen stellt sicher, dass sowohl Bedienstete des Staates als auch Privatpersonen hohen Anforderungen genügen müssen, bevor der Einsatz von Schusswaffen rechtlich zulässig ist. Eine strikte Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, klare Dokumentationspflichten und vielfältige Kontrollmechanismen gewährleisten den Schutz der Grundrechte aller Beteiligten.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist der Schusswaffengebrauch durch Privatpersonen im deutschen Recht zulässig?

Der Schusswaffengebrauch durch Privatpersonen ist in Deutschland grundsätzlich streng reglementiert und unterliegt den Vorschriften des Waffengesetzes sowie des Strafgesetzbuches. Zulässig ist er im Wesentlichen im Rahmen der Notwehr (§ 32 StGB) oder des Notstands (§ 34 StGB), wenn dies das mildeste und angemessene Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen, rechtswidrigen Gefahr für Leben, Gesundheit oder Eigentum darstellt. Im privaten Bereich darf eine Schusswaffe nur dann eingesetzt werden, wenn dem Bedrohten keine andere gleich wirksame, aber weniger gefährliche Abwehrhandlung zur Verfügung steht, beispielsweise Flucht, verbale Deeskalation oder Einschalten der Polizei. Das Waffengesetz sieht außerdem vor, dass der Umgang mit Schusswaffen grundsätzlich einer behördlichen Erlaubnis bedarf; der tatsächliche Einsatz – also das Abfeuern – ist nur in äußersten Ausnahmesituationen im Rahmen der vorgenannten Notwehr- und Notstandslage zulässig. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann strafrechtliche Konsequenzen wie Freiheitsstrafe oder Geldstrafe nach sich ziehen, unabhängig davon, ob eine Waffenbesitzkarte vorlag.

Wie werden Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit beim Schusswaffengebrauch bewertet?

Die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit des Schusswaffengebrauchs werden vom Gericht jeweils im Einzelfall geprüft. Dabei gilt der Grundsatz, dass ein Rechtfertigungsgrund wie Notwehr oder Notstand nur dann besteht, wenn das eingesetzte Mittel zur Abwehr der Gefahr das mildeste ist. Der Einsatz der Schusswaffe muss somit das letzte Mittel sein, nachdem alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Weiterhin muss die Anwendung in einem angemessenen Verhältnis zur drohenden Gefahr stehen, das heißt: Der Schutz von Sachen rechtfertigt in aller Regel keinen tödlichen Schusswaffengebrauch, während das eigene Leben oder das Leben Dritter dies unter Umständen schon tun kann. Die Bewertung, was verhältnismäßig ist, obliegt letztlich der objektiven ex-post-Betrachtung durch die Justiz, die insbesondere die Bedrohungslage, die individuellen Umstände und die Handlungsalternativen beurteilt.

Welche rechtlichen Folgen drohen bei nicht gerechtfertigtem Schusswaffengebrauch?

Wer in Deutschland eine Schusswaffe unbefugt oder nicht rechtmäßig einsetzt, macht sich strafbar. Dies kann verschiedene Straftatbestände erfüllen, z. B. gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), versuchten oder vollendeten Totschlag (§ 212, 22 StGB), versuchten oder vollendeten Mord (§ 211, 22 StGB), Bedrohung (§ 241 StGB), oder sogar Verstöße gegen das Waffengesetz (§ 52 WaffG). Daneben drohen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche, insbesondere bei Verletzung oder Tötung eines Menschen oder der Beschädigung fremder Sachen. Auch der Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis ist regelmäßig die Folge. Im Falle einer Verurteilung kann das Strafmaß je nach Tatfolge von Geldstrafe bis hin zu langjährigen Freiheitsstrafen reichen.

Darf eine Schusswaffe zur Verteidigung von Eigentum oder Besitz eingesetzt werden?

Die Verteidigung von Eigentum oder Besitz rechtfertigt einen Schusswaffengebrauch in Deutschland nur in sehr engen Grenzen. Gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist tödliche oder schwerwiegende Gewalt zur Abwehr eines bloßen Sachangriffs zumeist nicht gerechtfertigt. Notwehrrecht umfasst zwar grundsätzlich auch den Schutz von Eigentum, jedoch muss die Abwehrhandlung geeignet, erforderlich und angemessen sein. Der Gebrauch einer Schusswaffe zur Verteidigung von Sachen ist deshalb grundsätzlich nicht zulässig, es sei denn, der Angriff ist so gefährlich, dass auch Leib oder Leben des Verteidigers oder Dritter bedroht werden. Sofern zum Beispiel ein Einbrecher „nur“ flieht oder Diebesgut mitnehmen will, ist ein Schusswaffengebrauch in aller Regel unzulässig und strafbar.

Welche Meldepflichten bestehen nach Abgabe eines Schusses?

Nach der Abgabe eines Schusses, insbesondere durch Privatpersonen im Rahmen von Notwehr oder Notstand, besteht grundsätzlich eine Anzeigepflicht gegenüber der Polizei. Selbst wenn der Schusswaffengebrauch gerechtfertigt war, empfiehlt es sich dringend, den Vorfall unverzüglich zu melden. Dies dient sowohl der eigenen rechtlichen Absicherung als auch der vollständigen Aufklärung des Sachverhalts durch die Ermittlungsbehörden. Werden Personen verletzt oder getötet, kann das Unterlassen der Anzeige sogar strafbar sein, etwa als unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB). Die einschreitenden Behörden prüfen dann routinemäßig, ob der Schusswaffengebrauch rechtmäßig war.

Was sind die rechtlichen Besonderheiten des Schusswaffengebrauchs durch Notwehr gegen Tiere?

Der Schusswaffengebrauch zur Abwehr von Tierangriffen ist rechtlich etwas anders zu bewerten als bei Menschen. So kann sich auch hier eine Rechtfertigung aus Notstand (§ 34 StGB) ergeben, wenn von einem Tier eine unmittelbare Gefahr für Leib, Leben oder erhebliches Eigentum ausgeht. Die Voraussetzungen richten sich ebenfalls nach Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit. Es muss geprüft werden, ob die Gefahr anders abgewendet werden kann. In bestimmten Fällen greift auch das Tierschutzgesetz, das grundsätzlich das Töten von Wirbeltieren verbietet, soweit nicht aus zwingenden Gründen (z.B. Abwehr einer akuten Gefahr) erforderlich. Der Schusswaffengebrauch gegen Tiere ist damit stets ultima ratio.

Welche Rolle spielt die Waffenbesitzkarte beim Schusswaffengebrauch?

Eine Waffenbesitzkarte berechtigt zum Besitz und, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen, zum Führen einer Waffe, regelt aber nicht automatisch das Recht zum Einsatz, also das Abfeuern der Waffe. Auch Inhaber einer Waffenbesitzkarte unterliegen beim Schusswaffengebrauch denselben straf- und zivilrechtlichen Vorgaben hinsichtlich Notwehr, Notstand und Verhältnismäßigkeit wie jede andere Person. Der Besitz der Karte verhindert keine strafrechtlichen Konsequenzen bei unrechtmäßigem Gebrauch. Im Gegenteil: Gerade als Inhaber einer Waffenbesitzkarte wird von besonderer Rechtskenntnis und Umsicht ausgegangen, weshalb Verstöße oft besonders streng geahndet werden und regelmäßig auch den Verlust der Erlaubnis nach sich ziehen.