Definition und Rechtsgrundlagen der Restschuldbefreiung
Begriff der Restschuldbefreiung
Die Restschuldbefreiung bezeichnet im deutschen Insolvenzrecht das Verfahren, durch das überschuldete natürliche Personen nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens von ihren verbliebenen, nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit werden können. Ziel ist es, dem Schuldner nach einer bestimmten Zeit einen wirtschaftlichen Neuanfang zu ermöglichen. Damit wird verhindert, dass ihn Altverbindlichkeiten dauerhaft belasten und seine soziale sowie wirtschaftliche Teilhabe einschränken.
Gesetzliche Regelungen
Die zentrale Rechtsgrundlage der Restschuldbefreiung findet sich in den §§ 286 bis 303a der Insolvenzordnung (InsO). Soweit sich aus einzelnen Vorschriften nichts anderes ergibt, bestimmen sich die Voraussetzungen und der Ablauf nach der InsO in der jeweils geltenden Fassung. Daneben enthalten zahlreiche gerichtliche Entscheidungen und Verwaltungsvorschriften präzisierende Regelungen zur Anwendung im Einzelfall.
Voraussetzungen für die Erteilung der Restschuldbefreiung
Antragsberechtigte Personen
Nach § 286 InsO können ausschließlich natürliche Personen die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragen. Juristische Personen und Personengesellschaften sind von diesem Rechtsinstitut ausgeschlossen. Grundsätzlich steht sowohl selbständig tätigen als auch nichtselbständigen Schuldnern das Verfahren offen.
Antragstellung und Umfang
Der Antrag auf Restschuldbefreiung ist spätestens mit dem Insolvenzantrag zu stellen (§ 287 Abs. 1 InsO). Zu diesem Zeitpunkt müssen alle Angaben umfassend und vollständig gemacht werden. Eine Nachholung des Antrags ist im Laufe des Verfahrens nicht mehr möglich.
Obliegenheiten des Schuldners
Der Schuldner muss während des Verfahrens bestimmte Verhaltenspflichten, sogenannte Obliegenheiten (§§ 290-295 InsO), erfüllen. Dazu zählen vor allem:
- Angemessene Erwerbstätigkeit ausüben oder sich um eine solche bemühen (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO)
- Herausgabe von pfändbarem Einkommen an den Treuhänder (§ 287 Abs. 2, § 295 Abs. 2 InsO)
- Anzeige eines Wohnsitz- oder Arbeitsplatzwechsels gegenüber dem Gericht (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO)
- Keine unangemessenen Verbindlichkeiten eingehen (§ 290 Abs. 1 InsO)
Ausschlussgründe
Die Restschuldbefreiung kann auf Antrag eines Insolvenzgläubigers versagt werden, wenn der Schuldner insbesondere wegen Insolvenzstraftaten, falscher Angaben, Verletzung von Mitwirkungspflichten, Zahlungen an Einzelgläubiger oder Vortäuschung von Vermögenslosigkeit auffällig wird (§ 290 InsO). Maßgeblich ist stets die individuelle Prüfung des Einzelfalles durch das Insolvenzgericht.
Ablauf des Restschuldbefreiungsverfahrens
Wohlverhaltensperiode
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Abschluss der Vermögensverwertung schließt sich die sog. Wohlverhaltensperiode an (§ 287 Abs. 2 InsO). Die Dauer dieser Periode beträgt in der Regel drei Jahre, sofern eine Mindestbefriedigungsquote für die Insolvenzgläubiger erreicht wird; andernfalls verlängert sie sich auf bis zu fünf Jahre, ausnahmsweise bis zu sechs Jahre bei Verfahrenskostenstundung (§ 300 InsO).
Während dieses Zeitraums unterliegt der Schuldner fortlaufend den obigen Obliegenheiten. Ein Verstoß kann zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.
Treuhänder und Kontrolle
In der Wohlverhaltensperiode wird das pfändbare Einkommen und Vermögen des Schuldners durch einen gerichtlich bestellten Treuhänder verwaltet. Dieser verteilt die eingehenden Beträge an die Insolvenzgläubiger gemäß der gesetzlichen Rangfolge (§§ 36, 287, 292 InsO).
Entscheidung über die Restschuldbefreiung
Abschluss und Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung erfolgen nach Beendigung der Wohlverhaltensperiode auf Antrag. Das Gericht prüft dabei die Einhaltung aller Pflichten sowie eventuelle Versagungsanträge der Gläubiger (§ 300 InsO). Wird die Restschuldbefreiung versagt, bleiben sämtliche Verbindlichkeiten bestehen, andernfalls ist der Schuldner von diesen befreit.
Wirkung und Umfang der Restschuldbefreiung
Rechtsfolgen der Restschuldbefreiung
Mit der Restschuldbefreiung erlöschen grundsätzlich alle zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Forderungen der Insolvenzgläubiger (§ 301 Abs. 1 InsO), soweit sie nicht aus bestimmten, von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen stammen.
Ausgenommene Forderungen
Nicht von der Restschuldbefreiung erfasst sind beispielsweise (§ 302 InsO):
- Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen
- Geldstrafen, Ordnungsgelder und vergleichbare staatliche Forderungen
- rückständiger Kindesunterhalt bei vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht
Nachträgliche Gläubiger und vollstreckbare Ansprüche
Die Restschuldbefreiung wirkt ausschließlich gegenüber den Insolvenzgläubigern. Neugläubiger (Gläubiger mit Forderungen nach Eröffnung des Verfahrens) können ihre Ansprüche uneingeschränkt durchsetzen. Auf vollstreckbare Unterhalts- und Deliktforderungen kann trotz Restschuldbefreiung weiterhin vollstreckt werden.
Wiederholte Restschuldbefreiung
Ein erneuter Antrag auf Restschuldbefreiung ist nach § 287a Abs. 2 InsO frühestens nach zehn Jahren möglich, sofern ein vorheriges Verfahren bereits abgeschlossen wurde. Im Falle einer Versagung der Restschuldbefreiung durch das Gericht besteht die Möglichkeit einer sogenannten Sperrfrist bis zur erneuten Antragstellung (§ 290 Abs. 1 InsO).
Bedeutung und Bewertung der Restschuldbefreiung
Die Restschuldbefreiung stellt einen elementaren Bestandteil des deutschen Insolvenzrechts dar. Sie dient dem Schutz überschuldeter Personen, fördert deren wirtschaftliche Rehabilitation und ermöglicht einen Neuanfang. Gleichzeitig wird durch die gesetzlichen Zugangsvoraussetzungen sowie umfassende Kontrollmechanismen ein Interessenausgleich zwischen Schuldner und Gläubigern sichergestellt.
Durch die gesetzlich fixierte Wohlverhaltensperiode, die strikten Obliegenheiten im Verfahren sowie die umfassenden Berichts- und Mitwirkungspflichten erfährt die Restschuldbefreiung eine ausgewogene Ausgestaltung. Damit trägt sie zur Stabilisierung der wirtschaftlichen und sozialen Situation Schuldner bei, erhält aber auch berechtigte Interessen der Gläubiger an einer ordnungsgemäßen Befriedigung ihrer Forderungen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen Schuldner erfüllen, um einen Antrag auf Restschuldbefreiung zu stellen?
Um einen Antrag auf Restschuldbefreiung rechtswirksam stellen zu können, muss der Schuldner zunächst ein Insolvenzverfahren beantragen. Dieser Antrag kann vom Schuldner selbst oder bei juristischen Personen gegebenenfalls auch von Gläubigern eingereicht werden. Im Rahmen des Verbraucherinsolvenzverfahrens (§§ 304-314 InsO) ist es zusätzlich erforderlich, dass zuvor ein außergerichtlicher Einigungsversuch mit den Gläubigern unternommen wird. Eine der maßgeblichen gesetzlichen Bedingungen ist, dass der Schuldner nicht wegen einer Insolvenzstraftat (zum Beispiel Bankrott oder Betrug (§§ 263, 283 StGB)) verurteilt wurde oder dass seit einer eventuellen Verurteilung eine bestimmte Frist, in der Regel drei bis fünf Jahre, vergangen ist. Weiterhin muss der Schuldner die Obliegenheiten erfüllen, insbesondere einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachgehen beziehungsweise sich bemühen, eine solche zu finden, und seine Einkünfte offenlegen. Auch darf in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung keine Restschuldbefreiung gewährt oder in den letzten drei Jahren der Antrag nicht mangels Masse abgelehnt worden sein (§ 290 InsO). Das Einhalten aller Vorschriften wird im Laufe des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzgericht geprüft und kann bei Verstößen zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.
Welche Verfahrensschritte schreibt das Gesetz bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung vor?
Der Ablauf des Insolvenzverfahrens ist im Wesentlichen durch die Insolvenzordnung (InsO) geregelt. Ist der Antrag einschließlich des Antrags auf Restschuldbefreiung eingereicht, so eröffnet das Insolvenzgericht regelmäßig zunächst das Verbraucherinsolvenzverfahren oder, im Falle von Selbstständigen, das Regelinsolvenzverfahren. Nach der gerichtlichen Verfahrenseröffnung folgt die sogenannte Wohlverhaltensphase, auch Abtretungsfrist genannt, die – Stand 2024 – im Regelfall drei Jahre beträgt (§ 287 InsO). Während dieser Phase müssen sämtliche pfändbaren Einkommensteile an den Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder abgeführt werden. Zusätzlich stellt das Gericht sicher, dass alle Gläubiger ordnungsgemäß am Verfahren beteiligt wurden und Schuldner sowie Gläubiger ihre jeweiligen Mitwirkungs- und Auskunftspflichten erfüllen. Am Ende dieser Phase überprüft das Insolvenzgericht, ob Versagungsgründe vorliegen, wie etwa die Verletzung der Mitwirkungspflichten oder unredliches Verhalten des Schuldners. Liegen keine Versagungsgründe vor, wird die Restschuldbefreiung durch gerichtlichen Beschluss erteilt.
Welche Gläubigerforderungen sind von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen?
Einige Forderungen bleiben nach Maßgabe des § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Dazu zählen vor allem Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, wie etwa Schadensersatzansprüche aus Betrug oder Körperverletzung, wenn die Forderungen vom Gläubiger entsprechend angemeldet und als solche festgestellt wurden. Ebenfalls ausgeschlossen sind Geldstrafen, Ordnungsgelder sowie Forderungen aus rückständigen Unterhaltszahlungen, sofern der Schuldner hier vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Forderungen aus Krediten bei vorsätzlicher Fehlinformation gegenüber dem Kreditgeber oder durch Insolvenzverschleppung sind ebenfalls nicht von der Restschuldbefreiung erfasst. Diese Forderungen können von den Gläubigern auch nach Abschluss der Restschuldbefreiung weiterhin geltend gemacht werden. Der Schuldner bleibt demnach gegenüber diesen speziellen Forderungen weiterhin verpflichtet.
Welche Pflichten (Obliegenheiten) treffen den Schuldner während der Wohlverhaltensperiode rechtlich?
Während der sogenannten Wohlverhaltensperiode trifft den Schuldner eine Vielzahl von gesetzlichen Pflichten nach § 295 InsO. Zunächst ist der Schuldner verpflichtet, einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachzugehen oder sich nachweislich um einen entsprechenden Arbeitsplatz zu bemühen. Zudem hat der Schuldner jeglichen Wohnsitz- oder Arbeitsplatzwechsel unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder mitzuteilen sowie jeden Wechsel seiner Einkommensverhältnisse offenzulegen. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Pflicht, sämtliche pfändbaren Bezüge an den Treuhänder abzuführen, damit diese zur anteiligen Befriedigung der Gläubiger verwendet werden können. Zusätzliche Zahlungen, etwa aus Erbschaften während dieser Frist (zur Hälfte gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) oder Lottogewinne, müssen ebenfalls offengelegt und abgeführt werden. Werden diese Obliegenheiten verletzt, kann das zur Versagung der Restschuldbefreiung führen, auch wenn die restliche Verfahrensdauer abgelaufen ist.
Welche rechtlichen Folgen hat eine Versagung der Restschuldbefreiung?
Wird die Restschuldbefreiung durch das Insolvenzgericht versagt, wirkt sich dies direkt auf die rechtliche Stellung des Schuldners aus. Sämtliche während des Insolvenzverfahrens bestehenden Forderungen der Gläubiger bleiben weiterhin uneingeschränkt bestehen und können weiterhin vollstreckt werden. Der Schuldner verliert den rechtlichen Schutz vor Gläubigermaßnahmen wie Zwangsvollstreckung, Pfändung oder Kontosperrung. Die Versagung kann auf unterschiedlichen Versagungsgründen basieren, etwa falschen Angaben im Verfahren, Verschleierung von Einkommen oder strafbarem Verhalten wie betrügerischem Handeln. Da die Konsequenzen gravierend sind, ist eine Versagung für den Schuldner mit erheblichen weiteren finanziellen und rechtlichen Belastungen verbunden. Ein erneuter Antrag auf Restschuldbefreiung ist regelmäßig erst nach Ablauf einer Sperrfrist von zehn Jahren zulässig.
Können auch selbständige Schuldner und ehemalige Selbständige die Restschuldbefreiung beantragen?
Nach aktueller Rechtslage ist die Restschuldbefreiung unabhängig von der Erwerbsform prinzipiell möglich. Das Regelinsolvenzverfahren (§§ 11 ff. InsO) richtet sich insbesondere an Selbständige und ehemalige Selbständige, sofern sie mehr als 19 Gläubiger oder Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen gegenüber Arbeitnehmern aufweisen. In diesen Fällen kommt nicht das Verbraucherinsolvenzverfahren, sondern das Regelinsolvenzverfahren zur Anwendung, welches im Ablauf weniger standardisiert, dafür aber vielfach auf komplexere Vermögensverhältnisse zugeschnitten ist. Der Antrag auf Restschuldbefreiung kann auch hier ab Verfahrenseröffnung gestellt werden. Dieser Antrag ist an die gleichen Voraussetzungen und Obliegenheiten gebunden wie im Verbraucherinsolvenzverfahren. Darüber hinaus gelten für ehemalige Selbständige erleichterte Bedingungen hinsichtlich des vorherigen Einigungsversuchs mit Gläubigern. Zusätzliche branchenspezifische Beschränkungen bestehen in der Regel nicht, es sei denn, das Gesetz schließt dies aufgrund besonderer Berufsgruppen ausdrücklich aus.
Welche rechtlichen Auswirkungen hat die Restschuldbefreiung auf die Eintragungen in öffentlichen Registern, insbesondere der Schufa?
Mit rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung erlöschen grundsätzlich sämtliche von der Restschuldbefreiung umfassten Forderungen rechtlich, was auch eine Auswirkung auf Eintragungen in verschiedenen öffentlichen und privaten Registern, wie insbesondere bei der Schufa, hat. Die Auskunfteien erhalten Mitteilung über die Erteilung der Restschuldbefreiung durch die Insolvenzgerichte. Die Information über die Restschuldbefreiung bleibt nach derzeitiger Praxis noch für einen Zeitraum von drei Jahren im Schuldnerverzeichnis und bei der Schufa gespeichert, unabhängig davon, dass die Schulden rechtlich nicht mehr bestehen. Erst nach Ablauf dieser Frist sind die Auskunfteien verpflichtet, die Einträge nach Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu löschen. Während dieser Zeit kann die Kreditwürdigkeit weiterhin erheblich beeinträchtigt sein, da Banken und andere Vertragspartner von der Eintragung Kenntnis erhalten. Weitere rechtliche Einflüsse auf Verträge oder neue Geschäftsabschlüsse ergeben sich insofern, als dass die Erteilung der Restschuldbefreiung die Bonität des Betroffenen für einen Übergangszeitraum maßgeblich beeinträchtigen kann.