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Schiedsvertrag


Begriff und rechtliche Einordnung des Schiedsvertrags

Ein Schiedsvertrag ist eine privatrechtliche Vereinbarung, in der die Parteien festlegen, dass anstelle staatlicher Gerichte ein Schiedsgericht für die Beilegung ihrer zivilrechtlichen Streitigkeiten zuständig sein soll. Ziel eines Schiedsvertrags ist es, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und stattdessen für spezifische oder zukünftige Streitigkeiten ein privates Streitbeilegungsverfahren vorzusehen.

Schiedsverträge sowie das Schiedsverfahren sind insbesondere im Handelsrecht, internationalen Wirtschaftsrecht sowie bei komplexen Vertragsbeziehungen von Bedeutung. Die Regelungen zum Schiedsvertrag finden sich in Deutschland vor allem in den §§ 1029 bis 1066 der Zivilprozessordnung (ZPO). International maßgeblich sind unter anderem das UNCITRAL-Modellgesetz und das New Yorker Übereinkommen von 1958.


Rechtsgrundlagen und Arten des Schiedsvertrags

Nationale Rechtsgrundlagen (Deutschland)

Im deutschen Recht ist der Schiedsvertrag in den §§ 1029 ff. ZPO geregelt. § 1029 Abs. 1 ZPO definiert den Schiedsvertrag als eine Vereinbarung, durch die die Parteien die Entscheidung einer Streitigkeit durch ein Schiedsgericht ausschließen und sich der privatrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen.

Der Schiedsvertrag kann sowohl als eigenständiges Abkommen (separater Vertrag) als auch als Schiedsklausel innerhalb eines Hauptvertrags abgeschlossen werden.

Internationale Dimension

Internationale Schiedsverfahren unterliegen regelmäßig zusätzlich dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Das UNCITRAL-Modellgesetz bildet in vielen Ländern die Grundlage der nationalen Schiedsverfahrensgesetze. Bei grenzüberschreitenden Verträgen ist die internationale Zuständigkeit sowie die spätere Vollstreckung des Schiedsspruchs von zentraler Bedeutung.

Unterschiedliche Arten von Schiedsverträgen

  • Ad-hoc-Schiedsvertrag: Verfahrensregeln werden von Parteien selbst bestimmt, keine institutionelle Einbindung.
  • Institutioneller Schiedsvertrag: Beinhaltet die Unterwerfung unter die Verfahrensordnung einer Schiedsinstitution (z.B. Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS), International Chamber of Commerce (ICC)).

Form und Wirksamkeit

Formerfordernisse

Nach § 1031 ZPO bedarf der Schiedsvertrag grundsätzlich der schriftlichen Form. Die Vereinbarung gilt als schriftlich abgeschlossen, wenn sie von den Parteien unterschrieben oder durch einen Schriftwechsel (auch per elektronischer Kommunikation) festgehalten wurde.

Voraussetzungen der Wirksamkeit

Für die Wirksamkeit des Schiedsvertrags müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Bestimmbarkeit der Streitigkeit: Es muss eine „bestimmte Rechtsbeziehung“ benannt sein, auf welche sich die Schiedsvereinbarung bezieht.
  • Parteifähigkeit: Alle Parteien müssen rechts- und prozessfähig sein.
  • Schiedsfähigkeit: Es muss sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handeln; nicht schiedsfähig sind zum Beispiel familienrechtliche und arbeitsrechtliche Streitigkeiten nach deutschem Recht.
  • Keine Sittenwidrigkeit oder Gesetzesverstoß: Die Schiedsabrede darf nicht gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen.

Wirkung des Schiedsvertrags

Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit

Mit Abschluss eines wirksamen Schiedsvertrags begründen die Parteien, dass ordentliche Gerichte für die betreffende Streitigkeit grundsätzlich unzuständig sind. Erhebt dennoch eine Partei Klage vor einem staatlichen Gericht, so hat dieses das Verfahren (auf Rüge und bei wirksamer Schiedsvereinbarung) als unzulässig abzuweisen (§ 1032 ZPO).

Bindung und Durchsetzbarkeit

Der Schiedsvertrag bindet die Parteien und ermöglicht die Durchführung eines Schiedsverfahrens. Wird eine Partei im Zuge des Schiedsverfahrens beschwert, so ist eine Aufhebung des ergangenen Schiedsspruchs nur unter engen in § 1059 ZPO geregelten Ausnahmen möglich.


Inhalt und Gestaltung des Schiedsvertrags

Mindestinhalt

Ein effektiver Schiedsvertrag sollte mindestens folgende Punkte regeln:

  • Die genaue Bezeichnung der Parteien
  • Die Festlegung auf ein konkretes Schiedsgericht oder eine Schiedsinstitution
  • Die Bestimmung des Schiedsorts (Schiedsgerichtsort)
  • Umfang und Gegenstand der Schiedsvereinbarung
  • Anzahl und Auswahl der Schiedsrichter
  • Verfahrensordnung bzw. anwendbare Regeln
  • Sprache des Verfahrens
  • Rechtliche Grundlagen (materielles Recht)

Ergänzende Regelungen

Für eine reibungslose Durchführung sind ergänzende Vereinbarungen sinnvoll, z.B. zur Kostentragung, zu Fristen oder zu Modalitäten der Zustellung und Durchführung von Beweisaufnahmen.


Beendigung und Anfechtung des Schiedsvertrags

Erlöschen und Aufhebung des Schiedsvertrags

Der Schiedsvertrag kann durch einvernehmliche Aufhebung, Erledigung des Streitgegenstandes oder durch Zeitablauf (bei Befristung) beendet werden. Eine einseitige Kündigung ist in der Regel ausgeschlossen, außer es ist etwas anderes vereinbart.

Anfechtung und Nichtigkeit

Wie jeder privatrechtliche Vertrag kann der Schiedsvertrag unter Berufung auf Anfechtungsgründe (z.B. arglistige Täuschung, Drohung) nach allgemeinen Regelungen angefochten werden. Ferner ist der Vertrag nichtig, sofern über eine nicht schiedsfähige Streitigkeit verfügt wird, oder er gegen zwingendes Recht verstößt.


Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen

Rechtskraft und Durchsetzung

Schiedssprüche entfalten grundsätzlich die gleiche Wirkung wie rechtskräftige Entscheidungen staatlicher Gerichte (§§ 1055, 1060 ZPO). Für die Zwangsvollstreckung eines inländischen Schiedsspruchs ist eine besondere Vollstreckbarerklärung erforderlich.

Internationale Vollstreckung

Ausländische Schiedssprüche können gemäß dem New Yorker Übereinkommen in über 160 Vertragsstaaten anerkannt und vollstreckt werden. Die Voraussetzungen und Versagungsgründe sind in den jeweiligen Umsetzungsregelungen geregelt.


Vorteile und Risiken des Schiedsvertrags

Vorteile

  • Vertraulichkeit des Verfahrens
  • Schnellere und flexible Verfahrensdurchführung
  • Fachkundige Besetzung des Schiedsgerichts
  • Internationale Vollstreckbarkeit

Risiken

  • Kostenintensität des Schiedsverfahrens
  • Eingeschränkte Überprüfbarkeit der Entscheidung
  • Partielle Durchsetzungshindernisse für bestimmte Rechtstypen

Literaturhinweise und weiterführende Links

  • Baumann, Schiedsverfahrensrecht, 3. Aufl., München 2020
  • Münchener Kommentar ZPO, Bd. 3, §§ 1025-1066, aktuelle Auflage
  • Kluwer Arbitration Blog: www.kluwerarbitrationblog.com
  • New Yorker Übereinkommen (eng.: New York Convention): www.newyorkconvention.org

Fazit

Der Schiedsvertrag stellt ein zentrales Instrument zur außergerichtlichen Streitbeilegung dar. Durch die detaillierte vertragliche Gestaltung kann eine flexible, effiziente und international anerkannte Alternative zur staatlichen Gerichtsbarkeit geschaffen werden. Gleichwohl sind rechtliche Rahmenbedingungen und potentielle Risiken sorgfältig zu bewerten, um die angestrebte Wirkung optimal zu erzielen.

Häufig gestellte Fragen

Ist ein Schiedsvertrag auch dann wirksam, wenn er mündlich geschlossen wurde?

Ein Schiedsvertrag kann grundsätzlich formfrei geschlossen werden, sofern nicht spezialgesetzliche oder länderspezifische Regelungen – wie etwa § 1031 Abs. 1 ZPO in Deutschland – eine bestimmte Form vorsehen. Nach deutschem Recht ist für einen wirksamen Schiedsvertrag regelmäßig die Schriftform erforderlich. Diese Anforderung dient dazu, die Parteien besonders darauf hinzuweisen, dass sie im Streitfall nicht den ordentlichen Gerichten, sondern einem Schiedsgericht unterliegen. Die Schriftform ist nach § 1031 Abs. 1 ZPO bereits gewahrt, wenn der Vertrag in einem Schriftstück enthalten ist, das von den Parteien unterzeichnet wurde, oder wenn der Abschluss durch Briefwechsel, E-Mail oder andere Formen der Textkommunikation nachweisbar ist. Im internationalen Handel akzeptieren viele Schiedsordnungen digitale Kommunikation und elektronische Dokumente. Die Verletzung der Formvorschriften kann zur Nichtigkeit des Schiedsvertrages führen, sodass ein ordentliches Gericht zuständig bleibt.

Können sämtliche Rechtsstreitigkeiten einem Schiedsverfahren unterworfen werden?

Nicht alle Streitigkeiten sind schiedsfähig. Grundsätzlich gilt der Grundsatz der Schiedsfähigkeit nach § 1030 Abs. 1 ZPO, wonach vermögensrechtliche Ansprüche durch Schiedsverfahren entschieden werden können. Nicht schiedsfähig sind hingegen Streitigkeiten, die die Statusfragen betreffen oder in denen die Parteien nicht frei über das Rechtsverhältnis verfügen können. Dazu zählen z.B. familienrechtliche Statusfragen, bestimmte arbeitsrechtliche Streitigkeiten, Verbraucherangelegenheiten in bestimmten Konstellationen sowie Angelegenheiten, bei denen das öffentliche Interesse oder staatliche Hoheitsrechte berührt sind. Die Schiedsfähigkeit richtet sich immer nach der jeweils anwendbaren nationalen Rechtsordnung und kann im internationalen Kontext abweichend geregelt sein.

Was passiert, wenn eine Partei den Schiedsvertrag im Rechtsstreit ignoriert und Klage vor einem staatlichen Gericht erhebt?

Reicht eine Partei trotz bestehenden Schiedsvertrags Klage bei einem staatlichen Gericht ein, ist das angerufene Gericht grundsätzlich verpflichtet, den Rechtsstreit nicht zuzulassen, sofern die Gegenseite sich rechtzeitig, das heißt spätestens vor Einlassung zur Hauptsache, auf das Bestehen des Schiedsvertrags beruft (§ 1032 ZPO). Das Gericht prüft dann summarisch das Vorliegen und die Wirksamkeit des Schiedsvertrags. Erkennt es einen wirksamen Schiedsvertrag, verweist es die Parteien an das vereinbarte Schiedsgericht und erklärt sich für unzuständig. Erfolgt keine fristgerechte Rüge, kann das staatliche Gericht dennoch in der Sache entscheiden.

Kann ein Schiedsvertrag einseitig widerrufen oder gekündigt werden?

Ein Schiedsvertrag ist, sofern nichts anderes vereinbart ist, bindend und kann grundsätzlich nicht einseitig widerrufen oder gekündigt werden. Er stellt einen Vertrag zugunsten beider Parteien dar, und nur einvernehmlich ist eine Aufhebung möglich. Eine Kündigungsmöglichkeiten ergeben sich nur, wenn dies ausdrücklich im Schiedsvertrag vorgesehen ist oder besondere Gründe – wie etwa eine schwerwiegende Vertragsverletzung – vorliegen. Im Einzelfall kann geprüft werden, ob allgemeine zivilrechtliche Grundsätze wie die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrags Anwendung finden. Ein einseitiger Rücktritt ohne vertragliche Grundlage ist jedoch nicht zulässig und hat keine rechtliche Wirkung.

Wie beeinflusst ein Schiedsvertrag das Verfahren bei einstweiligem Rechtsschutz?

Der Abschluss eines Schiedsvertrags schließt den staatlichen Rechtsschutz im Wege des Eilrechtsschutzes (z.B. einstweilige Verfügungen oder Arrest) nicht aus. Nach § 1033 ZPO bleibt die Zuständigkeit staatlicher Gerichte für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich bestehen, es sei denn, die Parteien haben ausdrücklich etwas anderes vereinbart. In der Praxis bedeutet dies, dass selbst bei einem Schiedsvertrag die Parteien in dringenden Fällen staatliche Gerichte anrufen können, um schnelle, vorläufige Maßnahmen zu erwirken. Auf internationaler Ebene sehen viele Schiedsordnungen ebenfalls die Möglichkeit vor, dass Schiedsgerichte selbst vorläufigen Rechtsschutz anordnen können; die Zwangsvollstreckung solcher Maßnahmen ist jedoch häufig nur durch staatliche Gerichte möglich.

Welche Auswirkungen hat die Unwirksamkeit des Schiedsvertrags auf bereits eingeleitete Schiedsverfahren?

Wird ein Schiedsvertrag als unwirksam festgestellt, fehlt dem Schiedsgericht die Zuständigkeit, über die Streitigkeit zu entscheiden. Bereits ergangene oder noch zu erlassende Schiedssprüche wären dann nichtig und könnten im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens angefochten und aufgehoben werden. Parteien müssen in einem solchen Fall auf das zuständige staatliche Gericht ausweichen. Die Wirksamkeit eines Schiedsvertrags kann sowohl vom Schiedsgericht selbst als auch im Rahmen eines späteren Aufhebungsverfahrens von staatlichen Gerichten geprüft werden (Kompetenz-Kompetenz-Prinzip). Sollte sich die Unwirksamkeit des Schiedsvertrags erst nach Beginn des Verfahrens herausstellen, sind etwaige Handlungen des Schiedsgerichts gegenstandslos, und eine gerichtliche Entscheidung wird notwendig.