Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Familienrecht»Scheidungsunterhalt

Scheidungsunterhalt


Begriff und Grundlagen des Scheidungsunterhalts

Der Scheidungsunterhalt stellt eine besondere Form des Unterhalts im deutschen Familienrecht dar. Er betrifft die finanziellen Ansprüche, die im Anschluss an eine rechtskräftige Scheidung zwischen Ehegatten entstehen können und dient der wirtschaftlichen Absicherung des unterhaltsbedürftigen Ehepartners. Die rechtlichen Regelungen zum Scheidungsunterhalt finden sich zentral in den §§ 1569 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Im Unterschied zum Trennungsunterhalt, der für die Zeit zwischen Trennung und Scheidung gilt, bezieht sich der Scheidungsunterhalt ausschließlich auf Zeiträume nach der rechtskräftigen Scheidung.

Gesetzliche Grundlagen

§ 1569 BGB – Grundsatz der Eigenverantwortung

Mit der Scheidung wächst grundsätzlich jedem Ehepartner die Verpflichtung zu, seinen Lebensunterhalt eigenverantwortlich zu sichern. Dies ist im § 1569 BGB als gesetzlicher Leitgedanke festgeschrieben. Nimmt ein Ehegatte seine Eigenverantwortung wahr, besteht kein Anspruch auf Scheidungsunterhalt.

Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs

Der Anspruch auf Scheidungsunterhalt entsteht nur, wenn die Voraussetzungen der §§ 1570 ff. BGB vorliegen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht allein aufgrund der früheren Ehe, sondern nur in gesetzlich bestimmten Ausnahmen, wenn ein Ehegatte außerhalb seiner eigenen Erwerbsfähigkeit auf Unterstützung angewiesen ist.


Anspruchsgrundlagen und Arten des Scheidungsunterhalts

Unterhaltstatbestände gemäß §§ 1570 bis 1576 BGB

Der Gesetzgeber unterscheidet beim Scheidungsunterhalt zwischen mehreren Unterhaltstatbeständen, die sich jeweils an spezifischen Lebenssituationen der geschiedenen Ehegatten orientieren:

1. Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB)

Ein geschiedener Ehegatte kann Unterhalt verlangen, wenn und solange er aufgrund der Betreuung gemeinsamer Kinder daran gehindert ist, einer eigenen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Anspruch erstreckt sich über mindestens drei Jahre nach der Geburt des Kindes und kann bei Vorliegen kind- oder elterspezifischer Gründe auch verlängert werden.

2. Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB)

Anspruch auf Unterhalt besteht auch, wenn dem berechtigten Ehegatten eine Erwerbstätigkeit wegen seines Alters nicht zugemutet werden kann.

3. Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB)

Besteht infolge von Krankheit oder Gebrechen die Unfähigkeit zu einer angemessenen Erwerbstätigkeit, kann der geschiedene Ehegatte Scheidungsunterhalt beanspruchen.

4. Aufstockungsunterhalt (§ 1573 BGB)

Reicht das eigene Einkommen nach einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nicht aus, um den Lebensunterhalt zu decken, kann ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt bestehen.

5. Ausbildungs-, Fortbildungs- und Umschulungsunterhalt (§ 1575 BGB)

Wenn die Aufnahme oder Fortsetzung einer Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung notwendig ist, um eine angemessene Erwerbstätigkeit wiederzuerlangen, kann Scheidungsunterhalt beansprucht werden.

6. Unterhalt aus Billigkeitsgründen (§ 1576 BGB)

Liegt keiner der vorstehend genannten Unterhaltstatbestände vor, kann ein Anspruch aus Billigkeitsgründen bestehen, wenn eine Versagung des Unterhalts grob unbillig wäre.


Höhe und Berechnung des Scheidungsunterhalts

Prinzipien der Unterhaltsberechnung

Die Höhe des Scheidungsunterhalts bemisst sich nach dem sogenannten Bedarf und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen. Der Bedarf orientiert sich am ehelichen Lebensstandard, während die Leistungsfähigkeit vom real verfügbaren Einkommen des Unterhaltspflichtigen abhängt.

Bedürftigkeit des Anspruchsberechtigten

Ein Unterhaltsanspruch setzt Bedürftigkeit voraus. Dies ist der Fall, wenn der antragsstellende Ehegatte nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt eigenständig (durch Erwerbstätigkeit oder Vermögen) zu bestreiten. Dabei werden eigene Einkünfte angerechnet.

Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten

Der verpflichtete Ehegatte ist nur zur Zahlung verpflichtet, soweit er dazu leistungsfähig ist, ohne seinen eigenen Unterhalt zu gefährden (sog. Selbstbehalt). Der Selbstbehalt ist gesetzlich und durch laufende Rechtsprechung definiert und unterliegt regelmäßigen Anpassungen.

Wesentliche Berechnungsschritte

  1. Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens beider Ehegatten.
  2. Feststellung des Unterhaltsbedarfs auf Grundlage des bisherigen Lebensstandards.
  3. Anrechnung eigener Einkünfte des Berechtigten.
  4. Abzug des Selbstbehalts des Verpflichteten.
  5. Berechnung des Zahlbetrags unter Berücksichtigung individueller Besonderheiten.

Dauer der Zahlungsverpflichtung

Der Anspruch auf Scheidungsunterhalt ist grundsätzlich auf einen angemessenen Zeitraum zu befristen. Eine dauerhafte Verpflichtung existiert nur in Ausnahmefällen, etwa bei fortbestehender eingeschränkter Erwerbsfähigkeit. Die Befristung und Begrenzung des Anspruchs richten sich nach Billigkeitsgrundsätzen (§ 1578b BGB).


Einschränkungen, Begrenzung und Ausschluss des Scheidungsunterhalts

Verwirkung des Anspruchs

Unter bestimmten Umständen kann der Anspruch auf Scheidungsunterhalt ganz oder teilweise entfallen. Dies ist unter anderem der Fall bei schwerwiegendem Fehlverhalten des Berechtigten gegenüber dem Verpflichteten (§ 1579 BGB).

Befristung und Begrenzung

Gemäß § 1578b BGB kann der Scheidungsunterhalt zeitlich begrenzt und/oder der Höhe nach herabgesetzt werden. Maßgeblich sind insbesondere die Ehedauer, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten und die Frage, inwieweit Nachteile durch die Ehe eingetreten sind.

Unterhaltsvereinbarungen

Eheliche Vereinbarungen oder Scheidungsfolgenvereinbarungen können den Anspruch auf Scheidungsunterhalt modifizieren oder ausschließen, sofern sie nicht gegen gesetzliche Verbote oder die guten Sitten verstoßen.


Durchsetzung und Vollstreckung des Scheidungsunterhalts

Antragstellung und gerichtliches Verfahren

Ein Anspruch auf Scheidungsunterhalt kann außergerichtlich geltend gemacht werden. Kommt es nicht zu einer Einigung, ist die gerichtliche Geltendmachung erforderlich. Zuständig ist das Familiengericht am Wohnsitz des Antragsgegners.

Titel und Vollstreckung

Wird ein rechtskräftiger Unterhaltstitel erwirkt, kann dieser im Falle der Nichterfüllung zwangsweise vollstreckt werden. Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO).


Steuerliche Behandlung des Scheidungsunterhalts

Scheidungsunterhalt kann in Form des sogenannten Realsplittings steuerlich geltend gemacht werden. Dabei kann der Unterhaltszahler gezahlte Beträge bis zu einer bestimmten Höhe als Sonderausgaben absetzen, während der Empfangende diese als sonstige Einkünfte zu versteuern hat (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG).


Zusammenfassung

Scheidungsunterhalt ist ein zentrales Instrument zur wirtschaftlichen Absicherung geschiedener Ehegatten, das unter klar definierten gesetzlichen Voraussetzungen beansprucht werden kann. Umfang, Dauer, Ausschluss und Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs regeln sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Vorschriften des BGB und geben dem Familiengericht einen weitreichenden Ermessensspielraum zur individuellen Anspruchsanpassung. Ein Anspruch auf Scheidungsunterhalt setzt die Bedürftigkeit eines Ehepartners, die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und das Vorliegen eines gesetzlichen Unterhaltstatbestands voraus. Die rechtliche Behandlung des Scheidungsunterhalts bleibt ein komplexes und dynamisches Feld innerhalb des Familienrechts.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat Anspruch auf Scheidungsunterhalt und wie lange kann dieser beansprucht werden?

Ein Anspruch auf Scheidungsunterhalt, auch nachehelicher Unterhalt genannt, besteht grundsätzlich, wenn ein Ehegatte nach der Scheidung nicht in der Lage ist, sich selbst angemessen zu unterhalten. Die rechtlichen Voraussetzungen sind in § 1569 ff. BGB geregelt. Anspruchsberechtigt ist derjenige Ehegatte, der nach der Scheidung bedürftig ist und vom anderen leistungsfähigen Ehegatten Unterhalt verlangen kann. Zu den häufigsten Anspruchsgrundlagen zählen Betreuungsunterhalt wegen Kindesbetreuung (§ 1570 BGB), Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB), wegen Krankheit (§ 1572 BGB), wegen Arbeitslosigkeit (§ 1573 BGB) oder zur Aufstockung, wenn trotz Arbeit der Lebensbedarf nicht gedeckt werden kann (§ 1573 BGB). Die Dauer des Unterhaltsanspruchs richtet sich nach den individuellen Umständen und ist seit der Gesetzesreform 2008 grundsätzlich zeitlich zu begrenzen (§ 1578b BGB), außer es liegen besondere Gründe vor, die eine längere Zahlung rechtfertigen. Die Dauer kann beispielsweise vom Alter der Kinder, der Ehedauer, den Erwerbsmöglichkeiten und der wirtschaftlichen Verflechtung während der Ehe abhängen.

Wie wird die Höhe des Scheidungsunterhalts berechnet?

Die Höhe des nachehelichen Unterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB). Grundlage für die Berechnung ist das bereinigte Nettoeinkommen beider Ehegatten, also das Einkommen nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen, Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Dritten und sonstiger abzugsfähiger Posten. Vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen wird ein Selbstbehalt abgezogen, um sein Existenzminimum zu sichern. In der Regel werden im Rahmen der sogenannten „Dreiteilungsmethode“ Einkommen addiert und auf die Ehegatten verteilt, wobei besondere Lebensverhältnisse oder Mehrbedarfe individuell berücksichtigt werden können. Sonderbedarfe, wie etwa Krankheitskosten, können zusätzlich geltend gemacht werden. Die Berechnung erfolgt oft anhand von Leitlinien der jeweiligen Oberlandesgerichte, wie etwa der Düsseldorfer Tabelle, sodass regionale Unterschiede möglich sind.

Welche Rolle spielt die Erwerbsobliegenheit beim Scheidungsunterhalt?

Nach einer Scheidung besteht grundsätzlich eine Verpflichtung des unterhaltsberechtigten Ehegatten zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit, soweit dies zumutbar und möglich ist (§ 1574 BGB). Das bedeutet, dass Unterhalt nur dann beansprucht werden kann, wenn der Berechtigte seine Erwerbsobliegenheit ausschöpft. Ausnahmen gelten beispielsweise, wenn kleine Kinder betreut werden oder eine Krankheit/Alter die Aufnahme einer Arbeit unmöglich macht. Kommt der Berechtigte seiner Erwerbsobliegenheit nicht nach, kann ihm ein fiktives Einkommen angerechnet werden, wodurch der Unterhaltsanspruch ganz oder teilweise entfällt. Die genaue Zumutbarkeit richtet sich nach den individuellen Verhältnissen, wie etwa Ausbildung, bisherige Erwerbstätigkeit und Arbeitsmarktchancen.

Kann der Unterhaltsanspruch im Nachhinein angepasst oder aufgehoben werden?

Ja, der Unterhaltsanspruch kann nachträglich abgeändert werden, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse wesentlich ändern (§ 313, § 323 ZPO). Typische Anpassungsgründe sind eine Veränderung der Einkommensverhältnisse, Wiederaufnahme oder Verlust einer Erwerbstätigkeit, das Erreichen der wirtschaftlichen Selbstständigkeit oder das Eingehen einer neuen Ehe durch den Berechtigten (§ 1579 Nr. 2 BGB). Bei Wegfall des Bedarfs oder bei erheblichem Fehlverhalten (z. B. Mutwilligkeit) kann der Anspruch sogar ganz entfallen. Ein Änderungsantrag ist beim Familiengericht zu stellen; eine rückwirkende Änderung ist grundsätzlich nur ab Antragstellung möglich, außer der Unterhaltsberechtigte hat unberechtigt Ansprüche verschwiegen.

Welche Auswirkungen hat eine neue Partnerschaft oder Ehe auf den Unterhaltsanspruch?

Eine neue Ehe des unterhaltsberechtigten Ehegatten führt kraft Gesetzes zur vollständigen Beendigung des Unterhaltsanspruchs (§ 1586 BGB). Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft (Verfestigung der Lebensverhältnisse) kann ebenfalls zur Beendigung oder Reduzierung des Unterhalts führen, insbesondere wenn die neue Partnerschaft über einen längeren Zeitraum wirtschaftlich und persönlich eine neue Lebensgrundlage bildet (§ 1579 Nr. 2 BGB). Maßgeblich sind hierbei Dauer und Intensität der Beziehung, gemeinsames Wirtschaften, gemeinsamer Haushalt und das öffentliche Auftreten als Paar. Eine reine Wohngemeinschaft oder lose Beziehung reicht nicht aus.

Muss der Anspruch auf Scheidungsunterhalt besonders geltend gemacht oder gerichtlich durchgesetzt werden?

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt muss ausdrücklich geltend gemacht werden, da er nicht automatisch entsteht. Empfehlenswert ist, den Unterhaltsanspruch schriftlich gegenüber dem Unterhaltspflichtigen zu beziffern und gegebenenfalls durch einen Fachanwalt für Familienrecht prüfen zu lassen. Kommt keine Einigung zustande, kann der Anspruch im Wege der Klage beim zuständigen Familiengericht durchgesetzt werden. Der Unterhalt wird in der Regel ab dem Zeitpunkt geschuldet, ab dem er nachweisbar gefordert wurde. Im Prozess besteht die Pflicht zur vollständigen Auskunft über die eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse für beide Parteien.

Welche steuerlichen Folgen sind mit dem Scheidungsunterhalt verbunden?

Nachehelicher Unterhalt kann nach den Regelungen des Einkommensteuergesetzes sowohl als Sonderausgabe als auch als „außergewöhnliche Belastung“ steuerlich behandelt werden (§ 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG). Der Unterhaltspflichtige kann auf Antrag Unterhaltsleistungen bis zu einem bestimmten Höchstbetrag (Stand 2024: 13.805 Euro jährlich) steuerlich absetzen, wenn der Unterhaltsempfänger der sogenannten „Anlage U“ zustimmt – in diesem Fall muss der Empfänger die Zahlungen als steuerpflichtiges Einkommen versteuern. Alternativ kann der Unterhaltszahler die Zahlung als außergewöhnliche Belastung geltend machen, wenn keine Zustimmung vorliegt, dann aber in wesentlich geringerem Umfang. Entscheidend für die steuerliche Behandlung ist also die Vereinbarung und die tatsächliche Zahlung des Unterhalts.