Begriff und rechtliche Einordnung des Scheingesellschafters
Der Begriff Scheingesellschafter beschreibt im deutschen Gesellschaftsrecht eine Person, die im äußeren Erscheinungsbild als Gesellschafter einer Gesellschaft auftritt, tatsächlich jedoch nicht Gesellschafterstellung erlangt hat. Die Person ist also nach außen als Gesellschafter erkennbar, fehlt jedoch die gesellschaftsrechtliche Legitimation oder innere Beteiligung, wie etwa die Einbringung einer Einlage, Teilnahme am Gesellschaftsvertrag oder die Ausübung von Gesellschafterrechten. Die rechtliche Behandlung des Scheingesellschafters ist von erheblicher Bedeutung für den Gläubigerschutz und das Gesellschaftsverhältnis.
Abgrenzung: Scheingesellschafter und tatsächlicher Gesellschafter
Ein tatsächlicher Gesellschafter ist mit vollumfänglicher Berechtigung und Verpflichtung am Gesellschaftsvertrag beteiligt. Demgegenüber fehlt dem Scheingesellschafter die echte Gesellschafterstellung, auch wenn gegen Außenstehende der Anschein erweckt wird, er sei Gesellschafter. Der Unterschied zum sogenannten Strohmann besteht darin, dass der Strohmann gerade bevollmächtigt worden sein kann, für einen anderen (hinter dem Strohmann stehenden) die Gesellschafterstellung zu übernehmen, während der Scheingesellschafter mangels wirklicher Rechtsgrundlage auftritt.
Entstehungstatbestände und Erscheinungsformen des Scheingesellschafters
Bewusstes Scheinhandeln
Ein Scheingesellschafter kann unbewusst oder bewusst nach außen hin als Gesellschafter auftreten. Dies geschieht beispielsweise durch die Aufnahme ins Handelsregister oder in Geschäftsunterlagen, obwohl keine wirksame Beteiligung am Gesellschaftsvertrag erfolgt ist.
Fehlerhafte Gesellschaftsgründung
Mitunter wird eine Person als Gesellschafter benannt, etwa in Gesellschaftsverträgen oder im Handelsregister, ohne dass eine wirksame Einlage geleistet wurde oder andere gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen vorliegen. Die betreffende Person ist dann lediglich „scheinbar“ Gesellschafter, ohne die entsprechend geltenden Rechte und Pflichten.
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und Scheingesellschafter
Insbesondere bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) kommt es regelmäßig zu Konstellationen, in denen Dritte aus dem äußeren Auftreten auf eine Gesellschafterstellung schließen können, diese tatsächlich aber nicht besteht.
Rechtsfolgen des Scheingesellschafters
Scheingesellschafterhaftung
Blieb der Anschein einer Gesellschafterstellung für Dritte erkennbar und wurde auf diese Weise rechtsgeschäftlicher Kontakt aufgenommen, kann eine sogenannte Rechtsscheinhaftung entstehen. Nach § 128 HGB haften Gesellschafter einer OHG für Gesellschaftsschulden persönlich. Der Scheingesellschafter kann gegenüber gutgläubigen Dritten entsprechend in Anspruch genommen werden, sofern er selbst oder die übrigen Gesellschaftsmitglieder den Rechtsschein gesetzt und der Dritte auf diesen schutzwürdig vertraut hat.
Voraussetzungen der Scheingesellschafterhaftung
- Setzung eines Rechtsscheins: Nach außen hin wird der Eindruck der Gesellschafterstellung vermittelt.
- Zurechenbarkeit: Der Rechtsschein ist dem angeblichen Gesellschafter zurechenbar.
- Gutgläubigkeit des Dritten: Der Gläubiger vertraut auf den Rechtsschein, ohne Kenntnis des wahren Sachverhalts.
- Kausalität: Der Dritte verlässt sich bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts auf den Rechtsschein.
Kein Anspruch auf Gesellschafterrechte
Dem Scheingesellschafter stehen keine Rechte auf Geschäftsführung, Gewinnbeteiligung oder gesellschaftsinterne Mitbestimmung zu, da keine wirksame Einbindung in den Gesellschaftsvertrag erfolgt ist.
Innenverhältnis und Rückabwicklung
Kommt es zur Inanspruchnahme eines Scheingesellschafters, bestehen im Innenverhältnis regelmäßig Rückabwicklungs- oder Freistellungsansprüche – insbesondere kann der Scheingesellschafter bei Inanspruchnahme durch Dritte gegenüber den tatsächlichen Gesellschaftern einen Ausgleich verlangen, wenn die Haftung ohne eigene Verursachung erfolgte und der Gesellschaft zugutekam.
Anfechtung, Berichtigung und Prävention
Berichtigung von öffentlichen Registern
Ist ein Scheingesellschafter im Handelsregister eingetragen, besteht aus rechtlicher Sicht die Verpflichtung zur Berichtigung, um künftige Haftungsfälle zu vermeiden. Die Löschung erfolgt beispielsweise durch Anmeldung der Gesellschafterliste oder notariell beglaubigte Änderung.
Präventionsmaßnahmen
Insbesondere im Rahmen von Gesellschaftsgründungen und Neuaufnahmen von Gesellschaftern ist eine sorgfältige Dokumentation und Prüfung der Wirksamkeit der Beteiligung notwendig, um das Entstehen von scheinbaren Gesellschafterstellungen und den daraus resultierenden Haftungsrisiken zu verhindern.
Bedeutung und Abgrenzungen im Unternehmensrecht
Unterscheidung zu anderen Rechtsfiguren
Die Scheingesellschafterhaftung ist vom „Handelsvertreter“, „Kommanditisten“ oder „Strohmann“ abzugrenzen, da diese Kategorien besondere gesetzliche Ausprägungen und Rechtsfolgen aufweisen.
Rolle im Erwerbs- und Umwandlungsprozess von Unternehmen
Im Rahmen von Unternehmensübernahmen oder Umwandlungen ist die eindeutige Ermittlung der Gesellschafterstrukturen essentiell. Scheingesellschafter sollten identifiziert und aus den Gesellschaftsstrukturen entfernt werden, um Rechts- und Haftungssicherheit herzustellen.
Rechtsprechung und Literatur
Die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs, befasst sich regelmäßig mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Scheingesellschafterhaftung. Relevante Entscheidungen betonen den Vertrauensschutz Dritter sowie die Haftung infolge eines nach außen hin wirkenden Rechtsscheins.
Zusammenfassung
Der Scheingesellschafter nimmt eine zentrale Rolle im deutschen Gesellschaftsrecht ein, wenn es um Rechtssicherheit, Gläubigerschutz und die klare Trennung tatsächlicher und scheinbarer Gesellschafterstrukturen geht. Rechtliche Unsicherheiten und Risiken können nur durch sorgfältige Dokumentation, laufende Überprüfung der Gesellschafterstruktur und konsequente Berichtigung öffentlicher Eintragungen vermieden werden. Der Umgang mit Scheingesellschaftern erfordert eine genaue Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen zur Haftung und zum Schutz gutgläubiger Dritter.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen einem als Scheingesellschafter eingestuften Beteiligten?
Wird eine Person als Scheingesellschafter identifiziert, so entfalten sich daraus unterschiedliche rechtliche Konsequenzen. Im zivilrechtlichen Kontext ist der Scheingesellschafter grundsätzlich nicht an der Gesellschaft beteiligt und unterliegt nicht den typischen Gesellschafterrechten und -pflichten. Das heißt, er ist insbesondere nicht berechtigt, an Gesellschafterbeschlüssen teilzunehmen, und kann üblicherweise keine Gewinnanteile oder Stimmrechte beanspruchen. Allerdings haftet der Scheingesellschafter nach außen hin Dritten gegenüber – insbesondere Gläubigern der Gesellschaft – häufig analog einem vollwertigen Gesellschafter, wenn er im Rechtsverkehr als solcher aufgetreten ist (sog. Rechtsscheinhaftung). Darüber hinaus können sich strafrechtliche Risiken ergeben, insbesondere wenn durch die Scheinbeteiligung eine Täuschungsabsicht gegenüber Behörden, Geschäftspartnern oder Gläubigern vorliegt. Steuerrechtlich kann die Einordnung als Scheingesellschafter zur Versagung steuerlicher Vorteile oder zur rückwirkenden Besteuerung führen. Zudem drohen Ordnungsgeld- und Bußgeldverfahren, sollten Melde- oder Offenlegungspflichten verletzt worden sein. Im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft kann der Scheingesellschafter unter Umständen wie ein Vollgesellschafter in die Haftung genommen werden, falls durch sein Auftreten ein besonderer Vertrauensschutz Dritter ausgelöst wurde.
Welche Beweislast und Darlegungspflicht besteht im Prozessfall im Hinblick auf Scheingesellschafterverhältnisse?
Im Fall eines Rechtsstreits ist grundsätzlich das Vorliegen eines Scheingesellschafter-Verhältnisses von der Partei, die sich darauf beruft, substantiiert darzulegen und zu beweisen. Die gerichtliche Praxis verlangt hierzu nicht nur die Vorlage eines Gesellschaftsvertrags oder sonstiger schriftlicher Dokumente, sondern prüft das Gesamtbild der tatsächlichen Umstände (sog. „Gesamtabwägung“). Hierzu zählen etwa die Außenwahrnehmung im Rechtsverkehr, die Rollenverteilung, die tatsächliche Ausübung von Gesellschafterfunktionen, Zuflüsse von Gewinnanteilen, Beteiligung an Sitzungen sowie die Kommunikation mit Dritten. Die bloße Nennung einer Person als Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag genügt nicht, wenn objektive Beweismittel oder Zeugenaussagen gegenteiliges Verhalten belegen können. Insbesondere liegt die Darlegungslast bei der Person, die sich auf das Scheingesellschafterverhältnis beruft, wobei die Nachweiserbringung im Wesentlichen auf Indizienbeweise gestützt werden kann.
Wie wirkt sich die Scheingesellschafterstellung auf die Innenverhältnisse der Gesellschaft aus?
Im Innenverhältnis, also zwischen den Gesellschaftern untereinander sowie der Gesellschaft und ihren (vermeintlichen) Gesellschaftern, hat der Scheingesellschafter grundsätzlich keine gesellschaftsrechtlichen Rechte oder Pflichten. Er ist insbesondere nicht zur Leistung von Einlagen verpflichtet und hat keinen Anspruch auf Gewinnbeteiligung oder Stimmrechte. Befugnisse, im Namen der Gesellschaft zu handeln, bestehen ebenfalls nicht, es sei denn, es liegen gesonderte vertragliche Vereinbarungen vor, die ihm bestimmte Aufgaben zuweisen. Jegliche Handlungen, die gegenüber Dritten im Rahmen der Gesellschaft erfolgen, sind für die Gesellschaft nicht verpflichtend, es sei denn, der Scheingesellschafter wurde ausdrücklich bevollmächtigt. Die „echten“ Gesellschafter können daher im Innenverhältnis regelmäßig Regress gegen den Scheingesellschafter geltend machen oder diesen ausschließen, falls durch seine aktive Beteiligung Schäden oder Rechtsnachteile entstehen.
Welche Bedeutung kommt der Scheingesellschafterstellung im Steuerrecht zu?
Für die steuerrechtliche Behandlung ist allein die tatsächliche Beteiligung an der Gesellschaft und die daraus resultierende wirtschaftliche Zuordnung von Einkünften entscheidend. Scheingesellschafter werden vom Finanzamt als sogenannte „Nichtbeteiligte“ behandelt, mit der Folge, dass ihnen keine Gewinnanteile im steuerlichen Sinne zugeordnet werden können. Etwaige auf den Scheingesellschafter ausgestellte Gewinnabrechnungen sind steuerlich unbeachtlich; die Einkünfte sind den tatsächlich beteiligten Gesellschaftern zuzurechnen. Problematisch wird dies insbesondere, wenn über das Scheingesellschafterverhältnis Steuervorteile erschlichen wurden. In solchen Fällen droht eine Rücknahme der Steuervorteile, die Nachversteuerung sowie möglicherweise steuerstrafrechtliche Konsequenzen (z. B. wegen Steuerhinterziehung).
Inwiefern haften Scheingesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Dritten?
Nach außen (im Verkehr mit Dritten) kann ein Scheingesellschafter unter Umständen so behandelt werden, als wäre er ein vollwertiger Gesellschafter (sog. Rechtsscheinhaftung). Dritte, die im Vertrauen auf das Auftreten des Scheingesellschafters Geschäfte mit der Gesellschaft eingehen, können sich auf diesen Rechtsschein berufen und den Scheingesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftbar machen. Voraussetzung ist, dass der Scheingesellschafter aktiv oder passiv am Entstehen dieses Rechtsscheins mitgewirkt hat und der Dritte bei Vertragsabschluss vom Status des Scheingesellschafters ausgehen durfte. Eine solche Haftung tritt häufig zusätzlich zu einer etwaigen (analogen) Geschäftsführerhaftung oder aus anderen deliktischen Anspruchsgrundlagen heraus zutage.
Welche Rolle spielt das Registergericht in Bezug auf die Eintragung von Scheingesellschaftern?
Das Registergericht prüft im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht, ob die zur Eintragung vorgelegten Gesellschafter tatsächlich als solche anzusehen sind. Da die Gesellschafterliste grundsätzlich der materiellen Wahrheit entsprechen muss, darf ein Scheingesellschafter – für den erkennbar kein eigenständiger gesellschaftsrechtlicher Wille vorliegt – nicht eingetragen werden. Stellt sich nachträglich heraus, dass ein eingetragener Gesellschafter tatsächlich nur Scheingesellschafter ist, kann das Registergericht die Eintragung von Amts wegen berichtigen oder löschen. Eine fehlerhafte Eintragung kann für alle Beteiligten weitreichende haftungs- und registerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, beispielsweise im Falle der Haftung für fehlerhafte Angaben nach § 399 FamFG bzw. § 16 GmbHG.
Ist eine Heilung der Scheingesellschafterstellung möglich und welche Maßnahmen sind dafür notwendig?
Die Aufhebung der Scheingesellschafterstellung und die „Heilung“ des Verhältnisses ist grundsätzlich nur durch eine förmliche Änderung des Gesellschaftsvertrags bzw. durch eine ordnungsgemäße Übertragung der Geschäftsanteile möglich. Alle erforderlichen zivil- und gesellschaftsrechtlichen Formerfordernisse (insbesondere notarielle Beurkundung bei Kapitalgesellschaften) sind dabei zu wahren. Nach erfolgreicher Heilung kann der vormals als Scheingesellschafter bezeichnete Beteiligte die vollen gesellschaftsrechtlichen Rechte und Pflichten beanspruchen. Daneben sind gegebenenfalls erforderliche Korrekturen im Handelsregister und gegenüber den Finanz- und Aufsichtsbehörden vorzunehmen, um die neue Beteiligungslage transparent zu dokumentieren und bestehende Rechtsscheine auszuräumen. Bis zur ordnungsgemäßen Heilung bleibt die persönliche und gesellschaftsrechtliche Haftung des Scheingesellschafters im Außenverhältnis weiterhin bestehen.