Begriff und Bedeutung des Pflichtteilsrestanspruchs
Der Pflichtteilsrestanspruch ist ein zentrales Element im deutschen Erbrecht. Er entsteht immer dann, wenn ein Pflichtteilsberechtigter im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen (z. B. durch ein Testament oder einen Erbvertrag) weniger erhält, als ihm nach deutschem Recht als Pflichtteil zusteht. Der Pflichtteilsrestanspruch richtet sich auf den Ausgleich der Differenz zwischen dem erhaltenen Betrag und dem gesetzlichen Pflichtteilsanspruch.
Definition und gesetzliche Grundlage
Der Pflichtteilsrestanspruch ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Grundlage ist § 2305 BGB, welcher sich mit der Vor- und Nacherbschaft befasst, sowie § 2307 BGB, der insbesondere das Verhältnis von Vermächtnis und Pflichtteilsansprüchen regelt. Im allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter dem Pflichtteilsrestanspruch den Anspruch einer durch letztwillige Verfügung begünstigten pflichtteilsberechtigten Person, die jedoch weniger erhält, als ihr Pflichtteil beträgt.
Gesetzestext, § 2305 BGB:
Erhält ein Pflichtteilsberechtigter durch Verfügung von Todes wegen nur einen Anteil oder Gegenstand am Nachlass, dessen Wert geringer ist als der Pflichtteilsanspruch, kann dieser den fehlenden Rest als Pflichtteilsrestanspruch gegenüber den Erben geltend machen.
Abgrenzung zum Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsergänzungsanspruch
Der Pflichtteilsrestanspruch grenzt sich klar zum „klassischen“ Pflichtteilsanspruch nach §§ 2303 ff. BGB sowie zum Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) ab:
- Pflichtteilsanspruch: Entsteht, wenn ein Pflichtteilsberechtigter enterbt oder durch Testament weniger als den Pflichtteil erhält
- Pflichtteilsrestanspruch: Kommt zur Anwendung, wenn der Berechtigte durch Verfügung weniger erhält als seinen Pflichtteil, der erhaltene Teil jedoch angerechnet wird
- Pflichtteilsergänzungsanspruch: Dient zum Ausgleich für Schenkungen des Erblassers, die den Nachlasswert verringern
Der Pflichtteilsrestanspruch ist also eine Sonderform, die sich aus einer Kombination von testamentarischen Verfügungen und Pflichtteilserhaltungen ergibt.
Entstehung und Voraussetzungen des Pflichtteilsrestanspruchs
Voraussetzung: Pflichtteilsberechtigung
Der Anspruch setzt voraus, dass der jeweilige Empfänger grundsätzlich pflichtteilsberechtigt ist. Pflichtteilsberechtigt sind gemäß § 2303 BGB:
- Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkelkinder)
- Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner
- Eltern, sofern keine Abkömmlinge vorhanden
Geltendmachung und Berechnung
Entscheidend für die Entstehung des Pflichtteilsrestanspruchs ist, dass der Pflichtteilsberechtigte im Rahmen der letztwilligen Verfügung zwar begünstigt wurde, die Zuwendung aber den Wert des Pflichtteilsanspruchs nicht erreicht. Der Anspruch entsteht auf den (differenzierten) Geldbetrag, der zur Auffüllung auf den Pflichtteil fehlt.
Beispiel
Hat ein Pflichtteilsberechtigter nach der gesetzlichen Erbquote einen Anspruch auf 50.000 €, erhält er aber nur ein Vermächtnis im Wert von 20.000 €, steht ihm ein Pflichtteilsrestanspruch in Höhe von 30.000 € gegenüber dem Nachlass zu.
Rechtsfolge: Anspruch auf Geldzahlung
Der Pflichtteilsrestanspruch ist – wie der klassische Pflichtteilsanspruch – ein reiner Geldanspruch gegen die Erben (§ 2305 Satz 2 BGB). Es wird kein Anspruch auf Übertragung von Sachwerten oder einzelnen Nachlassgegenständen begründet, sondern ausschließlich auf Zahlung des Differenzbetrags in Geld.
Verjährung des Anspruchs
Die Verjährung des Pflichtteilsrestanspruchs richtet sich nach § 2332 BGB:
- Der Anspruch verjährt in drei Jahren,
- Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Erbfall und der beeinträchtigenden Verfügung erlangt hat.
Besonderheiten und Abgrenzungen in der Praxis
Mischverhältnisse: Zuwendung durch Vermächtnis oder Erbeinsetzung
Häufig erhält der Pflichtteilsberechtigte einen (Miterben-)Anteil oder ein Vermächtnis, das wertmäßig unter dem Pflichtteil liegt. In diesem Fall kann er den Differenzbetrag verlangen. Er erhält jedoch nicht den vollen Pflichtteil zusätzlich, sondern nur die Differenz zwischen dem Pflichtteil und dem bereits zugewendeten Wert.
Pflichtteilsrestanspruch und Vorausvermächtnis
Wird einem Pflichtteilsberechtigten ein sogenanntes Vorausvermächtnis hinterlassen, das weniger wert ist als der Pflichtteil, so darf das Vorausvermächtnis auf den Pflichtteil angerechnet werden. Der Pflichtteilsrestanspruch sichert, dass der Berechtigte seinen gesamten Pflichtteilsbetrag erhält.
Pflichtteilsrestanspruch bei mehrfachen Erben
Ist der Berechtigte als Miterbe eingesetzt und entspricht sein Anteil am Nachlass dem Pflichtteil nicht, entsteht ebenfalls ein Pflichtteilsrestanspruch auf den Differenzbetrag.
Geltendmachung und Durchsetzung
Außergerichtliche Geltendmachung
Vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung wird der Anspruch in der Regel außergerichtlich geltend gemacht. Dies beinhaltet:
- Aufforderung zur Auskunftserteilung über den Nachlass
- Mitteilung über die Berechnung des Pflichtteilsrestanspruchs
- Zahlungsaufforderung an die Erben
Gerichtliche Durchsetzung
Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht zustande kommen, muss der Pflichtteilsrestanspruch klageweise gegenüber den Erben durchgesetzt werden. Hierbei sind die Anspruchsgrundlagen und die detaillierte Wertermittlung des Nachlasses entscheidend.
Steuerrechtliche Aspekte
Der erhaltene Pflichtteilsrestanspruch unterliegt als Erwerb von Todes wegen grundsätzlich der Erbschaftsteuer. Die Steuerpflicht folgt denselben Regeln, wie sie für den klassischen Pflichtteilsanspruch gelten, insbesondere hinsichtlich Steuerklasse und Freibeträgen.
Zusammenfassung
Der Pflichtteilsrestanspruch stellt einen wichtigen Ausgleichsanspruch im Rahmen des deutschen Erbrechts dar. Er gewährt pflichtteilsberechtigten Personen das Recht, ergänzend zu einer ihnen zugewendeten Erbquote oder einem Vermächtnis den Differenzbetrag zum vollen Pflichtteilsanspruch in Geld zu verlangen. Die Geltendmachung des Pflichtteilsrestanspruchs setzt die Feststellung des Nachlasswerts sowie eine genaue Wertberechnung der bereits erhaltenen Zuwendung voraus und unterliegt einer gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren. Der Anspruch kann sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich durchgesetzt werden und ist steuerpflichtig.
Siehe auch
- Pflichtteilsanspruch
- Pflichtteilsergänzungsanspruch
- §§ 2303 ff. BGB – Pflichtteilsrecht
- Erbrecht in Deutschland
Häufig gestellte Fragen
Wie kann ein Pflichtteilsrestanspruch geltend gemacht werden?
Der Pflichtteilsrestanspruch ist nach deutschem Erbrecht ein Individualanspruch, der nur durch den Pflichtteilsberechtigten selbst bzw. dessen gesetzlichen Vertreter geltend gemacht werden kann. Voraussetzung ist, dass bereits im Rahmen einer früheren Ausschlagung, Enterbung oder freiwilligen Vereinbarung ein Pflichtteil ausbezahlt wurde, der sich jedoch im Nachhinein als zu niedrig herausstellt. Die Geltendmachung erfolgt zunächst außergerichtlich durch ein formloses Schreiben an den bzw. die Erben, in dem der Pflichtteilsberechtigte seinen Restanspruch beziffert und zur Zahlung auffordert. Hierbei ist die genaue Berechnung der Pflichtteilsquote und der darauf entfallenden Differenz zum ursprünglich erhaltenen Pflichtteil entscheidend. Kommt es zu keiner freiwilligen Erfüllung des Anspruchs, steht dem Berechtigten der Klageweg offen; die Klage ist vor dem zuständigen Zivilgericht zu erheben. Es empfiehlt sich, bereits im Vorfeld Auskunft über den Nachlassumfang einzuholen und gegebenenfalls ein Wertgutachten einzureichen, damit der Pflichtteilsrestanspruch substanziiert dargelegt werden kann.
Gegen welche Personen richtet sich ein Pflichtteilsrestanspruch?
Der Pflichtteilsrestanspruch richtet sich regelmäßig gegen die oder den Erben als Gesamtnachfolger des Erblassers und damit als Schuldner des Anspruchs. Falls mehrere Erben vorhanden sind (Erbengemeinschaft), haften sie gesamtschuldnerisch gemäß §§ 2032, 2058 BGB. In Ausnahmefällen, beispielsweise bei Schenkungen oder bestimmten lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers, können auch Beschenkte oder Vermächtnisnehmer als Dritte im Sinne von § 2329 BGB in Anspruch genommen werden, wenn der Pflichtteilsrest aus dem Nachlass nicht mehr vollständig zu befriedigen ist. Insbesondere relevant wird dies, wenn der Erbe mangels liquider Mittel zahlungsunfähig ist oder Nachlassgegenstände bereits weitergegeben wurden.
Welche Fristen sind beim Pflichtteilsrestanspruch zu beachten?
Für den Pflichtteilsrestanspruch gilt die regelmäßige gesetzliche Verjährungsfrist nach § 195 BGB von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von der Enterbung, seiner Stellung als Pflichtteilsberechtigter sowie vom Umfang des Nachlasses und der Person des Erben erlangt hat (§ 199 BGB). Wird innerhalb dieser Frist keine gerichtliche Geltendmachung oder eine Hemmungs- bzw. Unterbrechungshandlung (wie z. B. Güteantrag, Verhandlungen) ergriffen, erlischt der Anspruch endgültig. Besonders wichtig ist, dass die Frist nicht automatisch mit dem Todesfall beginnt, sondern mit den genannten Kenntnissen des Anspruchsberechtigten.
Welche Nachweise sind erforderlich, um den Pflichtteilsrestanspruch durchzusetzen?
Um einen Pflichtteilsrestanspruch effektiv durchzusetzen, benötigt der Berechtigte verschiedene Nachweise und Unterlagen. Dazu gehören in der Regel der Erbschein oder eine notarielle Abschrift des Testaments zur Feststellung der Erbenstellung, Unterlagen zum Nachlassbestand (Nachlassverzeichnis, Bankauskünfte, Immobilienbewertungen), Nachweise über bereits ausgezahlte Pflichtteile (Zahlungsbelege, Quittungen) sowie ggf. Wertermittlungsunterlagen und Schätzgutachten. Daneben kann es erforderlich sein, Auskünfte zu lebzeitigen Zuwendungen zu verlangen und Nachweise über den tatsächlichen Nachlasswert beizubringen, dies vor allem, wenn über die Höhe oder Zusammensetzung der Pflichtteilsquote Streit besteht.
Welche Auswirkung haben Nachlassschulden auf den Pflichtteilsrestanspruch?
Nachlassschulden mindern den auszahlbaren Pflichtteilsrestanspruch, da sie vom Bruttonachlass vorab abgezogen werden müssen. Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen primär die Erbfallschulden wie Beerdigungskosten, Erbfallschulden und etwaige Vermächtnisse, aber auch Passiva aus fortbestehenden Verträgen und offene Steuerschulden. Der Pflichtteilsrestanspruch berechnet sich also aus dem Nettonachlass, das heißt nach Abzug aller Nachlassschulden. Pflichtteilsberechtigte haben ein Auskunftsrecht gegenüber dem Erben, um die Zusammensetzung und Höhe dieser Schulden nachvollziehen zu können. Besteht über einzelne Verbindlichkeiten Uneinigkeit, kann dies zu Verzögerungen oder gerichtlichen Auseinandersetzungen bei der Pflichtteilsrestberechnung führen.
Wie wird die Höhe des Pflichtteilsrestanspruchs ermittelt?
Die Höhe des Pflichtteilsrestanspruchs wird differenzierend berechnet: Zunächst ist die Pflichtteilsquote des Berechtigten nach gesetzlicher Erbfolge zu ermitteln (in der Regel die Hälfte des gesetzlichen Erbteils). Anschließend ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls festzustellen. Bereits erfolgte Pflichtteilszahlungen werden hierbei berücksichtigt und abgezogen. Ergibt sich nach abschließender Wertermittlung ein Wert, der über dem bereits ausbezahlten Pflichtteil liegt, entsteht ein Anspruch auf Auszahlung der Differenz, also des „Restes“. Berücksichtigt werden müssen zudem etwaige Schenkungen des Erblassers und der sogenannte fiktive Nachlasswert, sofern diese in die Pflichtteilsberechnung einzubeziehen sind.
Ist der Pflichtteilsrestanspruch übertragbar oder vererbbar?
Der Pflichtteilsrestanspruch ist als Vermögensrecht grundsätzlich vererblich und übertragbar. Das bedeutet, dass auch die Erben eines Pflichtteilsberechtigten einen noch nicht erfüllten Pflichtteilsrestanspruch geltend machen können. Eine Abtretung (Zession) an Dritte ist ebenso möglich, zum Beispiel im Rahmen eines Forderungsverkaufs. Dabei gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen, insbesondere zu Form und Anzeige der Abtretung nach §§ 398 ff. BGB. Der neue Anspruchssteller hat dann die gleichen Rechte und Pflichten hinsichtlich Nachweisführung und Geltendmachung wie der ursprüngliche Berechtigte.