Begriff und rechtliche Definition der S-Bahn
Die S-Bahn, kurz für „Stadtschnellbahn“ oder umgangssprachlich „Stadtbahn“, bezeichnet ein schienengebundenes öffentliches Nahverkehrssystem, das primär Ballungsräume und deren Umland miteinander verbindet. Rechtlich ist die S-Bahn in Deutschland durch eine Vielzahl von bundes- und länderspezifischen Regelungen definiert und abgegrenzt. Sie bildet einen Sonderfall innerhalb des öffentlichen Verkehrsrechts und ist sowohl Gegenstand des Eisenbahnrechts als auch des Personenbeförderungsrechts.
Rechtliche Grundlagen der S-Bahn in Deutschland
Europäische Regelungen
Auf europäischer Ebene findet das Eisenbahnrecht Anwendung, insbesondere die Richtlinie (EU) 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums. Diese Richtlinie regelt unter anderem die Anforderungen an Eisenbahnverkehrsunternehmen, die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur sowie die Bedingungen für den Zugang zum Netz und zur Erbringung von Verkehrsdienstleistungen.
Nationale Regelungen
Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)
Das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) bildet die zentrale Rechtsgrundlage für den Eisenbahnbetrieb in Deutschland. Nach § 2 Abs. 1 AEG sind Eisenbahnen öffentliche Einrichtungen zur Beförderung von Personen oder Gütern auf festen Fahrwegen. S-Bahnen gelten in diesem Sinne als Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs und unterliegen damit den Vorschriften des AEG.
Personenbeförderungsgesetz (PBefG)
Neben dem AEG ist das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) maßgeblich, insbesondere wenn es um die Definition des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) geht. S-Bahnen gelten als Bestandteil des ÖPNV (§ 8 Abs. 1 PBefG), wenn sie regelmäßig und nach einem Fahrplan Fahrgäste auf festgelegten Strecken befördern und zur Befriedigung des allgemeinen Verkehrsbedarfs beitragen.
Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO)
Die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) regelt technische und organisatorische Anforderungen an den Bau und Betrieb von Eisenbahnstrecken und -fahrzeugen, einschließlich der S-Bahnen. Für S-Bahn-Systeme können zur Berücksichtigung spezifischer Betriebsformen auch spezielle Regelungen, wie etwa die S-Bahn-Bau- und Betriebsordnung (SBO), Anwendung finden.
Abgrenzung zu anderen Verkehrssystemen
S-Bahn versus U-Bahn
Aus rechtlicher Sicht werden S-Bahnen gemäß EBO als Vollbahnen betrachtet, während U-Bahnen nach der Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (BOStrab) betrieben werden. Dies hat Auswirkungen auf Sicherheitsstandards, Betriebsformen, Streckenführung und Zulassungspflichten.
S-Bahn versus Regionalbahn
Obwohl S-Bahnen und Regionalbahnen beide dem Eisenbahnrecht unterliegen, definiert das Personenbeförderungsrecht S-Bahnen regelmäßig enger hinsichtlich ihres räumlichen Einsatzbereichs und ihrer Betriebsfrequenz, typischerweise mit dichterem Takt im Stadt- und Nahbereich.
Betreiberstruktur und Vergaberecht
Betreiber und öffentliche Aufgabenträger
Die rechtliche Organisation des S-Bahn-Verkehrs erfolgt häufig durch kommunale Zweckverbände oder Aufgabenträger des ÖPNV nach § 8 PBefG. Diese schließen Verkehrsverträge mit Eisenbahnverkehrsunternehmen ab, die den operativen Betrieb durchführen.
Vergaberechtlicher Rahmen
Das Verfahren zur Vergabe von Leistungen im Schienenpersonennahverkehr unterliegt dem öffentlichen Vergaberecht, insbesondere dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabeverordnung (VgV) und Sektorenverordnung (SektVO). Die Aufgabenträger müssen Verkehrsleistungen in der Regel europaweit ausschreiben, sofern keine gesetzlichen Ausnahmen greifen.
Genehmigungs-, Sicherheits- und Haftungsrecht
Betriebsgenehmigungen
Für den Betrieb von S-Bahn-Systemen ist eine Betriebsgenehmigung nach § 6 AEG erforderlich. Sie wird von der zuständigen Behörde, im Regelfall dem Eisenbahn-Bundesamt (EBA), erteilt. Die Genehmigung setzt die Einhaltung aller technischen und betrieblichen Anforderungen aus dem AEG und der EBO sowie weiteren einschlägigen Vorschriften voraus.
Sicherheitsanforderungen
Sicherheitsanforderungen für S-Bahn-Systeme ergeben sich aus der EBO, der Eisenbahn-Signalordnung (ESO) und, falls relevant, aus der S-Bahn-Bau- und Betriebsordnung (SBO). Die Vorschriften umfassen Regelungen zur technischen Ausrüstung, zur Fahrzeugzulassung und zum sicheren Bewegungsablauf auf öffentlichen Bahnsteigen.
Haftung und Rechtsfolgen bei Betriebsstörungen
Im Falle von Personen- oder Sachschäden bei der Nutzung der S-Bahn greifen die Haftungsregelungen des AEG (§§ 1 ff. AEG) sowie ergänzend das Haftpflichtgesetz. Betreiber sind verpflichtet, eine ausreichende Haftpflichtversicherung vorzuhalten und für Schäden im Rahmen der gesetzlichen Gefährdungshaftung einzustehen.
Tarifrecht und Fahrgastrechte
Tarifgestaltung
Die rechtliche Gestaltung der Tarife für S-Bahn-Fahrten richtet sich nach dem Personenbeförderungsrecht sowie regionalen Tarifbestimmungen, die von Verkehrsverbünden oder Aufgabenträgern festgelegt werden. Tarife müssen transparent, diskriminierungsfrei und nach den Vorgaben des Wettbewerbsrechts gestaltet sein.
Fahrgastrechte
Fahrgastrechte im S-Bahn-Verkehr werden maßgeblich durch die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr bestimmt. Sie umfassen Ansprüche bei Verspätungen, Ausfällen, Informationspflichten sowie Entschädigungsregelungen.
S-Bahn im Kontext von Umwelt- und Planungsrecht
Planfeststellungsverfahren
Der Bau neuer S-Bahn-Strecken unterliegt dem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren (§ 18 AEG). Dabei sind neben eisenbahnrechtlichen auch umweltrechtliche Vorgaben, wie das Bundesnaturschutzgesetz und das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, zu berücksichtigen.
Emissionsschutz und Lärmvorschriften
Betrieb und Bau von S-Bahn-Anlagen fallen unter das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und die 16. Bundes-Immissionsschutzverordnung (Verkehrslärmschutzverordnung). Es gelten Grenzwerte für Lärm und Erschütterungen. Etwaige Überschreitungen lösen Ansprüche auf Lärmschutzmaßnahmen aus.
Zusammenfassung
Die S-Bahn ist ein eigenständiges System im deutschen öffentlichen Personenverkehr mit umfassender rechtlicher Regelung. Sie ist als Eisenbahn des öffentlichen Verkehrs Teil des Schienenpersonennahverkehrs und unterliegt einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Vorschriften des Eisenbahn-, Personenbeförderungs-, Umwelt- und Vergaberechts. Die rechtlichen Anforderungen betreffen den Betrieb, die Sicherheit, die Haftung, den Bau, die Tarifgestaltung sowie den Schutz von Fahrgästen und Anwohnern. Die Vielzahl und Tiefe der einschlägigen Rechtsvorschriften unterstreichen die Bedeutung der S-Bahn als wesentliche Säule moderner Mobilitätsinfrastruktur samt ihrer öffentlich-rechtlichen, haftungsrechtlichen und zivilrechtlichen Implikationen.
Häufig gestellte Fragen
Was sind die wichtigsten Fahrgastrechte bei Verspätungen oder Zugausfällen der S-Bahn?
Im Falle von Verspätungen oder Ausfällen einer S-Bahn stehen Fahrgästen laut EU-Verordnung Nr. 1371/2007 und den jeweiligen deutschen Regelungen zum Personenbeförderungsrecht verschiedene Rechte zu. Ab einer Verspätung von mindestens 60 Minuten am Zielort können Fahrgäste 25 % des Fahrpreises für die einfache Fahrt, bei mehr als 120 Minuten 50 % verlangen. Die Geltendmachung erfolgt über das Serviceformular des Eisenbahnunternehmens oder bei zentralen Anlaufstellen wie der DB Fahrgastrechte (für die meisten S-Bahn-Systeme Deutschlands). Wichtig ist, dass diese Ansprüche innerhalb eines Jahres nach dem betroffenen Reisetag eingereicht werden müssen. Zusätzlich können Fahrgäste bei zu erwartenden erheblichen Verspätungen von ihrem Beförderungsvertrag zurücktreten und sich die Kosten erstatten lassen oder ein anderes Verkehrsmittel nutzen und die Mehrkosten unter bestimmten Bedingungen einfordern. Bei Ausfall von letzten Zügen in der Nacht kann gegebenenfalls die Übernahme von angemessenen Übernachtungskosten verlangt werden. Es besteht jedoch kein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden wie Frust oder Zeitverlust.
Ist das Mitführen von Fahrrädern in der S-Bahn rechtlich geregelt?
Ja, das Mitführen von Fahrrädern in der S-Bahn ist ausdrücklich über die Beförderungsbedingungen der jeweiligen Verkehrsverbünde und Eisenbahnverkehrsunternehmen geregelt. Grundsätzlich besteht kein uneingeschränkter Beförderungsanspruch auf Fahrräder; diese werden nur im Rahmen der vorhandenen Platzkapazitäten transportiert. In vielen S-Bahnen ist ein separates Fahrradticket erforderlich, welches vor Fahrtantritt zu lösen ist – Ausnahmen, etwa kostenfreie Fahrradmitnahme außerhalb der Hauptverkehrszeiten, regeln die Tarifbestimmungen im Detail. Fahrräder können ausgeschlossen werden, wenn beispielsweise der Betriebsablauf gestört wird oder die Sicherheit gefährdet ist. Tandems, Dreiräder und Lastenräder sind meist generell von der Beförderung ausgeschlossen. Die schuldhafte Zuwiderhandlung gegen Mitführungsbedingungen kann zum sofortigen Ausschluss von der Beförderung führen.
Unter welchen Voraussetzungen kann von der S-Bahn ausgeschlossen werden?
Ein Fahrgast kann gemäß den Allgemeinen Beförderungsbedingungen sowie den Eisenbahnverkehrsordnungen (u. a. EVO) von der Beförderung ausgeschlossen werden, wenn er gegen betriebliche Vorschriften verstößt – wie etwa ohne gültigen Fahrausweis fährt, sich trotz Aufforderung nicht ausweist, andere Fahrgäste gefährdet oder erheblich stört, alkoholisiert ist oder sich aggressiv verhält. Der Ausschluss erfolgt durch das Personal und kann dazu führen, dass Fahrgäste an der nächsten Haltestelle die Zugfahrt beenden müssen. In gravierenden Fällen – zum Beispiel bei tätlichen Angriffen oder erheblicher Verschmutzung des Zuges – drohen zusätzlich strafrechtliche Konsequenzen sowie Fahrverbote für einen bestimmten Zeitraum.
Was besagt die rechtliche Regelung zur Barrierefreiheit in der S-Bahn?
Die Barrierefreiheit des öffentlichen Nahverkehrs und damit auch der S-Bahn ist im Personenbeförderungsgesetz (PBefG), § 8 Abs. 3, sowie durch die Verordnung (EU) Nr. 1300/2014 (TSI PRM) geregelt. Eisenbahnunternehmen sind verpflichtet, Barrierefreiheit stufenweise – spätestens bis 2022 für den Nahverkehr – sicherzustellen. Das umfasst unter anderem niederflurige Fahrzeuge, akustische und visuelle Fahrgastinformationen, stufenlosen Zugang an Bahnsteigen und Hilfsangebote für mobilitätseingeschränkte Personen. Verkehrsverbünde sind verpflichtet, Barrierefreiheitsstandards regelmäßig zu überprüfen, und Fahrgäste können sich bei Verstößen an die jeweiligen Aufsichtsbehörden wenden.
Wie verhält es sich rechtlich mit dem Verzehr von Speisen und Getränken in der S-Bahn?
Ob und inwieweit Speisen und Getränke in der S-Bahn konsumiert werden dürfen, ergibt sich aus den Allgemeinen Beförderungsbedingungen des zuständigen Verkehrsunternehmens. Oft ist der Verzehr von stark riechenden Speisen oder alkoholischen Getränken ausdrücklich untersagt, um die Mitreisenden zu schützen. Ein generelles Ess- und Trinkverbot besteht selten, kann aber – insbesondere bei Sonderlagen (wie Pandemie-Beschränkungen) – ausgesprochen werden. Verstöße gegen diese Regelungen können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden und im Wiederholungsfall zum Ausschluss von der Beförderung führen.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen beim Schwarzfahren in der S-Bahn?
Schwarzfahren, also die Benutzung der S-Bahn ohne gültigen Fahrausweis, stellt zunächst eine zivilrechtliche Vertragsverletzung dar, die mit einem erhöhten Beförderungsentgelt (EBE) – nach § 9 Abs. 2 EVO aktuell meist 60 Euro – geahndet wird. Bei wiederholtem Vorfall und nach entsprechender Anzeige ist auch eine strafrechtliche Verfolgung nach § 265a StGB (Erschleichen von Leistungen) möglich. Hierbei handelt es sich um ein Antragsdelikt; bei erwiesenem Vorsatz kann eine Geld- oder Freiheitsstrafe verhängt werden. Fahrgäste sind verpflichtet, den Fahrschein auf Verlangen vorzuzeigen und sich auszuweisen. Die Verweigerung kann neben dem EBE zu weiteren Maßnahmen (Ausschluss von der Beförderung, polizeiliche Aufnahme der Personalien) führen.
Wie ist der Umgang mit Fundsachen in der S-Bahn rechtlich geregelt?
Der Umgang mit Fundsachen in der S-Bahn richtet sich nach §§ 965 ff. BGB (Fundrecht). Wer einen Gegenstand findet und ihn nicht an sich nimmt, ist juristisch nicht verpflichtet, ihn abzugeben, sollte er ihn jedoch an sich nehmen, muss er den Fund unverzüglich dem zuständigen Verkehrsunternehmen (z. B. beim S-Bahn-Kundencenter) anzeigen und abgeben. Das Verkehrsunternehmen ist für die Verwahrung zuständig und leitet den Fund an das Fundbüro weiter. Der Finder hat Anspruch auf einen Finderlohn, sofern sich der Eigentümer meldet. Für die Lagerung und Herausgabe gelten die Vorschriften des Fundrechts; Wertgegenstände werden in der Regel drei bis sechs Monate aufbewahrt.
Gibt es eine gesetzliche Verpflichtung für Entschädigungsleistungen bei verspätetem Gepäcktransport in der S-Bahn?
Da S-Bahnen im Regelfall keine gesonderten Gepäckdienste anbieten und der Gepäcktransport Bestandteil der Personenbeförderung ist, greifen die allgemeinen Haftungsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 631 ff. BGB i.V.m. den jeweiligen Beförderungsbedingungen). Eine Entschädigung für verspätetes oder verloren gegangenes Reisegepäck ist grundsätzlich ausgeschlossen, sofern das Gepäck unter der eigenen Aufsicht des Reisenden steht und nicht explizit dem Unternehmen zur Verwahrung übergeben wurde. Ein Schadensersatzanspruch besteht nur, wenn der Verlust durch grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Unternehmens verursacht wurde. Bei explizit angebotenen Gepäckdiensten greifen u. U. weitergehende Haftungsbedingungen nach HGB oder COTIF-CIV (internationales Eisenbahnbeförderungsrecht).