Legal Lexikon

Prozesszinsen

Prozesszinsen: Definition und Grundprinzip

Prozesszinsen sind Zinsen auf eine Geldforderung, die ab dem Zeitpunkt anfallen, in dem eine Klage bei Gericht rechtshängig geworden ist. Sie dienen dazu, den Zeitwertverlust auszugleichen, der dadurch entsteht, dass der Anspruchsteller während des gerichtlichen Verfahrens nicht über die ihm zustehende Geldsumme verfügen kann. Prozesszinsen knüpfen nicht an ein Verschulden des Schuldners an; sie entstehen kraft Gesetzes, sobald die maßgeblichen prozessualen Voraussetzungen vorliegen.

Begriff und Abgrenzung

Prozesszinsen (auch Rechtshängigkeitszinsen genannt) betreffen ausschließlich Geldforderungen. Sie unterscheiden sich von Verzugszinsen, die bereits vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens entstehen können, wenn der Schuldner sich in Zahlungsverzug befindet. Während Verzugszinsen ein vorgerichtliches Institut sind, setzen Prozesszinsen an der Rechtshängigkeit an und laufen grundsätzlich bis zur Erfüllung der titulierten Forderung fort.

Zweck und Funktion

Der zentrale Zweck der Prozesszinsen ist die wirtschaftliche Neutralisierung von Prozessverzögerungen. Der Gläubiger soll so gestellt werden, als hätte er den geschuldeten Geldbetrag ab Rechtshängigkeit zur Verfügung gehabt. Zugleich wird der Schuldner angehalten, berechtigte Forderungen zeitnah zu erfüllen.

Voraussetzungen und Entstehung

Welche Forderungen sind erfasst?

Prozesszinsen entstehen bei Geldforderungen, die Gegenstand eines zivilrechtlichen Erkenntnisverfahrens sind, etwa in allgemeinen Zivilsachen oder arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten. Nicht erfasst sind reine Leistungsansprüche auf Handlungen oder Unterlassungen sowie Forderungen, die nicht auf Zahlung gerichtet sind. Bei aus mehreren Teilbeträgen bestehenden Forderungen (z. B. mehrere offene Rechnungen) bezieht sich die Verzinsung auf die jeweils im Verfahren geltend gemachten Geldbeträge.

Zeitpunkt des Beginns

Der Zinslauf beginnt mit Eintritt der Rechtshängigkeit, das heißt grundsätzlich mit der Zustellung der Klage an die Gegenseite. Nicht das Datum der Klageeinreichung, sondern der Zugang bei der beklagten Partei ist maßgeblich. Bei späterer Klageerweiterung beginnt der Zinslauf für den zusätzlich eingeklagten Betrag mit der Rechtshängigkeit des erweiterten Antrags.

Ende der Verzinsung

Prozesszinsen laufen im Regelfall bis zur Erfüllung, also bis zur vollständigen Zahlung des titulierten Betrags. Das Urteil weist die Zahlung der Hauptforderung „nebst Zinsen seit“ einem bestimmten Datum „bis zur Zahlung“ aus. Wird ein Anspruch teilweise erfüllt, endet die Verzinsung für den erfüllten Teilbetrag, während sie für den Rest weiterläuft. Eine wirksame Hinterlegung oder eine vereinbarte abweichende Regelung (zum Beispiel in einem Vergleich) kann den Zinslauf beeinflussen.

Zinshöhe und Berechnung

Gesetzlicher Zinssatz und Verknüpfung mit dem Basiszinssatz

Prozesszinsen entsprechen in ihrer Höhe dem gesetzlichen Verzugszins. Dieser richtet sich nach einem variablen Basiszinssatz, der in regelmäßigen Intervallen angepasst wird. Die Zinssätze verändern sich damit automatisch, wenn sich der Basiszinssatz ändert. Der Zins wird tageweise berechnet; für Zeiträume mit unterschiedlichen Zinssätzen ist der Zinslauf periodengerecht aufzuteilen.

Unterschied Verbraucher- und Handelsgeschäft

Die Zinshöhe unterscheidet sich danach, ob es sich um ein allgemeines Geschäft oder um eine Geldschuld aus einem Handelsgeschäft zwischen Unternehmen handelt. In typischen Verbraucher- oder gemischten Konstellationen gilt ein niedrigerer Aufschlag auf den Basiszinssatz. Für Forderungen aus Handelsgeschäften zwischen Unternehmen ist der Aufschlag höher. Die Einstufung richtet sich nach der rechtlichen Einordnung des zugrunde liegenden Geschäfts.

Tagesgenaue Berechnung, Zinslauf, Zinseszins

Prozesszinsen werden als einfache Jahreszinsen berechnet, taggenau und ohne Zinseszinsen. Eine Verzinsung bereits aufgelaufener Zinsen findet grundsätzlich nicht statt. Ändert sich der Basiszinssatz während des Zinslaufs, sind die betroffenen Zeitabschnitte mit den jeweils geltenden Zinssätzen getrennt zu berechnen.

Teilzahlungen, Anrechnung und mehrere Schuldner

Teilzahlungen werden regelmäßig zunächst auf Kosten, dann auf Zinsen und zuletzt auf die Hauptforderung angerechnet. Dadurch reduziert sich die Zinslast erst, wenn die bis dahin aufgelaufenen Zinsen ausgeglichen sind. Bei mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Schuldnern schuldet jeder den vollen Zinsbetrag, bis der Anspruch erfüllt ist; eine Zahlung eines Schuldners wirkt zugunsten der anderen.

Abgrenzung zu anderen Zinsarten

Verzugszinsen

Verzugszinsen entstehen, wenn sich der Schuldner vor einem Gerichtsverfahren im Zahlungsverzug befindet. Treffen Verzugs- und Prozesszinsen zeitlich zusammen, kommt es nicht zu einer doppelten Verzinsung; maßgeblich ist der jeweils einschlägige Zinslauf. Beginnt der Verzug vor der Klage, läuft der Verzugszins bis zur Rechtshängigkeit; ab Rechtshängigkeit entspricht die Zinsbelastung dem gesetzlichen Prozesszinsregime.

Kosten- und Vollstreckungszinsen

Kostenzinsen stehen im Zusammenhang mit der gesonderten Festsetzung von Prozesskosten. Sie beginnen regelmäßig erst, wenn der Kostenfestsetzungsbeschluss zugestellt ist. Diese Zinsen sind von Prozesszinsen auf die Hauptforderung zu unterscheiden. Vollstreckungszinsen bezeichnen im weiteren Sinne die Zinsen, die aufgrund eines vollstreckbaren Titels weiterlaufen, bis die Verpflichtung erfüllt ist; inhaltlich handelt es sich dabei häufig um die bereits titulierten Prozesszinsen „bis zur Zahlung“.

Prozess- und Rechtshängigkeitszinsen

Die Bezeichnungen „Prozesszinsen“ und „Rechtshängigkeitszinsen“ werden häufig synonym verwendet. Beide Begriffe meinen Zinsen, die ab Eintritt der Rechtshängigkeit auf Geldschulden geschuldet sind.

Verfahrensbezogene Aspekte

Geltendmachung im Klageantrag

In zivilgerichtlichen Verfahren werden Zinsen grundsätzlich im Klageantrag thematisiert. Üblich ist die Formulierung, die Hauptforderung „nebst Zinsen seit“ dem Tag der Rechtshängigkeit oder einem früheren Datum zu beanspruchen. Der Zuspruch erfolgt im Urteil entsprechend dem Antrag. Ohne entsprechenden Antrag werden Zinsen in der Regel nicht zugesprochen.

Wirkung von Vergleichen, Anerkenntnissen und Erledigung

Bei einem gerichtlichen Vergleich können die Parteien die Verzinsung frei regeln. Sie können Prozesszinsen bestätigen, begrenzen oder ausschließen. Bei einem Anerkenntnisurteil werden Zinsen entsprechend dem gestellten Antrag tituliert. Erklärt sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, richtet sich die Zinsfrage nach der getroffenen Erledigungsregelung oder nach der Frage, wie der Rechtsstreit ohne Erledigung voraussichtlich ausgegangen wäre.

Aussetzung, Ruhen, Hinterlegung

Ein Ruhen oder eine Aussetzung des Verfahrens ändert an der Rechtshängigkeit nichts. Prozesszinsen laufen daher grundsätzlich weiter. Eine wirksame Hinterlegung des geschuldeten Betrags kann die Verzinsung beenden, soweit die Hinterlegung eine erfüllungsgleiche Wirkung entfaltet.

Auslandswährung und anwendbares Recht

Ist die Klage auf Zahlung in ausländischer Währung gerichtet, können Prozesszinsen in derselben Währung tituliert werden, sofern dies dem anwendbaren Recht entspricht. Maßgeblich ist, welches materielle Recht auf den Anspruch Anwendung findet und welches Gericht angerufen ist. Wird deutsches Recht angewendet, richtet sich die Zinshöhe nach dem dort vorgesehenen System, unabhängig von der Währung des Anspruchs.

Steuerliche und wirtschaftliche Einordnung

Steuerliche Behandlung

Prozesszinsen sind wirtschaftlich Erträge, die den Ausgleich eines Liquiditätsnachteils bezwecken. Je nach persönlicher oder betrieblicher Situation können sie steuerlich erfasst werden. Dies gilt im Unternehmensbereich regelmäßig als Betriebseinnahme; im privaten Bereich kann eine Einordnung als Einkünfte aus Kapitalvermögen in Betracht kommen. Die konkrete steuerliche Behandlung hängt von den individuellen Verhältnissen ab.

Auswirkungen auf die Schadensberechnung

Prozesszinsen sind vom materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch zu trennen. Sie ersetzen nicht die Geltendmachung eigener Zins- oder Nutzungsausfallpositionen, sondern treten als eigenständiger Zinslauf ab Rechtshängigkeit hinzu. Im Urteil werden Hauptforderung und Zinsen separat ausgewiesen.

Häufig gestellte Fragen

Ab wann fallen Prozesszinsen an?

Prozesszinsen fallen ab dem Tag an, an dem die Klage der Gegenseite wirksam zugestellt wurde. Nicht das Datum der Klageeinreichung, sondern die Zustellung ist entscheidend. Für später erweiterte Forderungen beginnt der Zinslauf mit der Zustellung des erweiterten Antrags.

Wie hoch sind Prozesszinsen?

Prozesszinsen entsprechen dem gesetzlichen Verzugszins und richten sich nach einem variablen Basiszinssatz mit einem prozentualen Aufschlag. Für Geschäfte mit Beteiligung von Verbrauchern gilt ein niedrigerer Aufschlag; für Geldschulden aus Handelsgeschäften zwischen Unternehmen ein höherer. Ändert sich der Basiszinssatz, passt sich die Zinshöhe automatisch an.

Worin besteht der Unterschied zwischen Prozesszinsen und Verzugszinsen?

Verzugszinsen knüpfen an Zahlungsverzug vor oder unabhängig von einem Gerichtsverfahren an. Prozesszinsen entstehen kraft Gesetzes mit Rechtshängigkeit einer Zahlungsklage. Beide Zinsarten sind der Höhe nach miteinander verknüpft, werden jedoch nicht doppelt für denselben Zeitraum geschuldet.

Werden Prozesszinsen automatisch zugesprochen?

Zinsen werden im Urteil in der Regel nur in dem Umfang zugesprochen, in dem sie beantragt wurden. Üblich ist die Formulierung der Hauptforderung nebst Zinsen „seit“ einem bestimmten Datum. Ohne entsprechenden Antrag erfolgt üblicherweise kein Zinszuspruch.

Enden Prozesszinsen mit dem Urteil oder erst mit der Zahlung?

Prozesszinsen laufen grundsätzlich bis zur vollständigen Zahlung der titulierten Summe. Das Urteil bestimmt daher häufig, dass Zinsen „seit“ einem bestimmten Datum „bis zur Zahlung“ geschuldet sind. Teilzahlungen beenden die Verzinsung jeweils nur in Höhe des geleisteten Teilbetrags.

Gibt es Zinseszinsen bei Prozesszinsen?

Grundsätzlich werden Prozesszinsen als einfache Zinsen berechnet. Eine Verzinsung der bereits aufgelaufenen Zinsen (Zinseszins) findet nicht statt. Ausnahmen bestehen nur in eng umgrenzten Konstellationen, die im Regelfall nicht einschlägig sind.

Wie wirken sich Teilzahlungen auf Prozesszinsen aus?

Teilzahlungen werden üblicherweise zunächst auf Kosten, dann auf Zinsen und erst danach auf die Hauptforderung angerechnet. Dadurch verringert sich die Zinslast erst, wenn die bis dahin entstandenen Zinsen getilgt sind; danach reduziert sich der verzinste Restbetrag.