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Scheidungsunterhalt

Scheidungsunterhalt: Begriff, Zweck und Einordnung

Scheidungsunterhalt ist die finanzielle Unterstützung, die eine geschiedene Person von der anderen erhält, wenn nach der Scheidung ein fortbestehender Unterhaltsbedarf besteht. Er soll Nachteile ausgleichen, die durch die eheliche Lebensgestaltung entstanden sind, und eine angemessene Lebensführung ermöglichen. Der Scheidungsunterhalt beginnt grundsätzlich erst nach der rechtskräftigen Scheidung. Er ist vom Trennungsunterhalt abzugrenzen, der für die Zeit bis zur Scheidung gilt.

Das heutige Unterhaltsrecht folgt dem Grundsatz der Eigenverantwortung: Nach der Scheidung soll grundsätzlich jede Person für den eigenen Lebensunterhalt sorgen. Unterhalt wird nur gewährt, wenn rechtlich anerkannte Gründe bestehen und der andere Teil leistungsfähig ist.

Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs

Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit

Voraussetzung ist, dass die berechtigte Person den eigenen Lebensunterhalt nicht vollständig decken kann (Bedürftigkeit) und die verpflichtete Person finanziell in der Lage ist, Unterhalt zu leisten (Leistungsfähigkeit). Dabei bleibt der verpflichteten Person ein finanzieller Selbstbehalt zur Sicherung des eigenen Existenzminimums. Einkommen beider Seiten, Vermögenseinkünfte und zumutbare Erwerbsmöglichkeiten werden berücksichtigt.

Ehebedingte Nachteile

Ein zentraler Maßstab ist, ob die Ehe zu Nachteilen geführt hat, die die Erwerbschancen oder das Einkommen beeinträchtigen. Beispiele sind unterbrochene Erwerbsbiografien wegen Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen oder eine auf die Ehe abgestimmte Rollenverteilung. Solche Nachteile können einen Unterhaltsanspruch begründen oder dessen Dauer und Höhe beeinflussen.

Anerkannte Anspruchsgründe

Das Recht unterscheidet verschiedene Fallgruppen, aus denen sich ein Anspruch ergeben kann. Dazu zählen insbesondere:

  • Betreuung gemeinsamer Kinder
  • Krankheit oder Gebrechen
  • Alter
  • Erwerbslosigkeit
  • Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung
  • Aufstockung bei geringerem Einkommen
  • Unterhalt aus Billigkeitsgründen in besonderen Härtefällen

Arten des Scheidungsunterhalts

Betreuungsunterhalt

Besteht wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Einschränkung der Erwerbstätigkeit, kann Betreuungsunterhalt beansprucht werden. Umfang und Dauer hängen vom Alter und Bedarf des Kindes, der Betreuungsorganisation und der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit ab.

Aufstockungsunterhalt

Aufstockungsunterhalt gleicht Einkommensunterschiede aus, wenn die berechtigte Person trotz Arbeit weniger verdient als die eheangemessenen Lebensverhältnisse erfordern. Maßgeblich sind die ehelichen Verhältnisse, die Erwerbsobliegenheiten und vorhandene Nachteile aus der Ehezeit.

Krankheits- und Altersunterhalt

Bei krankheitsbedingter oder altersbedingter Einschränkung der Erwerbsfähigkeit kann Unterhalt zugesprochen werden, wenn eine eigenständige Sicherung nicht möglich ist. Die gesundheitliche Lage und die objektive Arbeitsmarktsituation werden einbezogen.

Ausbildungs-, Fortbildungs- und Umschulungsunterhalt

Wird eine Qualifizierung aufgenommen, die durch die Ehe verzögert oder verhindert wurde oder die zur Wiederherstellung der wirtschaftlichen Selbstständigkeit dient, kann für die Übergangszeit Unterhalt infrage kommen.

Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit

Fehlt eine angemessene Erwerbstätigkeit, obwohl eine solche grundsätzlich möglich wäre, kommt Unterhalt in Betracht. Bewerbungsbemühungen und Vermittlungschancen sind hier von Bedeutung.

Unterhalt aus Billigkeitsgründen

In besonderen Konstellationen kann Unterhalt zugesprochen werden, wenn es nach den Gesamtumständen unzumutbar wäre, keinen Unterhalt zu gewähren. Dies betrifft atypische Härtefälle.

Berechnung und Bemessung

Grundprinzipien

Ausgangspunkt ist das bereinigte Nettoeinkommen beider Seiten, also das regelmäßige Einkommen abzüglich anerkannter Abzüge. Maßgeblich sind die ehelichen Lebensverhältnisse, die zum Zeitpunkt der Scheidung geprägt wurden. Das Ergebnis wird durch die Leistungsfähigkeit des verpflichteten Teils begrenzt; ein Mindestbetrag zur eigenen Lebensführung (Selbstbehalt) bleibt unangetastet.

Einkommen, Vermögen und Abzüge

Zum Einkommen zählen Arbeitslohn, Gewinne aus Selbständigkeit, Bonuszahlungen, Tantiemen, Mieteinnahmen, geldwerte Vorteile sowie der wohnwert aus selbst genutztem Eigentum. Übliche Abzüge sind Steuern, Sozialabgaben, notwendige Vorsorgeaufwendungen, angemessene berufsbedingte Aufwendungen und unter bestimmten Voraussetzungen Schulden. Einmalzahlungen werden häufig auf Zeiträume verteilt, unregelmäßige Einkünfte können über mehrere Jahre gemittelt werden.

Umfang, Befristung und Begrenzung

Unterhalt kann der Höhe nach begrenzt und zeitlich befristet werden. Entscheidend sind die Dauer der Ehe, die Rollenverteilung, entstandene Nachteile, die Möglichkeit, wieder eigenes Einkommen zu erzielen, sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Seiten. Der Gedanke der Eigenverantwortung kann zu einer stufenweisen Reduzierung führen.

Änderungen und Anpassung

Ändern sich Einkommen, Erwerbsmöglichkeiten, Betreuungsbedarfe oder Lebensverhältnisse wesentlich, kann der Unterhalt angepasst werden. Gleiches gilt bei Eintritt vorhersehbarer oder unvorhersehbarer Ereignisse, die die Berechnungsbasis berühren.

Rangfolge und Verhältnis zu anderen Unterhaltsansprüchen

Vorrang des Kindesunterhalts

Unterhaltsansprüche minderjähriger und privilegierter volljähriger Kinder gehen dem Scheidungsunterhalt vor. Dadurch kann die Leistungsfähigkeit für Ehegattenunterhalt eingeschränkt sein.

Abgrenzung zum Trennungsunterhalt

Trennungsunterhalt betrifft die Zeit zwischen Trennung und Rechtskraft der Scheidung. Mit der Scheidung endet dieser und es gilt die Systematik des Scheidungsunterhalts. Inhaltlich steht beim Scheidungsunterhalt die eigenständige Lebensführung nach der Ehe im Vordergrund.

Mehrere Berechtigte

Bestehen mehrere Unterhaltsansprüche, gelten Rangstufen. Die verfügbare Leistungsfähigkeit wird entsprechend verteilt. Dies kann zu anteiligen Zahlungen führen.

Steuerliche Aspekte

Unterhaltsleistungen an eine geschiedene Person können steuerlich unterschiedlich behandelt werden. In bestimmten Gestaltungen können Zahlungen beim Leistenden steuermindernd wirken und beim Empfangenden der Besteuerung unterliegen. Alternativ kommen pauschale Berücksichtigungen in Betracht. Die konkrete Einordnung hängt von der gewählten Ausgestaltung und den persönlichen Verhältnissen ab.

Verfahren, Vereinbarungen und Vollstreckung

Außergerichtliche Vereinbarungen

Die Beteiligten können den Unterhalt einvernehmlich regeln. Vereinbarungen können in bestimmter Form rechtlich bindend gestaltet werden, etwa durch Beurkundung oder gerichtliche Protokollierung im Rahmen eines Vergleichs. Inhaltlich werden Höhe, Dauer, Anpassungsklauseln und Auskunftsmodalitäten festgelegt.

Gerichtliche Klärung

Kommt keine Einigung zustande, entscheidet das Familiengericht. Zentrale Elemente sind die umfassende Auskunft über Einkommen und Vermögen, die Prüfung der Erwerbsobliegenheiten und die Bewertung der anerkannten Anspruchsgründe. Vorläufige Regelungen können für die Zwischenzeit getroffen werden.

Titulierung, Durchsetzung und Abänderung

Unterhaltsansprüche werden häufig in einer Urkunde oder durch gerichtliche Entscheidung tituliert. Bei Nichtzahlung ist die Zwangsvollstreckung möglich, etwa durch Lohn- oder Kontopfändung. Bei wesentlichen Änderungen der Verhältnisse kommt eine Abänderung des Titels in Betracht.

Änderungsgründe, Herabsetzung und Wegfall

Wesentliche Veränderungen

Relevante Änderungen sind etwa Einkommenssteigerungen oder -rückgänge, Aufnahme oder Aufgabe einer Tätigkeit, gesundheitliche Entwicklungen, veränderte Betreuungsbedarfe der Kinder, Erwerb von Vermögen oder der Wegfall ehebedingter Nachteile.

Neue Partnerschaft und Wiederheirat

Die Wiederheirat der berechtigten Person führt regelmäßig zum Wegfall des Scheidungsunterhalts. Eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft kann ebenfalls Auswirkungen auf den Anspruch haben. Bei Wiederheirat der verpflichteten Person kann sich die Leistungsfähigkeit verändern; bestehende Rangfolgen sind zu beachten.

Besondere Konstellationen

Selbstständige und unregelmäßige Einkünfte

Bei schwankenden Einkommen werden Durchschnittszeiträume herangezogen. Betriebsausgaben, Investitionen und Entnahmen sind zu prüfen. Ziel ist eine realistische, nicht zufallsabhängige Bemessungsgrundlage.

Internationaler Bezug

Bei Auslandsbezug stellen sich Fragen nach dem zuständigen Gericht, dem anwendbaren Recht und der grenzüberschreitenden Vollstreckung. Internationale Abkommen und europäische Regelungen können eine Rolle spielen.

Ehewohnung und Wohnvorteil

Die Nutzung einer eigenen Immobilie wird als Wohnvorteil einkommensähnlich berücksichtigt. Dessen Höhe richtet sich nach der ersparten Miete. Belastungen wie Zins- und angemessene Tilgungsleistungen können Einfluss haben.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist unter Scheidungsunterhalt zu verstehen?

Scheidungsunterhalt ist die finanzielle Unterstützung zwischen geschiedenen Personen nach Rechtskraft der Scheidung. Er dient dazu, fortwirkende Nachteile aus der Ehezeit und bestehende Bedarfe auszugleichen, wenn die berechtigte Person bedürftig ist und die verpflichtete Person leistungsfähig bleibt.

Wer kann Scheidungsunterhalt erhalten?

Unterhalt kommt in Betracht, wenn die berechtigte Person ihren Lebensunterhalt nicht vollständig sichern kann und anerkannte Gründe vorliegen, etwa Kinderbetreuung, Krankheit, Alter, Erwerbslosigkeit, Ausbildung oder ein auszugleichender Einkommensunterschied. Die Leistungsfähigkeit der verpflichteten Person ist Voraussetzung.

Wie wird die Höhe des Scheidungsunterhalts ermittelt?

Maßgeblich ist das bereinigte Nettoeinkommen beider Seiten unter Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse, des Selbstbehalts, anerkannter Abzüge und eventueller ehebedingter Nachteile. Unregelmäßige Einkünfte werden häufig gemittelt.

Wie lange wird Scheidungsunterhalt gezahlt?

Die Dauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Unterhalt kann befristet oder der Höhe nach begrenzt werden. Einfluss haben unter anderem die Ehedauer, die Rollenverteilung, die Möglichkeit der eigenständigen Sicherung und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Kann sich der Scheidungsunterhalt später ändern?

Ja. Bei wesentlichen Veränderungen, etwa bei Einkommen, Erwerbssituation, gesundheitlicher Lage oder Betreuungsbedarfen, ist eine Anpassung möglich. Grundlage ist eine aktualisierte Betrachtung der beiderseitigen Verhältnisse.

Welche Bedeutung hat eine neue Partnerschaft oder Wiederheirat?

Die Wiederheirat der berechtigten Person führt in der Regel zum Wegfall des Anspruchs. Eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft kann ebenfalls anspruchsmindernd wirken. Die neue Ehe der verpflichteten Person kann die Leistungsfähigkeit beeinflussen; die Rangfolge verschiedener Unterhaltsansprüche ist zu beachten.

Welches Verhältnis besteht zwischen Kindesunterhalt und Scheidungsunterhalt?

Kindesunterhalt geht dem Scheidungsunterhalt vor. Die verfügbaren Mittel werden zuerst zur Deckung der Ansprüche von minderjährigen und privilegierten volljährigen Kindern eingesetzt. Dies kann den Spielraum für Ehegattenunterhalt mindern.