Legal Lexikon

Rechtsetzung


Begriff und Definition der Rechtsetzung

Die Rechtsetzung bezeichnet die Schaffung, Änderung oder Aufhebung von Rechtsnormen durch hierzu befugte Institutionen und Organe. Sie stellt einen zentralen Bestandteil des staatlichen Normen- und Rechtsystems dar. Rechtsetzung unterscheidet sich von der Rechtsanwendung und der Rechtswissenschaft im engeren Sinne, da sie unmittelbar darauf abzielt, abstrakt-generelle Regelungen vorzunehmen, die für eine Vielzahl von Fällen Geltung beanspruchen. Sie ist ein wesentliches Element der Staatsorganisation und sichert die Ordnung, das Zusammenleben und die Konfliktbewältigung innerhalb einer Gesellschaft.

Arten der Rechtsetzung

Gesetzgebung

Die Gesetzgebung (Legislative) bildet die bekannteste Form der Rechtsetzung. Parlamente auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene sind berechtigt, Gesetze zu erlassen. Gesetze sind allgemeinverbindliche Regelungen, die durch ein förmliches Verfahren verabschiedet werden. Der Gesetzgebungsprozess unterliegt dabei spezifischen verfassungsrechtlichen Vorgaben, zum Beispiel Zustimmungs- oder Einspruchsgesetzen oder der Beteiligung des Bundesrates auf Bundesebene in Deutschland.

Rechtsverordnungen

Neben der Gesetzgebung sind auch Exekutivorgane, insbesondere Regierungen und Verwaltungsbehörden, befugt, unter bestimmten Voraussetzungen Rechtsverordnungen zu erlassen. Diese stehen im Rang unter den Gesetzen und bedürfen zur Wirksamkeit einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage (sogenannte Verordnungsermächtigung). Sie dienen dazu, die im Gesetz vorgesehenen Regelungen auszugestalten oder zu konkretisieren.

Satzungsrecht

Auch Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie Gemeinden oder Kammern, sind häufig befugt, auf Grundlage eines Gesetzes durch Satzungen eigenständige Rechtsvorschriften zu erlassen. Satzungen regeln insbesondere die internen Angelegenheiten und bestimmte Rechtsverhältnisse innerhalb der jeweiligen Körperschaft, beispielsweise kommunale Gebührensatzungen.

Richterrecht

Obwohl die Rechtsprechung im engeren Sinn keine Rechtsetzung darstellt, kann durch die kontinuierliche Auslegung und Konkretisierung gesetzlicher Normen faktisch eine rechtsetzende Wirkung entstehen, soweit Lücken bestehen und diese durch die richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden.

Verfahren der Rechtsetzung

Gesetzgebungsverfahren

Der Ablauf der Rechtsetzung ist detailliert sowohl in der jeweiligen Verfassung als auch in den entsprechenden Geschäftsordnungen der Parlamente geregelt.

Einleitung und Initiativrecht

Ein Gesetzgebungsverfahren beginnt meist mit einem Gesetzesantrag oder Gesetzentwurf, der von bestimmten Organen oder einer festgelegten Zahl an Abgeordneten eingebracht werden kann. Im Bundestag zum Beispiel besitzen die Bundesregierung, der Bundesrat und die Mitglieder des Bundestages das Initiativrecht.

Parlamentarische Beratung und Beschlussfassung

Nach der ersten Lesung folgen Ausschussberatungen und weitere Lesungen bis zur endgültigen Beschlussfassung. Änderungen und Ergänzungen sind dabei möglich. Je nach Rang und Inhalt des Gesetzes können unterschiedliche Mehrheiten erforderlich sein (einfache Mehrheit, qualifizierte Mehrheit, Zweidrittelmehrheit bei Verfassungsänderungen).

Beteiligung weiterer Organe

Auf Bundesebene in Deutschland ist der Bundesrat bei vielen Gesetzesvorhaben zu beteiligen. In anderen Fällen bedarf das Gesetz der Zustimmung des Bundespräsidenten zur Ausfertigung und Verkündung im Bundesgesetzblatt.

Verfahren zur Erlassung von Rechtsverordnungen und Satzungen

Beim Erlass von Rechtsverordnungen ist die Einhaltung der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zwingend erforderlich. Die zuständige Stelle muss das Verfahren in Übereinstimmung mit verfassungs- und einfachgesetzlichen Vorgaben, etwa in Bezug auf Beteiligungsrechte und Veröffentlichung, durchführen. Satzungen werden nach den dafür vorgesehenen Bestimmungen in internen Gremien der jeweiligen Körperschaft beraten und beschlossen sowie anschließend bekannt gemacht.

Materielle und formelle Rechtmäßigkeit der Rechtsetzung

Gesetzgebungskompetenz

Die Rechtsetzungstätigkeit setzt voraus, dass die jeweils handelnde Institution zur Gesetzgebung befugt ist. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern richtet sich in Bundesstaaten wie Deutschland nach den Vorgaben des Grundgesetzes. Zuständigkeiten können als ausschließliche, konkurrierende oder Rahmengesetzgebung ausgestaltet sein.

Formelle Voraussetzungen

Die Rechtsetzung unterliegt strengen formellen Anforderungen. Dazu zählen insbesondere die Beachtung der vorgesehenen Verfahren, die ordnungsgemäße Beratung, Mehrheitsfindung, Ausfertigung, Verkündung und gegebenenfalls die Zustimmung durch weitere Organe.

Materielle Kriterien

Materiell muss jede Rechtsnorm mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Verfassungsrecht, vereinbar sein. Das betrifft beispielsweise die Beachtung von Grundrechten oder das Bestimmtheitsgebot, wonach Rechtsnormen ausreichend bestimmt und klar gefasst sein müssen, um den Rechtsunterworfenen erkennen zu lassen, was von ihnen verlangt wird.

Abgrenzung: Rechtsetzung und Rechtsanwendung

Rechtsetzung unterscheidet sich von der Rechtsanwendung durch die Generalität und Abstraktheit ihrer Regelungen, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen und Personen gelten. Die Rechtsanwendung bezieht sich hingegen auf die Entscheidung konkreter Einzelfälle auf Grundlage bestehender Rechtsnormen.

Bedeutung der Rechtsetzung im Rechtsstaat

Die Rechtsetzung ist ein wesentliches Element des Rechtsstaatsprinzips. Sie unterliegt vielfältigen Kontrollmechanismen, etwa durch Verfassungsgerichte, Verwaltungsgerichte oder Ombudseinrichtungen, um Missbrauch und verfassungswidrige Normen frühzeitig zu verhindern oder zu beseitigen. Die Transparenz, Nachvollziehbarkeit und demokratische Legitimation rechtsetzender Akte sichern Stabilität, Berechenbarkeit und Rechtssicherheit.

Internationale und supranationale Rechtsetzung

Nicht nur nationale Organe, sondern auch internationale Organisationen und Einrichtungen wie die Europäische Union betreiben Rechtsetzung. Diese wirkt sich zunehmend auf das nationale Recht aus, etwa durch Richtlinien und Verordnungen der EU, die unmittelbare Geltung beanspruchen oder in innerstaatliches Recht umzusetzen sind.

Literaturhinweise

  • Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar
  • Dreier, Grundgesetz-Kommentar
  • Sachs, Grundgesetz-Kommentar
  • BVerfGE – Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
  • Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland

Dieser Beitrag bietet eine umfassende Darstellung des Begriffs Rechtsetzung und erklärt die unterschiedlichen Aspekte, Verfahren und Rechtsgrundlagen, die für das Verständnis der rechtsetzenden Tätigkeit in einem modernen Rechtsstaat maßgeblich sind.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rolle spielen Staatsorgane bei der Rechtsetzung?

Staatsorgane nehmen im Gesetzgebungsprozess eine zentrale Stellung ein. Das Parlament als Gesetzgeber hat die ausschließliche Befugnis, Gesetze zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben. In föderalen Systemen wie Deutschland sind der Bundestag und der Bundesrat die maßgeblichen Organe auf Bundesebene. Die Bundesregierung hat das Initiativrecht, d.h., sie kann Gesetzesentwürfe einbringen und politische Leitlinien vorgeben. Der Bundespräsident unterzeichnet abschließend Gesetze und prüft diese auf formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit. Die Gerichte sind nicht unmittelbar an der Rechtsetzung beteiligt, aber indirekt durch die Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben. Darüber hinaus sind Landesregierungen als Organe für die Rechtsetzung auf Landesebene verantwortlich. Die Rechtsetzung ist oftmals auf verschiedene Staatsorgane aufgeteilt, was die Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle sicherstellt. In der Praxis sind die Kompetenzen und Verfahrensweisen in den jeweiligen Verfassungen und Geschäftsordnungen der Organe detailliert festgelegt.

Welche Phasen durchläuft ein Gesetzgebungsverfahren?

Das Gesetzgebungsverfahren ist in mehrere klar definierte Phasen gegliedert. Zunächst wird ein Gesetzesvorhaben initiiert, meist durch die Bundesregierung, einzelne Abgeordnete oder Fraktionen. Nach der Ausarbeitung erfolgt die Erste Lesung im Parlament, in welcher das Gesetz vorgestellt und in die zuständigen Ausschüsse überwiesen wird. In den Ausschüssen findet eine detaillierte fachliche Beratung sowie ggf. Anhörungen von Sachverständigen statt. Die Ergebnisse werden als Beschlussempfehlungen dem Plenum vorgelegt. Es folgen die Zweite und Dritte Lesung, in denen Beratungen und Abstimmungen über Änderungen sowie den Gesamtentwurf erfolgen. Nach Verabschiedung im Parlament folgt bei Bundesgesetzen die Zustimmung durch den Bundesrat. Viele Landesparlamente und der Bundesrat haben Möglichkeiten der Einflussnahme bis hin zu einem Vermittlungsverfahren. Sind alle verfassungsrechtlichen Hürden genommen, wird das Gesetz durch den Bundespräsidenten ausgefertigt und schließlich im Bundesgesetzblatt verkündet. Jedes Stadium dient der demokratischen und rechtlichen Kontrolle des Gesetzgebungsprozesses.

Welche Bedeutung hat das Initiativrecht in der Rechtsetzung?

Das Initiativrecht bezeichnet die Befugnis, Gesetzgebungsvorlagen in den parlamentarischen Prozess einzubringen. Es ist ein wesentliches Element, weil dadurch geregelt wird, wer und unter welchen Bedingungen ein rechtliches Handeln anstoßen kann. In Deutschland steht dieses Recht auf Bundesebene neben der Bundesregierung auch dem Bundestag sowie – mit Einschränkungen – dem Bundesrat zu. Die jeweiligen Regelungen sind in Art. 76 GG und in den Geschäftsordnungen spezifiziert. Das Initiativrecht ist eng mit der Gewaltenteilung verknüpft, da es die Legitimation und Verantwortlichkeit staatlichen Handelns sicherstellt. Es verhindert eine Monopolisierung der Gesetzgebung durch einzelne Staatsorgane und fördert die pluralistische Beteiligung an der Rechtssetzung. Besonders wichtig ist hierbei auch das sogenannte Petitionsrecht, über das Bürger und Interessengruppen Anregungen für gesetzliche Regelungen initiieren können – auch wenn dieses formal nicht mit einem echten Initiativrecht gleichzusetzen ist.

Wie werden internationale Rechtsakte in das nationale Recht umgesetzt?

Internationale Rechtsakte wie völkerrechtliche Verträge oder Rechtsakte der Europäischen Union müssen häufig erst in nationales Recht umgesetzt werden, bevor sie innerstaatlich verbindlich sind. Dies geschieht auf verschiedene Weise, abhängig vom Rang und Charakter des internationalen Rechtsakts. Während supranationale EU-Verordnungen unmittelbar gelten, erfordern Richtlinien eine nationale Umsetzung durch Gesetzgebung oder Rechtsverordnungen. Völkerrechtliche Verträge müssen zunächst durch das Parlament in einem Vertragsgesetz ratifiziert werden, um bindend zu werden. Der Gesetzgeber ist dabei verpflichtet, Inhalt und Ziele des internationalen Rechtsakts so umzusetzen, dass die Vereinbarkeit mit dem internationalen Recht vollumfänglich sichergestellt ist. Bei Nicht-Umsetzung drohen Vertragsverletzungsverfahren oder Sanktionen. Insbesondere bei EU-Richtlinien besteht ein Umsetzungszwang mit spezifischen Fristen, weshalb der Gesetzgebungsprozess oft beschleunigt werden muss.

Welche Kontrollmechanismen existieren während der Rechtsetzung?

Die Rechtsetzung unterliegt einer Vielzahl von Kontrollmechanismen, die eine rechtsstaatliche Qualität und Verfassungskonformität gewährleisten. Zu den wichtigsten zählt die Gewaltenteilung: Legislative, Exekutive und Judikative kontrollieren sich gegenseitig. Vor allem hat der Bundespräsident letztlich die Pflicht, Gesetze erst dann auszufertigen, wenn sie verfassungsgemäß sind. Verfassungsgerichte können bereits während der Gesetzgebung durch Organstreitverfahren, abstrakte oder konkrete Normenkontrollanträge angerufen werden, um die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit der Verfassung zu prüfen. Zudem unterliegt jeder Gesetzentwurf einer umfangreichen formellen und materiellen Prüfung in den parlamentarischen Ausschüssen. Weiterhin sind oppositionelle Fraktionen, der Bundesrat, Interessenvertreter und die Öffentlichkeit wichtige Akteure, um Transparenz, Qualität und Verfassungskonformität sicherzustellen. Öffentlichkeitsbeteiligung und Anhörungen durch Sachverständige sind integraler Bestandteil von modernen Gesetzgebungsprozessen.

Inwiefern beeinflussen Grundrechte die Rechtsetzung?

Grundrechte nehmen im gesamten Rechtsetzungsprozess eine herausgehobene Rolle ein. Sie fungieren sowohl als subjektive Schutzrechte der Bürgerinnen und Bürger als auch als objektive Wertordnung, die allen staatlichen Handlungen zugrunde liegt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bei jeder neuen Regelung die Grundrechte zu beachten und eventuelle Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen. Dies geschieht durch die Anwendung der Prinzipien des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der Bestimmtheit und Klarheit von Normen sowie der Gleichbehandlung. Während des Gesetzgebungsverfahrens sind daher stets die Belange des Grundrechtsschutzes abzuwägen und, wo erforderlich, werden Normen aufgrund unverhältnismäßiger Grundrechtseinschränkungen vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt. Das Spannungsverhältnis zwischen Allgemeininteresse und Grundrechten erfordert eine sorgfältige Abwägung, insbesondere bei sicherheitsrechtlichen, datenschutzrechtlichen oder sozialrechtlichen Gesetzgebungsvorhaben.

Welche Bedeutung hat die Gesetzesverkündung für die Rechtsetzung?

Die Gesetzesverkündung ist ein notwendiger abschließender Schritt im Rechtsetzungsverfahren, ohne den ein Gesetz keine Wirksamkeit entfalten kann. In Deutschland erfolgt die Verkündung im Bundesgesetzblatt, wodurch das Gesetz für jedermann verbindlich öffentlich gemacht wird. Erst durch Verkündung wird das Gesetz gültig und tritt in Kraft, wobei das Datum des Inkrafttretens entweder ausdrücklich im Gesetz geregelt ist oder nach allgemeiner Regelung 14 Tage nach der Verkündung folgt. Die Verkündung dient der Transparenz, Rechtssicherheit und Nachprüfbarkeit staatlichen Handelns, da jeder Rechtsunterworfene die Möglichkeit haben muss, sich über geltendes Recht zu informieren. Bei Fehlern im Verkündungsverfahren kann das Gesetz nicht wirksam werden, weshalb die formellen Anforderungen im Detail geregelt sind und streng kontrolliert werden.