Begriff und Definition von Rauschgiftdelikten
Rauschgiftdelikte sind Straftaten, die im Zusammenhang mit dem unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln stehen. Sie betreffen insbesondere Herstellung, Handel, Einfuhr, Ausfuhr, Erwerb, Besitz und Abgabe von Betäubungsmitteln ohne entsprechende Erlaubnis. Die rechtliche Grundlage für die Ahndung von Rauschgiftdelikten bildet in Deutschland insbesondere das Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
Gesetzliche Grundlagen
Betäubungsmittelgesetz (BtMG)
Das BtMG regelt in Deutschland umfassend den Umgang mit Betäubungsmitteln. Es verbietet grundsätzlich den unerlaubten Anbau, die Herstellung, die Abgabe, die Einfuhr, die Ausfuhr, den Handel, den Erwerb sowie den Besitz von Betäubungsmitteln (§§ 29 ff. BtMG). Es differenziert dabei zwischen verschiedenen Schweregraden, wobei insbesondere zwischen „normalen“, „minderschweren“ und „schweren“ Fällen unterschieden wird.
Weitere relevante Gesetze
Neben dem BtMG sind auch andere Rechtsvorschriften relevant:
- Arzneimittelgesetz (AMG): Bei Missbrauch verschreibungspflichtiger Medikamente.
- Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG): Regelungen zu sogenannten Legal Highs.
- Waffen- und Zollgesetze: Bei grenzüberschreitenden Drogendelikten.
Typische Erscheinungsformen von Rauschgiftdelikten
Besitz von Betäubungsmitteln
Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln stellt die wohl häufigste Form des Rauschgiftdelikts dar (§ 29 I BtMG). Ein Besitz liegt vor, wenn die tatverdächtige Person die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein Betäubungsmittel hat und dessen Bestimmung zumindest mit beeinflussen kann.
Handel mit Betäubungsmitteln
Der Handel umfasst jede eigennützige, auf Umsatz gerichtete Weitergabe von Betäubungsmitteln (§ 29 I Nr. 1 BtMG). Auch Anbahnung und Vermittlung sind umfasst. Der Begriff ist weit auszulegen und schließt regelrecht gewerbsmäßiges Handeln sowie Handlungen im kleinen Stil ein.
Anbau, Herstellung und Einfuhr/Ausfuhr
- Anbau: Kultivierung von Pflanzen, die zur Gewinnung von Betäubungsmitteln dienen können (z.B. Cannabis).
- Herstellung: Jede gewerbliche oder private Herstellung von Betäubungsmitteln auf chemischem oder natürlichem Wege.
- Einfuhr/Ausfuhr: Grenzüberschreitende Verbringung von Betäubungsmitteln, die regelmäßig als besonders schwerwiegend gewertet wird.
Weitergabe und Abgabe
Auch die sonstige Abgabe, wie das Weitergeben ohne Entgelt oder Weiterleitung zu Konsumzwecken, ist strafbar (§ 29 I Nr. 6-7 BtMG).
Strafrahmen und Strafzumessung
Grundtatbestand des § 29 BtMG
Die meisten Rauschgiftdelikte werden nach § 29 BtMG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet. Auch Versuch und Vorbereitung sind strafbar.
Qualifizierte und schwere Fälle
- Schwere Fälle gem. § 29a, § 30, § 30a BtMG:
Freiheitsstrafen ab einem Jahr bis zu 15 Jahren sind möglich, etwa bei Gewerbsmäßigkeit, bandenmäßigem Handeln, bewaffnetem Handel oder besonders großer Menge.
- Minder schwere Fälle:
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Strafe gemildert werden (z.B. bei erstmaligem Verstoß, geringer Menge, nicht gewinnorientiertem Handeln).
Geringe Menge
Das Gesetz sieht bei Besitz geringer Mengen für den Eigenkonsum die Möglichkeit ab, von Strafverfolgung abzusehen (§ 31a BtMG). Die Definition der „geringen Menge“ ist abhängig von Wirkstoffgehalt und fällt je nach Bundesland unterschiedlich aus.
Versuch, Vorbereitungshandlungen und Teilnahme
Versuch
Rauschgiftdelikte sind grundsätzlich bereits im Versuch strafbar (§ 29 II BtMG). Der Versuch liegt vor, wenn die Person nach ihrer Vorstellung zur Verwirklichung der Tat unmittelbar ansetzt, ohne dass diese vollzogen ist.
Vorbereitung
Schon das Vorbereiten bestimmter schwerwiegender Delikte kann eigenständig strafbar sein (§ 30 II BtMG), etwa durch Beschaffen von Rohstoffen zur Herstellung von Betäubungsmitteln.
Beteiligungsformen
Sowohl Mittäterschaft, Anstiftung als auch Beihilfe zu einem Rauschgiftdelikt werden nach allgemeinen Strafrechtsregeln geahndet.
Strafprozessuale Besonderheiten bei Rauschgiftdelikten
Ermittlungsbefugnisse
Ermittlungen zu Rauschgiftdelikten erlauben oft weitreichendere Maßnahmen. Dazu zählen:
- Telekommunikationsüberwachung
- Einsatz verdeckter Ermittler
- Observation und Durchsuchung
Diese Eingriffe rechtfertigt der Gesetzgeber mit der besonderen Gefährlichkeit der Rauschkriminalität.
Kronzeugenregelung (§ 31 BtMG)
Bei Aufklärungshilfe durch die beschuldigte Person kann die Strafe gemildert oder sogar ganz von Strafe abgesehen werden. Die sogenannte Kronzeugenregelung kommt insbesondere dann zur Anwendung, wenn Hinweise auf Hinterleute oder größere Strukturen geliefert werden.
Bedeutung im internationalen Kontext
Da Herstellung, Handel und Konsum von Rauschgiften oft grenzüberschreitend erfolgen, finden zahlreiche internationale Abkommen Anwendung. Die wichtigsten sind:
- Einheitsübereinkommen über Suchtstoffe (1961)
- Übereinkommen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (1988)
Deutschland setzt diese durch entsprechende nationale Rechtsvorschriften um.
Abgrenzungen und verwandte Delikte
Rauschgiftdelikte sind abzugrenzen von:
- Ordnungswidrigkeiten, beispielsweise Verstoß gegen das Gesetz zur Regelung neuer psychoaktiver Stoffe.
- Arzneimittelstraftaten, die außerhalb des BtMG liegen, etwa beim nicht genehmigten Verkauf rezeptpflichtiger Medikamente.
- Alkoholdelikte, welche in der Regel nicht unter das BtMG fallen und gesondert geregelt sind.
Konsequenzen und Nebenfolgen
Eintrag im Führungszeugnis
Verurteilungen wegen Verstößen gegen das BtMG werden meist in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen und können weitreichende Folgen für die persönliche und berufliche Entwicklung haben.
Fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen
Der Konsum von Drogen kann zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen. Bereits der Besitz kann Zweifel an der Fahreignung begründen.
Sicherstellung und Einziehung
Betäubungsmittel und daraus erlangte Vermögenswerte unterliegen der Einziehung. Dies gilt für alle mit Rauschgiftdelikten in Verbindung stehenden Gegenstände und Gewinne.
Statistik und kriminalpolitische Einordnung
Rauschgiftdelikte stellen in der Kriminalstatistik seit Jahren einen bedeutenden Anteil. Die Bekämpfung von Drogenkriminalität ist wesentliches Ziel staatlicher Prävention. Neben repressiven Maßnahmen gibt es vielfältige Bemühungen zur Prävention und Schadensminimierung.
Literatur und weiterführende Vorschriften
- Betäubungsmittelgesetz (BtMG)
- Gesetz über den Verkehr mit neuen psychoaktiven Stoffen (NpSG)
- Arzneimittelgesetz (AMG)
- Internationale Übereinkommen der Vereinten Nationen zu Betäubungsmitteln
Rauschgiftdelikte bilden einen hochkomplexen Rechtsbereich, der ständiger Weiterentwicklung unterliegt, sowohl aufgrund kriminalpolitischer Vorgaben als auch infolge neuer psychotroper Substanzen und internationaler Verflechtungen. Eine Behandlung dieses Themas erfordert stets die Berücksichtigung aktueller Gesetzeslage und Rechtsprechung.
Häufig gestellte Fragen
Wann liegt ein strafbares Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vor?
Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln ist ein zentrales Tatbestandsmerkmal im deutschen Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Es liegt immer dann vor, wenn jemand eigenständig oder als Teil einer Gruppe den Kauf, Verkauf, Tausch oder sonstigen Umsatz von Betäubungsmitteln organisiert, vermittelt oder fördert – unabhängig davon, ob tatsächlich ein konkreter Umsatz stattfindet oder ob bereits ein wirtschaftlicher Nutzen erzielt wurde. Für die Strafbarkeit genügt bereits das ernsthafte Anstreben eines Umsatzgeschäfts, selbst wenn dieses letztlich scheitert oder abgebrochen wird, etwa weil der Käufer keine Drogen erhält. Die Abgrenzung zu einer bloßen Gefälligkeitshandlung oder Beihilfe zum Erwerb ist regelmäßig im Einzelfall zu prüfen. Schon das Werben für Drogen oder das Vermitteln von Kontaktdaten kann unter Umständen als Handeltreiben qualifiziert werden, sofern dadurch die Möglichkeit eines Drogengeschäfts konkret gefördert wird.
Welche Strafen drohen bei Ersttätern im Bereich der Rauschgiftdelikte?
Die Strafbarkeit bei Ersttätern richtet sich insbesondere nach Art und Menge des sichergestellten Betäubungsmittels, den Begleitumständen der Tat sowie dem Maß der persönlichen Schuld. Bei sogenannten „geringen Mengen“ zum Eigenverbrauch kann nach § 29 Abs. 5 BtMG – je nach Bundesland – von der Verfolgung abgesehen werden. Ansonsten drohen für einfache Delikte Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Bei schwerwiegenderen Verstößen (z.B. Handeltreiben, Besitz mit Waffen, gewerbsmäßiges Handeln) sieht das Gesetz zwingend höhere Mindeststrafen und eine verschärfte Strafandrohung bis zu 15 Jahren Haft vor. Ein vollständiger Strafverzicht ist nur in Ausnahmefällen durch Diversionsprogramme oder aufschiebende Bewährungsstrafen möglich, wobei insbesondere auf Schuldeinsicht und kooperatives Verhalten abgestellt wird. Auch die Teilnahme an einer Suchttherapie kann sich strafmildernd auswirken.
Welche Unterschiede bestehen zwischen Besitz, Erwerb und Handeltreiben von Betäubungsmitteln?
Besitz bedeutet, tatsächlich die Verfügungsgewalt über das Betäubungsmittel zu haben, gleichgültig, ob es dem Beschuldigten gehört oder nicht. Erwerb liegt dann vor, wenn jemand Betäubungsmittel durch Kauf, Tausch, Schenkung oder auf anderem Weg erwirbt; allein der Erhalt reicht hierfür aus. Handeltreiben umfasst sämtliche mit dem Umsatz von Betäubungsmitteln zusammenhängenden Tätigkeiten und ist am weitesten gefasst, da schon die bloße Einbindung in die Beschaffungs- oder Absatzkette ausreicht. Juristische Unterscheidung ist bedeutsam, weil Handeltreiben – im Gegensatz zu Besitz oder Erwerb – regelmäßig schärfer sanktioniert wird und kaum Möglichkeiten zur Einstellung des Verfahrens bietet. Ebenso ist der Besitz für eine andere Person („Besitzdiener“) rechtlich anders zu werten als der Eigenbesitz.
Wie wirkt sich die Mitwirkung an Ermittlungsmaßnahmen (Kronzeugenregelung) auf die Strafe aus?
Wer durch sogenannte Kronzeugenregelungen aktiv zur Aufklärung beiträgt, kann nach § 31 BtMG mit einer Strafmilderung oder gar einer Strafbefreiung rechnen. Voraussetzung ist, dass der Täter freiwillig und frühzeitig wesentliche Hinweise auf Lieferanten, Hintermänner, den Transportweg oder die konkrete Herkunft der Betäubungsmittel liefert, sodass dadurch weitere erhebliche Straftaten verhindert oder ganz aufgeklärt werden können. Die Gewährung einer Strafmilderung liegt im Ermessen des Gerichts und hängt von Umfang, Zeitpunkt und Wahrhaftigkeit der Aussagen ab. Der Schutz des Kronzeugen, insbesondere gegen Vergeltungsmaßnahmen, wird jedoch rechtlich nicht umfassend garantiert – dies ist stets abzuwägen.
Können Rauschgiftdelikte einen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis verursachen?
Ja, sämtliche Verurteilungen wegen Rauschgiftdelikten führen grundsätzlich zu einem Eintrag im Bundeszentralregister. Im polizeilichen Führungszeugnis erscheinen sie regulär, sofern die Strafe mehr als 90 Tagessätze Geldstrafe oder mehr als drei Monate Freiheitsstrafe beträgt. Auch bei geringeren Strafen werden einschlägige Wiederholungstaten sowie Jugendstrafen ausgewiesen. Ein Eintrag im Führungszeugnis kann erhebliche berufsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, etwa im öffentlichen Dienst, in der Arbeit mit Kindern oder bei der Erteilung von Aufenthalts- oder Reisegenehmigungen. Tilgungsfristen richten sich nach der Höhe und Art der verhängten Strafe und betragen in der Regel fünf bis zehn Jahre.
Welche Rolle spielt die sogenannte „geringe Menge“ im Verfahren wegen Rauschgiftdelikten?
Die Feststellung einer „geringen Menge“ ist insbesondere für Ersttäter von zentraler Bedeutung. Sie ermöglicht nach § 29 Abs. 5 BtMG eine Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft – oft unter Auflagen, wie die Teilnahme an Beratungsangeboten oder die Ableistung von Sozialstunden. Die konkreten Grenzwerte für die „geringe Menge“ werden je nach Betäubungsmittel und Bundesland unterschiedlich definiert (z.B. bei Cannabis i.d.R. 6 bis 15 Gramm). Maßgeblich ist immer der tatsächliche Wirkstoffgehalt. Zu beachten ist, dass Ausnahmen gelten, wenn konkrete Hinweise auf Fremdgefährdung, gewerbsmäßige Begehung oder mitgeführte Waffen bestehen; in solchen Fällen kommt eine Einstellung selbst bei Vorliegen einer geringen Menge nicht in Betracht.