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Personenfernverkehr


Personenfernverkehr – Rechtliche Definition und Rahmenbedingungen

Begriff und Abgrenzung des Personenfernverkehrs

Der Personenfernverkehr bezeichnet im deutschen Verkehrsrecht die Beförderung von Personen über längere Distanzen, in der Regel mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Eisenbahnen, Fernbussen oder sonstigen Verkehrsmittel, bei denen die Fahrt eine vom Gesetzgeber definierte Mindestentfernung überschreitet. Im Gegensatz dazu steht der Personennahverkehr, der kürzere innerörtliche oder regionale Verbindungen umfasst. Die Abgrenzung zwischen Fern- und Nahverkehr folgt verschiedenen rechtlichen Kriterien und ist für zahlreiche gesetzliche Regelungen von erheblicher Bedeutung.

Rechtliche Begriffsbestimmung

Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) bilden die zentralen Rechtsgrundlagen zur Definition des Personenfernverkehrs. Insbesondere § 8 Abs. 4 PBefG differenziert zwischen Nah- und Fernverkehr anhand von Tarifgrenzen. Nach dieser Regelung ist Personenfernverkehr jede Verkehrsleistung, die über den Nahverkehrsbereich hinausgeht. Für Schienenpersonennahverkehr wird gemäß § 2 Abs. 7 AEG auf eine Entfernung von 50 Kilometern für Eisenbahnen oder einer Fahrzeit von einer Stunde abgestellt. Der Personenfernverkehr setzt somit jenseits dieser Grenzen an.

Gesetzliche Grundlagen des Personenfernverkehrs

Personenbeförderungsgesetz (PBefG)

Das PBefG regelt umfassend die Rechte, Pflichten und Betriebsvoraussetzungen für Anbieter von Personenfernverkehrsdiensten mit Kraftfahrzeugen (insbesondere Fernbusse). Für Fernbuslinien ist die Genehmigungspflicht nach § 42a PBefG einschlägig. Demnach ist für den Betrieb einer Fernbuslinie eine eigenständige Konzession erforderlich, wobei Genehmigungsbehörden umfangreiche Prüfrechte hinsichtlich des Schutzes bestehender Nahverkehrsangebote und der Verkehrssicherheit haben.

Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)

Das AEG regelt die Grundsätze für den Eisenbahnverkehr, wobei der Personenfernverkehr im Schienenbereich in Abgrenzung zum Nahverkehr zu behandeln ist. Für Verkehrsunternehmen im Schienenpersonenfernverkehr gelten andere betriebliche, genehmigungsrechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen als für den Schienenpersonennahverkehr, etwa hinsichtlich der Förderung, Beihilfen und der Vergabe öffentlicher Verkehrsleistungen.

EU-Rechtsrahmen

Im Kontext der Europäischen Union unterliegt der Personenfernverkehr unter anderem der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr. Diese Regelwerke harmonisieren die Rechte von Fahrgästen, Wettbewerbsbedingungen und Beihilferegelungen unionsweit.

Genehmigungs- und Betriebspflichten

Konzessionspflicht und Auswahlverfahren

Für den Betrieb von Personenfernverkehrsleistungen bestehen umfangreiche Genehmigungserfordernisse. Nach § 42a PBefG ist für jede Fernbuslinie eine eigenständige Verkehrsgenehmigung zu beantragen. Im Schienenpersonenfernverkehr ist eine Netzbenutzungsberechtigung sowie gegebenenfalls eine Sicherheitsbescheinigung gemäß AEG und Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG) erforderlich. Die Genehmigungsbehörden prüfen insbesondere die Erfüllung der Sicherheitsauflagen, die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Unternehmen sowie die Sicherstellung der Fahrgastrechte.

Pflichten der Anbieter

Betreiber von Personenfernverkehrsdiensten sind an eine Vielzahl von gesetzlichen Pflichten gebunden. Hierzu zählen unter anderem:

  • Beförderungspflicht: Anbieter müssen, soweit betriebliche oder gesetzliche Gründe nicht entgegenstehen, Beförderungsleistungen diskriminierungsfrei erbringen.
  • Fahrgastrechte: Umfassende Informations-, Hilfs- und Entschädigungspflichten gegenüber den Reisenden, insbesondere bei Verspätungen, Zugausfällen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität (§ 17 PBefG, Art. 16 ff. Verordnung (EU) 181/2011).
  • Tarifpflichten: Transparente und diskriminierungsfreie Tarifgestaltung ohne unzulässige Benachteiligung einzelner Nutzergruppen.

Verhältnis zu öffentlichen Beihilfen und Finanzierung

Im Unterschied zum Personennahverkehr, der vielfach durch öffentliche Bestellermittel finanziert wird, ist der Personenfernverkehr in Deutschland im Grundsatz eigenwirtschaftlich zu betreiben. Öffentliche Finanzierungen, wie Zuschüsse für den Betrieb oder Investitionszuschüsse, sind im Fernverkehr nach § 8 Absatz 4 PBefG grundsätzlich ausgeschlossen. Ausnahmen bestehen nur in besonders begründeten Fällen und im Rahmen europarechtlicher Vorgaben, etwa zur Gewährleistung der Anbindung strukturschwacher Regionen.

Fahrgastrechte im Personenfernverkehr

Die Rechte von Reisenden im Personenfernverkehr sind durch verschiedene Rechtsinstrumente geschützt. Maßgeblich sind im Schienenbereich insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr sowie im Fernbusbereich die Verordnung (EU) Nr. 181/2011. Diese sehen folgende wesentliche Rechte vor:

  • Entschädigungsansprüche bei Verspätungen, Ausfällen oder Reiseabbrüchen
  • Informationspflichten über Rechte, Verspätungen sowie alternative Reiseangebote
  • Ansprüche auf Unterstützung im Falle von Pannen oder Notfällen
  • Barrierefreiheit und damit zusammenhängende Hilfsleistungen für Menschen mit Behinderung

Wettbewerbsrechtliche Aspekte

Der Marktzugang zum Personenfernverkehr unterliegt wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen. Dienstleister dürfen nicht ohne sachlichen Grund vom Markt ausgeschlossen werden, Wettbewerbsbehinderungen sind unzulässig (Art. 101, 102 AEUV; GWB). Die Liberalisierung des Fernbusmarktes seit 2013 hat den Wettbewerb insbesondere im Fernbusverkehr erheblich geöffnet und zum Markteintritt neuer Anbieter geführt. Im Schienenpersonenfernverkehr ist das Monopol der Deutschen Bahn AG durch das sogenannte „Eisenbahnregulierungsgesetz“ und die marktregulierenden Befugnisse der Bundesnetzagentur gelockert worden, wobei Dritte diskriminierungsfrei Zugang zur Schieneninfrastruktur erhalten müssen.

Haftungsregelungen im Personenfernverkehr

Im Fernverkehr gelten spezifische Haftungsvorschriften. Im Schienenbereich ist die Haftung bei Unfällen, Sachschäden oder Gepäckverlusten vorrangig im Eisenbahnverkehrs-Ordnungsgesetz (EVO) sowie europäischen Verordnungen geregelt. Für Fernbusse greifen entsprechende Regelungen aus dem PBefG sowie zivilrechtliche Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Zukunft und Entwicklung des Personenfernverkehrs

Mit Blick auf die Verkehrswende und europäische Klimaziele gewinnt der Personenfernverkehr weiter an Bedeutung. Gesetzgeberische Initiativen fokussieren die Dekarbonisierung der Fernverkehre und die Förderung nachhaltiger Mobilitätsangebote, insbesondere im Bereich der Bahn. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden dabei kontinuierlich angepasst, um die Wettbewerbsfähigkeit, den Verbraucherschutz und die Erreichung umweltpolitischer Ziele zu gewährleisten.


Fazit:
Der Personenfernverkehr ist ein rechtlich klar umrissener Verkehrszweig, dessen Organisation, Betrieb und Finanzierung weitgehend eigenwirtschaftlich ausgestaltet sind. Die Abgrenzung zum Nahverkehr, die umfassenden Genehmigungsvoraussetzungen, die umfangreichen Fahrgastrechte sowie die Regulierungsanforderungen im Sinne eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs prägen die rechtliche Systematik. Nationale und europäische Rechtsnormen sorgen für eine kontinuierliche Fortentwicklung dieses zukunftsweisenden Verkehrszweiges.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte haben Fahrgäste bei Zugverspätungen oder Zugausfällen im Personenfernverkehr?

Fahrgäste im Personenfernverkehr sind durch die europäische Fahrgastrechte-Verordnung (EG-Verordnung Nr. 1371/2007) sowie nationale Gesetze, insbesondere das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG), umfassend geschützt. Bei Verspätungen ab 60 Minuten am Zielort haben Reisende Anspruch auf eine anteilige Erstattung des Fahrpreises: Bei einer Verspätung von mindestens 60 Minuten 25 %, ab 120 Minuten 50 %. Dies gilt auch, wenn mehrere Züge genutzt werden und einer davon verspätet ist. Zudem besteht in der Regel Anspruch auf Betreuungsleistungen, wie zum Beispiel unentgeltliche Mahlzeiten oder Erfrischungen, sofern diese im Verhältnis zur Wartezeit stehen. Wird die Reise wegen Verspätung sinnlos oder ist abzusehen, dass die Verspätung am Zielort mehr als 60 Minuten betragen wird, kann der Reisende vom Vertrag zurücktreten und erhält den Fahrpreis für nicht genutzte Streckenabschnitte zurück. Darüber hinaus müssen Bahnunternehmen bei längeren Verspätungen und bestimmten Konstellationen Übernachtungskosten übernehmen, falls eine Weiterreise am selben Tag nicht mehr möglich ist. Schadensersatz für weitergehende Schäden, wie etwa Verdienstausfall, ist nach deutschem Recht grundsätzlich ausgeschlossen, sofern kein Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt.

Welche Regeln gelten für die Mitnahme von Fahrrädern im Personenfernverkehr?

Die Mitnahme von Fahrrädern im Personenfernverkehr ist rechtlich in den Beförderungsbedingungen der jeweiligen Eisenbahnunternehmen geregelt und erfolgt meist unter dem Vorbehalt freier Kapazitäten sowie nach Erwerb eines Fahrradtickets. Im internationalen Recht existieren keine ausdrücklichen Fahrradmitnahmepflichten, sodass sich auch aus der EG-Verordnung Nr. 1371/2007 keine weitergehenden Ansprüche ergeben. National verpflichtet das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) die Unternehmen lediglich zu einer klaren Darstellung der Mitnahmeregelungen, verpflichtet diese aber nicht generell zur Mitnahme. Im Streitfall sind die AGB und Beförderungsbedingungen maßgeblich. Unternehmen sind berechtigt, die Kapazität, Art der Beförderung und gegebenenfalls eine Reservierungspflicht zu regeln. Ausgeschlossen ist die Fahrradmitnahme aus Sicherheitsgründen, wenn die Transporteinrichtung dafür nicht ausgelegt ist.

Wie ist die Haftung der Eisenbahnunternehmen bei Gepäckverlust oder -beschädigung geregelt?

Im Personenfernverkehr haften Eisenbahnunternehmen für den Verlust oder die Beschädigung von Gepäck, das unter ihrer Obhut steht, etwa in Gepäckwagen oder im Rahmen einer Gepäckaufgabe. Rechtsgrundlage sind sowohl die CIV-Bestimmungen (Internationale Übereinkommen über den Eisenbahnpersonenverkehr) als auch das deutsche Eisenbahnverkehrsrecht. Die Haftung ist grundsätzlich summenmäßig begrenzt (aktuell auf ca. 1.300 Sonderziehungsrechte pro Gepäckstück) und umfasst nicht Handgepäck, das der Reisende selbst beaufsichtigt. Ansprüche müssen innerhalb festgelegter Fristen, meist sieben Tage nach Erhalt oder nach Verlustmeldung, schriftlich geltend gemacht werden. Eine Haftungsausschlussklausel besteht bei eigenem Verschulden des Fahrgastes, Höherer Gewalt oder unzureichender Kennzeichnung des Gepäcks.

Welche Regelungen gelten zur Barrierefreiheit im Personenfernverkehr?

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sowie die entsprechende Verordnung (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung – BITV) verpflichten Verkehrsbetriebe im Personenfernverkehr zu umfassenden Maßnahmen zur Barrierefreiheit. Im europäischen Kontext fordert die VO (EU) 2021/782, dass Menschen mit Behinderungen ohne Aufpreis die gleichen Reisemöglichkeiten erhalten müssen. Das umfasst insbesondere Hinweispflichten, Unterstützungsangebote am Bahnhof, Hilfe beim Ein- und Aussteigen und barrierefreie Gestaltung von Fahrzeugen und Bahnhöfen, soweit technisch und organisatorisch möglich. Rechtlich besteht ein Anspruch auf notwendige Hilfestellungen, sofern diese 24 Stunden vor Reiseantritt angemeldet werden. Bei Verstößen können betroffene Personen Beschwerde bei der Eisenbahnaufsichtsbehörde oder dem Eisenbahnbundesamt einreichen.

Was sind die rechtlichen Grundlagen für die Preissetzung im Personenfernverkehr?

Die Preissetzung ist im Personenfernverkehr grundsätzlich freigestellt und unterliegt dem Wettbewerbsrecht. Eisenbahnverkehrsunternehmen können die Fahrpreise im Rahmen ihrer Marktstrategie autonom festlegen, wobei jedoch kartellrechtliche Grenzen zu beachten sind (Missbrauch marktbeherrschender Stellung nach § 19 GWB). Öffentliche Regulierungsbehörden überwachen gegebenenfalls die Preisgestaltung, wenn es sich um gemeinwirtschaftliche Leistungen (z. B. Pflicht zur Bedienung bestimmter Strecken mit Verkehrsdienstverträgen) handelt. Gegen missbräuchlich überhöhte Preise können Fahrgäste sich bei der Bundesnetzagentur beschweren. Preistransparenzpflichten bestehen nach § 39 AEG; Änderungen der Tarife müssen angekündigt und veröffentlicht werden, überraschende Preiserhöhungen sind unzulässig.

Unter welchen Bedingungen kann ein Beförderungsvertrag im Personenfernverkehr gekündigt oder umgebucht werden?

Ein Beförderungsvertrag kann aus rechtlicher Sicht vom Fahrgast unter bestimmten Voraussetzungen storniert oder umgebucht werden. Die genauen Bedingungen bestimmen die Tarifbestimmungen des jeweiligen Eisenbahnunternehmens. Allgemein gilt: Ist der Beförderungsvertrag widerruflich (Flexpreisprodukte), kann die Fahrkarte meist vor Antritt der Reise gegen Gebühr oder mit Wertverlust storniert werden. Ermäßigte Tickets (Sparpreise, Sonderkontingente) sind oft von Umtausch und Erstattung ausgeschlossen oder nur eingeschränkt stornierbar, was in den jeweiligen Geschäftsbedingungen geregelt ist (§ 305 ff. BGB). Im Falle erheblicher Änderungen der Leistung (z. B. Zugausfall, wesentliche Fahrplanänderungen) besteht unabhängig davon ein gesetzliches Sonderkündigungsrecht, das dem Kunden eine volle Erstattung des Ticketpreises ohne Abzüge ermöglicht.

Wie werden Streitigkeiten zwischen Kunden und Eisenbahnunternehmen im Personenfernverkehr rechtlich geklärt?

Im Streitfall sind zunächst außergerichtliche Schlichtungsstellen anzurufen, insbesondere die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (söp), die als anerkannte Verbraucherschlichtungsstelle in Deutschland tätig ist. Rechtsgrundlagen sind das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) sowie Art. 28 der EG-Verordnung Nr. 1371/2007. Erst wenn eine Einigung nicht erzielt wird, können Ansprüche durch ordentliche Gerichte geltend gemacht werden. Zuständig sind im Streitfall die Amts- beziehungsweise Landgerichte am Sitz des Eisenbahnunternehmens oder am Wohnort des Fahrgastes. Rechtsstreitigkeiten unterliegen der Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 195 BGB, gerechnet ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Besondere Schlichtungs- und Beschwerdeverfahren kommen bei Diskriminierung oder Verstößen gegen die Barrierefreiheit zur Anwendung.