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Scheidungsverträge


Definition und rechtliche Einordnung von Scheidungsverträgen

Ein Scheidungsvertrag ist eine zivilrechtliche Vereinbarung, die zwischen (ehemaligen) Ehegatten im Zusammenhang mit einer Trennung und Scheidung getroffen wird. Ziel eines solchen Vertrags ist es, die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen einer Scheidung außergerichtlich und einvernehmlich zu regeln. Scheidungsverträge sind in Deutschland nicht gesetzlich definiert, stellen jedoch aufgrund ihrer weitreichenden Regelungsinhalte ein zentrales Instrument zur Streitvermeidung und Effizienzsteigerung im Scheidungsverfahren dar.

Bedeutung und Abgrenzung

Scheidungsverträge sind von reinen Trennungs- oder Eheverträgen abzugrenzen. Während Eheverträge bereits während der Ehe abgeschlossen werden und die rechtlichen Beziehungen innerhalb der Ehe regeln, finden Scheidungsverträge typischerweise im Hinblick auf eine bevorstehende oder bereits eingereichte Scheidung Anwendung. Trennungsvereinbarungen dienen hingegen lediglich der vorläufigen Regelung während der Trennungszeit, ohne abschließenden Charakter.

Inhaltliche Regelungsbereiche von Scheidungsverträgen

Scheidungsverträge können unterschiedlichste Lebensbereiche erfassen. Im Regelfall werden folgende Aspekte häufig geregelt:

Vermögensauseinandersetzung

Hierzu zählen die Aufteilung des während der Ehe erworbenen Vermögens, die Regelung des Zugewinnausgleichs bei Zugewinngemeinschaft sowie die Verteilung gemeinsamer Vermögensgegenstände (z. B. Immobilien, Fahrzeuge, Wertpapiere). Auch Vereinbarungen zur Schuldenaufteilung und zur Übertragung von Rechte an Vermögenswerten sind möglich.

Ehewohnung und Hausrat

Die Parteien können verbindlich vereinbaren, wem die Ehewohnung oder das Familienheim zugesprochen wird, wie der Hausrat aufzuteilen ist oder wie Nutzungsrechte geregelt werden.

Unterhaltsregelungen

Ein wesentlicher Bestandteil betrifft den nachehelichen Unterhalt – also Vereinbarungen über Unterhaltszahlungen einer Partei an die andere nach der Scheidung. Hier können sowohl Höhe, Dauer und Modalitäten verbindlich festgelegt werden. Ebenso ist eine Regelung zum Kindesunterhalt zulässig, soweit die Vorgaben des Gesetzes gewahrt bleiben.

Versorgungsausgleich

Im Rahmen des Versorgungsausgleichs wird geregelt, wie die während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften zwischen den Ehepartnern aufgeteilt werden. Ein Scheidungsvertrag kann unter bestimmten Voraussetzungen auch den Ausschluss oder eine Modifikation des Versorgungsausgleichs enthalten, soweit dies rechtlich zulässig ist.

Sorgerecht und Umgangsrecht

Die elterliche Sorge und das Umgangsrecht für gemeinsame Kinder kann ebenfalls verbindlich im Scheidungsvertrag geregelt werden, wobei hierbei stets das Wohl des Kindes maßgeblich ist und gerichtliche Genehmigungen erforderlich sein können.

Formvorschriften und Wirksamkeitsvoraussetzungen

Notarielle Beurkundung

Scheidungsverträge, die Regelungen über Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich, Unterhalt oder Eigentumsübertragungen enthalten, bedürfen nach § 1410 BGB jeweils der notariellen Beurkundung. Fehlt die notarielle Beurkundung, ist der Vertrag regelmäßig formunwirksam und nichtig.

Inhalts- und Ausübungskontrolle

Das Familiengericht überprüft bestimmte Vereinbarungen auf ihre Angemessenheit und Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB sowie auf eine etwaige Unwirksamkeit wegen unzumutbarer Benachteiligung (§ 242 BGB). Verträge, die einen Ehegatten in unzumutbarer Weise benachteiligen oder gegen zwingende Schutzvorschriften verstoßen, sind insgesamt oder zum Teil nichtig.

Genehmigungsvorbehalt bei Regelungen zum Kindeswohl

Vereinbarungen über elterliche Sorge oder Umgang, die das Kindeswohl betreffen, können nur mit gerichtlicher Genehmigung wirksam getroffen werden. Das Gericht prüft, ob die getroffene Regelung dem Wohl des Kindes entspricht (§ 1697a BGB).

Vorteile und Risiken von Scheidungsverträgen

Vorteile

  • Rechtssicherheit: Klare Regelungen schaffen Transparenz und verhindern spätere Streitigkeiten.
  • Zeiteinsparung: Einvernehmliche Einigungen bieten die Möglichkeit, das Scheidungsverfahren zu verkürzen.
  • Kostenbewusstsein: Gerichtliche Auseinandersetzungen und damit verbundene Kosten können reduziert oder vermieden werden.
  • Individuelle Gestaltung: Die Parteien können auf ihre spezifischen Lebensverhältnisse abgestimmte Lösungen finden.

Risiken

  • Fehlende Gleichgewichtsprüfung: Unerfahrene Vertragsparteien können benachteiligt werden, wenn die Vereinbarung einseitig ist oder unfaire Bedingungen enthält.
  • Unwirksamkeit: Formverstöße oder sittenwidrige Inhalte führen zur vollständigen oder teilweisen Unwirksamkeit.
  • Unabänderbarkeit: Nach Vertragsschluss ist eine Änderung regelmäßig nur im Ausnahmefall möglich, beispielsweise bei einer groben Änderung der Verhältnisse.

Anfechtung, Abänderung und Nachträgliche Anpassung

Grundsätzlich sind Scheidungsverträge bindend. Gleichwohl sind nachträgliche Änderungen oder eine Anfechtung unter bestimmten Voraussetzungen denkbar, etwa bei:

  • Anfechtung wegen Arglist, Täuschung oder Drohung (§§ 119, 123 BGB)
  • Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), falls sich wesentliche Umstände nach Vertragsschluss unerwartet ändern
  • Unwirksamkeit einzelner Regelungen aufgrund neuer gerichtlicher Entscheidungen oder geänderter Gesetzeslage

Rechtstatsächliche und praktische Bedeutung

Scheidungsverträge gewinnen im Zuge der Zunahme einvernehmlicher Scheidungsverfahren zunehmend an Bedeutung, da sie eine flexible, kostengünstige und bedarfsgerechte Möglichkeit zur Konfliktlösung darstellen. Die maßgeschneiderte Regelung zentraler Folgefragen der Scheidung leistet einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Justiz und ermöglicht den Beteiligten ein Höchstmaß an Selbstbestimmung.

Zusammenfassung

Der Scheidungsvertrag bildet ein zentrales Instrument der außergerichtlichen Konfliktlösung im deutschen Familienrecht. Er ermöglicht es Ehegatten, die finanziellen, vermögensrechtlichen und kindeswohlbezogenen Folgen einer Scheidung eigenverantwortlich zu regeln. Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen und der vielfach bestehenden Formvorschriften ist eine inhaltlich und rechtlich fundierte Ausgestaltung von besonderer Bedeutung, um Rechtssicherheit und Bestand der getroffenen Vereinbarungen zu gewährleisten. Scheidungsverträge tragen maßgeblich zu einer effizienten, streitvermeidenden Trennung bei und erlauben eine flexible Gestaltung im Rahmen des gesetzlich Zulässigen.

Häufig gestellte Fragen

Welche grundlegenden Regelungen beinhaltet ein Scheidungsvertrag?

Ein Scheidungsvertrag enthält eine Vielzahl rechtlicher Regelungen, die das Verhältnis der Ehegatten nach der Ehe rechtsverbindlich gestalten. Typische Inhalte sind Vereinbarungen zum Zugewinnausgleich, zur Aufteilung des gemeinsamen Vermögens, zur Nutzung beziehungsweise Übertragung der ehelichen Immobilie, zur Aufteilung von Haushaltsgegenständen, zu etwaigen Unterhaltsverpflichtungen (Ehegatten- und Kindesunterhalt) sowie zum Versorgungsausgleich. Ebenso können Regelungen zum Sorge- und Umgangsrecht der gemeinsamen Kinder vereinbart werden, wobei die letztgenannten Punkte die gerichtliche Billigung benötigen, sofern sie das Kindeswohl berühren. Der Scheidungsvertrag kann auch Vereinbarungen enthalten, wie mit etwaigen gemeinsamen Schulden oder laufenden Krediten verfahren werden soll. Der Vertrag zielt darauf ab, sämtliche Trennungs- und Scheidungsfolgen rechtsverbindlich, abschließend und außergerichtlich zu regeln und so Prozessrisiken und -kosten zu minimieren.

Muss ein Scheidungsvertrag notariell beurkundet werden?

In Deutschland ist für einen Scheidungsvertrag grundsätzlich die notarielle Beurkundung erforderlich, sofern der Vertrag Regelungen zu vermögensrechtlichen Angelegenheiten wie dem Zugewinnausgleich, der Eigentumsübertragung an Grundstücken oder Immobilien, Unterhaltsansprüchen oder etwaigen Erbverzichten enthält. Das Erfordernis der notariellen Beurkundung dient sowohl dem Schutz der Vertragsparteien vor übereiltem Abschluss nachteiliger Vereinbarungen als auch der Rechtssicherheit. Die notarielle Beurkundung bewirkt, dass die Vertragsinhalte vollstreckbar sind, das heißt, aus dem Vertrag kann notfalls direkt die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Lediglich rein tatsächliche Regelungen, etwa zur praktischen Durchführung des Umgangsrechts, bedürfen keiner notariellen Form, empfehlenswert ist diese aber auch hier aus Gründen der Beweisbarkeit.

Welche rechtlichen Grenzen bestehen für individuelle Vereinbarungen im Scheidungsvertrag?

Die Vertragsfreiheit der Ehegatten wird durch diverse zwingende Rechtsvorschriften eingeschränkt, insbesondere wenn durch die Vereinbarung wesentliche Rechtspositionen einer Partei oder von Kindern unangemessen beeinträchtigt werden. So sind beispielsweise Vereinbarungen, die den nachehelichen Unterhalt vollständig ausschließen, sittenwidrig und somit nichtig, sofern ein Ehegatte dadurch unangemessen benachteiligt wird oder die Vereinbarung eine strukturelle Unterlegenheit ausnutzt. Ebenso dürfen Regelungen zum Sorge- und Umgangsrecht das Kindeswohl nicht verletzen, weswegen sie stets der gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Auch beim Versorgungsausgleich gibt es zwingende gesetzliche Vorgaben, die nur in Ausnahmefällen, etwa bei annähernd gleichwertigen Ansprüchen, abbedungen werden können. Für diesen Bereich ist stets eine gerichtliche Genehmigung notwendig.

Können im Scheidungsvertrag auch Regelungen für gemeinsame Kinder getroffen werden?

Ja, ein Scheidungsvertrag kann und sollte Regelungen über das Sorgerecht, das Umgangsrecht sowie den Kindesunterhalt enthalten, sofern gemeinsame Kinder betroffen sind. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass das Familiengericht Vereinbarungen, die das Kindeswohl betreffen, prüfen muss. Einer Vereinbarung zum Kindesunterhalt wird nur zugestimmt, wenn sie mindestens der gesetzlichen Mindesthöhe entspricht oder eine anderweitige ausreichende Versorgung sichergestellt ist. Beim Sorge- und Umgangsrecht müssen die Regelungen dem Wohl des Kindes entsprechen und dürfen keinseitige Benachteiligungen hervorrufen. Bestehen Zweifel am Kindeswohl oder wird ein standardgesetzlicher Anspruch unterschritten, kann das Gericht die Genehmigung verweigern.

Ist ein Scheidungsvertrag nachträglich anfechtbar?

Ein Scheidungsvertrag kann nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts angefochten werden, wenn er beispielsweise durch arglistige Täuschung, Drohung oder Irrtum zustande gekommen ist. Daneben besteht die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung, wenn sich wesentliche Umstände, die Grundlage des Vertrags waren, nachträglich gravierend verändert haben und ein Festhalten an den getroffenen Regelungen unzumutbar erscheint (Stichwort „Störung der Geschäftsgrundlage“ gemäß § 313 BGB). Besonders bei langfristigen Unterhaltsverpflichtungen oder Vermögensauseinandersetzungen kann dies eine Rolle spielen. Auch sittenwidrige oder grob benachteiligende Klauseln sind anfechtbar beziehungsweise nichtig.

Welche Folgen hat ein Scheidungsvertrag im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren?

Ein umfassender Scheidungsvertrag beschleunigt in der Regel das gerichtliche Scheidungsverfahren erheblich, da zahlreiche streitige Folgefragen bereits außergerichtlich geregelt sind. Das Gericht muss sich dann lediglich mit der Prüfung befassen, ob der Vertrag wirksam und nicht sittenwidrig ist und, falls Kinder betroffen sind, ob das Kindeswohl gewahrt wurde. Handelt es sich um notariell beurkundete und von beiden Parteien akzeptierte Vereinbarungen, werden diese dem Scheidungsbeschluss meist als verbindlicher Bestandteil zugrunde gelegt. Streitige Verfahren werden dadurch vermieden, wodurch beide Parteien Zeit und Kosten sparen und Planungs- sowie Rechtssicherheit erhalten.

Können bestehende Eheverträge Einfluss auf den Scheidungsvertrag haben?

Sollte ein Ehevertrag zwischen den Ehegatten bestehen, so enthält dieser meist schon Regelungen zu kritischen Scheidungsfolgen wie Unterhalt, Zugewinnausgleich oder Vermögensteilung. Bei Abschluss eines Scheidungsvertrags müssen diese Vereinbarungen berücksichtigt werden, es sei denn, beide Ehegatten einigen sich ausdrücklich und einvernehmlich auf abweichende neue Regelungen. Gegebenenfalls ist der Ehevertrag dann entsprechend zu ändern oder durch neue, den aktuellen Lebensverhältnissen angepasste Vereinbarungen zu ersetzen. Notwendig ist dabei jeweils eine erneute notarielle Beurkundung der geänderten Passagen oder des gesamten Vertragswerks. Soweit Eheverträge sittenwidrige oder zu aggressive Regelungen enthalten, können diese nach gerichtlicher Überprüfung für unwirksam erklärt werden.