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Privatscheidung


Privatscheidung – Definition und rechtlicher Rahmen

Die Privatscheidung bezeichnet die außerhalb eines staatlichen Gerichtsverfahrens erfolgte Auflösung einer Ehe oder einer vergleichbaren Partnerschaft auf privater – etwa religiöser oder vertraglicher – Grundlage. Im Unterschied zur gerichtlichen Scheidung erfolgt die Privatscheidung durch die Willenserklärung der Ehegatten selbst oder durch Vermittlung einer Privatperson oder Institution. In verschiedenen Kulturkreisen, Rechtssystemen und historischen Epochen kommt der Privatscheidung unterschiedliche rechtliche Bedeutung zu.


Historische Entwicklung der Privatscheidung

Privatscheidung im römischen Recht

Im römischen Privatrecht konnte eine Ehe durch übereinstimmende Willenserklärung (divortium) der Parteien beendet werden. Eine gerichtliche Mitwirkung war nicht erforderlich. Das altrömische Modell der Ehescheidung gilt als ein klassisches Beispiel privatrechtlicher Auflösung ehelicher Bindungen.

Mittelalterliche Formen der Privatscheidung

Im europäischen Mittelalter war die Privatscheidung auf Grund der christlichen Sakramentenlehre weitgehend ausgeschlossen. In anderen Kulturkreisen – beispielsweise im islamischen Recht – entwickelte sich die Privatscheidung, etwa in Form des „Talaq“, weiter.


Privatscheidung und religiöse Normen

Islamische Privatscheidung

Im islamischen Legalbereich ist die Privatscheidung ein zentrales Element. Hier existieren insbesondere zwei Hauptformen:

  • Talaq (Scheidung durch den Ehemann): Der Ehemann erklärt die Trennung, wobei bestimmte Formvorschriften einzuhalten sind.
  • Khulʿ (Scheidung durch die Ehefrau): Die Ehefrau kann durch Erklärung und gegen Abgabe eines Vermögensanteils die Scheidung initiieren, sofern der Ehemann zustimmt.

Unterschiedliche islamische Staaten kodifizieren diese Modalitäten variabel, häufig unter Aufsicht einer religiösen Autorität oder eines Schlichters, jedoch außerhalb eines staatlichen Gerichtsverfahrens.

Jüdische Privatscheidung

Im Judentum existiert die klassische Privatscheidung in Form des so genannten Get. Hierbei handelt es sich um eine private Willenserklärung des Mannes unter Mitwirkung von Zeugen, die im Rahmen einer religiösen Instanz vollzogen wird.

Christliche Kontexte

Im Christentum und insbesondere in Ländern mit katholisch geprägtem Rechtsverständnis ist die Privatscheidung grundsätzlich ausgeschlossen, da die Ehe als unauflösliches Sakrament verstanden wird. Lediglich kirchlich organisierte Eheannullierungen kennen wenige Ausnahmen.


Privatscheidung im deutschen Recht

Grundsatz: Unzulässigkeit der Privatscheidung

Nach deutschem Familienrecht ist eine Privatscheidung nicht möglich. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bestimmt in § 1564, dass eine Ehe ausschließlich durch richterlichen Beschluss und nach Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens aufgelöst werden darf. Privatrechtliche oder religiöse Scheidungsakte entfalten im Inland keine rechtlichen Wirkungen hinsichtlich des Personenstands und der zivilrechtlichen Folgen.

Auswirkungen ausländischer Privatscheidungen

Es existiert jedoch die Möglichkeit, ausländische Privatscheidungen nach Maßgabe des deutschen Internationalen Privatrechts (IPR) anzuerkennen. Massgeblich ist hier das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB), insbesondere Art. 17 und Art. 17b EGBGB und das „Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen“ (NamÄndG). Eine Anerkennung setzt voraus, dass die Scheidung im Ausland zulässig sowie wirksam erfolgt ist und dem deutschen ordre public (öffentlichen Ordnung) nicht widerspricht.

Anerkennungsvoraussetzungen:

  • Die Privatscheidung war nach dem Recht des Landes, in dem sie erfolgte, zulässig und wurde ordnungsgemäß durchgeführt.
  • Mindestens einer der Beteiligten hatte zur Zeit der Scheidung seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Staatsangehörigkeit im Land der Durchführung.
  • Die Scheidung darf nicht den deutschen Grundwerten entgegenstehen (ordre-public-Vorbehalt).

In Deutschland ist regelmäßig ein Anerkennungsverfahren notwendig, das von der Landesjustizverwaltung durchgeführt wird (§ 107 FamFG).

Ausländische Religionsscheidungen

Auch reine Religionsscheidungen (z.B. islamische Talaq-Scheidungen außerhalb eines staatlichen Verfahrens) können im Ausnahmefall anerkannt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Heimatstaat die Privatscheidung als wirksam und zivilrechtlich bindend anerkennt und das Verfahren mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar ist.


Privatscheidung im internationalen Vergleich

Europa

In den meisten europäischen Ländern ist die Privatscheidung ausgeschlossen. Scheidungen können ausschließlich durch staatliche Gerichte ausgesprochen werden. Ausnahme bilden hierbei einzelne Staaten oder Gebiete, die religiös geprägten Privatscheidungen unter besonderen Voraussetzungen eine Folgewirkung auf staatlicher Ebene einräumen.

Naher Osten und Afrika

In verschiedenen Staaten Nordafrikas und des Mittleren Ostens sind Privatscheidungen weiterhin Bestandteil des Familienrechts und werden anerkannt, sofern sie nach den dortigen rechtlichen Maßgaben abgewickelt werden.

Asien

In Teilen Asiens (z.B. Indien, Bangladesch, Indonesien) bestehen vielfältige Regelungen, je nach Religionszugehörigkeit der Ehegatten. So werden in einigen Ländern Privatscheidungen anerkannt, sofern sie vor einer religiösen Instanz erfolgen und bestimmten Formalien genügen.


Rechtsfolgen der Privatscheidung

Zivilrechtliche Wirksamkeit

Eine Privatscheidung kann im jeweiligen Rechtsraum zivilrechtliche Wirksamkeit entfalten, insbesondere hinsichtlich des Personenstands, des Güterrechts, des Sorge- und Umgangsrechts sowie des Unterhaltsrechts.

Anerkennungsproblematik

Internationale Privatscheidungen können in anderen Staaten Anerkennungsschwierigkeiten hervorrufen, insbesondere bei unterschiedlichem Verständnis von Ehescheidung und der Rolle des Staates im Eheauflösungsverfahren. Im europäischen Binnenmarkt ist die Anerkennung aufgrund der europäischen Scheidungsverordnungen geregelt, die Privatscheidungen jedoch nicht ohne weiteres erfassen.


Zusammenfassung

Die Privatscheidung stellt eine familienrechtliche Form der Eheauflösung außerhalb eines staatlichen Gerichtsverfahrens dar, deren rechtliche Akzeptanz stark von der jeweils geltenden Rechtsordnung und Ordnungsvorstellungen abhängt. Während in Deutschland und den meisten westlichen Staaten die gerichtliche Scheidung zwingend ist, bestehen in verschiedenen Kulturkreisen weiterhin Möglichkeiten einer rechtsverbindlichen Privatscheidung. Die Anerkennbarkeit solcher Privatscheidungen in Deutschland und im europäischen Rechtsraum ist an strenge rechtliche Voraussetzungen gebunden und Gegenstand umfangreicher rechtlicher Regelungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für eine Privatscheidung juristisch erfüllt sein?

Für eine Privatscheidung, auch als außergerichtliche Scheidung bezeichnet, sind bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen notwendig, die den Gang vor ein staatliches Gericht entbehrlich machen. Zentrale Voraussetzung ist, dass die jeweilige Rechtsordnung die Möglichkeit der Privatscheidung anerkennt, was im deutschen Recht grundsätzlich nicht der Fall ist. In einigen anderen Rechtssystemen, beispielsweise im islamischen Recht, kann eine Ehe durch beiderseitige Übereinkunft oder einseitige Erklärung vor religiösen Autoritäten oder Gemeindevertretern geschieden werden. Dabei müssen in der Regel beide Ehegatten zustimmen und die Scheidungsvereinbarung in Anwesenheit von Zeugen oder einem bevollmächtigten Vertreter – z.B. eines Kadi oder Geistlichen – erklären. Zudem müssen existierende gesetzliche Vorschriften zum Unterhalt, Sorgerecht etwaiger gemeinsamer Kinder sowie zur Vermögensaufteilung beachtet werden und dürfen einer Privatscheidung nicht entgegenstehen. In Staaten mit Anerkennung der Privatscheidung besteht häufig Meldepflicht gegenüber den staatlichen Behörden, damit eine Scheidungsurkunde oder entsprechende Registereinträge vorgenommen werden können. Bei Verstößen gegen diese Formalitäten ist die Wirksamkeit der Privatscheidung in Frage gestellt.

Wie wirkt sich eine Privatscheidung auf das Güterrecht aus?

Die güterrechtlichen Konsequenzen einer Privatscheidung hängen maßgeblich von der jeweiligen Rechtsordnung und den vertraglichen Vereinbarungen der Eheleute ab. In den meisten Fällen kommt es nach einer Privatscheidung zu einer güterrechtlichen Auseinandersetzung, bei der gemeinsames Vermögen entsprechend den in der Scheidungsvereinbarung festgelegten Bedingungen aufgeteilt wird. Wenn keine Vereinbarungen getroffen wurden, gelten die gesetzlichen Regelungen des jeweiligen Güterstandes, etwa Zugewinngemeinschaft oder Gütertrennung. Besonders problematisch ist, dass staatliche Gerichte und Behörden eine im Ausland privat geschlossene Scheidungsvereinbarung nicht immer anerkennen und Vollstreckungsschwierigkeiten auftreten können – insbesondere, wenn Immobilien, Bankguthaben oder andere Vermögenswerte im Inland betroffen sind. In der Praxis empfiehlt es sich daher, güterrechtliche Fragen im Rahmen der Privatscheidung detailliert zu regeln und die Vereinbarungen möglichst notariell beurkunden zu lassen.

Welche rechtlichen Risiken bestehen bei einer Privatscheidung für Unterhaltsansprüche?

Im Kontext der Privatscheidung sind Unterhaltsansprüche ein besonders sensibles Thema, da die staatlichen Kontrollmechanismen, die bei einer gerichtlichen Scheidung bestehen, hier in aller Regel entfallen. Die Parteien können eigenständig Unterhaltsregelungen treffen, doch besteht dabei das Risiko, dass eine Partei benachteiligt wird oder unzureichend abgesichert bleibt. In manchen Fällen ist es möglich, Unterhaltsverzicht zu vereinbaren, was allerdings im nationalen Recht – etwa in Deutschland – der gerichtlichen Kontrolle unterliegen würde (z. B. § 1614 BGB). Wird diese Regelung im Ausland privat vereinbart, ist die spätere gerichtliche Durchsetzung erschwert, wenn die privatrechtliche Scheidungsvereinbarung vom zuständigen Gericht nicht oder nur eingeschränkt anerkannt wird. Feinheiten hinsichtlich Kindesunterhalt, Ehegattenunterhalt und deren Dauer, Höhe sowie Abänderungsmöglichkeiten sollten daher im Voraus detailliert geregelt werden, idealerweise unter Hinzuziehung von juristischer Beratung.

Wann wird eine Privatscheidung in Deutschland bzw. der EU anerkannt?

Die Anerkennung einer im Ausland vorgenommenen Privatscheidung in Deutschland und anderen EU-Ländern ist gesetzlich streng geregelt. Nach § 107 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) wird eine ausländische Scheidung grundsätzlich nur anerkannt, wenn sie durch ein staatliches Gericht oder eine staatliche Stelle ausgesprochen wurde. Privatscheidungen, die etwa vor religiösen Autoritäten oder ausschließlich von den Ehegatten vereinbart wurden, werden in Deutschland in der Regel nicht als rechtswirksam anerkannt. In wenigen Ausnahmefällen, wenn z. B. ein substantielles Verfahren und staatliche Beteiligung nachgewiesen werden kann, kann eine Anerkennung erfolgen, bedarf aber eines speziellen Anerkennungsverfahrens. Dies dient dem Schutz der Beteiligten sowie der Sicherstellung, dass Mindeststandards insbesondere beim Kindeswohl und der Gleichberechtigung gewahrt werden.

Inwiefern unterscheidet sich die Privatscheidung von der Mediation oder Schlichtung?

Während bei der Privatscheidung die rechtsverbindliche Auflösung der Ehe außerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit erfolgt, handelt es sich bei Mediation und Schlichtung um konsensuale Verfahren zur Konfliktlösung, die meist als vorbereitende Maßnahme genutzt werden. Die Mediation dient der gemeinsamen Erarbeitung von Lösungen in Trennungs- und Scheidungsfolgenfragen, führt jedoch nicht selbst zur Beendigung der Ehe. Die Ergebnisse einer erfolgten Mediation oder Schlichtung können zwar einer Privatscheidungsvereinbarung zugrunde liegen, ersetzen jedoch keine staatliche Scheidungserklärung. Juristisch entscheidend ist, dass erst durch die Privatscheidung (sofern anerkannt) die Ehe rechtswirksam aufgehoben wird – außer in Ländern, in denen Mediationsergebnisse automatischen Rechtsstatus haben, was im europäischen Rechtsraum eher untypisch ist.

Welche Dokumente und Nachweise sind bei einer Privatscheidung erforderlich?

Je nach Rechtssystem sind bei einer Privatscheidung verschiedene Dokumente und Nachweise erforderlich. Üblicherweise benötigen die Ehegatten ihre Heiratsurkunde, Nachweise über die Identität (z. B. Reisepässe oder Personalausweise) sowie eventuell Geburtsurkunden der Kinder. Für die Erfüllung der formalen Anforderungen müssen die Vereinbarungen schriftlich fixiert und von allen beteiligten Parteien (inklusive Zeugen oder religiösen Autoritäten) unterzeichnet werden. In einigen Staaten sind weitere Dokumente wie Zeugenaussagen, Bestätigungen religiöser Würdenträger oder notarielle Beurkundungen erforderlich. Bei späterer Anerkennung im Ausland sind zudem beglaubigte Übersetzungen sowie gegebenenfalls Legalisationen oder Apostillen notwendig, um die internationale Wirksamkeit der Privatscheidung sicherzustellen.

Welche Auswirkungen hat eine Privatscheidung auf das Sorgerecht gemeinsamer Kinder?

Im Rahmen einer Privatscheidung regeln die Eltern das Sorgerecht in der Regel einvernehmlich, jedoch ohne die Einbindung von Familiengerichten. Dies birgt das Risiko, dass das Kindeswohl nicht ausreichend geprüft wird. In Ländern, in denen Privatscheidungen zulässig sind, gibt es teilweise Vorgaben zum Schutz minderjähriger Kinder, etwa durch Einbindung von Jugendämtern oder obligatorische Anhörungen. Im internationalen Kontext ist zu beachten, dass deutsche Gerichte und Behörden Sorgerechtsregelungen aus Privatscheidungen meist nicht anerkennen und eigenständige Entscheidungen nach deutschem Recht treffen können, wenn das Kindeswohl gefährdet erscheint oder einer Partei in Deutschland Rechte zustehen. In EU-Mitgliedstaaten gilt das Haager Kinderschutzübereinkommen und die Brüssel IIb-Verordnung, welche die vorrangige Prüfung des Kindeswohls sicherstellen sollen.