Definition des Begriffs Sanierungsverfahren
Sanierungsverfahren bezeichnet im weiteren Sinne sämtliche systematisch organisierte Maßnahmen und Abläufe, die darauf abzielen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Funktionsfähigkeit einer geschwächten Organisation, eines Unternehmens, einer Einrichtung oder Institution wiederherzustellen. Im engeren rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext versteht man unter einem Sanierungsverfahren meist ein formalisiertes Verfahren, das die Sanierung eines von Insolvenz bedrohten oder bereits überschuldeten Rechtsträgers unter bestimmten gesetzlichen Rahmenbedingungen ermöglicht.
Formelle und laienverständliche Definition
Sanierungsverfahren stellen Verfahren dar, in denen versucht wird, durch geordnete Maßnahmen eine wirtschaftliche Krise zu bewältigen, bestehende Schuldenlasten abzubauen, die Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen und den Fortbestand des wirtschaftlichen Schuldners zu sichern. Dies geschieht unter Mitwirkung aller Gläubiger und gegebenenfalls staatlicher Institutionen. In einfachen Worten: Ein Sanierungsverfahren bedeutet, dass ein Unternehmen oder eine andere Organisation systematisch saniert, also „gesund gemacht“ wird, damit sie wirtschaftlich überleben kann.
Allgemeiner Kontext und Relevanz von Sanierungsverfahren
Sanierungsverfahren tragen zur Stabilisierung der Wirtschaft allgemein bei, indem sie zahlungsunfähigen, aber grundsätzlich sanierungsfähigen Einheiten einen zweiten wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen. Sie verhindern eine Zerschlagung, erhalten Arbeitsplätze, sichern Gläubigerinteressen und leisten so einen Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Gefüge. Neben dem klassischen Unternehmenskontext finden Sanierungsverfahren unter anderem Anwendung in öffentlichen Einrichtungen, Vereinen oder Privatinsolvenzen.
Typische Anwendungsbereiche von Sanierungsverfahren
Sanierungsverfahren werden vor allem in folgenden Kontexten eingesetzt:
- Wirtschaft: Unternehmen, die in eine finanzielle Schieflage geraten sind, nutzen Sanierungsverfahren, um Insolvenz abzuwenden und den Fortbestand zu sichern.
- Recht: Im rechtlichen Sinne sind Sanierungsverfahren oft im Insolvenzrecht verankert, beispielsweise in der Unternehmensinsolvenz oder in Eigenverwaltungsverfahren.
- Verwaltung & öffentliche Hand: Auch Kommunen, Krankenhäuser und Vereine greifen, bei drohender Zahlungsunfähigkeit, auf Sanierungsverfahren zurück, um Defizite abzubauen.
- Alltag: Privatpersonen mit Überschuldung können Sanierungsverfahren im Rahmen der Privatinsolvenz durchlaufen.
- Bau & Umwelt: Technische Sanierungsverfahren betreffen häufig die Sanierung von Altlasten, Gebäuden oder umweltschädlich belasteten Flächen.
Ablauf und Inhalte eines Sanierungsverfahrens
Ein Sanierungsverfahren folgt in der Regel einem strukturierten Ablauf, der darauf abzielt, eine nachhaltige Gesundung der wirtschaftlich angeschlagenen Einheit zu erreichen. Der typische Ablauf umfasst folgende Schritte:
- Problemanalyse: Erfassung der aktuellen wirtschaftlichen Lage, einschließlich der Ursachen der Krise.
- Sanierungsplan: Erstellung eines Sanierungskonzepts mit diversen Maßnahmen (u.a. Restrukturierung, Kostensenkung, Abbau von Verbindlichkeiten, Kapitalzuführung).
- Gläubigerbeteiligung: Einbindung und Überzeugung der Gläubiger von den geplanten Maßnahmen, häufig durch Vergleichs- oder Stundungsvereinbarungen.
- Umsetzung der Maßnahmen: Durchführung der im Sanierungsplan definierten Maßnahmen unter laufender Kontrolle.
- Abschluss und Nachsorge: Überwachung des Erfolges, Abschluss des Verfahrens und ggf. weitergehende Restrukturierungsmaßnahmen.
Gesetzliche Vorschriften und institutionelle Rahmenbedingungen
Deutschland
In Deutschland sind Sanierungsverfahren im Wesentlichen im Insolvenzrecht geregelt. Die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen sind:
- Insolvenzordnung (InsO): Regelt das Regelinsolvenzverfahren für Unternehmen sowie das Verbraucherinsolvenzverfahren für Privatpersonen. Enthält besondere Vorschriften zur Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) und zum Insolvenzplan (§§ 217 ff. InsO).
- Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG): Schafft seit 2021 einen rechtlichen Rahmen für Sanierungsverfahren außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Das StaRUG ermöglicht den Zugang zu gerichtlichen Sanierungs- und Restrukturierungsverfahren, ohne dass ein vollständiges Insolvenzverfahren durchgeführt wird.
Wichtige Institutionen im Zusammenhang mit Sanierungsverfahren in Deutschland sind die Insolvenzgerichte, Sachwalter oder Sanierungsverwalter, Gläubigerversammlungen sowie ggf. Restrukturierungsbeauftragte.
Österreich
Das österreichische Insolvenzrecht unterscheidet zwischen Sanierungsverfahren mit und ohne Eigenverwaltung. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in der Insolvenzordnung (IO), namentlich in den §§ 140 ff. IO. Das Sanierungsverfahren folgt hier einem eigenständigen Verfahrensgang, der insbesondere auf die Erarbeitung und Vollstreckung eines Sanierungsplans abzielt.
Schweiz
In der Schweiz normiert das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) die Sanierung öffentlicher und privater Schuldner, u.a. über Nachlassverfahren (Art. 293 ff. SchKG).
Weitere Besonderheiten und Regelungen
Es gibt unterschiedliche Arten von Sanierungsverfahren, dazu zählen insbesondere:
- Außergerichtliche Sanierungsverfahren: Hierbei handelt es sich um Sanierungsmaßnahmen, die ohne gerichtliche Beteiligung allein durch Verhandlungen zwischen Schuldner und Gläubigern ablaufen. Es gibt keine gesetzliche Regelung, dennoch finden sie in der Praxis breite Anwendung. Typisches Beispiel sind außergerichtliche Schuldenbereinigungspläne.
- Sanierungsverfahren mit gerichtlicher Beteiligung: Diese Sanierungsverfahren erfolgen unter förmlicher Beteiligung des Gerichts und unterliegen verbindlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen.
- Sanierungsverfahren unter Insolvenzschutz: Sie bieten dem Schuldner Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen während des Sanierungsprozesses (z. B. im Rahmen der gerichtlichen Eigenverwaltung oder unter StaRUG in Deutschland).
Typische Maßnahmen innerhalb eines Sanierungsverfahrens
Im Zuge eines Sanierungsverfahrens können verschiedene Maßnahmen zur Gesundung beitragen. Dazu zählen unter anderem:
- Finanzielle Restrukturierung: Umfassende Neuausrichtung der Finanzierungsstruktur, Verhandlung von Zahlungsaufschüben oder Schuldenschnitten.
- Operative Sanierung: Straffung von Geschäftsprozessen, Schließung unrentabler Unternehmensbereiche, Reduzierung von Kosten.
- Personelle Maßnahmen: Verkleinerung oder Umstrukturierung der Belegschaft, Änderung der Führungsstruktur.
- Kapitalmaßnahmen: Zuführung neuen Eigen- oder Fremdkapitals, Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital.
- Veräußerung von Vermögenswerten: Verkauf nicht betriebsnotwendiger Immobilien, Anlagen oder Beteiligungen.
Häufige Problemstellungen und Besonderheiten bei Sanierungsverfahren
Sanierungsverfahren sind mit diversen Herausforderungen verbunden, darunter:
- Gläubigerwiderstand: Die Bereitschaft der Gläubiger, an der Sanierung mitzuwirken, hängt stark von den jeweils angebotenen Quoten und Erfolgsaussichten ab.
- Zeitdruck: Schnelles und entschlossenes Handeln ist notwendig, um irreversible Werteverluste zu vermeiden.
- Kommunikation: Unsicherheit bei Beschäftigten und am Markt kann zu Vertrauensverlust führen; transparente Kommunikation ist daher unerlässlich.
- Kosten und Komplexität: Ein Sanierungsverfahren kann kostenintensiv und langwierig sein.
- Rechtliche Risiken: Fehler im Ablauf des Verfahrens können zur Versagung des Sanierungsplans oder gar zur Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens führen.
Unterschiede zu anderen Verfahren
Sanierungsverfahren unterscheiden sich von Liquidationsverfahren dadurch, dass der Fortbestand des Unternehmens im Zentrum steht, während bei der Liquidation die Abwicklung und Verwertung der Vermögenswerte mit anschließender Auflösung des Rechtsträgers erfolgt. Auch im Gegensatz zu Restrukturierungsmaßnahmen ohne formelles Verfahren bieten Sanierungsverfahren einen rechtlich abgesicherten Rahmen.
Zusammenfassung
Sanierungsverfahren sind strukturierte Prozesse mit dem Ziel, wirtschaftlich angeschlagene Unternehmen, Institutionen oder auch Privatpersonen dauerhaft zu sanieren und deren Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen. Gesetzliche Grundlagen, insbesondere in Deutschland das Insolvenzrecht und das StaRUG, bieten verbindliche Verfahren und Instrumente, um die Mitwirkung aller Beteiligten zu gewährleisten. Ein erfolgreiches Sanierungsverfahren schützt Arbeitsplätze und Gläubigerinteressen und reduziert negative volkswirtschaftliche Folgen von Insolvenzen. In der Praxis sind sowohl außergerichtliche als auch gerichtliche Sanierungsverfahren bedeutende Werkzeuge zur Unternehmens- und Arbeitsplatzsicherung.
Hinweise zur Relevanz
Sanierungsverfahren sind besonders relevant für folgende Gruppen:
- Unternehmensleitungen, die mit Krisensituationen konfrontiert sind
- Gläubiger (etwa Lieferanten, Kreditgeber), die von einer Insolvenz betroffen sein könnten
- Privatpersonen mit Überschuldungsproblemen
- Institutionen, Vereine und Organisationen, die ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wiederherstellen möchten
Ein solides Verständnis des Sanierungsverfahrens ist für Entscheidungsträger in Unternehmen, Gläubiger sowie für Betroffene im Privatbereich von erheblicher Bedeutung, um frühzeitig geeignete Schritte einleiten zu können und die Handlungsfähigkeit zu sichern.
Häufig gestellte Fragen
Was ist ein Sanierungsverfahren und wann wird es angewendet?
Ein Sanierungsverfahren ist ein rechtlich geregelter Prozess, der es Unternehmen oder Privatpersonen ermöglicht, in eine finanzielle Schieflage geratenen Betriebe oder Vermögen mit dem Ziel der Fortführung zu restrukturieren. Es wird typischerweise dann angewendet, wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist und ohne umfassende Umstrukturierung keine Aussicht auf Fortbestand hat. Das Sanierungsverfahren dient dazu, die Gläubiger bestmöglich zu befriedigen und gleichzeitig dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, sich von Verbindlichkeiten zu befreien oder diese neu zu ordnen. Dazu können Maßnahmen wie Schuldenschnitte, Zahlungsaufschübe, die Veräußerung nicht betriebsnotwendiger Vermögenswerte oder die Restrukturierung des Geschäftsbetriebs gehören. In vielen Ländern, unter anderem in Deutschland und Österreich, ist das Verfahren rechtlich geregelt und kann außergerichtlich oder gerichtlich durchgeführt werden. Ziel ist es, Arbeitsplätze zu erhalten, Gläubigern eine höhere Quote zu sichern als bei einer Liquidation und die wirtschaftliche Existenz des Schuldners, soweit möglich, zu erhalten.
Wie läuft ein Sanierungsverfahren in der Praxis ab?
Das Sanierungsverfahren gliedert sich in mehrere Schritte. Zunächst erfolgt die Analyse der wirtschaftlichen Lage sowie eine Bestandsaufnahme aller Verbindlichkeiten und Vermögenswerte. In Zusammenarbeit mit Sanierungsberatern oder Insolvenzverwaltern wird daraufhin ein Sanierungsplan erstellt, der Maßnahmen zur Restrukturierung, Anpassungen im operativen Geschäft oder finanzielle Sanierungsbeiträge wie Schuldenschnitte oder Stundungen beinhaltet. Anschließend werden die betroffenen Gläubiger informiert und zur Abstimmung über den Sanierungsplan eingeladen. Ein erfolgreicher Sanierungsplan erfordert häufig eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger. Nach der Zustimmung wird der Plan unter gerichtlicher Aufsicht umgesetzt. Der Schuldner bleibt dabei häufig weiterhin handlungsfähig, unterliegt jedoch bestimmten Auflagen und der Überwachung durch einen bestellten Verwalter oder Sachwalter. Die Dauer des Verfahrens hängt von der Komplexität des Falls ab, beträgt in der Regel jedoch mehrere Monate.
Welche Vorteile bietet ein Sanierungsverfahren gegenüber einer Insolvenz?
Ein Sanierungsverfahren bietet insbesondere den Vorteil, dass es auf den Erhalt des Unternehmens abzielt und die Liquidation, also die Zerschlagung des Betriebs, vermieden werden kann. Dadurch bleiben Arbeitsplätze erhalten, Lieferbeziehungen werden fortgeführt und das Geschäft kann, ggf. in veränderter Form, weiter betrieben werden. Für die Gläubiger bietet ein erfolgreiches Sanierungsverfahren meist eine bessere Quotenausschüttung als im Falle einer Zerschlagung. Zudem ermöglicht die Sanierung dem Schuldner, wieder unbelastet am wirtschaftlichen Verkehr teilzunehmen, und kann das Image des Unternehmens weniger stark beschädigen. Gerade bei öffentlichen Ausschreibungen oder langfristigen Kundenverhältnissen ist es ein großer Vorteil, das Unternehmen „fortführungsfähig“ zu halten.
Welche Unterlagen und Voraussetzungen sind für die Einleitung eines Sanierungsverfahrens erforderlich?
Für die Einleitung eines Sanierungsverfahrens ist zunächst ein umfassender Überblick über die finanzielle Situation zwingend notwendig. Dazu gehören Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Liquiditätspläne, eine vollständige Übersicht aller Verbindlichkeiten und Forderungen sowie Angaben zu Vermögenswerten. Zudem muss der Schuldner eine Sanierungsbedürftigkeit plausibel nachweisen, also etwa Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. In gerichtlichen Sanierungsverfahren werden darüber hinaus ein detaillierter Sanierungsplan, eine Gläubigerliste sowie, je nach Land, verschiedene Erklärungen und Offenlegungspflichten gefordert. Die Mithilfe und das Mitwirken des Schuldners sind ebenfalls eine grundlegende Voraussetzung, insbesondere bei der Kommunikation mit Gläubigern und Behörden.
Können auch Privatpersonen ein Sanierungsverfahren in Anspruch nehmen?
Ja, insbesondere im Rahmen der Privatinsolvenz existieren in vielen Ländern spezielle Sanierungsverfahren für natürliche Personen. Privatpersonen, die überschuldet sind oder absehbar ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können, haben die Möglichkeit, eine außergerichtliche oder gerichtliche Schuldenregulierung zu beantragen. Im Rahmen des Verfahrens wird ein Schuldenbereinigungsplan erstellt, der den Gläubigern präsentiert wird. Stimmen diese mehrheitlich zu, kann der Privatperson ein Teil der Schulden nach erfolgreicher Durchführung des Plans erlassen werden („Restschuldbefreiung“). Dieses Verfahren ist ähnlich dem für Unternehmen, jedoch auf die Besonderheiten individueller Lebenslagen zugeschnitten.
Was passiert, wenn die Gläubiger dem Sanierungsplan nicht zustimmen?
Wird der Sanierungsplan von der notwendigen Mehrheit der Gläubiger abgelehnt, kann das entsprechende Verfahren in vielen Fällen nicht durchgeführt werden. In solchen Fällen droht meist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, welches in der Regel auf die Zerschlagung und Verwertung des Schuldnervermögens abzielt. Es besteht jedoch zumeist die Möglichkeit, einen nachgebesserten Plan vorzulegen oder in bestimmten Fällen eine gerichtliche Bestätigung des Plans gegen den Willen einzelner Gläubiger („Obstruktionsverbot“) zu beantragen, sofern die Mehrheitsverhältnisse dies gestatten. Andernfalls bleibt als letzte Option häufig nur noch die Liquidation des Unternehmens.
Welche Kosten entstehen bei einem Sanierungsverfahren?
Die Kosten eines Sanierungsverfahrens setzen sich typischerweise aus mehreren Posten zusammen: Anwalts- und Beratungskosten, Gebühren für Gutachten, Kosten für Gericht und Verwaltung sowie – je nach Verfahrensart – eventuelle Kosten für einen eingesetzten Insolvenzverwalter oder Sachwalter. Die Höhe der Kosten hängt stark von der Komplexität des Falles und dem Umfang der Verbindlichkeiten ab. Bei größeren Unternehmen mit vielen Gläubigern und komplexen Strukturen können die Kosten entsprechend höher ausfallen. Nicht selten werden die Kosten durch die gerettete Unternehmenssubstanz und die verbesserten Gläubigerauszahlungen kompensiert. Im Fall von Privatpersonen sind die Kosten in der Regel gedeckelt oder können im Rahmen der Verfahrenshilfen übernommen werden.