Begriff und Wesen des Rediskontgeschäfts
Das Rediskontgeschäft ist ein Begriff aus dem Banken- und Kreditwesen, der primär im Rahmen der Notenbankpolitik von historischer und theoretischer Bedeutung ist. Es beschreibt das Geschäft, bei dem Wechsel, die von Kreditinstituten diskontiert wurden, durch die Notenbanken (insbesondere früher durch die Deutsche Bundesbank bzw. Reichsbank) erneut durch Diskontierung angekauft werden. Im Rahmen der Geldpolitik handelt es sich hierbei um ein zentrales geldpolitisches Refinanzierungsinstrument.
Wirtschaftliche und Rechtliche Grundlagen des Rediskontgeschäfts
Rechtsgrundlagen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Rediskontgeschäfts ergeben sich aus einer Vielzahl von Vorschriften, die sowohl im nationalen Recht als auch im europäischen Kontext von Bedeutung sind. Zu den maßgeblichen Regelungswerken gehören insbesondere:
- Kreditwesengesetz (KWG): Regelt die Voraussetzungen für Bankgeschäfte, zu denen auch das Diskont- und Rediskontgeschäft zählt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KWG).
- Bundesbankgesetz (BBankG, alte Fassungen): Die Kompetenz zur Durchführung von Rediskontgeschäften war explizit im § 19 BBkG (alte Fassung) geregelt.
- Wechselgesetz (WG): Da Rediskontgeschäfte regelmäßig auf Basis von Wechseln stattfinden, gelten die einschlägigen Bestimmungen des Wechselgesetzes (§§ 1 ff. WG).
Mit Einführung des Eurosystems durch die Europäische Zentralbank (EZB) und Übertragung der geldpolitischen Kompetenzen auf das Eurosystem wurde die praktische Bedeutung des klassischen Rediskontgeschäfts erheblich reduziert, dennoch bleiben die gesetzlichen Regelungen grundsätzlich anwendbar.
Definition und Abgrenzung
Das Rediskontgeschäft stellt eine besondere Form des Kreditgeschäfts dar. Während beim Diskontgeschäft ein Kreditinstitut seinem Kunden den Gegenwert eines Wechsels – abzüglich Diskont – vor Fälligkeit auszahlt (Diskontierung), verkauft das Kreditinstitut diesen Wechsel vor dessen Fälligkeit an die Notenbank, die ihrerseits den Wechselbetrag abzüglich eines Rediskonts gutschreibt.
Die Hauptfunktionen des Rediskontgeschäfts liegen darin:
- Den Refinanzierungsbedarf der Kreditinstitute zu decken,
- Die Geldmenge im Wirtschaftskreislauf zu steuern,
- Monetäre Impulse im Rahmen der Geldpolitik zu setzen.
Vertragstypische Regelungen und rechtliche Besonderheiten
Rechtsnatur und Vertragsschluss
Das Rediskontgeschäft ist ein gemischttypischer Vertrag, der Elemente des Kaufvertrags-, Darlehens- und Zessionsrechts vereint. Rechtsdogmatisch handelt es sich beim Rediskont um den Verkauf eines Wechselpapiers unter Skontierung des Wechselbetrags und Übertragung der Wechselrechte. Dieser Verkauf erfolgt regelmäßig unter der aufschiebenden Bedingung der ordnungsgemäßen Erfüllung des Wechsels durch den Aussteller.
Vertragspartner:
- Auf der einen Seite steht die Notenbank (Reichsbank, später Bundesbank, heute prinzipiell das Eurosystem),
- Auf der anderen Seite das refinanzierende Kreditinstitut.
Rechte und Pflichten der Parteien
Pflichten des Veräußerers (Kreditinstitut):
- Übertragung der Rechte aus dem Wechsel durch Indossament,
- Überlassung des physischen Wechselpapiers,
- Einhaltung aller nach dem Wechselgesetz vorgeschriebenen Formerfordernisse.
Pflichten des Erwerbers (Notenbank):
- Auszahlung des diskontierten Wechselbetrags an das Kreditinstitut,
- Übernahme der Rechte und Pflichten als Wechselgläubiger.
Risikoallokation:
- Die Notenbank übernimmt das Ausfallrisiko des Originalschuldners (Wechselobligo),
- Das Rückgriffsrecht ist gemäß den Bestimmungen des Wechselgesetzes auf sämtliche an der Diskont- und Rediskontkette beteiligten Indossanten zu erstrecken.
Besondere Vertragsklauseln
Im Zuge der geldpolitischen Steuerung setzt die Notenbank oft Bedingungen für den Ankauf, wie etwa Mindestratings, bestimmte Laufzeiten oder Bonitätsanforderungen an die Wechselforderungen.
Bedeutung im Bankenaufsichtsrecht
Kreditwesengesetz (KWG)
Das KWG klassifiziert das Rediskontgeschäft als Bankgeschäft und unterwirft es den entsprechenden Regelungen zu Eigenkapital, Beaufsichtigung und Berichterstattung. Kreditinstitute müssen insbesondere die Anforderungen an das Kontrahentenrisiko, die Meldepflichten im Rahmen diskontierter und rediskontierter Forderungen sowie die gesetzlichen Offenlegungspflichten erfüllen.
Eigenkapitalanforderungen
Diskontierte und rediskontierte Wechselforderungen gehören zu den risikogewichteten Aktiva im Rahmen der Eigenkapitalregulierung. Banken müssen für diese Geschäfte angemessenes Eigenkapital vorhalten, um etwaigen Ausfallrisiken zu begegnen.
Monetäre, geldpolitische und regulatorische Aspekte
Geldpolitische Instrumente und Steuerung
Das Rediskontgeschäft war eines der wichtigsten Instrumente klassischer Notenbankpolitik im 19. und 20. Jahrhundert zur Steuerung der Geldmenge und der kurzfristigen Zinsen. Die Bundesbank passte dabei regelmäßig den Rediskontsatz an, der als wichtiger Leitzins für die Entwicklung der Konditionen im Interbankenverkehr sowie am Geldmarkt fungierte.
Mit dem Eintritt in das Eurosystem und der Umstellung auf andere geldpolitische Instrumente (wie Hauptrefinanzierungsfazilitäten und ständige Fazilitäten der EZB) ist das Rediskontgeschäft praktisch außer Gebrauch geraten. Rechtsgrundlagen verbleiben jedoch weiterhin als Auffangregelungen.
Regulatorische Überwachung
Die aufsichtsrechtliche Kontrolle erstreckt sich im Rahmen der allgemeinen Bankenaufsicht nach KWG und den Regularien der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Zudem sind die Anforderungen an Geldwäschereiprävention, Dokumentationspflichten und die ordnungsgemäße Bilanzierung einzuhalten.
Abgrenzung zu verwandten Rechtsbegriffen
Unterschied zum Diskontgeschäft
Im Gegensatz zum Rediskontgeschäft verkauft die Bank beim klassischen Diskontgeschäft den eigenen Kundenwechsel und wird dabei zum Wechselgläubiger. Beim Rediskontgeschäft verkauft die Bank diesen bereits erworbenen Wechsel an die Notenbank weiter. Somit ist der Rediskont ein Schritt „nachgelagert“ und betrifft die Refinanzierungsebene der Geschäftsbanken.
Relevanz von Zession und Garantien
Während beim Rediskontgeschäft ein formaler Wechsel des Gläubigers vorliegt, können bei anderen Formen der Refinanzierung (z. B. Lombardkredite) alternative Sicherheiten und Abtretungskonstrukte (Zessionen) zum Einsatz kommen. Die Vorschriften aus dem Wechselgesetz finden jedoch ausschließlich auf das Rediskontgeschäft Anwendung, sofern wechselrechtliche Forderungen betroffen sind.
Zukunft und heutige Praxis
Mit der fortschreitenden Entwicklung des Geldmarktes, der Einführung neuer Refinanzierungsinstrumente und der Zentralisierung der Geldpolitik im Eurosystem hat das klassische Rediskontgeschäft weitgehend an Bedeutung verloren. Dennoch bleibt das Verständnis der rechtlichen Grundlagen und der historischen Entwicklung für das bank- und kreditspezifische Recht unerlässlich, da gewisse Strukturen, etwa im Rahmen von Unternehmenskrediten oder Notfallmaßnahmen, als Referenz herangezogen werden können.
Literaturhinweise
- Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 2. Auflage, 2011, § 19 Rn. 31 ff.
- Brink, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 2015, § 1 Rn. 124 ff.
- Koch, Grundzüge des Wechsel- und Scheckrechts, 7. Auflage, 2019, Kapitel 5.
Diese umfassende Darstellung zum Rediskontgeschäft bietet eine detaillierte Übersicht über die rechtlichen, wirtschaftlichen und regulatorischen Aspekte dieses wichtigen Refinanzierungsinstruments im Bankenwesen.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für das Rediskontgeschäft in Deutschland?
Das Rediskontgeschäft ist in Deutschland primär durch das Gesetz über die Deutsche Bundesbank (BundesbankG) und die Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG) geregelt. Im Rahmen dieser gesetzlichen Vorgaben ist insbesondere § 19 Abs. 1 Satz 2 BundesbankG relevant, da dieser die Grundsätze für die Refinanzierungsgeschäfte der Bundesbank einschließlich des Rediskontgeschäfts festlegt. Darüber hinaus finden auch europarechtliche Vorgaben aus der EZB-Satzung und der europäischen Bankenregulierung Beachtung, soweit es um Vorgaben zur geldpolitischen Steuerung und zur Kreditvergabe an Kreditinstitute geht. Die Abwicklung und Modalitäten des Rediskontgeschäfts werden außerdem durch interne Geschäftsbedingungen der Deutschen Bundesbank konkretisiert, die für die teilnehmenden Kreditinstitute verbindlich sind. Im Zusammenhang mit Rediskontierungen müssen zudem bilanzrechtliche Vorschriften, insbesondere nach dem Handelsgesetzbuch (HGB), sowie steuerrechtliche Aspekte berücksichtigt werden, weil sie die Bilanzierung und steuerliche Behandlung von rediskontierten Wechseln festlegen und damit Auswirkungen auf die Rechnungslegung der Institute haben.
Welche Anforderungen werden an die Vertragspartner im Rediskontgeschäft gestellt?
Im Rahmen des Rediskontgeschäfts ist die Deutsche Bundesbank in erster Linie Vertragspartner der Kreditinstitute, welche die zu rediskontierenden Wechsel einreichen. Diese Kreditinstitute müssen eine entsprechende Zulassung als Kreditinstitut nach dem Kreditwesengesetz (KWG) besitzen und unterliegen der laufenden Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie der Deutschen Bundesbank. Weiterhin müssen eingereichte Wechsel bestimmte rechtliche Anforderungen erfüllen: Sie müssen vor allem ordnungsgemäß ausgestellt, unterschrieben und zum Zeitpunkt der Einreichung noch nicht fällig sein. Des Weiteren wird geprüft, ob die Forderungen, die dem Wechsel zugrunde liegen, rechtlich wirksam und frei von Einwendungen Dritter sind. Die Vertragspartner müssen zudem gewährleisten, dass sie für eventuelle Rückbelastungen (Rückgriffsfälle) haften, falls der Bezogene nicht zahlt.
Welche Haftungsrisiken bestehen im Zusammenhang mit dem Rediskontgeschäft?
Im Rediskontgeschäft bestehen verschiedene Haftungsrisiken, insbesondere im Hinblick auf die Gewährleistung der Wechselgültigkeit und die Bonität der Wechselbeteiligten. Das einreichende Kreditinstitut haftet gemäß den gesetzlichen Vorschriften des Wechselgesetzes (WG) sowohl für die formale Ordnungsmäßigkeit des Wechsels als auch für dessen Einlösbarkeit. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass der Wechsel aufgrund eines Formfehlers, einer nachträglichen Einwendung oder einer mangelnden Werthaltigkeit der Forderung nicht einlösbar ist, haftet das einreichende Institut im Rahmen des Rückgriffes gegenüber der Bundesbank. Zudem bestehen Haftungsrisiken, wenn die Beteiligten irrtümlich oder vorsätzlich unrichtige Erklärungen zum Wechsel abgeben oder wenn bankaufsichtsrechtliche Pflichten verletzt werden, beispielsweise durch die unzureichende Prüfung der Bonität des Schuldners. In solchen Fällen kann es zu Regressforderungen und ggf. aufsichtsrechtlichen Maßnahmen kommen.
Welche aufsichtsrechtlichen Vorgaben müssen Kreditinstitute im Rediskontgeschäft beachten?
Kreditinstitute, die am Rediskontgeschäft teilnehmen, unterliegen sowohl den allgemeinen bankenaufsichtsrechtlichen Vorgaben nach dem KWG als auch speziellen Melde- und Informationspflichten gegenüber der Deutschen Bundesbank. Dazu zählt die Verpflichtung zur internen Risikoermittlung und ordnungsgemäßen Dokumentation sämtlicher rediskontierter Wechsel, da diese Geschäfte Auswirkungen auf die Liquiditätsplanung und die Eigenkapitalunterlegung haben können. Die Institute müssen ferner sicherstellen, dass rediskontierte Wechsel den Mindestanforderungen an die Ordnungsmäßigkeit und Werthaltigkeit entsprechen, wie sie von der Bundesbank im Rahmen ihrer Refinanzierungsgeschäfte gefordert werden. Bei Verstößen gegen diese aufsichtsrechtlichen Vorgaben drohen aufsichtsrechtliche Maßnahmen, Bußgelder oder der Ausschluss vom Rediskontgeschäft.
Welche Besonderheiten bestehen bei der zivilrechtlichen Abtretung im Rahmen des Rediskontgeschäfts?
Im Rediskontgeschäft erfolgt eine zivilrechtliche Abtretung («Indossament») des Wechsels von dem einreichenden Kreditinstitut an die Deutsche Bundesbank. Diese Abtretung ist nach den allgemeinen Vorschriften des Wechselgesetzes zu gestalten, wobei besondere Formvorschriften einzuhalten sind: Der Wechsel muss ein entsprechendes Indossament aufweisen, das die Übertragung der Rechte aus dem Wechsel bestätigt. Rechtsstreitigkeiten können sich ergeben, wenn die Kette der Indossamente unterbrochen ist oder Indossamente fehlerhaft erfolgen. In diesem Fall kann die Bundesbank ihre Ansprüche gegen den Schuldner des Wechsels unter Umständen nicht oder nur eingeschränkt durchsetzen. Daher ist die formale Richtigkeit der Abtretung von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit des Rediskontgeschäfts.
Welche Bedeutung hat das Rediskontgeschäft aus Sicht des Insolvenzrechts?
Das Rediskontgeschäft kann in insolvenzrechtlicher Hinsicht eine wichtige Rolle spielen, insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, ob rediskontierte Wechsel zur Insolvenzmasse zählen oder ob die Deutsche Bundesbank als neuer Inhaber des Wechsels gesonderte Rechte geltend machen kann. Grundsätzlich gilt, dass mit der Abtretung des Wechsels und dem Erwerb durch die Bundesbank das unmittelbare Forderungsrecht aus dem Wechsel auf die Bundesbank übergeht, sodass im Insolvenzfall des einreichenden Kreditinstituts oder des ersten Wechselschuldners der Wechsel von der Insolvenzmasse abgetrennt ist. Schwieriger ist dies zu bewerten, wenn das Indossament oder die Übertragung zweifelhaft sind. In diesen Fällen kann es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen, ob nachrangige Gläubiger Ansprüche auf den Wechsel erheben können.
Welche Pflichten bestehen in Bezug auf die Dokumentation und Nachweispflichten im Rediskontgeschäft?
Die vertraglichen und gesetzlichen Anforderungen beinhalten für alle am Rediskontgeschäft beteiligten Parteien umfassende Dokumentations- und Nachweispflichten. Es besteht die Pflicht, alle relevanten Unterlagen, insbesondere sämtliche Wechselurkunden, Indossamente, Verträge und etwaige Korrespondenz lückenlos und revisionssicher aufzubewahren. Diese Unterlagen sind auf Verlangen sowohl der Bundesbank als auch der Aufsichtsbehörde (BaFin) vorzulegen. Versäumnisse bei der Dokumentation können nicht nur haftungsrechtliche, sondern auch aufsichts- oder gar strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Nachweise sind auch für die Bilanzierung und Prüfung durch die Wirtschaftsprüfer relevant, insbesondere zur Bestätigung der Werthaltigkeit und Ordnungsmäßigkeit der rediskontierten Forderungen.