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Reisevertrag


Reisevertrag

Der Reisevertrag ist ein gesetzlich geregelter Vertragstyp, der regelmäßig im Kontext der Buchung von Pauschalreisen abgeschlossen wird. Der Reisevertrag legt die Rechte und Pflichten zwischen Reisenden und Reiseveranstaltern fest und bündelt verschiedene Leistungen zu einer Gesamtheit, die als Reise einheitlich angeboten wird. Die rechtliche Grundlage bildet in Deutschland insbesondere §§ 651a bis 651 y Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie die europäischen Vorgaben der Pauschalreise-Richtlinie.


Rechtliche Grundlagen des Reisevertrags

Gesetzliche Regelungen

Die zentralen Normen für den Reisevertrag sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 651a bis 651y festgeschrieben. Diese Vorschriften wurden mehrfach reformiert, zuletzt durch die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2302 zur Pauschalreise. Ziel ist es, den Verbraucherschutz zu stärken, insbesondere im Hinblick auf Transparenz, Gewährleistung und Haftung.

Anwendungsbereich

Ein Reisevertrag liegt vor, wenn die folgenden Merkmale erfüllt sind:

  • Es werden mindestens zwei Reiseleistungen (z. B. Transport und Unterkunft) angeboten.
  • Die Paketierung dieser Leistungen erfolgt für einen Gesamtpreis und für einen bestimmten Zeitraum.
  • Die Buchung erfolgt direkt beim Reiseveranstalter oder einem vermittelnden Reisebüro.

Nicht geregelt werden Individualreiseverträge, bei denen der Reisende ausschließlich einzelne Leistungen ohne Paketierung direkt bei verschiedenen Anbietern bucht.


Vertragsschluss und Inhalt des Reisevertrags

Zustandekommen des Reisevertrags

Der Reisevertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande. Dies geschieht üblicherweise durch die Buchungsanfrage des Reisenden und die nachfolgende ausdrückliche Buchungsbestätigung durch den Reiseveranstalter. Die Buchungsbestätigung muss schriftlich oder in Textform erfolgen und detaillierte Informationen zum Reiseangebot enthalten.

Gesetzlich vorgeschriebene Angaben

Der Veranstalter ist verpflichtet, dem Reisenden folgende Informationen zu bereitstellen:

  • Wesentliche Merkmale der Reiseleistungen
  • Gesamtreisepreis sowie zusätzliche Kosten
  • Zahlungsmodalitäten und Fälligkeiten
  • Mindestteilnehmerzahl und Rücktrittsvorbehalt bei Nichterreichen
  • Reisedokumente und Pass-/Visumerfordernisse
  • Kontaktdaten für Notfälle

Sicherungsschein

Dem Reisenden ist spätestens mit Übermittlung der Reisebestätigung ein Sicherungsschein auszuhändigen. Dieser dient der Absicherung der Reisepreiszahlungen im Fall einer Insolvenz des Veranstalters (§ 651r BGB).


Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag

Pflichten des Reiseveranstalters

  • Erbringung der Reiseleistungen wie vereinbart, insbesondere Transport, Unterkunft und Zusatzleistungen
  • Informationspflichten: rechtzeitige und vollständige Information über sämtliche reisewesentlichen Umstände
  • Absicherung von Kundengeldern durch Übergabe eines Sicherungsscheins

Pflichten des Reisenden

  • Zahlung des vereinbarten Reisepreises gemäß den vereinbarten Zahlungsbedingungen
  • Mitwirkungspflicht: Mängelrügen müssen umgehend vor Ort angezeigt werden, um dem Veranstalter eine Abhilfe zu ermöglichen

Mängelrechte des Reisenden

Reisemangel

Ein Reisemangel liegt vor, wenn die Reiseleistungen nicht den vertraglich vereinbarten Eigenschaften entsprechen oder Beeinträchtigungen vorliegen. Beispielsweise kann ein minderwertiges Hotelzimmer oder die Nichterfüllung zugesicherter Leistungen einen Mangel darstellen.

Rechte bei Mängeln

  • Abhilfeverlangen: Der Reisende kann Abhilfe verlangen, wenn ein Mangel vorliegt (§ 651k BGB).
  • Selbstabhilfe: Wird nicht unverzüglich Abhilfe geschaffen, ist der Reisende zur Eigenvornahme berechtigt; entstandene Mehrkosten sind zu ersetzen.
  • Minderung: Entspricht die Reise nicht den vertraglichen Vereinbarungen, besteht das Recht zur Minderung des Reisepreises.
  • Kündigung: Ist die Reise infolge eines Mangels erheblich beeinträchtigt, besteht die Möglichkeit zur Kündigung des Vertrags.
  • Schadensersatz: Zusätzlich kann unter den Voraussetzungen des § 651n BGB Schadensersatz geltend gemacht werden.

Anzeigepflichten und Fristen

Mängel sind unverzüglich dem Reiseveranstalter oder dessen Vertreter anzuzeigen. Schadensersatzansprüche und Minderungsrechte müssen innerhalb von zwei Jahren ab dem vereinbarten Enddatum der Reise geltend gemacht werden.


Rücktritt, Kündigung und Umbuchung

Rücktritt durch den Reisenden vor Reisebeginn

Der Reisende kann jederzeit vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktreten; der Veranstalter behält regelmäßig einen Anspruch auf eine pauschalierte Entschädigung, abhängig vom Zeitpunkt des Rücktritts (§ 651h BGB).

Kündigung während der Reise

Im Fall gravierender Mängel oder unvermeidbarer außergewöhnlicher Umstände (z. B. Naturkatastrophen) steht dem Reisenden ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.

Vertragsübertragung

Der Reisende ist berechtigt, einen Ersatzteilnehmer zu stellen, sofern keine gewichtigen Gründe entgegenstehen (§ 651e BGB). Eventuell anfallende Mehrkosten sind zu ersetzen.


Haftung und Haftungsbeschränkung

Grundsatz der Haftung

Der Reiseveranstalter haftet für die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Reiseleistungen, einschließlich für Subunternehmer. Ausnahmen bestehen nur bei höherer Gewalt oder unvermeidbaren außergewöhnlichen Umständen.

Haftungsbeschränkungen

Die Haftung für Sachschäden ist in bestimmten Fällen auf das Dreifache des Reisepreises beschränkt. Für Körperschäden gilt eine unbegrenzte Haftung.


Sonderformen und verwandte Verträge

Vermittlung verbundener Reiseleistungen

Neben dem klassischen Reisevertrag sind sogenannte verbundene Reiseleistungen zu unterscheiden. Hierbei handelt es sich um die separate Buchung von mindestens zwei verschiedenen Leistungen, die jedoch durch einen Vermittler initiiert und einzeln abgerechnet werden. Es gelten Sonderregelungen bezüglich Kundengeldabsicherung und Informationspflichten.

Individualleistungen

Wird eine Reise als reine Transport- oder Beherbergungsleistung gebucht, finden die Vorschriften über den Reisevertrag keine Anwendung; stattdessen greifen die allgemeinen Regeln des Werk-, Dienst- oder Mietvertragsrechts.


Internationale Aspekte und europäische Vorgaben

Die Vorschriften zum Reisevertrag sind weitgehend durch europäisches Recht harmonisiert. Die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/2302 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen sichert europaweit ein einheitliches Schutzniveau für Verbraucher.


Literaturverzeichnis und Weiterführende Informationen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 651a-651y
  • Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen

Häufig gestellte Fragen

Welche Ansprüche hat der Reisende bei einer erheblichen Abweichung von der vereinbarten Reiseleistung?

Kommt es bei einer Pauschalreise zu einer erheblichen Abweichung von einer im Reisevertrag ausdrücklich vereinbarten Reiseleistung, stehen dem Reisenden nach deutschem Recht mehrere Ansprüche zur Verfügung. Er kann gemäß § 651g BGB den Reisepreis mindern, wenn die tatsächliche Ausführung der Reise hinter dem vereinbarten Standard zurückbleibt (Mängelgewährleistung). Voraussetzung ist, dass der Mangel vom Reisenden nicht selbst verursacht wurde und der Reiseveranstalter rechtzeitig über den Mangel informiert wurde (Obliegenheit zur Mängelanzeige gemäß § 651o BGB). Zudem kann der Reisende bei erheblicher Beeinträchtigung der Reise oder bei Unzumutbarkeit ihre Kündigung erklären (§ 651l BGB), wodurch der Reisende Anspruch auf Rückbeförderung und gegebenenfalls die Erstattung nicht in Anspruch genommener Leistungen erhält. Unter Umständen kann darüber hinaus Schadenersatz nach § 651n BGB verlangt werden, sofern dem Reisenden durch die Abweichung ein finanzieller oder immaterieller Schaden (z. B. nutzlos aufgewendete Urlaubszeit) entstanden ist.

Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Anfechtung eines Reisevertrags?

Die Anfechtung eines Reisevertrags nach deutschem Recht ist grundsätzlich möglich, wenn Gründe vorliegen, die eine Anfechtung gemäß §§ 119 ff. BGB rechtfertigen. Dies umfasst insbesondere Irrtum über wesentliche Eigenschaften der Reise oder Täuschung seitens des Veranstalters. Für die Wirksamkeit der Anfechtung muss diese unverzüglich nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes erklärt werden (§ 121 BGB). Die Anfechtung führt zur Nichtigkeit des Vertrags ex tunc, also rückwirkend. Allerdings kann der Reiseveranstalter gemäß § 122 BGB unter Umständen Schadenersatz verlangen, sofern der Irrtum vom Reisenden zu vertreten ist und dieser dadurch einen Vertrauensschaden verursacht.

Welche Rechte hat der Veranstalter bei Rücktritt des Reisenden?

Tritt der Reisende vor Reisebeginn vom Vertrag zurück, hat der Veranstalter gemäß § 651h BGB Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, sofern der Rücktritt nicht auf außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände zurückzuführen ist. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Zeitpunkt des Rücktritts und orientiert sich oft an den vom Veranstalter vertraglich festgelegten (und laut Gesetz transparenten) Stornopauschalen. Lässt sich der Veranstalter auf keine konkrete Forderung ein, gelten die gesetzlichen Vorgaben. Der Veranstalter hat zudem die Pflicht, ersparte Aufwendungen sowie anderweitige Verwertungen der Reiseleistung anzurechnen. Eine Ersatzperson kann vom Reisenden bestellt werden (§ 651e BGB), sofern der Veranstalter dem nicht aus wichtigen Gründen widerspricht.

Welche Informationspflichten treffen den Reiseveranstalter?

Der Reiseveranstalter unterliegt gemäß §§ 651d und 651v BGB umfassenden vorvertraglichen Informationspflichten. Vor Vertragsabschluss muss er den Reisenden über wesentliche Merkmale der Reiseleistungen, deren Gesamtpreis, Zahlungsmodalitäten, Mindestteilnehmerzahl und Fristen zur Vertragskündigung sowie über die notwendigen Pass‑, Visa- und Gesundheitsvorschriften informieren. Nach Vertragsschluss sind ferner alle wesentlichen Änderungen umgehend mitzuteilen. Verstöße gegen diese Informationspflichten können unter anderem zu Schadenersatzansprüchen oder Rücktrittsrechten des Reisenden führen.

Wann haftet der Reiseveranstalter für Schäden des Reisenden?

Der Reiseveranstalter haftet nach § 651n BGB für Schäden, die dem Reisenden infolge eines Mangels der Reiseleistungen entstehen, sofern der Mangel vom Veranstalter oder dessen Erfüllungsgehilfen zu vertreten ist. Eine verschuldensunabhängige Haftung besteht für Körper- oder Gesundheitsschäden, sofern diese durch die Durchführung der Reise verursacht wurden. Im Übrigen ist die Haftung für Sachschäden nach oben begrenzt, etwa gegenüber internationalen Abkommen im Luft- oder Schiffsverkehr sowie auf den dreifachen Reisepreis für sonstige Schäden, es sei denn, der Schaden beruht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit (§ 651p BGB). Reiseveranstalter können sich durch rechtzeitige Abhilfe, Ersatzleistungen oder den Einwand des Mitverschuldens des Reisenden ganz oder teilweise entlasten.

Welche Besonderheiten gelten für Reisemängel bei Selbstabhilfe des Reisenden?

Der Reisende ist berechtigt, gemäß § 651k BGB den Mangel der Reiseleistung selbst abzuhelfen, wenn der Veranstalter keine zumutbare Abhilfe innerhalb einer vom Reisenden gesetzten angemessenen Frist leistet. Die dabei entstehenden Aufwendungen kann der Reisende als Ersatz vom Veranstalter zurückfordern. Die Voraussetzung ist, dass sowohl die Anzeige des Mangels als auch die Fristsetzung nachweisbar erfolgt ist und die gewählte Selbstabhilfe angemessen, notwendig und wirtschaftlich vertretbar war. Unverhältnismäßige Kosten werden dabei nicht erstattet.

Wie ist das Widerrufsrecht beim Reisevertrag geregelt?

Für den Reisevertrag als sogenanntes „besonderes Rechtsgeschäft“ (§ 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB) besteht kein gesetzliches Widerrufsrecht für Verbraucher. Anders als bei vielen anderen Fernabsatzverträgen kann ein pauschaler Rücktritt ohne Stornokosten nicht geltend gemacht werden, sobald der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen oder online abgeschlossen wurde. Rücktritt und Kündigung sind nur nach Maßgabe der §§ 651h-l BGB (Reiserecht) möglich, insbesondere wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen oder wenn der Reiseveranstalter seiner Leistungspflicht nicht nachkommt.

Welche Verjährungsfristen gelten für Ansprüche aus einem Reisevertrag?

Ansprüche des Reisenden wegen Reisemängeln, Minderung, Rücktritt oder Schadenersatz unterliegen gemäß § 651j BGB einer verkürzten zweijährigen Verjährungsfrist, beginnend mit dem vertraglich vorgesehenen Reiseende. Bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten seitens des Veranstalters gelten die allgemeinen gesetzlichen Fristen. Das Verstreichen der Frist führt zum Erlöschen der jeweiligen Ansprüche. Die Frist kann jedoch durch rechtsgeschäftliche Verhandlungen über den Anspruch gehemmt werden (§ 203 BGB). Ein Hinweis auf diese Frist muss dem Reisenden in den Reiseunterlagen ausdrücklich mitgeteilt werden.