Sanierung von Handelsgesellschaften
Die Sanierung von Handelsgesellschaften bezeichnet sämtliche Maßnahmen zur Wiederherstellung oder nachhaltigen Sicherung der wirtschaftlichen Existenz sowie zur Überwindung einer wirtschaftlichen Krise bei Gesellschaften, die nach Handelsrecht organisiert sind. Vor dem Hintergrund des deutschen Gesellschafts- und Insolvenzrechts nimmt die Sanierung sowohl bei Kapitalgesellschaften als auch bei Personengesellschaften eine zentrale Rolle zur Erhaltung von Unternehmen und Arbeitsplätzen ein.
Überblick und rechtlicher Rahmen
Die Sanierung von Handelsgesellschaften ist kein abschließend gesetzlich definierter Begriff, umfasst jedoch sämtliche rechtlichen, organisatorischen und wirtschaftlichen Maßnahmen, die geeignet sind, eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung abzuwenden oder zu beseitigen. Die zentralen Rechtsquellen hierfür finden sich insbesondere im Handelsgesetzbuch (HGB), im Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), im Aktiengesetz (AktG), im Insolvenzordnung (InsO) sowie im Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG).
Relevante Gesellschaftsformen
Sanierungsmaßnahmen betreffen typischerweise folgende Gesellschaftsformen:
- Offene Handelsgesellschaft (OHG)
- Kommanditgesellschaft (KG), einschließlich GmbH & Co. KG
- Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
- Aktiengesellschaft (AG)
- SE (Societas Europaea)
Die gesetzlichen Anforderungen und Handlungsspielräume können je nach Gesellschaftsform erheblich variieren.
Ausgangslage: Krise und Sanierungsbedürftigkeit
Die Notwendigkeit einer Sanierung entsteht, wenn eine Handelsgesellschaft in eine wirtschaftliche Schieflage gerät. Die Krisenstadien lassen sich dabei wie folgt differenzieren:
Liquiditätskrise
Eine Liquiditätskrise liegt vor, wenn die Gesellschaft ihre fälligen Verbindlichkeiten nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr bedienen kann.
Überschuldung
Von einer Überschuldung spricht man, wenn die Verbindlichkeiten das Vermögen der Gesellschaft übersteigen und keine positive Fortführungsprognose besteht.
Zahlungsunfähigkeit
Die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) bildet einen der zentralen Insolvenzgründe und ist gegeben, wenn die Gesellschaft nicht mehr in der Lage ist, mindestens 90 % ihrer fälligen Zahlungsverpflichtungen zeitnah zu erfüllen.
Sanierungsmaßnahmen im Überblick
Die Sanierung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Im Wesentlichen werden folgende Maßnahmen unterschieden:
Außerinsolvenzliche (präventive) Sanierung
- Restrukturierungsmaßnahmen: Umstrukturierung von Verbindlichkeiten, Verhandlungen mit Gläubigern, Anpassung von Lieferanten- oder Kundenverträgen, Personalabbau oder Betriebsänderungen.
- Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG): Seit dem 1. Januar 2021 ermöglicht das StaRUG, unter bestimmten Voraussetzungen, ein gerichtliches Restrukturierungsverfahren außerhalb der Insolvenz.
Insolvenzverfahren und Sanierung
- Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO): Die Gesellschaft bleibt unter der Aufsicht eines Sachwalters in eigener Handlungsverantwortung, während Sanierungsmaßnahmen umgesetzt werden.
- Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO): Ein Sonderverfahren, das der frühzeitigen Insolvenzprävention dient, wenn die Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten ist.
- Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO): Sanierung im Rahmen eines gerichtlichen Plans, der die Gläubiger einbindet und die Fortführung des Unternehmens ermöglicht.
Kapitalmaßnahmen
- Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhung: Anpassung des Eigenkapitals durch Herabsetzung zur Verlustdeckung und anschließende Kapitalzuführung etwa durch Gesellschafter oder Neuinvestoren.
- Debt-Equity-Swap: Umwandlung von Gläubigerforderungen in Gesellschaftsanteile.
Rechte und Pflichten der Organe während der Sanierung
Die Geschäftsleiter von Handelsgesellschaften haben in der Krise spezifische Pflichten:
- Überwachungspflicht: Ständige Kontrolle der wirtschaftlichen Entwicklungen und Liquidität.
- Antragspflichten: Bei Eintritt der Insolvenzreife besteht die Pflicht zur unverzüglichen Antragstellung auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 15a InsO).
- Sanierungspflicht: Soweit möglich, müssen Sanierungsmaßnahmen zur Abwendung der Insolvenz unverzüglich geprüft und eingeleitet werden.
- Haftung: Verletzungen dieser Pflichten können zu zivil- und strafrechtlicher Haftung der Organmitglieder führen (z.B. §§ 64 GmbHG, § 92 AktG, § 130a HGB).
Rolle der Gesellschafter und Gläubiger
Gesellschafter
Die Mitwirkung der Gesellschafter ist besonders bei Kapitalmaßnahmen und grundlegenden Sanierungsentscheidungen erforderlich. Je nach Rechtsform und Gesellschaftsvertrag sind Gesellschafterbeschlüsse notwendig.
Gläubiger
Gläubiger können durch Forderungsverzicht, Stundung, Rangrücktritt oder Restrukturierungsvereinbarungen zur Sanierung beitragen. Im Insolvenzplanverfahren sind Gläubigerversammlungen und deren Zustimmung für eine erfolgreiche Umsetzung erforderlich.
Besonderheiten bei verschiedenen Gesellschaftsformen
Personengesellschaften (z.B. OHG, KG)
Hier haften die Gesellschafter grundsätzlich unmittelbar und persönlich für die Verbindlichkeiten. Die Sanierung erfolgt im Regelfall durch Nachschüsse, Verhandlungen mit Gläubigern oder gesellschaftsinternen Umstrukturierungen.
Kapitalgesellschaften (GmbH, AG)
Kapitalgesellschaften bieten durch ihre Haftungsbegrenzung besondere Voraussetzungen für Sanierungsmaßnahmen. Neben bilanziellen Umstrukturierungen stehen insbesondere Insolvenzplanverfahren, Eigenverwaltung und Kapitalmaßnahmen im Vordergrund.
Zusammenarbeit mit Organen und Dritten
Für eine erfolgreiche Sanierung ist die frühzeitige Einbindung von Gläubigern, Finanzierungsgebern, Arbeitnehmervertretern und ggf. Sachwaltern während des Sanierungsprozesses zu empfehlen. Bei komplexen Fällen werden oftmals Restrukturierungspläne und Fortführungsprognosen erstellt.
Steuerliche Auswirkungen der Sanierung
Sanierungsgewinne konnten bisher steuerpflichtig sein. Seit Inkrafttreten des § 3a EStG ist eine Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen, sofern diese im Einklang mit einem Sanierungsplan stehen.
Fazit
Die Sanierung von Handelsgesellschaften stellt einen umfassenden Prozess zur wirtschaftlichen Gesundung eines Unternehmens dar. Sie ist geprägt von einem komplexen Zusammenspiel gesellschaftsrechtlicher, insolvenzrechtlicher und steuerlicher Regelungen. Die präzise Einhaltung gesetzlicher Vorgaben und effektive Maßnahmen zur Rechts- und Risikosteuerung sind für die erfolgreiche Sanierung unerlässlich.
Weiterführende Stichworte: Insolvenzrecht, Restrukturierung, Eigenverwaltung, Restrukturierungsrahmen, Gläubigerrechte, Organhaftung, Kapitalmaßnahmen.
Häufig gestellte Fragen
Wie wirkt sich eine Sanierung auf die Haftungsverhältnisse der Gesellschafter einer Handelsgesellschaft aus?
Im Rahmen einer Sanierung einer Handelsgesellschaft können sich die Haftungsverhältnisse der Gesellschafter je nach Rechtsform erheblich ändern. Bei Personengesellschaften wie der offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder Kommanditgesellschaft (KG) bleibt die persönliche Haftung der Gesellschafter grundsätzlich bestehen, sofern keine Umwandlung der Gesellschaftsform oder anderweitige gesellschaftsrechtliche Maßnahmen vorgenommen werden. Eine Sanierung durch einen Insolvenzplan kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen zur Haftungsbeschränkung führen, sofern dies im Plan vorgesehen ist und Gläubiger zustimmen (§ 254 InsO). In einer GmbH oder AG bleibt die Haftung der Gesellschafter auf ihre Einlage beschränkt, jedoch können etwaige Nachschusspflichten greifen, sollte die Sanierungsmaßnahme eine entsprechende Kapitalmaßnahme umfassen. Auch etwaige Bürgschaften oder Patronatserklärungen einzelner Gesellschafter müssen berücksichtigt werden, da diese unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Struktur zusätzliche Haftungsrisiken bergen können.
Welche rechtlichen Instrumente stehen zur Sanierung von Handelsgesellschaften zur Verfügung?
Die gängigsten rechtlichen Sanierungsinstrumente sind der außergerichtliche Vergleich, der Insolvenzplan nach §§ 217 ff. InsO, der Schuldenschnitt, die Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) und das Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO). Des Weiteren können gesellschaftsrechtliche Maßnahmen wie Kapitalerhöhung, Veräußerung von Geschäftsanteilen, Umwandlung (Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel nach UmwG), sowie Restrukturierungsmaßnahmen im Sinne des StaRUG (Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen) genutzt werden. Jedes dieser Instrumente unterliegt spezifischen rechtlichen Voraussetzungen, beispielsweise indem gewisse Mehrheiten bei Gesellschafterbeschlüssen gefordert werden oder Gläubiger zustimmen müssen.
Welche Bedeutung hat ein Insolvenzplan im Rahmen der Sanierung?
Der Insolvenzplan ist ein zentrales Instrument der Sanierung, das es ermöglicht, von den gesetzlichen Vorgaben der Insolvenzordnung abzuweichen, um eine maßgeschneiderte Lösung für die Handelsgesellschaft zu erarbeiten. Im Insolvenzplanverfahren wird in Zusammenarbeit mit Gläubigern ein Plan zur Entschuldung und Fortführung des Unternehmens erstellt, welcher durch Gerichtsbeschluss bestätigt werden muss (§§ 217-269 InsO). Der Plan kann sowohl finanzielle als auch gesellschaftsrechtliche Maßnahmen enthalten, beispielsweise einen Kapitalschnitt, Anteilsübertragungen oder Restrukturierung der Schulden. Der Insolvenzplan wirkt sowohl auf die Gesellschaft als auch auf alle Beteiligten und kann im Rahmen einer Eigenverwaltung umgesetzt werden. Er bindet nach Bestätigung durch das Gericht alle Gläubiger, auch jene, die dem Plan nicht zugestimmt haben.
Welche Rolle spielen Gläubiger im rechtlichen Sanierungsprozess?
Gläubiger nehmen bei der rechtlichen Sanierung eine zentrale Rolle ein, da viele Sanierungsmaßnahmen – insbesondere im Insolvenz-, Restrukturierungs- oder Vergleichsverfahren – deren Zustimmung bedürfen. Im Rahmen des Insolvenzplans sind Gläubigergruppen zu bilden (§ 222 InsO), die jeweils über den Plan abstimmen. Für die Annahme des Plans genügt eine Mehrheit von mehr als 50 % der Summen der Forderungen und zudem die Kopfmehrheit innerhalb jeder Gruppe. Beim außergerichtlichen Vergleich ist grundsätzlich die einstimmige Zustimmung aller betroffenen Gläubiger notwendig, außer es wird eine Mehrheitsklausel vertraglich vereinbart. Im Restrukturierungsrahmen nach StaRUG können Gläubigerklassen gebildet werden, in denen ebenfalls Mehrheiten über die Annahme entscheiden (§§ 17, 25 StaRUG).
Wie wirkt sich eine Sanierung auf die Verträge der Handelsgesellschaft aus?
Die rechtlichen Auswirkungen auf bestehende Verträge hängen entscheidend vom gewählten Sanierungsinstrument ab. Im Insolvenzverfahren greift das sogenannte Wahlrecht des Insolvenzverwalters (§ 103 InsO), mit dem bestehende gegenseitige Verträge erfüllt oder gekündigt werden können. Bei Restrukturierungen außerhalb der Insolvenz sind Vertragsanpassungen grundsätzlich nur im Einvernehmen mit den Vertragspartnern möglich, wobei es im Rahmen eines Restrukturierungsplans nach StaRUG möglich ist, einzelne Verträge durch gerichtliche Entscheidung anzupassen oder zu beenden (§ 29 StaRUG). Jedoch bleiben Verträge bestehen, wenn keine speziellen gesetzlichen Eingriffstatbestände eingreifen, so dass Nachverhandlungen regelmäßig erforderlich sind.
Welche gesellschaftsrechtlichen Pflichten und Rechte der Gesellschafter sind während der Sanierung zu beachten?
Während einer Sanierung entstehen besondere Pflichten für Gesellschafter: Dazu zählen insbesondere die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft sowie die Pflicht zur Mitwirkung an Sanierungsmaßnahmen, sofern dies für den Erhalt des Unternehmens notwendig ist. In Kapitalgesellschaften kann die Teilnahme an Kapitalmaßnahmen, z. B. einer Kapitalerhöhung oder eines Debt-Equity-Swaps (Umwandlung von Schulden in Gesellschaftsanteile), erforderlich sein. Weiterhin können Beschlüsse notwendig werden, die mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden müssen (§ 53 Abs. 2 GmbHG, § 179 Abs. 2 AktG). Gleichzeitig bleibt das Informations- und Kontrollrecht der Gesellschafter gegenüber der Geschäftsführung bestehen. Versäumen es Gesellschafter, rechtzeitige Sanierungsmaßnahmen zu unterstützen, können sie unter Umständen gegenüber der Gesellschaft und Gläubigern auf Schadensersatz haftbar gemacht werden.
Unter welchen Voraussetzungen kann eine Kapitalherabsetzung oder Kapitalerhöhung zur Sanierung durchgeführt werden?
Kapitalherabsetzungen und anschließende Kapitalerhöhungen (sog. Kapitalschnitt) sind typische Maßnahmen zur bilanziellen Sanierung von Kapitalgesellschaften gemäß §§ 222 ff. AktG und § 58 GmbHG. Voraussetzung hierfür ist ein Gesellschafter- bzw. Hauptversammlungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit sowie die Eintragung ins Handelsregister. Bei der Kapitalherabsetzung ist darauf zu achten, dass Gläubigerrechte gewahrt bleiben. Deshalb haben Gläubiger gemäß § 225 AktG ein Widerspruchsrecht oder Anspruch auf Sicherheiten. Erst nach Wirksamwerden der Herabsetzung kann das neue Kapital zugeführt werden („Down-Up“-Sanierung). Ziel ist, alte Verluste auszugleichen, um danach neues Eigenkapital einzuwerben oder einen Debt-Equity-Swap durchzuführen. Auch die Veröffentlichung sowie Einhaltung von Sperrfristen sind zu beachten, um Gläubigerschutz zu gewährleisten.
Welche rechtlichen Besonderheiten bestehen bei der Sanierung von Gesellschaften mit Auslandsbezug?
Handelsgesellschaften mit Auslandsbezug unterliegen im Rahmen der Sanierung weiteren rechtlichen Bestimmungen wie dem internationalen Insolvenzrecht (EuInsVO, Art. 3 ff.) und möglichen Doppelbesteuerungsabkommen. Maßgeblich für das Hauptinsolvenzverfahren ist der sogenannte COMI (Center of Main Interest), der bestimmt, welches Land für das Verfahren zuständig ist. Eine Sanierung nach deutschem Recht ist grundsätzlich möglich, wenn der Hauptverwaltungssitz im Inland liegt. Besondere Beachtung gilt auch etwaigen Anerkennungs- und Vollstreckungsproblemen von Sanierungsbeschlüssen im Ausland, sowie länderübergreifenden Gläubigerrechten. Weiterhin können international geltende gesellschaftsrechtliche Restriktionen oder Kapitalschutzvorschriften eine Rolle spielen, etwa bei Anteilsübertragungen, Kapitalmaßnahmen oder Gruppeninsolvenzverfahren.